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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900021001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900021001
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-10
-
Monat
1900-02
-
Jahr
1900
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Di« Morgeu-Lu-gabe erscheint um '/,? Uhr, di« Abrnd-Ax-gab« Wochentag- um ü Uhr. LeLactto« und Erve-Uion: Aohaunt-gasse 8. DI« Expedition ist Wochentags ununterbrocheo geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filialen: AlfreD Hahn vorm. v. Rlemm's Torttm. Universität-strabe 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 1-, pari, und König-Platz 7. Bezugs-Preis in d« Hanptexpedirion oder de» im Stadt. b«iirk und den Bororten errichteten AuS« aabesiellen abgeholt: vierteljährlich ^l4.S0, bei zweimaliaer täglicher Zustellung in- Hau- ^ü6. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung ins Au-land: monatlich 7.50. ^-74. Morgen-Ausgabe. ttWgcr..TaMalt Anzeiger. Amts Klatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 10. Februar 1900. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redaction-strich t4ga» spalten) 50-H, vor den Familiennachrichlea (kgejpalten) 40-H. Größere Schristen laut unserem Preis. Verzeichnis Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mlt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4llhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 84. Jahrgang. Die Ersatzwahl im kreise Northeim. -4- Durch die 'UngiltigieitSertlärung der Wahl des bünd- lettischen Abgeordneten Harriehausen im Rcichstagswahl- IrerseNorthcim-Einbeck ist eine Neuwahl indiesem vielumstrütenen Kreis« nothwendig geworden. Es ist charakteristisch für die Stellung der preußischen Regierung zu den Parteien in der Pro vinz Hannover, daß die Wahl deshalb für ungültig erklärt j worden ist, weil einer der Landräthe des Wahlkreises etwas allzu eifrig für den bündlerischen Candidaten agitirt hatte. Wessen Wahl aber sollte durch die Agitation -des strebsamen LandrathS verhindert werden? Diejenige des national - kider al en Candidaten, der den Kreis schon früher vertreten und sich als ein durchaus nationaler Mann bewährt hat. Dec eifrigen Thätigkeit der preußischen Regierungsorgane zu Gunsten des biinidlerischen Bewerbers war es denn auch zu verdanken, daß dieser ea. 500 Stimmen mehr erhielt, als der nationalliberale! Candidat, und in Folge dessen mit dem socialdemokratischen Be werber in die Stichwahl kam, aus der er dann als Sieger hervorging. Bei dieser selben Wahl trat noch ein weiteres Charakteristikum hervor. Der Wahlkreis Northeim-Einbeck ist stark welfisch durch setzt und auch bereits vier Mal in den Händen der Welfen ge wesen. Diesmal aber erhielt der welsische Bewerber weniger Stimmen als je zuvor, so daß er mit seinen 2398 Stimmen erst an der vierten Stelle stand. Bei den vorangegangenen Wahlen hatte der welsische Bewerber noch 4300 Stimmen, also fast doppelt so viel, auf sich zu vereinigen vermocht. Es ist also sicher, daßeineganzeAnzahlwelfischerStimmen von vornherein dem bündle rischen Bewerber zusiel, um diesem die Chancen der Stichwahl zu verschaffen und Len Nationalliberalen davon auszuschließen. Nun sind di« Welfen keineswegs mit den Zielen des Bundes völlig ein verstanden, wie sich beispielsweise aus der Haltung der welsischen Abgeordneten gelegentlich der Berathung der Handelsverträge er- giedt. Sie nahmen also doch wohl an, daß ein speciell bünd- lertscher Abgeordneter ein weniger entschiedener Gegner der specifisch welsischen Bestrebungen sein würde, als ein nationalliberaler Abgeordneter. In der Thal sind die bünLIerisch konservativen