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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000316018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900031601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900031601
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-16
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
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Es ist nun ja nicht ausgeschlossen, >datz England mit seinen riesenhaften Hilfsmitteln am Ende di« Boeren äußerlich niciderzwingt; aber selbst wenn dieser Fall einträte — was viel- l eicht nicht einmal wahrscheinlich ist —, brauchte man di« Sache immer noch rlicht so anzusehen, als pb hier «wirklich das Volk mit der größeren Aussicht auf die Zukunft Herr der Lag« ge blieben wäre. Für die Hoffnungen, di« man auf die Zukunft eines Volkes sehen darf, braucht schließlich auch der unglück liche Ausgang eines Krieges nicht maßgebend zu sein; das haben wir ja in den Napoleonischen Kriegen an uns selbst er lebt. Diese Hoffnungen abzuschätzen, ist überhaupt «in sehr zu sammengesetztes Geschäft, bei dem die verschiedensten Momente in Frag« zu kommen 'haben. Nur auf eines dieser Moment« soll hsute hingewiesen werden; sehr viel wird für die Zukunft eines Volkes davon abhängen, mit welchen Idealen es seinen Nachwuchs gu erfüllen bestrebt ist. Und unter diesen Gesichtspunkten scheint uns nun eine englische 'Kinderschrift der Beachtung sehr Werth. Sie ist erschienen in London und führt den Titel: „kietures t'or lutlü Luglunäers. Licturos .4. 8. dorrest. Verseg bv k'iunlr 6. 6reen. koolc kor Lab)' kutriots", ist also ein illustrirtes Bilderbuch für englische Kinder, das den Zweck verfolgt, bei den Kleinen den Patriotismus zu 'wecken und zu befestigen. Der Verlag bemerkt auf dem Titel mit Stolz, daß er der einzige sei, der auf dem Gebiete dec Kinderliteratur eine goldene Medaille erhalten habe. Man darf also annehmen, daß er loeiß, welche Geistesnahrung er englischen Kindern zu bieten habe, um den Geschmack des Publikums zu treffen. Nach dieser Richtung dürste das Buch typisch sein. Zunächst wird man nun sagen müssen, daß «das Buch als künstlerische Leistung alle Anerkennung verdient. 'Die Zeichnung zu den Bildern, im wesentlichen Umrißzoichnung, ist außerordent lich charakteristisch und beschränkt di« Darstellung stets auf das Wesentliche; alles unnöthige Beiwerk ist weggelassrn, so daß sich den Kindern das, twas das Bild darstellen soll, unverlierbar ein prägen muß. Die Farbengebung ist ebenso von 'dem Princip beherrscht, möglichst einfache Mittel anzuwenden: nur wenige Hauptfarben -in verschiedenen Abstufungen der Stärke und bin Allgemeinen nur auf größeren Flächen. Der Hintergrund der Bilder 'ist vorwiegend einfach weiß, so daß die Bilder sich Wie bunte Silhouetten davon abhrben. Zu jedem Bilde gehören ein paar Verse, die gegenüber gvdruckt sind. Alle Mittel stehen als- in Angemessenheit zu dem Zwecke, möglichst eindringlich ans die Fugend zu wirken. Auch als typographische Leistung kann sich -das Buch schon sehen lassen, wenn freilich auch an einzelnen Stellen die Einpassung des Farbendrucks in die Umrisse der Zeichnung zu wünschen übrig läßt. Endlich wird man, wenn man sich auf den englischen Standpunkt stellt, auch -die Tendenz des Buches nicht tadeln können. Vom deutschen Standpunkte aus wird man freilich gerade diese Tendenz verurtheAen müssen. Sie ist großen- theils so, daß man sagen dass: wenn das die Ideale sind, die -die Engländer ihrer Jugend Vor halten, dann -ist es nicht gut um sie bestellt. Zwar eine Anzahl Bilder sind unverfänglich: so der Polizeimann, der