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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000523022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-23
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
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Abend-Aitsgabe Druck rmd Verlag vo» L Polz ta Leipzig Jahrgang 2«v Mittwoch den 23. Mai 1900. «eia Fettillatsn 171 Es 1800 ISO 2000 «SSO 2SOO Die Morgen-Ausgabr erscheint um '/«? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. 121,40 70,10 91,75 218,75 2800 12300 Islor. k>eeik. tr.Id. aast Illioo delu» Msn rUsid >r « ioa den ! °.0V. 10). 2075 4200 2500 2SS0 4000 14700 8600 16300 «700 4925 775 2175 4250 1100 2525 3000 4100 16150 1550 3000 1825 Ho 2100 8850 200 23200 12S0 4900 2950 60 15000 725 4900 1175 4100 1425 248.50 120.50 2 8 - »94<- 215.25 227,60 236.25 128.50 124,75 14«,75 Lcdlusz a.Lsssa/Lndr adr". ick vsrdotsa.) ?rub. p!Iktr »lüke mxep ik-^. 1811 dlscd selkd. iri-acl .lkeU V.-L. aeeet mets I 8 r. ovele sr«. »llkl». <to. 112,60 138- 138.25 157.90 138.75 1«9,75 147.30 163 — 125,2 i, 201.90 101.25 111,— 211.50 198,— 166,— 216,20 201.50 165.- 269,— 152.25 237,00 764. - 212.50 174,— 161.50 114.75 73,50 171 — 83,— 212,— 149.90 251, - 84,40 83,95 215.50 212,95 215.75 84,55 216.30 »S.40 83,60 92,- 99.90 100.— 91,75 57,40 103,10 66.90 88,50 16,29 saßen sie auf ihren Thronen mitten im grünen Fruchtland in tiefer Einsamkeit, die Steinbilder Amenophis' HI., die Mem- nonssäulen der Griechen. Der Tempel und die Pylonen, die sie einst geschmückt, waren längst dahin. Schon zu den Zeiten Alcxander's waren nur noch in die Erde gesunkene Trümmerreste davon übrig gewesen. Um so poetischer wirkten diese hoch ragenden Kolosse in ihrer Jsolirung. Was sie aber zu einem Wunder der Welt gemacht, das Griechen und Römer von den Enden ihrer Reiche zu bestaunen herbeieilten, war das leise Tönen und Klingen, mit dem die eine Statue den Aufgang der Sonne zu begrüßen pflegte. Noch jetzt bezeugen zahlreiche in den Sand stein gegrabene Inschriften aus jenen Zeiten die Wahrheit der merkwürdigen Erscheinung, die die Phantasie der Griechen be flügelte und Stoff für anmuthige Sagen gab. Das egyptische Wort mennn, das einfach Denkmal bedeutet, dichteten sic in Memnon um. Dieser war ein Heros und Bundesgenosse des Priamos gewesen und von Achill getödtet worden. Und die Mythe flocht ihre Kränze um die Königsbilder. Der gefallene Held stand dort als Steinbild und begrüßte seine Mutter Eos mit süßem Klageton. Die Göttin vernahm ihres Sohnes Stimme und weinte Thränen, den Thau des Morgens, auf ihr geliebtes Kind hernieder. Memnon ward zu einem Aethiopier, und alle die von den Egyptern „menvii" genannten Tempel wurden den Hellenen zu Prachtbauten des Memnon, die sie darum Memnonien tauften. Das wunderbare Singen und Klingen der Statue hatte leider ein Ende, als der Kaiser Sep- timius Severus den oberen Theil derselben wieder Herstellen ließ. Vermuthet man doch, daß die dem Klang einer Aeolsharfe gleichenden Töne von der geneigten, vom Thau der Nacht be feuchteten Bruchfläche deS Kolosses ausgingen, der durch ein Erdbeben gespaltet war. Traf dann die Sonne das harte Ge stein, das sie schnell erhitzte, und strich der Wind leise über die zerborstene heiße Wand, so begann es süß zu klingen, als ob zarte Finger auf den