Bestrebungen in der Provinz Hannover darauf aerichtet, die dem Großgrundbesitze angehören den W^sen durch "Versöhnlichkeit" zu gewinnen. Und die preu ßische Regierung macht diese VersöhnungSaction munter mit, vor Allem durch Bezeugungen des Wohlwollens gegenüber den alt hannoverschen Officieren. Daß aber diese ganze Versöhnungs- action völlig wirkungslos ist, hat erst in den letzten Wochen die Haltung der welsischen Presse gegenüber neuen Be weisen des Wohlwollens gezeigt. Die Welfen wollen sich nicht damit begnügen, sich alter Traditionen g-legentlich erinnern zu dürfen, sie wollen dies« Traditionen durch Wiederou-srichtunq des Welfenthrones praktisch verwirklichen. Und diese Pläne erscheinen ihnen um so ausführbarer, je mehr diejenige Partei zurückgedrängt wird, die sich von allem Anfang an mit der Neu ordnung der Dinge in Hannover loyal abgesunden und durch ihre deutsch-nationale Gesinnung lebendig gegen den hannoverschen PartikulariSmus angekämpft hat. ES ist darum ein Act der u ng l a u b li ch st e n Unklug- heitund politischen Kurzsichtigkeit, wenn di« preußische Regierung gerade diese Partei aus Hannover zu ver drängen sucht. Neben der Unklugheit aber macht sich die Re gierung auch der Undankbarkeit schuldig, denn die naöionÄliberale Partei in Hannover hat ihre preußische und deutsch« Stellungnahme nur unter schweren persönlichen Opfern aufrecht erhalten können. Wie ist beispielsweise Rudolf von Bennigsen um seiner nationalen Haltung willen von seinen welsischen StandeSgenossen boykottirt worden! Zur Strafe für ihre Undankbarkeit gegen die Nationalliberalen muß nun die Regierung die Undankbarkeit Derer hinnehmen, di« von ihr in Hannover künstlich großgezogen werden: der bündlerischen Con- servativen. DaS Reich sowohl, wie Preußen werden gegenwärtig von je einer großen Frage bewegt: das Reich von der Flotten frage, Preußen von der Canalfrage. In der Flotten- frage zeigt sich der Bund außerordentlich zweideutig, in der Canalfrage hat er bereits eine schwere Niederlage der Regierung herbeigeführt und schickt sich an, ihr die zweite zu bereiten. Die Nationalliberalen hingegen stehen in beiden Fragen, besonders in der das Reich angehenden Flottenfrage, unbedingt und unzweideutig auf der Seile der Regierung. Es wird sich nun bei der Ersatzwahl in Northeim-Einbeck zu zeigen Haben, ob die preußische Regierung zu einer besseren Einsicht gelangt ist, oder ob sie in dem löblichen Bestreben, den Ast, auf dem sie sitzt, abzusägen, fortfährt. Sie braucht die Nationalliberalen gar nicht zuunter stützen, sie soll sie nur nicht bekämpfen; dann dürfte es den Nationalliberalen wohl gelingen, den von ihnen fünfmal innegehabten Wahlkreis wieder zu erobern: Und wenn die preußische Regierung zur besseren Einsicht nicht gelangt und abermals einem in der Flottcnfraqe unsicheren Cantonisten directe und indirecte Unterstützung angedcihen läßt, sollte sich da nicht imBun-desrathe ein Vertreter eines anderen Bundesstaaten finden, der den Herrn Reichs kanzler und preußischen Ministerpräsidenten um Beantwortung der Frage bäte, wie cs sich mit der Aufgabe des führenden Staates im Reiche verträgt, seine Gunst einem Candidaten zu-zuwmden, von dem eine aufrichtige Förderung der den verbündeten Regie rungen so sehr am Herzen liegenden nationalen Aufgabe nicht zu erwarten ist? Professor Mommsen über England. Der bekannte englische Schriftsteller Sidney Whitman hatte den Professor Mommsen um Mittheilung seiner Ansicht u. A. übe: folgende Frage gebeten: „Was ist Ihre Meinung über das gegenwärtige Empfinden Deutschlands gegen England — speciell mit Bezug auf die Wirren in Südafrika? Welchen Einfluß wird, in umfassen dem