einen Strolch abfaßt; -der Briefträger, der einem kleinen Mädchen binen Brief iibergiebt und sie dabei -belehrt, daß -die englischen Briefe aus den Colonien auch nur «inen Penny kosten; der jugendliche Trommler, der sich rühmt, er habe immer nur zum Av-anciren die Trommel geschlagen; der Admiral mit der mächtigen Wein nase, der einem Jungen einige englische Panzerschiffe zeigt und ihm !daibe-i klar macht, cr müsse sich nichts daraus -machen, daß er nun mehr Steuern zu zahlen haben werde, wenn nur nur novv ihren Zweck -erfülle; der Finanzminister, d«r dem Steuerzahler den neuen Steuerzettel präsentirt, worauf der Steuerzahler erwidert, er werde freilich tüchtig blechen müssen, «aber da es für Englands Wohl sei, so werde er sich gewiß nicht sperren, und noch eine Anzahl ähnlicher Figuren. Andere Bilder dagegen zeigen schon einen mehr öder wertiger deutlich ausge sprochenen Zug zum Protzenhaften. Wohl am deutlichsten tritt dies hervor in der Unterschrift zu -dem Bilde von London bei Nacht: „Die Hauptstadt von England ist London, alt und groß (great); es kann weit -mehr Einwohner aufw^isen al- mancher fremde Staat.* 'Ganz richtig; aber 'damit vor Kindern zu renommiren, ist doch thöricht genug. Die Medaille hat ja doch auch ihre recht traurige -Kehrseite, gerade -bei Nacht. «Das kann man nun freilich -den Kindern nicht klar machen; aber ihnen einen einseitigen Respekt vor großen Zahlen und großen Massen an- zuerziehen, daz-u ist wirklich kein« Veranlassung. Di« höhere, verinnerlichte Schätzung -des wahren Werth«» -der Dinge fänat gerade erst da. an, wo man sich nicht mehr durch die bloße Quantität i-mponiren läßt. Richtiger wäre gewesen, -u sagen: .Hier seht ibr London — freilich eine Riesenstadt, aber es giebt auch «in riesenhafte- Elend darin. Indessen, bloße Protzen« Hastigkeit ist immer noch zu ertragen; schlimmer Wird die Sach«, ivenn die Vergrößerung -de- eigenen WertheS einhergeht mit einer Verkleinerung fremder Tüchtigkeit. Leild-vr giebt di« Schrift auch hierfür Bel«ge. So zeigt uni gleich das erste Bild den berühmten Unti-cm Jack, die Flagg« de- Vereinigten König reich-, die von einem englischen Knaben, einsm John Bull jun., getragen wird; zwei kleine Mädchen schauen mit kindlichem Er staunen zu ihr empor. Der Text bezeichnet di« Flagge al- „den Schrecken der Fremden, trotz ihrer lärmenden Prahler«*. Auf wessen Seite bisher die Prahlerei gewesen ist, da- darf man ruhig dem Urtheile deS Publicum» der ganzen nicht-englischen Welt überlassen. Gin weiteres Bild zeigt tkv girl ds leit dedinck Kim —- da» ist der salonfähige Ausdruck für den Schatz, den der in» Feld ziehende Soldat zu Hause zurückläßt. In diesem Falle ist «» eine Kuhmagd. Sie kommt eben vom Mölken, und ein kleiner Junge bläst ihr auf einem Signalhorn etwa» vor. Der Text lautet: „Kleine Blaujacke, geh' und bla» dem ver lassenen Mädchen etwa» vor, um sie aufzuheitrrn; denn ihr Füsilier wird bald zurückkehren; aber erst will er mit feinem Feinde noch ein Wörtchen reden.* Nun, diese entfchai-dettde Unterhaltung läßt trotz -Eland-laagti und Ko-doe-rand mun«r noch auf sich warten. Mit der ödlen Weiblichleit beschäftigt sich auch ein anderes Bild: Auf einer Mese stehen ein Franzose, ein Engländer und ein Deutscher, alle Drei mit wenigen Strichen vortrefflich karrtkirt, namentlich der dürre, ungraziöse, mißmuthig dreinschauende Deutsche mit der hochvaüdigen Mütze; an ihnen vorüber geht ein englisches Mädchen, kurz geschürzt und kokett die Augen werfend, am Arme eines behäbigen Engländers. Der Text lautet: Iwt- otkers Kurs veutscker, Vrm 'iromp or Llocwsoo; Lut to llvknn^ tko Litton I'Il k« truo. „Mögen