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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190004298
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000429
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000429
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-04
- Tag 1900-04-29
-
Monat
1900-04
-
Jahr
1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1900
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 2l) Ptg,' Steelumen unter dem Redactionsflrich (4ae» spalten) LS»Z, oor den Familiennachricht»« <6grspalten) 40 »j- Gröhsre Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferasatz nach höl)«rrm Tarts. »v>»— Extra-VeilckGeu (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung .-tl SO.—, mit Postbefördernng ^l 70.—. )tnnahmrschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anteile» sind stet« an dir StztzetzittO» tu richten. Druck und Verlag vo» E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Sonntag dm 29. April 1S00. Rus -er Woche. Vereinzelten Wahlen kommt in der Regel nicht die Be deutung zu, die ihnen die siegreiche Partei und dir Parteien, die sich, ohn- zu siegen, gegen die vorauSaegangenen Wahl- El>-e verbessert haben, nach englischem Muster andichlen. Die durch den Tod eine« Iiationalliberalen Abgeordneten nvthwendig gewordene Reichstags ersatzwahl in Aurich- Wittmund macht eine Ausnahme. In eine kritische Zeit gefalle», in der eine Frage die ganze Nation und eine andere eine große Intereffentengruppe bewegt, bat sie auf beide Fragen eine erschöpfende Antwort gegeben. Auf daS ziffernmäßige End- ergebniß kommt wenig oder gar nickt« an. Da« bis jetzt vor liegende Resultat zeigt schon unwiderleglich, daß die küblen Ost friesen für die Flottenvermehrung unv gegen die intransigente Hrtzpolitik der Berliner Leitung de« Bundes der Landwirtbe emtreten wollen. Bei einer Wahlbetbeiligung, die ungefähr s» stark war wie die im Iabre 1898, bat der national liberale Canvidat im ersten und einzigen Wahlgange eine Mehr al« 1200 höhere Stimmenzahl auf sich vereinigt als iN> jenem Iabre, und er ist, während der ver- stvrbrnr, im Wahlkreise ansässige Abgeordnete vr. Kruse sich da« Mandat in der Stichwahl erkämpfen mußte, im ersten Wahlgange gewählt worden. Dagegen hat der Frei sinn unverkennbar einen Rückgang zu verzeichnen. Zwar zählt ihr Canvidat 6—700 Stimmen mehr al« vor zwei Iabren, aber diese« Plu« ist der größere Theil der Centrums- stimmen, die 1898 1011 betrugen und diesmal frei wurden, weil die Ultramontanen auf die Aufstellung eines eigenen Bewerbers verzichtet batten. Der Rest dieser 1000 Stimmen kommt in dem winzigen Mehr der Socialdemokratie zum Vorschein; für einen Nationalliberalen hat natürlich kein Klerikaler gestimmt. Große Anstrengungen haben alle Parteien gemacht, den Nationalliberalen schienen sie einen Augen blick vereitelt werden zu wollen durch die namentlich von Herrn Richter geschickt gepflegte Fiction einer Differenz zwischen der nationalliberalen Parteileitung und dem dieser Partei angehörige», jetzt gewählten Vr. Semmler. Zn Wirklichkeit herrscht» und herrscht volle Uebereinstimmung; die an scheinend vorbaudene Meinungsverschiedenheit beruhte auf einem ohne nationalliberale« Verschulden und lediglich durch eine bünd- lerische Ueberscklaubeit, die sich nicht bezahlt gemacht bat, entstandenen Mißverständniß, dessen Opfer auf ein oder zwei Tage die Nationalliberalen Hamburgs, des Wohnsitzes des Gewählten, geworden waren. Der Zwischenfall oder seine Ausnutzung durch den nicht unmittelbar daran betdeiligten Freisinn beweist weiter garnichtS, als die Stärke des Wunsches bei der Gruppe Rickter einerseits und bei der Leitung res Bundes der Landwirthe andererseits, in diesem Augenblicke, wo Flotte und Flrischbeschaugesetz die Lage beherrschen, über die unbedingt flottenfreundliche, sowie zwischen lanvwirth- fchaftlichen und sonstigen Erwerbsinteressen vermittelnde nationalliberale Partei einen Sieg zu erringen. Es gelang nicht. Der Kandidat de« Bundes der Land wirthe zählt über 100 Stimmen weniger al« 1898. Soweit