historischen Sinne betrachtet, nach Ihrer Schätzung der gegenwärtige Krieg voraussichtlich auf die politische Zukunft Englands und des britischen Reiches ausüben?" Aus der vom „Berk. Tgbl." veröffentlichten Antwort des "»-rühmten Gelehrten theilen wir nachfolgende Stellen mit, die vei einem Manne wie Mommsen jedenfalls schwer ins Gewicht fallen und zeigen, daß die anticnglischen -Empfindungen unseres Volkes sogar bis in sonst leicht anglophile -linksliberale Pro- fessoren-Kreise hineinreichen. Mommsen schreibt: Geehrter Herr! Es ist leider nur zu wahr, -daß die Be - zi« Hungen, oder sagen wir lieber dis Sympathien zwischen Engländern und Deutschen in dem alten Jahrhundert, auf das ich zurücksehe, eine große und traurige Veränderung z-eigen. Als ich ein junger Mann war, er schien uns England als die Zuflucht des Fortschrittes, als das Land politischer und geistiger Freiheit und wohlverdienten Reichthums. Wir hielten die ungeschriebene englische Verfassung für -ein Musber, wir jubelten, als -Setr-embrini und Kinkel ihren Fuß auf britischen Boden setzen kvnnt«n. Wir spotteten mit Byron, wir lachten mit Dickens. Wir konnten die Herrschaft des Königs Cant (der Heuchelei), den Handelsegoismus nicht ganz übersehen, die Thatsache, daß die Officiere ihre Stellen kauften, und die Soldaten gekauft wurden. In unser Fühlen gegen England mischte sich genug Unwissenheit und sJllulsion. Mancher Londoner Schneider ist in Deutschland als «in lebendiger Lord bewundert worden. Aber der Horizont, namentlich der politische, war nach jeder anderen Seite furchtbar dunkel. Wir hielten uns an die kleine blaue Stelle, welche das Aridere beherrschte. Das allgemein« -Gefühl in Deutschland war: Die Engländer sind glücklicher, als di« Deutschen, sie sind uns in dsr Politik überlegen. Und waren sie nicht überhöflich, -wogegen mir nicht blind sein konnten, so hatten sie -doch «in gewisses Recht, auf ihre Vettern auf dem Continen-t mit Geringschätzung zu sehen. Jetzt hat.sich die Sache vollständig gedreht. Die Illusionen sind geschwunden. Die radicalen Fehler deS englischen Systems, des 'Herumtretens auf Unterworfenen und verachtet«» Völkern, das Vorwalten des Gekdinteresses, das Ueberlassen der Landes- vertheidigung an Wellen und Matrosen — das Alles wurde uns nur zu klar. Wir begannen zu zweifeln, ob Britannien und selbst das „größere Britannien" auf die Länge «mit den großen Nationen Europas und Amerikas Schritt halten könne. Aber jnicht nur unser Urlheik hat gewechselt, die Engländer selbst haben kräftig daran mitgearbeidet, das p «putsche Gefühlzu ändern. Bismarckist einl Zeuge, den Sie nicht verwerfen werden. Er schrieb in einem Pri-oatbrief: „Auf die Fitrge, ob ich russisch oder westeuropäisch gesinnt -sei, habe ich immer geantwortet, daß ich ein Preuße bin. Was fremde Länder betrifft, so habe ich «inst Sympathie für England und seine Be wohner gefühlt, und selbst jetzt bin ich zu Zeiten nicht frei davon. Aber Pe wollen es uns nicht erlauben, sie zu lieben." Das war nur zu wahr. Die Engländer haben ihr Westes gethan, um sich den Deutschen verhaßt zu machen und darin haben sie Erfolg gehabt. Kein Deutscher, der sich mit Politik abgiebt, kann die englischen Machenschaften -in der s ch l e s w i g - h o'l st «i n - schen Sache und während des französischen Krieges vergessen. Ich will nicht nachträglich anklagcn, aber ich stelle eine Thatsache fest. Keine politische Nothwendigkeilzwang Eng land auf die Seite unser« Gegner. Dänemark wurde als «in englisches Anhängsel und Paris als die Sommerresidenz der reichen Engländer betrachtet. Schlachten vergessen sich 'leichtsr, als man ihre Diplomatie -vergißt. Handel und Industrie sind