Andere ihren Deutschen, Holländer öder Fran zosen (Moossoo - Monsieur) haben, ich bleibe bei meinem Eng länder Johnny!" Großes hat sich ein Volunteer vorgenommen: kampfbereit steht er da, 'den «Degen in der Rechten und mit der Linken nach Frankreich weisend. Darunter: Laß nur die Feinde herankommen, ich kann -mit sechs Fmnzosen fertig werden. Br anders interessant -ist ein Bild, das den Präsidenten Krüger zeigt. In Hosen und blauem Hemd, die Aermel aufgestreift, die Füße in riesigen Pantinen, auf dem Kopfe «ine Fleischermütze, die fast ganz 'aus hohem Rande besteht, sitzt er mit sehr fidel-er Miene auf einer Mauer; -daneben steht der nach einem bekannten englischen Kinderliebe abgeänderte Vers: ..Oomptz' Itoomptz' saß auf einer Mauer, Oomxt)' Ooomptx that einen großen Fall. Mt allen Doerenrossen und allen Boerenmannen kann er den Briten nie wieder seinen Willen aufzwingrn." Das ist, wohl zu merken, gedruckt vor den letzten Erfolgen der Engländer, zu einer Zeit, bis zu der die Engländer nur Prügel bekommen hatten. Wie würde der Vers wohl jetzt lauten? Und doch wäre es selbst jetzt noch, wo die Boeren >das erste Mal in Nachtheil gekommen sind, nicht un angebracht, dem englischen Spotte den Trutzocrs entgegenzu- tellen: „Hans der Engländer sitzt auf dem hohen Pferde, Hans der Engländer plumpst kläglich zur Erde. Mit allen seinen Rosten und seinem ganzen Heer zwingt er Vie Boeren wohl nimmermehr." Noch bezeichnender als das Bild von Oom Krüger ist ein anderes, auf dem Vie Vertreter der europäischen Nationen sich mit den Vertretern des Vereinigten Königreichs im Seilziehen messen. Auf -der einen Seite zieht am Seil der Franzose, der Deutsche, der Russe, der Oesterreicher und der Italiener, auf der -anderen Seite 'der Engländer, der Schotte und der Irländer, und zwar stehen, was auch bezeichnend ist, einander als Gegner am nächsten der Engländer und der Franzose. Der Text lautet: „Zieht nur zusammen, ihr Drei aus dem Vereinigten Königreiche; wenn Ihr zusammenhaltet, so hat di« ganze Welt Furcht vor Euch." Und so etwas wagt man in England zu drucken, obgleich man zu der Zeit, wo das Buch offenbar entstanden ist, sehr wohl wissen konnte, daß man Erfolge auf dem Kriegsschauplätze nur dann erringen würde, wenn man dort mit Uebermacht würde auftreten können, und daß man weiter das letztere nur würde thun können, 'wenn die europäischen Nationen so zurückhaltend wären, den Engländern keine Schwierigkeiten auf anderen Punkten ihres Weltreiches zu be reiten! Das sind sie nun wirklich gewesen, und wenn für diese Zurückhaltung des nicht-englischen Europas vielleicht auch nicht pure Menschenliebe, sondern kluge Berechnung des eigenen Vor- theils die Triebfeder war, so ändert das doch nichts an der That- sachc, daß die Engländer von dieser Zurückhaltung ihren Vor- theil gezogen haben. Also hier wär« Bescheidenheit wohl sehr am Platze gewesen. Das Hauptstückchen englischen Hochmuthes kommt aber noch. Es ist das Bild: Her Llo8t 6rueious Lluzsst)'. Auf ihrem er höhten Throne sitzt, die Kron« auf dem Haupte, die Königin Victoria, imponirend durch Leibesfülle. Vor dem Throne, aber wesentlich tiefer als der Fuß 'des Thrones, steht unser Kaiser, eine Figur, wie etwa ein mäßig großer, schlechtgenährter Schul knabe, in der Uniform der Garde-du-Corps, mit dem Helm der Garde-du-Corps, der aber statt 'des Adlers als Helmzier einen Papageien trägt. Er stützt die Linke in Vie Hüfte und macht der Königin mit der Rechten «ine Faust. Sein Gesicht drückt Un- muth und Drohung aus. Der indisch« Diener der Königin, der hinter ihrem Throne sicht; grinst spöttisch über «den Kaiser. Da neben