Saiten eines Instrument« spielten. Die zahlreichen Inschriften in Prosa und in Bersen, mit denen reisende Griechen und Römer jener Zeit die Beine und den Thronsessel der Statuen bekritzelt und verunziert hatten, erhöhten für die nachgcborenen Geschlechter den Reiz der Kolosse. Hier lag ein antikes Fremdenbuch aufgeschlagen, in dem die vor nehmsten Männer ihrer Zeit den tönenden Memnon priesen und sich in Versen verewigten. Biele der Reisenden hatten ausgeharrt, bis sie da- Phänomen mehrfach vernommen, so der Kaiser Hadrian und seine Gattin Sabina, die mehrere Tage bei der Statue verweilten, und deren Hofpoetin Balbilla den Besuch in langen Ergüssen schilderte. Annahmeschluß für Anzeigen: >b end «Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. vel den Filialen und Annahmestellen je ei» halb« Stund« früher. Anzeige« sind stets an di- Expedition zu richte«. Im Tempel von Medinet Hab» schaarte sich Alles um Doctor Spielmann, der die Führung der Gesellschaft übernahm. „Ist Ramses III. einer von die 119 Kinder von Ramses den Großen?" erkundigte sich Mrs. Summers. „O nein, er lebt etwa hundert Jahre später und beginnt die XX. Dynastie", erwiderte Doctor Spielmann. „Was?" warf Mr. Salinas dazwischen, „Ramses H. hatte 119 Kinder?" „59 Söhne und 60 Töchter, jawohl", entgegnete Mrs. Summers. „Das scheint mir die größte von seinen Thaten. Ihre 13 machen mir gar keinen Eindruck mehr, Mr. Salinas!" Alles lachte. „Und doch hat Ramses' Geschlecht ihn nur eine Generation lang überlebt", sagte der Egyptologe. Während dieser einigen Mitgliedern der Gesellschaft die In schriften der Pylonen zu deuten begann, ging Harald dem prächtigen zweiten Hofe zu, unter dessen von Karyatidenpfeilrrn getragenen Hallen sich die berühmten Darstellungen der „Pro- ccssion am schönen Feste der Treppe" befinden. Hier traf er Miß Mary, der er sich zugesellte. „Haben Sie — gehört, daß Doctor Braun uns verlassen will?" fragte sie plötzlich ihren Begleiter. Harald bejahte. „Ich glaube, er thut recht daran", antwortete er sanft. Sie sah ihn mit verängstigtem Blick an, dann sagte sie, die Augen senkend: „Er ist unersetzlich für meine Brüder. Sie wissen es noch nicht, Keiner weiß es außer mir. Und gleich will er fort. Doctor Spielman» hat einen Bekannten in Kairo, der an seine Stelle treten soll." „Hat Doctor Braun Ihnen da» selbst gesagt?" „Ja", erwiderte sie, indem ihr Mund sich schmerzlich ver zog — „weil ich es doch schon wußte. Ich möge seinem Nach folger bei seiner schweren Aufgabe beistehen, bat er mich." Es lag eine unendliche Bitterkeit in ihrem Tone. „Es war noch nicht der Abschied, Miß Mary", tröstete er. Sie sah mit großen, traurigen Augen zu ihm aus. „Er hat mir nichts zu sagen." Ihm war, al« spräche hier die erstorbene Hoffnung selbst zu ihm. „Es wäre besser, er bliebe", fügte sie nach einer Weile hinzu. „Warum geht er? Um meinetwillen! — Dann will ich doch lieber gehen! Er ist so nothwrndig für meine Brüder, — er macht edle Menschen au« ihnen. Papa kann sie nicht erziehen. Der hat dazu kein Talent." „ES wird sich schon rin Ersatz finden", meinte Harald. Ne-action und Erpe-Mo«: JobanniSgaffe 8. Di« Expedition ist Wochentag» unnnterbroche« geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Lwit UL somLikts» in Iris. Lpanisr Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'« Eartim. Uuiversitätsstraße 3 (Paulinum„ Laut« Lösche, Rathaoinenkr. la, p«t. und König-Platz 1» 22900 1210 28/5 40 14800 Mr sind bereit, den vom Grafen Hompesch vorgelegten Gesetzentwurf anzunehmen. In diesem Gesetzentwurf haben keine Aufnahme gefunden die Bestimmungen der lex Heinze über das Theater, und es sind bezüglich des Kunstparagraphen die wesentlichsten Bestimmungen, die bei uns Anstoß erregt haben, ausgeräumt. 