bei uns- im Wachsen. Es ist für die Engländer nicht leicht, mit Gleichmut,) auf einen Rivalen zu sehen, von dem man vor 50 Jahren nichts wußte. Mr geben auch zu, daß bis vor Kurzem ^England getreu seinen alten und «hrenoollen Ueberliefe- vunge-n, Len Fremden jeden Hafen öffnete, -den es g-ewann, aber mit dem Ablauf des alten Systems ist jetzt eine Reihe kleiner Nörgeleien verbunden. Ist es wahr oder nicht, daß die alte Mißzrch.ung gegen Deutschland nicht -durch den Neid verdrängt wurde, sondern sich mit ihm verschmolz? Wir können nicht leicht das Brandmal vergessen „Llaäa in Oerrnan.v", und würden wir vergessen — Ihre Press« würde uns Tag für Tag daran erinnern. Sie ist zu einer Gemeinschädlichkeit ge diehen, wie Ühre Pariser Schwestern. Haben Sie den Artikel in Ihrer illustrirten „Army -and Navy Gazette" gelesen, der) vor 14 Tagen erschien, und der in diesen Tagen des süd afrikanischen Krieges — über deutsche MiethSsoldaten und ihre militärische Brauchbarkeit sich aufhält? , Mit Bezug aufD«utsch-Afrika bringt uns jeder Tag -verrätherische Erfindungen und haßerfüllte Märchen -aus der Londoner Presse. Eine „englische Nachricht" über «in Unglück in unseren afrikanischen Colonien ist bereits auch gleichbedeutend mit dsm Wort Lüge. Ich maße mir nicht an, die Ergebnisse unseres Colonialfystems hier zu behandeln. Sie sind gewiß außerordentlich schattenhaft (?) und voll von s«hr patriotischen, aber auch sehr unsoliden Phantasien (?). Nicht bin ich der Sprecher für das akademische Publicum Deutschlands, noch weniger des gesummten Landes, aber soweit mein« Kenntniß reicht,, stehl jeder Deutsche im Herzen auf Seit« der Boercn, und -das nicht, weil seine Petterschaft mit diesen ein wenig näher ist als mit den Engländern, aber thei'lweise, weil >der -Haß gegen Ihre Landsleut« größere, und, ich füge hinzu, ungerechte (?) Dimensionen angenommen hat, theilweise aber auch, weil/d ies-er Krieg nicht blos, wie jeder 'Krieg überhaupt, «in Unglück, sondern eine Infamie ist. Die Wiederholung von Jam«son's Raubzug durch die englische Negierung (ich will nicht sagen das englische Volk), die durch Börsen- und Min-enspeculation hervorgcrufen worden, ist die Enthüllung ihrer -moralischen und politischen Corruption und ihrer militärischen und politischen Schwäche. Wäre in England «in Nest von Weisheit und von Vaterlandsliebe geblieben, so würde man Lord (sä«!) Cham berlain nach «Coventry schicken, dort sein Dreivetternsystem auszuspinnen, und dann -einem übel -behandelten Wolke nicht nur den Frieden, sondern die volle Unabhängigkeit geben, auf die es ein Recht hat, dies wäre sicher nicht' „geschäftlich", aber cs würde «im moralischer Sieg sein, der jöde militärische Nieder lage austilgte. WaS die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland betrifft, so haben wir sicher die glorreichen Thaten des großen Friedrich und des General Steubcn nicht vergessen. Wir können die mächtige Republik picht als ein Anhängsel der englischen Nation betrachten. Di« Millionen Deutschen, die ein deutsches Heim jenseits des Meeres gefunden haben, bilden ein Bindeglied zwischen Deutschen und Amerikanern, das den Engländern gegenüber fehlt. Es gicbt in Deutschland kennen populäreren Namen (?), als den von Karl Schurz, und ter ist ein «benso guter deutscher Patriot, wie er ein Amerikaner ist. Aber, so weit ich beurtheilen kann, gilt die Monroe - Doktrin nicht allein 'für Amerika, sondern auch für Europa. Damit will ich -sagen, daß in der Politik die zwei The-ile der Welt nicht eng verbunden sind. Vermutlich wird sich das allerdings ändern durch das Abbrechen von China und den Folgen des spanisch-amerikanischen Krieges. Ein Wechsel in