Vie Verse: Unsere Königin und Kaiserin Ist größer und weiser, Als alle fremden Herrsch«!, Einschließlich „der Kaiser". Die letzten Worte haben im Original auch die Gänsefüßchen. Eine solche Darstrllüng ist, deutsch heraus gesagt, eine Unver schämtheit, fast ebenso stark, wie Vie Unverschämtheiten, Vie dem Kaiser vor vier Jahren von England aus gesagt und angethan wurden, nachdem er das bekannt« Telegramm an den Präsidenten Krüger gesandt hatte. Ziehen wir jetzt das Facit aus unserer Musterung, so werden wir wohl zunächst wiederholen dürfen, daß eS nicht gut um die Engländer bestellt ist, wenn -da» ihre Ideale von Patriotismus sind, wie sie sich in den eben charakterrsirten Bildern und Versen abspiegeln. Di« Erziehung zum Patriotismus besteht doch wahr haftig nicht darin, daß man den Kindern immer wieder vor predigt: Eure Nation ist Vie erste auf der Welt, Eure Königin ist größer und Weiser, als alle anderen Herrscher, Eure Flotte ist die größte, Eure Hauptstadt ist größer, als mancher Staat auf dem Festland«, Eure Freiwilligen können es jeder Einzelne mit sechs Franzosen aufnehmen u. s. w. — alle solche Eindrücke sind eher geeignet, das 'Kittd oberflächlich, äußerlich -u machen, als es zu zwingen, daß es den Blick auf sich selbst lenkt. Erziehung zum Patriotismus besteht nach deutscher Auffassung darin, daß man dem Kind« immer und immer wieder die sittlichen Ideale vorhält und «S aneifert, ihnen nachzuleben, -damit cs dereinst «in guter Bürger seines Vaterlandes werde. Und da- hat zu ge schehen, ohne daß dabei irgend ein hämischer Seitenblick auf die Nachbarnationen geworfen wird; denn vaS Wesen der sittlichen Werthschätzung verlangt durchaus nicht, daß man sich mit einem Anderen vergleicht, sondern nur, daß man sich selbst siet» am Ideale mißt. Auch hak der erwachsene Engländer bereit» einen so ausgesprochenen National stotz, daß das auch schon auf die englische Jugend sein« Wirkung geltend und sie zur Ueberschätzung des eigenen Volke» geneigt macht; diese Neigung zu unterstützen, liegt durchaus nicht im Interesse der Erziehung, da Kinder im Allge meinen noch gar nicht die geistige Reife besitzen, um Vorzüge oder Fehler eine» fremden Volke» gegen die de» eigenen abzuwägen. Empfiehlt e» sich aber schon um der Jugend selbst willen, ihr nicht «inen falschen Begriff von Patrioti-mu» brizubringen, so empfiehlt e» sich auch delwrgen nicht, weil die Völker einander immer mehr entfremdet werden, wenn man ihrem Nachwuchse solche Grundsätze einimpft. Und das ist im Interesse des Fort schrittes der Menschheit sehr zu bedauern; denn dieser Fort schritt beruht in erster Linie darauf, daß die Völker sich genug unbefangenen Sinn bewahren, um sich von überall her das Beste anzueignen. Diese gegenseitige Aneignung sollte aber gerade zwischen Deutschland und England am allerwenigsten durch ent fremdende Stimmungen verhindert werden. Wir haben noch mancherlei von den Engländern zu lernen, und die Engländer vielleicht noch viel mehr von uns. Ja, beide Völker haben das dringendste Jnetreffe daran, aus der gegenseitigen Entfremdung — an der wir weit weniger schuld sind als die Engländer — so rasch wir möglich wieder herauszukommen, damit sie 'die unermeß lichen Aufgaben, die noch vor der Menschheit liegen, in gemein samem Streben fördern können, nicht gehemmt durch Neid und Scheelsucht. Dazu ist ober Vie Herausgabe von Bilderbüchern, wie das eben geschilderte, kaum ider richtige Weg. Der Krieg in Südafrika. —p. In London hat natürlich die Nachricht von der Uebergabe Bloemfonteins riesige Begeisterung hervorgerufen. Als sie am Abend in den Theatern und anderen Vergnügungslocalen