8 184» (Verkaufsverbot an Jugendliche), der hier vorgeschlagen ist, erregt auch in den Kreisen meiner politischen Freunde erhebliche Bedenken. Wir hätten rS lieber gesehen, wenn auf ihn ganz Verzicht geleistet worden wäre. Es wird rin neuer Begriff in das Strafgesetzbuch eingesührt und wir können nicht anerkennen, daß die Ausdrucksweise ein juristisches Meisterwerk ist. Wir sind auch nach wie vor der Ansicht, daß der Begriff des Schamgefühls ein schwankender ist, verschieden nach den Gegenden, verschieden nach den Ständen, ver schieden nach dem Bildungsgrade, und daß infolgedessen wünschens- werther gewesen wäre, von der Einführung des Begriffes überhaupt Abstand zu nehmen, um so mehr als in 8 184 Ziffer 2 bereits eine Erweiterung der Schutzbestimmungen für die Jugend ent« halten ist. Andererseits müssen wir sogen, daß der Vorschlag in der Einschränkung, wie er heute vorliegt, uns doch im Wesentlichen unschädlich erscheint, und man kann aller« dings auch wieder sagen, wo cs auf Handlungen gegenüber einer Person unter 16 Jahren ankommt, ist eine doppelte Vorsicht erforderlich, daß nicht ein Schaden angerichtet wird. Wir sind in Folge dessen bereit, unsere Bedenken zurückzustellen an gesichts der Thatsache, daß auch wir eine Verschärfung der Strafen gegen Kuppelei, auf die Bestrafung des Zuhälterthums und endlich aus die Erweiterung deS 8 184 großen Werth legen. Dann aber bestimmt uns die allgemeine politische Erwägung, daß wir es in der That für wünschenswerth erachten, mit dieser Materie end« lich einmal fertig zu werden. Aus diesem Grunde werden wir in der Gesammtabstimmung den Gesetzentwurf annehmen. Das Centrum kann jetzt seinen Gläubigen „etwas sagen" und die „Germania" kündigt auch schon die Auszählung post humer Gründe an, Denkenden wird eS sich selbst nicht als Nichlblessirten in diesem dec deutschen Bilvung aufgezwungenen Kampfe vorstellen wollen. Es ist ein Gewinn, daß der AuSgang des langwierigen Streites zeigt, wie der Ultramontanismus zwar mächtig, aber nicht allmächtig ist. Dafür braucht man sich nicht bei der Obstructiv» zu bedanken, denn der ziffern mäßige Beweis, daß die Freunde der angefochtenen Be stimmungen des nun gefallenen Gesetzes die Mehrheit im Reichstag besaßen, ist in diesen unzähligen Abstimmungen nicht erbracht worden. Ein weiterer Vortbeil dieses Aus ganges ist es, daß der Bundeörath nicht in die Lage kommt, zu dem Lieblingsgedanken des Centrums Stellung zu nehmen, und daß es dadurch selbst der skrupellosesten Demagogie inner halb der klerikalen Partei sich verbietet, die von ihren Vätern getödtete lex Heinze mit der Flottenvorlage in Zusammenhang zu bringen. Etlichen mehr oder minder hochgestellten recht klerikalen Herren in München wird das Ende auch angenehm sein und der gleichsfalls recht klerikale Staatssekretär vr. Nieder ding erfährt mit seinem jüngsten Mißerfolg nichts Neues. Er hat als Anwalt in einer Sache, die ihm übertragen war und die er, weil sie ihm eben übertragen war, nach bestem Wissen und . An so etwas ... - „ . Daß, was auch beim Umsturzgesetz unterblieb, gegen die Zweck- siMd. .ii Ic r.eoo. c ÜLLk 8»uk Ml. !0,<:k isodk. kt. 8. tr»sd ultsr -Lr.e a öxv »Ullil. ilkdr. vöM. Anzeiger. Amtsblatt -es Hömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. 