der amerikanischen Politik, der eine Umwälzung in militärischen und Marinefragen in sich schließt, steht vor der Thür, möge er dem Vereinigten Staaten Nicht nur weiter« Aus dehnung, sondern größere Kraft und alles Heil bringen. Ich hin zweifellos «in Wünscher alles Guten, aber «in Prophet bin ich «be-nsv zweifellos nicht. Ihr ganz ergebener Mommsen. Oer Krieg in Südafrika. -S Nack Telegrammen verschiedener Londoner Blätter be stätigt es sich, daß General Buller am Dienstag keinen weiteren Vorstoß machte und sick damit begnügte, die gewonnenen Stellungen zu behaupten Wegen des Mangels an neuen Nackrichlen wird angenommen, daß er schwere Geschütze kommen läßt, um das den weiteren Vormarsch bindernde Kreuzfeuer der schweren Boerengeschütz- wenn möglich rum Schweigen zu bringen. Tie Meinungen über den schließlichen Eifoig Buller's werden pessimistischer. Tie „Times" sagen, Buller balle nickt nur die von 18 000 oder 20 000 Boercn gebaltenen Linien turckbrecken, sondern ihnen eine zertrümmernde Niederlage zufügen müssen. Falls er die Boercn nicht nach den Drakensbergen treiben oder sie derartig aufrciben könne, daß sie ausbörten, für alle prak tischen Zwecke eine Streitmacht zu sein, könne ein Entsatz von Ladyimilb mit Sicherbeit kaum vollbracht werden. Eine Meldung des „Daily Curonicte" aus dem Spear- manslager sagt, daß wädiend des Scheinangriffes von Potgieter die britischen Batterien durch das Schrapnelfcuer vom SpionSkop eine Zeit lang in Gefahr sckweblen; die Kanonen wurden inreß zurückgezogen, ehe ihnen ein ernster Unfall zustieß. Unser eigener Correspondent in London berichtet: k. London, S. Februar. (Privattelcgramm.) Buller's Avantgarde hält nur zwei kleine Baal kran tz-Kopjes dicht am Tugclanfcr. Idin gegenüber stcht auf dcu Vrackionlein-Hohe» General Biljoen. BuUcr's Haupteorps mit schwerem Geschütz besetzte das süduscr. Seine Truppcit sind demoraUsirt. Tic Eriieuernng des Angriffs ist «»wahrscheinlich. Das sieht noch pessimistischer aus als das Horoskop der Londoner Organe der öffentlichen Meinung. Einem brieflichen Berichte desselben Corresponventen vom 8. Februar entnehmen wir noch das Folgende: So wäre wieder Alles umsonst gewesen! — Buller'S Vor bereitungen, wie die Verbeimiichni g?veriuche der Regierung. Die Censur schlagt sich auf die Tauer stets selbst, und trägt, wie alle Uebel ebenfalls ihr Gegengift in sich. So bat sie auch diesmal stets zu unrechter Zeit sich geirrt, Nachrichten zurückgehalten, die sie Kälte durchlassen sollen und andere durckgelassen, welche sie besser an gehalten hätte. Wieder waren es wie nach allen Nieder lagen der letzten Zeit kurze Meldungen in verabredeter Sprache und Nachrichten aus BoerenqueUe, welche ihrer Auf merksamkeit entgingen und durch ihr Bckaiinlwerden die Re gierung zwangen, sehr wider Willen ihr Schweigen zu brechen. Am Dienstag Abend noch hatte das Kriegsamt durch den Mund Lord Roberts feierlich erklärt: Lage unverändert — und FKuilletsn. Der „erste" Laviar. Von L. N. Myschkin. Nochdruck «rrbotcn. „Der «rste Crviar gehört dem Zaren" — so wird'S von scher gchaltmr im Lande der uralischen Kosaken. 'Die Eröffnung 'der Winterfischerei auf dem Uralfluß ist denn auch für das „uvalksche Heer" »in hoher militärischer Festtag. Prächtig strählt die Januarsvnn« auf die glitzernde Eisdecke deS Stromes nieder. Bon diöftr Stärke der Eisdecke hängt der Termin der Fangeröffnung ab: sie darf weder zu schwach, noch zu stark sein, denn sie muß einerseits im Stande söm, di« vielen Tausende von Menschen zu tragen, die sich an dem festlichen Act betheiligen, und darf andererseits durch ihre Dicke den Fischern nicht allzu große Mühe verursachen. Bier (russische) Zoll