bekannt wurde, bracy unbeschreiblicher Jubel loS. Die Blätter drücken ihre lebhafte Genngthuung auS und erklären, der Oranjefreistaat habe aufgehört, ein unabhängiger Staat zu sein. Wir lassen zunächst die bi- gestern Abend eingetroffenen Telegramme folgen: * Pretoria, 14. März. (Telegramm.) Die Regierung hat olgende Bekanntmachung erlassen: „Bloemfontein ist gestern von den Engländern besetzt worden, nachdem sich unsere Burgbers in nördlicher Richtung zurückgezogen haben. Der Sitz der Regierung des Oranje-Freistaates ist vorher nach ikroonstad verlegt worden." (Reutermeldung.) * Pretoria, 13. März. (Telegramm.) General Joubert st heute Abend zur Front abgrgangrn. (Reuter's Bureau.) * Bethniic-Bri-ge, 14. März. (Telegramm.) Die Patrouillen der Generäle Clrmrut» in NorvalSpont, Gatacre in Brthulie und Brabant in Alival North haben Fühlung mit einander genommen. (Reuter's Bureau.) * Lontzou, 15. März. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Carnarvon unter dem 14. d. M.: Die Ausständischen haben To-bürg besetzt und sich nach Van Wyks Blei zurück gezogen, nachdem alle brauchbaren Maulthiere und Pferde requirirt worden waren. (Wiedertholt.) * Pretoria, 11. März. Wie der „Standard and Diggers News" berichten, sind in den letzten Tagen zwischen den Vertretern der Regierung und dem amerikanischen Consul Hay wichtige Besprechungen gepflogen worden. * Pari», 1b. März. (Telegramm.) Nach dein „Echo de Pari»" befinden sich unter den von den Engländer mit Cronjr gefangen genommenen Ofsicieren auch mehrere französische Officierr. Das Blatt verlangt, daß die französische Regierung zu Gunsten dieser Officiere eintretr. Tie Aussichten Ser Boeren. Es fragt sich nun in erster Linie, ob die gegenwärtige Lage der verbündeten Republiken eine derartige ist, daß eine bedingungslose Waffenstreckung räthlich erscheint. Für die Beurtheilnng der Lage kommen zunächst allerlei Im ponderabilien in Betracht, als da sind: auf englischer Seite die VerpstegungSscbwierigkeiten, die in der Tbat bestanden haben und wodl noch nicht gehoben sind. Kitchener'S An wesenheit in Victoria Road dürfte nicht nur mit der Organisirung von Truppen gegen die Aufständischen deS westlichen Capgrbiete« zusammenhängen, sondern auch mit der Verpflegungsfrage. Oder eigentlich sind diese beiden Fragen eng miteinander verknüpft, da die Hauptgesabr der aufständischen Erhebungen in jenen weiten Landstrecken — sie übertreffen an Flächeninbalt den deS Oranje-FreistaateS ganz erheblich — in der Gefährdung der Zufuhrlinie von Capstadt besteht. Durch die Einnahme Bloemfonteins ist ja nun die Bahn Bloemfontein-Spring- fontein für die Engländer frei geworden, doch dürften trotz aller technischen Hilfsmittel, an denen das englische Heer reich ist, mindestens drei Wochen, wenn nicht mehr vergehen, bis die genannte, von den Boeren sicherlich gründlichst zer störte Bahnstrecke und ihre südlichen Abzweigungen (Spring- fonteiu-NorvalS, Pont-Naauwport und Springfontein-Bcthulie- QueenStown) für militärische Zwecke brauchbar sein werden. Bi» dahin muß der ganze Nachschub vom Moddersluß-Bahn- hof bis Bloemfontein (160 km) durch Ochsenwagen bewirkt werden. So kommt man zu dem Schluß, daß die Sache der Boeeen zur Zeit zwar gewiß nicht gut, aber auch noch nicht ganz verzweifelt steht, wenn sie den Krieg Hinzubalten und den Gegner durch Nadelstiche an allen Ecken und Enden zu peinigen verstehen. Wenigsten- steht eS beute nicht schlechter um sie, als unmittelbar nach Cronje'S Waffenstreckung und der Freigabe von Ladysmith. Die Tage von Osfontein (7. März) und Driefontein (10. März), schreibt die „Köln. Ztg." in Üebereinstimmuug