4000 14800 >ox«n, Lisdev- VvL Lsti- »issrort» ui«- o bszeiirl. — »rks- Lor«. 1125 0.. 3025 8., V-r. 8, O»roUo« 0 8., O«rolu» .„s 17400 6., if«IS 12650 6., »»16 20 300 6., 8., 6r»c 8is- '5 M50 8.. t-etd IS 200 O , lilläolk 800 8., 8, SketLLKtr illirt« LLlrer 3., 8erLd»r<i» 8., 8e<tvixü- <!5 S , 1975 8 , 50O„ 148506. 8. — Vsr- ms» - Xotisv- ri«ts LLvsr- AnzeigettPrei- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Nrclamrn unter dem RedactionSstrtch («ge spalten) LO/ij, vor den Famtliemrachrichtr» (6 gespalten) 40/H. e. Größere Schriften laut unserem Prris- vtrzrichniß. Tabellarischer and Ziffern!atz nach höherem Tarif. !Ml»ko ktr. 44 ior«tro6«i. cusei»", d«i<t« e Tor», «II« ö«r ösutiod« rtvmulewpfir mied k7«v 5«I4» 8«wd l«ii^<i«wpter Meura <21/5> wdura, <22,5> <illi«a»mpe«r I ndnrr" oued u ta 8560,5 dn«Iia«a»pt,r upttzr .Iw»" SoMdmutzl»» BezrrgS-PreV t' der Hauptexpedition oder den im Etadt- lezirk und den Vororten errichteten AuS« «pbrstrllen abgeholt: vierteljährlich^i4.50, 5ei zweimaliger täglicher Zustellung inS HauS b.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung i»S Ausland: monatlich 7.50. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. 3825 4125 2750 12100 — 19200! 19400 975010000 14500 Anter egyptischer Sonne. Roman aus der Gegenwart von Katharina Zitelmann. Nachdruck verboten. waren auf dem Westufer von Theben noch einige wichtige Tempel und Gräber zu besichtigen, der von Medinet Habu, der Gedächtnißtempel Ramses' III. aus der XX. Dynastie, und der kleine Tempel von Der-el-Medine, der zum Zweck des Todten- cultus von den Ptolemäern gegründet und der Göttin Hathor ge weiht war. Auch die Gräber von Abd-el-Kurna, in denen die Großen aus der Zeit der XVHI. Dynastie beigcsetzt sind, sollten noch besucht werden. Doctor Spielmann hatte sich der Gesell schaft zur Verfügung gestellt, die vollzählig den Ausflug unter nahm. Bereits auf dem Hinweg fand Harald Gelegenheit, den jungen Archäologen nach den Geschwistern Schmidt zu fragen, doch dieser antwortete mit entschiedener Zurückhaltung und fast mit Wider streben, und Harald in seinem eifersüchtigen Mißtrauen ahnte sofort, daß der junge Doctor für die Schwester seines Collegen ein warmes Interesse hege. Der Glückliche hatte hier Zeit ge habt, sich um ihre Gunst zu bewerben! Vielleicht war es Jenem gelungen, die Neigung zu erringen, nach der er so heiß sich sehnte! War das der Grund ihres veränderten Benehmens gewesen? Unter allerlei Vorwänden suchte Harald immer wieder das Gespräch auf das geliebte Mädchen zu lenken. Er behauptete, Beziehungen zu einer Familie Schmidt zu haben; die junge Dame sei ihm so bekannt vorgekommen; ob sie Berlinerin sei? Nein, sie stamme auS Pommern, entgegnete Spielmann, und lebe seit Jahren bei ihrem Bruder, der an verschiedenen Universitäten gearbeitet habe. Al» Harald endlich auch noch nach ihrem Bor namen zu forschen wagte, traf ihn ein erstaunter Blick und eine kurze, ablehnende Antwort, dagegen