die Flotte in Betracht kommt, vertheilt sich die Bedeutung der Niederlage de- Freisinn- und der Herren vr.Hahn.Rösicke u. s. w. ziemlich gleichmäßig. Die Leute von der freisinnigen Volkspartei sind offene und, wie beiläufig in Erinnerung gebracht werden mag, nicht durchweg freiwillige Gegner der Marine verstärkung. Und die Leiter de» Bunde- der Landwirthe sind in der letzten Zeit nicht mehr im Stande gewesen, ihren grimmigen Haß gegen die „gräßliche Flotte" zu ver bergen, wenigsten« vor den helläugigen und ehrliche Be kenntnisse liebenden friesischrn Bauern zu verbergen. Man ist nicht überall unter den Flottensreunden so gutmülhig, sich mit dem Versprechen eines Abgeordneten, für eine Vorlage zu stimmen, zufrieden zu geben, wenn derselbe Abgeordnete Tag für Tag mit vielem demagogischen Raffine ment bemüht ist, derselben Vorlage, über die vielleicht die Wähler »och zu befinde» haben, Hunderttausende von Gegnern zu werben. Än der Budgetcommission, die sitzt die Flotten vorlage „beräth", mag die Wabl in OstfrieSland auch einigen Eindruck machen, und zwar dürfte ibr Aus fall, trotz der traditionellen Parteinahme der klerikalen Wähler deS Kreise-, dem Centrum nicht unwillkommen sein. Er erleichtert das Festhalten an dem, was die „regierende Partei" zu bewilligen sich bemüßigt sieht und i vorläufig in der Commission bewilligt bat. Worin dies besteht und wovon daö Zustandekommen des von der aus , scklaggebeodeu Partei formulirten Gesetzes abhängt, baben wir au der Spitze unsere« gestrigen Abendblattes auf Grund sorgfältiger Prüfung aller un« zugänglichen, leider meist unzulänglichen und widerspruchsvollen CommissionSberickte klarzustellrn versucht. Einer Ergänzung und theilweisen Berichtigung dieser Darlegung überhedl unS erfreulicherweise eine un« von Herrn Reichstagsabgeordneten Prof. vr. Hasse zugehende au«führliche und lichtvolle Darstellung, die wir weiter unten folgen lassen und aus der wir mit Genugtduung ersehen, daß wir die Bedeutung und die Tragweite der vorgestrigen CommissionSbeschlüsse trotz der Mangelhaftigkeit der Berichte in allen wesentlichen Puncten richtig beurthrilt baben. Gelingt e«, sich mit dem Centrum über die Deckungsfrage zu einigen, so kommen wir durch die von ibm angebotenen Bewilligungen einen nicht unbedeutenden Schritt in der Fkottenverstärkung weiter, bleiben aber zunächst selbst hinter Frankreich zurück, daS schon jetzt stärker zur See al« Deutschland ist und sich rascher weiter kräftigen wird, als e» bei unS da« Centrum zur Zeit erlaubt. Herr Richter stellt zwar in „diesem Betracht" gegentheilige Behauptungen auf; er versichert, wa« er bei paffender Gelegenheit seit 30 Jahren vordringt, daß nämlich die Rüstungen Frankreichs, de« Aus landes überhaupt, Bagatellen seien gegen da«, wa« in Deutsch land für DertbeidigungSzwecke geleistet und angestrebt werde. Daß der Mana sich nicht schon lange bei sich selbst zu Tode gelangweilt hat, ist «in Zeichen ebenso großer geistiger Anspruchslosigkeit wie guter körperlicher Constitution. Um Herrn Richter kümmert sich da« Centrum selbst verständlich nicht mebr, aber hübsch ist e«, zu sehen, wie sich di« Nährväter der Socialdemokratie von einst, weil sie sich nicht mehr rein verneinend verhalten dürfen, mit Bebel und Consorten berumzuschlagen zu haben und, da anderswo brauchbare Waffen zur Abwehr von Heere«- und Marinrgegnern nicht zu holen sind, echt — uatwaalliberal reden müssen. Bei dieser Behandlung schneidet die Social demokrati« auch gegenüber dem Centrum, mit dem sie sich sonst ach! so gut verstand, natürlich schlecht ab. So ist zum Beispiel der Flottenvorlagen unterzeichnende Ge nosse Miller and dnrch klerikale Vorhaltungen ein wahre« Kreuz für die Socialdemokraten geworden. Die DeSavouirung deS Minister-ZukunftSstaatlerS durch Herrn Bebel macht gar keinen Eindruck. Weiß man doch, daß die deutsche Socialdemokratie und zwar nahezu officiell sich wider die französisch-socialistiscken Gegner der Ministerschaft Millerand'S erkärt hat unoc» Drryfus. Der einzige deutsche Social- demokrat, der den Parteigenossen