mit unseren Aus führungen im gestrigen Abendblatt, haben die englische Krieg»- kunst nicht auf der Höbe ihrer Aufgaben gereizt und den Boeren keineswegs empfindliche Niederlagen gebracht. ES ist befremdend, daß am 7. März bei dem Vorhandensein von nur drei Infanterie- und einer Cavallerie-Division keine Uebereinstimmung in die höchst einfachen Truppen bewegungen gebracht werden konnte: die Cavallerie kam zu früb, die Inlauten« war zu spät angrsetzt. Und am 10. stieß die Cavallerie, von der man doch annrhmen sollte, daß sie wenigsten- mit Patrouillen an dem sich angeblich in wilder Flucht zurückziebenden Feinde geblieben wäre, nur um einen starken Taaemarsck weiter östlich — genau ist die Lage der Ortschaften au» den Karten nickt zu erseben — auf denselben Feind in stark befestigter Stellung, obwohl drei Ruhetage zwischen den beiden Zusammenstößen lagen. DaS sind Fehler der Führung und Truppenverwendung, wie sie gröber kaum gedacht werden können. Auch fehlte hier die Entschuldigung der unüberwindlichen Grländesckwierig- keiten, mit der man sich bei den englischen Niederlagen in Natal kopfschüttelnd zufrieden geben mußte. Am 10. März hatten die Boeren, die nach dem 7. „völlig demoralisirt" sein und sich „im Zustande der Auflösung" befinden sollten, sogar mit ihrer Taktik unendlich langer, dünn besetzter Schützengräben einen gewissen Erfolg, obgleich jede solche Stellung trotz ihrer Ausdehnung schließlich doch umgebbar ist, zum wenigsten in einem Gelände, wie eS sich zwischen Kimberley und Bloem fontein zeigt. Während die dort overirenden englischen Truppen de» schon jetzt herrschenden Wassermangels wegen strategisch an die Fiußläufe gebunden waren, forderte das Gelände taktisch gerade zu Umgebungsbewegungen heraus. Anders wird cs nördlich von Bloemfontein und vor Allem nördlich von Vaal. Jedenfalls haben die Boeren der nach den harten Schlägen am 27. und 28. geäußerten Annahme, sie würden ihre ge- sammten Streitkräfte im Norden deS Freistaates oder in seiner Mitte vereinigen, um Lord Roberts entgegenzutreten, nicht entsprochen. Mafeking wird nach wie vor hart beorängt und scheint dem Falle nahe; bei Fourteen StreamS, dort, wo die Westbahn den Vaal überschreitet, wartet ein Boercn- Commando der englischen Colonne, die von Kimberley nordwärts zum Entsatz von Mafeking au-gezogen sein soll und von der eS ganz still geworden ist; als Rückhalt für dieses BoerewCom- mando und zugleich um den Engländern zu verwehren, durch einen Marsch den Vaal aufwärts sich etwa in Besitz der Endpunkte der beiden westlichen Zweigbahnen zur Linie Bloemfontein-Pretoria zu setzen (Klerksdorp und Vierfontein), steht eine stärkere Abtbeilung bei Bloembof; im Süden wird uach wie vor die Linie deS Oranje-Flusses gehalten, der gegenüber die Engländer bei NorvalS Pont und Bethulic bis an die zerstörten Brücken gelangt sind, und auch der GutSbesitzer-General Brabant soll jetzt in Aliwal North cin- getroffen sein. Vom Heere Vnllcr's sollte die Division Warr en nach dem Norden der Capcolonie versetzt werden Heute jedoch wird gemeldet, die Division, die schon ein geschifft war, sei nach dem nördlichen Natal zurück berufen worden, die Leute seien wieder gelandet und marschirten nordwärts. ES hat sich gezeigt, daß Buller's Telegramm vom 5. März: „ganz Natal sei frei vom Feinde", nicht richtig war. Zwei Tagemärsche von Ladysmith stehen im Nordostcn und Osten Boeren in beträchtlicher Menge, an- geblick gar 9000 Mann. Und auf die Division White ist noch kein Verlaß, die andern Divisionen sind durch die letzten, ungewöhnlich verlustreichen Kämpfe stark mitgenommen. Ter Mitzbrauch der weißen