fragte Spielmann nun seiner seits, wie Harald denn nach Oesterreich verschlagen sei? Und als der versicherte, daß da» gar nicht der Fall sei und er in Preußen lebe, schien der Andere ganz überrascht und die Unterhaltung stockte. Offenbar hielt auch dieser ihn für den Adjutanten de» Erzherzogs und glaubte seinen Worten nicht. Da tauchten au» den Klee« und Bohnenfeldern zwei Riesen gestalten auf. Da« Antlitz unbeweglich nach Osten gerichtet, 8risk 9000 80 5050 3525 18900 t»t«N. 8,ii t« ! <111.18 1.7U.8 U. 10 2 ll. ö i»«od. <.1.1,12 isend. entfremdung der Regierungsvorlage durch Reichstagsparteien nickt rechtzeitig und energisch Verwahrung eingelegt wurde, fällt nickt Herrn Nieberding, sondern dem RegierungSsystem zur Last, zu dessen Kennzeichnung dem künftigen Geschichtschreiber diese zehnjährige lex Heinze-Campagne brauchbares Material liefern wird. Nun dies überstanden, wird wohl etwas Anderes zur nöthiaen Beunruhigung der Bevölkerung ersonnen und ausgearbeitet werden. Der neue Curs braucht Motion. Zur Zeit aber herrscht Ruhebedürfniß. Die Budget commission ist gestern mit der Beratbung der Flottensteuergesetze und damit mit der ganren Flotten- angclegenheil zu Ende gekommen und das Plenum deS Reichstags hat nach dem Durchjagen der ihrer Giftzähne be- raublen lox noch die dritte Berathung deS Fleischbeschau gesetzes, des anderen legislatorischen Störenfriedes, durch- geführk. Es war also ein recht abschlußreicher und friedlicher Tag. Im Stempclgesetzentwurfe wurde nichts Erhebliches und an dem Compromißantrag Aichbichler- Graf Klinckvwström, dem einzigen übrig gebliebenen Streitpunkte des Fleischgesetzes, wurde gar nichts geändert. Dem fremden Schweincpvkelfleisch bleibt der Eintritt ver stauet, das Einfuhrverbot beschränkt sich ans fremde Conserven und Würste. Ter Abg. Fürst Bismarck sprach sehr wirksam für den im Uebrigen schon vorher gesichertenVermittelunzSantrag, der mit 158 gegen 123 Stimmen angenommen wurde, ein Ziffern- verhältniß, daS für die Hetzer in der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe etwas Beschämendes hat. Denn die Social demokraten, die beiden freisinnigen Gruppen und die deutsche Volkspartei stimmten geschlossen mit den extremen Agrariern, allerdings aus etwas anderen Gründen. Die ausgesetzte Gesammtabstimmung über das Gesetz wird an dem Ergebniß nichts ändern. Also: zwei Erfolge deS gesunden Menschen verstandes an einem Tage. „Ach, wenn «S nur immer so blieb'." Aus der Rede, die Prinz Ludwig vo« Bayern am Sonnabend in Straubing auf der 10. Hauptversammlung des „Vereins für Hebung der Fluß- und Canalschifffahrt in Bayern" gehalten, hat der osficiöse Telegraph bereits die Stelle erwähnt, in der der prinzliche Redner eine Reichs subvention auch für die bayerische Donaudampf schifffahrts-Gesellschaft für wünschenswerth erklärte. Aber erst aus den bayerischen Blättern erfährt man, daß der Prinz diesem Wunsche hinzufügte: „. . . . Man kann wohl sagen, daß es sich (bei der Förderung der Donau-Schifffahrt) nicht um ein specifisch bayerisches, sondern um ein deutsches Interesse handelt. Warum soll die einzige bayerische Sckisffahrtsgesellschaft an der Donau keinerlei Subvention erhalten? Es werden große Subventionen für die deutschen SchifffahrtSgescllschasten, für die Postdampfer gewährt und nur für diejenige Gesellschaft, welche