sind das richtige Maß. Der große „Präsenkfang" findet unterhalb der Provinzhauptstaidt UralSk statt, deren Civilbsvölkerung an dem militärischen Fischzug den lebhaftesten Antheil nimmt. Die niederen und höheren Schulen — auch das Mädchengym- nastum, das diese vorgeschrittene halbasiatische. Stadt besitzt — sind natürlich zur Feier de« Tages geschloffen. Alles berittet sich vor, um nach dem Flusse zu eil«n — es ist, mit einem Wort, ganz so, wie in den Hauptstädten an Paradetagen. Auch eine besondere Toilette giebt eS für den Tag, sie setzt sich natürlich, der Saison entsprechend, aus allerhand Pelzklördern, Fihstiefeln, Klappmützen u. s. w. zusamwen. Schon vor Sonnenaufgang eiten Hunderte von Schlitten nach dem Rendözvous-Platz, der sich etwa fünf Werst unterhalb UralSks auf dem rechten Fluß- Ufer befindet und durch das Zelt deS Kosaken-HetmanS marckirt nsird. -Auch di« Kosaken begeben sich auf Schlitten, auf denen sie ihre Fischereigrräkh« mitführen, nach dem „Manöverseld". Di« Geräthe sind verhältnißmätzig einfach. Eine Brech stange zum Durchschlagen des Eises, ein Nctzfack zum HerauS- fkschrn der Eisschollen, fünf ungeheuer lange, bis zu fünfzehn Metern messende Stangen mit eisernen Halen an dem einen Ende, ein paar kürzere Haken und «in Stock, alle gleichfalls mit Haken versehen — das ist der Apparat, den jeder Kosak für daS Wintersischc-n mit sich führt. -Kurze Pelze oder dicke Kaftan«, deren Schöße in weiten, langen Beinkleidern aus weißem Linnen stecken, ferner Filzstiefel und hohe Mützen aus Fell bilden daS Kostüm der Fischer. Ein malerisches Bild entfaltet sich auf beiden Usern des Flusses. Auch di« Kosatensrauen und Kosakenfräulein sind her beigeeilt, und die liebe Fugend darf nicht fehlen. Von der Civil-bcvölkerung, die der Zahl nach hinter der militärischen Einwohnerschaft von Uralst zurücksteht, ist Hoch und Niedrig vertreten. Von weither sind auch Tataren, Kirgisen und Kal mücken erschienen, um am festlichen Tage des „Präsent-FischenS" dem Bäterchen-Zaren in Moskau ihre Loyalität zu bezeugen. Vor etlichen Jahrzehnten träumten alle diese Haibbarbaron noch von den großen Tagen des Pug-atschew-Aufstandes, da ihre Väter hier in der Steppe unter dem Scepter des kühnen Empörers ein eigenes Reich zu begründen gedachten. Heute sind sie alle ge bändigt und bilden die friedliche Staffage zu dem national russisch«« Schauspiel, das sich sogleich da unten auf dem fisch reichen Flusse entfalten wird. Noch steht man auf der wetten Eisfläche Nichts weiter, als zwei vier Werst lange, hüben und drüben m einiger Entfernung vom Uftr aufgestellte Ketten von berittenen Kosaken-Posten. Niemand darf diese beiden Linien überschreiten — bis die alte Kanone dort neben dem Hetmanszelt den Signalschuß abgefeurrt hat, der den Fang eröffnet. Noch halten die ahnungslosen -Störe, die Köpft tief in den Flußschlamm eingebohrt, ihren Winterschlaf. Jetzt oödnen sich die siebentausend Krieger, die an dem Fischen theilnehmen, möglichst geräuschlos in je drei Reihen auf den beiden Eisstreiftn zwischen den Ufern und den Postenketten. Und nun — eS ist kurz dor neun Uhr morgens — jagt das Dreigespann des Hetmans heran: er giebt das Zeichen, der Kanonenschuß erdröhnt. Mit lautem Halloh stürzen sich die beiden langen -Menschenreihen von den Ufern her nach der Mitte des Flusses. -Ein ganzer Wald von hohen Stangen ragt über feiner Fläche empor. Mitten durch die Röchen schreitet der Hetman mit seinem Gefolge. -Ueberall herrscht lebhafte Ge schäftigkeit, die Eisdecke wird mit den schweren Brech stangen durchlöchert, und sobald die Oöffnung groß genug scheint, wird, je nach der Tiefe des Wassers, mit längeren oder kürzeren