Fahne. L. 6. Loudon, 14. März. Als niemand Geringeres, denn der englische Generalissimus, Lord Roberts von Kanoahar, in einer feierlichen Depesche an die Präsidenten ver bs'Oen Repu bliken und einem demonstrativen Kabelbericht an 'das Kriegs ministerium die alt« Mäihr wiederholte, die Boeren hätten ab sichtlich und alle Grundsätze des Völkerrechts verhöhnend, sich der weißen Fahne bedient, um mit ihrer Hilfe nichtsahnende und ver trauensselige englische Osifioiere und Soldaten in eine Falle zu locken und dann meuchelmördebisch niederzuschießen, da mußte selbst der Schwerstgläubigste annvhmen, daß diese feierlichste Form und dieser officiellste Weg unmöglich «hätten gewählt werden können und am allerwenigsten von einem vornehmen alten Sol baten und demjenigen Manne, Len in erster Linie die Wahrung der britischen Waffenehre in Südafrika anvertraut ist, wenn die geineldete Thatsache nicht über allem Zweifel sestgestellt worden sei. Was half es demgegenüber, wenn man sich an sie zahlreichen vorhergegangenen ähnlichen Beschuldigungen «minder officieller Natur von englischer Seite erinnerte, die ausnahmslos später als unbegründet sich herausgestellt, oder sich geradem als erfunden erwiesen hatten — wozu konnte es einer solchen Autorität gegen über nützen, wenn man sich sagen mußte, «daß Natur, Sein und Denken dieser Boeren «in solches Verbrechen an Menschenrechten und Cidilisation als unmöglich erscheinen lassen. Lord Roberts hatte ausdrücklich erklärt, er und seine Stabsofficiere 'hätten den unglaublichen Vorgang mit eigenen Augen beobachtet. Jrgenv einem Nichtengländer, der die Thatsache bestritten hätte, würde man ehlicher Weise keinen Glauben haben schenken dürfen, ohne sich mit Recht dem Verdachte blindester Parteilichkeit oder ver bissenster Parteinahme schuldig zu machen. Wir gestehen, daß wir trotz alledem nicht an die Thatsache geglaubt, und zwar nicht etwa aus sogenannter Boerenfreuddlichkeit, sondern genau aus dem selben Grunde, aus welchem wir diese Beschuldigungen von vcn. herein und bei ihrem ersten Auftouchen in das Reich der Sinms täuschungen verwiesen haben, einfach, weil selbst der blutdürstig.- und gewissenloseste Gegner zu solchen Mitteln schon auS einfach Klugheit und Selbsterhaltungstrieb nicht greifen kann. Wi schweigen trotzdem, weil unsere persönliche Ansicht hierzu Werth los war und Erfahrung un» gelehrt hatte, daß der bekanni: klassische Zeuge für die Wahrheit sich bald «insteklen werde. Wir haben un» nicht getäuscht. Heute läßt sich die Oberofficiosin des Uitlander EomitSS selbst, die „Times", von ihrem Specia! correspondenten im Gefolge des Lord Robert» wörtlich Wie folat vom AaS-Voge-lkop, den II. März, 6 Uhr 30 Min. Abends, kabeln: „Während de» gestrigen Kampfe» beobachteten Lord Robert» und mehrere söme» Stabe» eine Anzahl Boeren, die auf einem Kopje standen, welchen wir angriffen, wie sie ihre Hände als Zeichen der Unterwerfung in die Höhe hielten. (Von einer weißen Fahne oder Taschentuch u. s. w. ist olsn überhaupt nicht die Rede, obwohl Lord Robert» ausdrücklich von einer weißen Fahne spricht.) M» unsere Leute ver bältnißmähig nahe hevangekomnren, wurde von daneben liegenden Stellungen (krom ackjueent pomtion-u ein schwere» Gewchrfeuer eröffnet, «da» bedeutende Verluste verursachte.* So wörtlich der „Tlme»*-Correspondent. ES bleibe dahin gestellt, und ist für die Sache hier auch gleichgiltig, ob Lord Robert» oder der Vertreter de» Cityblattr» bessere Augen sä: weihe Flaggen hat. Di« Achtung vor dem englischen Ober befehl-haber läßt un» nicht daran zweifeln, daß dieser durchaus
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