zugleich auch bayerische Interessen vertritt, geschieht nichts. Ich sehe nicht ein, warum wir nicht dieselben Rechte haben sollen, wie die Norddeutschen, wenn wir zum deutschen Reich gehören?" Es ist begreiflich, daß diese Worte um so mehr Aussehen erregen, je weniger einflußreiche Kreise in Bayern ein Ge» heimniß daraus machen, daß sie einer Inanspruchnahme der Reichshilfe abgeneigt sind, weil daS Reich, wenn eS einem Einzelstaate den Säckel öffnet, auch über die Verwendung des Geldes mit berathen und an der Cvntrole der Finanz- gebahrung Antheil haben will. UeberdieS ist nichts davon bekannt, daß ein anderer deutscher Staat seine Binnenschiff- fahrtsprojecte ganz oder theilwerse auS NeichSmitteln in» Werk gesetzt hätte; bei dem Nord-Ostsee-Canal handelte- eS sich in erster Linie um ein Reichsunternehmen, zu dem überdies Preußen einen sehr erheblichen Beitrag leistete, und den transoceanischen SchifffahrtS-Grsellschafren in Hamburg und Bremen werden Subventionen nur deshalb gezahlt, weil sie ihre Dampfer zur Beförderung der Post Her richten. Die „Münchener Allgem. Ztg." kann daher nicht umhin, „in aller Ehrerbietung zu erkläre», daß die Vergleiche in der Rede Sr. königl. Hoheit durchaus nicht beweiskräftig sind". Die Gereiztheit, die aus der betreffenden Redestelle herausgelesen werden kann, sucht man sich mit der Annahme zu erklären, daß Bayern Anlaß habe, in Sachen der Main- Canalisation von Preußen eine entgegenkommendere Haltung zu wünschen. Völlig unerklärlich aber finden „Allgem. Ztg." und „Münch. Neuest. Nachr." folgenden, von dem officwsen Telegraphen nicht einmal avgedeuteten Redepafsu«: v „. . . . Es wird uns in Bayern vielfach vorgeworfr», daß wir die Vortheile, die wir vom Reiche haben, nicht genug zu würdigen wissen. Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den Vor wurf, daß cs als eine Gnade auzusehen sei, daß wir zum Reich gehören. DaS deutsche Reich ist ebenso mit* bayerischem Blute znsammengeschweißt worden wie mit dem Blute anderer deutscher Stämme und in Folge dessen wollen wir nicht als mindere Brüder, sondern alS volle Brüder ang»- fehen werden." er Hat der Prinz wirklich genau so gesprochen, so ist keine- andere Annahme möglich, als daß er Grund zu einer ernsten Verstimmung zu haben glaubt. Die „Allgem. Ztg." meint zwar, von irgendwie autoritativer Stelle sei die Behauptung, baß Bayern seine Zugehörigkeit zum Reiche als ein« Art» Gnadengeschenk zu betrachten habe, sicherlich nicht ausgesprochen, worden, der Münchener Verfasser einer Zuschrift an die „Tägl. Nundsch." schreibt dagegen: „Die Worte müssen irgendwo gefallen sein, denn Prinz Ludwig legt nach jenem noch in Aller Erinnerung befindlichen Vorgänge in Moskau seine Worte peinlichst auf die Waagschale. Er hätte diese bedeutsame Kundgebung, die in dem Ausdrücke „Wir wolle» keine minderen Brüder sein" ganz ausfallend an das „Wir sind keine Vasallen" anschließt, sicherlich nicht vor einer breiten Oeffentlichkeit von sich gegeben, wenn er sich nicht, auf ein ernstes Borkommniß der allerletztes Zeit stützen könnte. Ohne ganz bestimmten Grund hat der bayerische Thronerbe diesen Satz gewiß nicht gesprochen, der im AuSlande sicherlich als daS unfehlbare Zeichen eines offenen Kriegszustandes zwischen Bayern und Preußen bezw. dem Reiche gedeutet werden wird. Es darf auch nicht