Stangen der Grund aufgerührt, damit die aus dem Winterschlaf aufgeschrecktcn Fische an die Oberfläche steigen. Spürt der Fisher, daß di« Beute am Haken festsitzt, dann zieht er die Stange empor. Jst'S nur ein kleines Thier, ein Zander etwa oder ein kleiner Stör, dann wirft er ihn einfach auf- Eis und stochert Wörter. Ist es dagegen ein großer Stör oder Hausen, den er allein nicht zwingen kann, dann ruft er: „Rasch! Rasch!" — und di« Zunächststehenden eilen herbei, erweitern die Eiswuhne und helfen ihm mit den kurzen Haken stöcken, den Gefangenen zu landen. Jetzt kommt's nun darauf an, ob's ein „Rogener" oder ein „Milchener" ist, den man herausgezogen; -für jenen giöbt's nämlich zwei, für diesen nur einen Silberrübel Fanggeld. Präsentschlitten, auf denen die ffchwarzgelbe Kronsfa-Hne weht, fahren auf dem Eise hin und her und nehmen die großen Fische, nach Geschlechtern gesondert, auf. Die Rogener weiden, damit sie nicht erstarren, in Fix decken eingehüllt. Nur die stattlichsten Exemplare unter den gefangenen Fischen sind dazu ausersehen, mit dem Cuviar zusammen die Reift an den Höf zu unternehmen — der Rest bleibt vorläufig aüf dem Eise liegen, wo er bald erstarrt und von unternehmenden Aufkäufern oder Privatkunden billig er standen wird. Nach Verlauf einer Stunde wird der Fang unterbrochen. Ist die Beute an großen Fischen nicht reich genug gewesen, so wird noch ein zweiter „Schlag" oberhalb der durch Fischwehrc abgösperrten ersten Fangstelle gethan. Es entfaltet sich da noch mals dasselbe Schauspiel. Die beim ersten „Schlag" gefangenen Fische werden inzwischen nach dem in der Nähe der Stadt be findlichen „Magazin" gebracht. Hier ist Alles zur Eaviar- bereitung vorgesehen: ein großer Tisch, auf dem die mächngrn, nicht selten mehrere Centner wiegenden Stör- und Hausen weibchen von dem kostbaren Rogen „befreit" werden, dann ver schiedene Tröge, Siede und Bottiche mit Salz und heißem Wasser, die zur Präparirung des Ca-viars erforderlich sind. In einem Verschlage werden die Fische äbgelädc-n, sie sind nicht selten durch di« Fangha-ken arg genug zugerichtet und Wersen sich in ihrem engen Behälter verzweifelt hin und her. In einem anstoßenden Raum« des Magazins wird am Tage nach dem Fang die weitere Behandlung und Verpackung des Casiars vor genommen. Heute aber kst hier das Festfrühstück anzerichtet, bei dem vor Allem der frische Caoiar auf seine Güle geprüft wird. Nach Beendigung des zweiten „Schlages" erscheint der Hetman, um sich zu überzr-ugrn, ob Alles dm programm gemäßen Verlauf nimmt. Er will natürlich in St. Petersburg Mit seinem Präsent Ehre einlegen. Dann setzt man sich zur Tafel und läßt sich Sei Wein, Thec und Brod die köstliche, auf dm Präscntirfchüffcln gleich schwarzen Perlen schimmernde Delikatesse vortrefflich munden. Es wird nicht gekargt mit dem überreichlich vorhandenen Vorrath, und so wird der Tag des „Präsent-Fischens" für die Bürgerschaft von Urals! zu einem fidelen Feste, das sich bis spät in die Nacht hinein ausdehnt. Draußen auf denvStrome aber, dessen durcklöchertöLiSdecke einem gewaltigen Netze gleicht, fischen Hunderte Lon Löulisn auf eigene Rechnung weiter, und mancher arme Schlucker bringt seinen halben Centner prächtiger Fische nach Ha-use, von denen er mit den Seinigen eine Woche lang vergnüglich schmausen kann. Einen ganzen Monat lang dauert das Winierfischen der Kosaken auf dem Flusse, der ihnen einen schönen Beitrag in ihre Casse liefert. Das „Präsent-Fischen" allein ergiebt gegen fünf- bi» sechshundert große Fische und ungezählte kleinere. Wir viel davon mag wohl in Wirklichkeit auf die Tafel de» Zaren kommen? . . .
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