auS dem» Auge gelassen werden, daß Prinz Ludwig hierbei ohne Zwei;«! ini vorherigen Einverständniß mit seinem Vater, dem Prinz«- Regenten, vorgegangen ist." Jedenfalls ist zu besorgen, daß die Verwahrung de» Prinzen izn Auslande vielfach eine Deutung erfährt, die den Wünschen und Absichten deS bei allem bayerischen Selbstbewußtsein doch- gut deulsch gesinnten Prinzen sehr wenig entsprechen dürften. Deshalb ist dringend zu wünschen, daß nicht nur baldigst eine authentische Interpretation der Rede gegeben, sondern auch von derjenigen Seite, welche die Verstimmung veranlaßt hat,, dieser der Boden entzogen werde. „Seien Sie nicht so verzagt, liebe Miß Mary. Daß Doctor Braun als ehrlicher Mann nicht anders handeln kann, müssen Sir doch einseyen." „Was aus mir wird, das kümmert ihn nicht", bemerkte sie. Als sie jetzt den Hauslehrer mit Spielmann in die Halle treten sah, entfloh sie. „Jürgen, hast Du Deinen Jungen schon das Märchen des Herodot erzählt?" fragte der Professor. Der Sohn verneinte, und nun baten die jungen Salinas' darum. „Das möchte ich auch hören", sagte Mr«. Summer». „Ich liebe Märchen. Nehmen Sie mich unter Ihre Schüler auf, Mr. Braun. Kommen Sie, Miß Mary, Sie müssen auch zu hören!" Doctor Braun wollte zuerst nicht heran; als nun aber auch die anderen Mitglieder der Gesellschaft zu bitten begannen und sich auf den Sockeln der Säulen des schönen Hofe» niederließen, Herr Salinas selbst darunter, zwischen der Umsattel und der Engländerin sitzend, da weigerte er sich nicht länger. „Mein Bater will nur Zeit gewinnen, um mit Doctor Spiel mann noch die Abbildungen an der Außenwand zu studiren", meinte er lachend. „Da verschwinden die Beiden eben durch die Thür« de» HypostylS, und ich soll Sie nun unterhalten, daß Sie nicht ungeduldig werden." „Herodot erzählt also", begann er, „Rhampsinit hab« für die Aufbewahrung seiner unendlichen Reichthllmer ein HauS von Stein errichten lassen. Der Baumeister, der an dem Gold des Pharao Gefallen fand, fügte einen Stein lose in die Mauer, so daß er ihn herauinehmen und durch die Lücke in dir Schatz kammer hineingelangen konnte. Leider hatte er keine Zeit mehr, viel zu stehlen, da der Tod ihn fortzuholen kam. Vorher jedoch vertraute er seinen zwei Söhnen das Geheimniß an, und die zögerten nicht lange, sich die schlaue Erfindung des Vater» zu- Nutze zu machen. Sie krochen Nachts in da» Tchatzhau» hinein^ raubten, so viel sie vermochten, lebten herrlich und in Freuden- und wenn da» Geld alle war, holten sie mehr. Endlich merkte Ramses doch, daß gestohlen würde; da aber die Siegel und Schlösser unverletzt waren, blieb die Sache räthselhaft. Da ließ er Fallstricke in die Goldkammer legen, und richtig: der eine der Brüder, der zuerst hincingekrochen war, fing sich in der Schlinge^ au» der der andere ihn nicht zu befreien vermochte. Der Ge-< fangene verlangte darauf von seinem Bruder, daß er ihn tödte und ihm den Kopf abschneide, damit er nicht erkannt würde und Unglück über ihn und seine Familie bringe. Der Bruder that nach seinem Wunsch, entfloh mit dem Kopf Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Mai. Dx lex. Der gestern einstimmig gefaßte Beschluß deS Reichstags, das Unsittlichkeitsgrsetz wieder zu dem zu machen, was sein Name besagt, räumt mit einer Arbeit auf, die die Gesetzgebung fast ein Jahrzehnt beschäftigt hat, einer Arbeit, die an den Reichstag berantrat, weil in einem Berliner Strafverfahren ärgernißerregende Dinge zu Tage getreten waren, die aber schließlich, Dank der Zweckfälschung durch reactionäre und unklare Köpfe, selbst den Gebildeten der Nation zum Aerzerniß geworden war. DaS Kunstknebclungs- gesetz ist todt, dafür ist eine eigentliche lex Heinze wieder auferstanden und vom Reichstag in einer halben Stunde — das Centrum wollte eine unbehagliche Empfindung so rasch als möglich abschülteln — für die unzweifelhaft bevorstehende zustimmende Beschlußfassung deS BundesrathS fertig gemacht worden. Was außer den gegen das Zuhälter- und Kuppler wesen gerichteten ZK 180, l8l und 18la des Strafgesetz buches übrig geblieben ist, erscheint in der Hauptsache als eine Entwickelung eines längst herrschenden RechlS- gedankens, die Verbreitung unzüchtiger Schriften, Bilder und dergleichen wird (im ß 184) erschwert. Die Vorstellungen, die neu in daS Strafrecht eingesührt werden sollten, der gummi artige Begriff von Schriften, Abbildungen und Darstellungen, „die ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich ver letzen", ist zwar nicht vollständig ausgejckieden, aber auf Fälle beschränkt worden, in denen er Wohl Belästigungen, aber keinen ernstlichen Schaden anrichten kann. Der 8 184a wurde abgebrochen bis auf einen Stein, in den das Verbot eingeschrieben ist, Schriften u. s. w., ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, Personen unter 16 Jahren zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Der Theaterparagraph endlich (184b) ist gänzlich gefallen. Der verbliebene Nest des § 184a dürfte die Kunst gar nickt beirren und der Buch- und Kunst handel wird sich bei gehöriger Vorsicht vor schwereren Nach theilen hüten können, da einer richterlichen Auffassung, daß in der Ausstellung in Schaufenstern ein Kaufs anerbieten an Personen unter 16 Jahren zu erblicken sei, ein Riegel vorgeschoben ist durch den vom Reichstag ein- mütbig zugelassenen Verzicht auf eine Strafandrohung gegen die Ausstellung von Schriften, Abbildungen u. s. w., die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen. Der Gesetzgeber bat also deutlich kunvgegeben, was er nicht will. Jedenfalls ist mit der in ihrer Anwendung so sehr beschränkten Bestimmung über den dehnbaren Schamgefühl-Begriff die endgiltige Erledigung des langen Streites und die Beendigung der Obstruction im Reichstag nicht zu theuer erkauft. Die nationalliberale Fraction, der das Zeugniß nicht versagt werden kann, in den nun hinter uns liegenden erregten Tagen im Allgemeinen als Mittelpartei, als wahre Staats-, aber auch als liberale Partei gehandelt und gesiegt zu haben, sie bat im Besonderen unseres Erachtens gut daran gethan, dem Centrum in dem „Stummel" deS § 184a zwar keine goldene, aber immerhin eine Rückzugsbrücke offen zu lassen. Es galt, ohne schwere Opfer von der reichs politisch durchaus nicht unbedenklichen Obstruction los zu kommen, der ersten und hoffentlich der letzten, die die Vertretung deS deutschen Volkes erlebt hat. Wir glauben, I Können vertrat, einen Proceß verloren, alle Parteigenoffen werden den Ausführungen des Abg. I ist ein viel beschäftigter Anwalt gewöhnt. Bassermann zustimmen. I auch beim Umsturzgesetz unterblieb, j
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