trotz de« nun vergessenen Capitän« nicht auf der Regierungsbank der Bourgeois sitzen sehen wollte, war Liebknecht; der aber schweigt und läßt Bebel Verlegenheitsreden stammeln. Ist durch die Wahl in Aurich der nnebrlicken Flotten bosheit der regierenden BundeSherren eine beschämende Zu rechtweisung zu Theil geworben, so bat sie gleichzeitig ein schweres Gewicht in die Waagschale geworfen, in der Vie Cvn- flictSparole, die die BundcSleitung in der Fleischbeschau angelegenheit auSgegeben hat, nickt liegt. In dem nord- hannöverschen Wahlkreise spielt die Viehzucht eine bedeutende Rolle. Dennoch wurde ein vom Bunde verworfener Mann gewählt, der zwar die Tendenz de« vielumstrittenrn Gesetzes billigt und überhaupt recht „agrarisch" angehaucht ist, der aber nicht nach einem nichtigen Vorwande sucht, dem Fürsten Hohenlohe und — den konservativen Führern ein Bein zu stellen. In sofern ist die den Nationalliberalen ein Mandat erhaltende Wahl eigentlich al« ein Sieg der vom Grafen Mirbach und dem Frhrn. v. Manteuffel vertretenen Richtung an zusehen. Beiden Herren wird da« Ergebniß vermuthlick ein Vergnügen bereiten, da» dir ungezogenen Bemerkungen, mit denen die „D. TazeSztg." ihre lüngst« Erklärung be gleitet, nicht zu verscheuchen vermag; ein Vergnügen, das gewiß nicht dadurch gemindert wird, daß die „D. T." die Candidatur de» von ihren Patronen unterstützten Herrn Bruhn nachträglich, nachdem ihre Niederlage eingebeimst ist, für eine — „nicht glückliche" erklärt. Wäre der Mann nun gewählt worden oder in die Stich wahl gelangt, wie hätte sich der Bundesvorstand ob seiner Kenntniß der „Stimmung der Landwirtbe" in der selben „D. Tageszeitung" Preisen lassen! Der schwere Miß erfolg des von ihm auf den Schild erhobenen Antisemiten Bruhn beweist übrigens nebenher noch, daß die wilde Blut- besckuldignngScampagne, die der Geschäftsantisemitismus und insbesondere die dem Herrn Bruhn nicht ferne stehende „Staatsbürger-Zeitung" aus Anlaß de« noch rätbselhaften Konitzer Mordes wider die Juden eröffnet hat, in Hannover keinen Boden findet. „Der Canal kommt", so jubelt eine gedruckte FrüblingS- lerche aus dem Westen Preußens. Aber er soll nach der selben Quelle vor Pfingsten nur ein Weniges in der Com mission beratben und bann soll der Landtag — ohne Diäten durch königliche Verordnung vertagt werden. Die Ge lassenheit, um nicht zu sagen, die Genugthuung, mit der die „Kreuzzeituna" die Ankündigung bespricht, scheint un nickt sehr viel versprechend für da- Schicksal deS Canal«. Wenn er kommt, so dürste er wieder als „vorübergebende Erscheinung" austauchen. Die Noth der Spreewalv-Anrainer, der Stettiner unv Anderer wird daS Project zu Boden ziehen. Dir baden kürzlich, weil wir der Sacke eine gewisse nationalpolitische Bedeutung beimefsen zu müssen glaubten, eine Schilderung der Stimmung berücksichtigt, die in Stettin wegen der Vernachlässigung dieses ersten preußischen HafenplatzcS im Allgemeinen und insbesondere wegen der vom Elbe-Trave-Canal, zu dessen Bau Preußen Millionen bei gesteuert, der Stadt drohenden Gefahr herrscht. Die Erregung unter den sonst ruhigen Pommern nimmt noch ersichtlich zu. So schreibt ein Bürger der Stadt, der wohl weiß, daß jeder Halbwegs Unterrichte seine Verfasserschaft erkennt: „Unser Interesse hat die Regierung unbeachtet gelassen, als Hamburg aus Reichsmitteln unterstützt wurde, an unser Interesse ist augenscheinlich erst gar nicht gedacht, als Preußen der außer, preußischen Stadt Lübeck «ine bedeutende Unterstützung gewährte, durch welche Lübeck sich da« Mittel verschafft hat, die preußische Ztadt Stettin aus ihrem bisherigen Wirkungskreise möglichst zu verdränge». Lübeck wird in einigen Monaten die Eröffnung des Elbe-Trave-Eanals feiern, wa« ich mit einer Eröffnung deS bittersten Concurrenzkampses gegen Stettin gleich erachte, und wenn an jenem Tag» da« Schauspiel geboten werden sollte, daß die Spitzen unserer Regierung an dem Lübecker Fest theilnähmen, um dies« Stadt dazu zu beglückwünschen, daß sie nuo in der Lage ist, Stettin den Rang abzulaufen, weil man letzterer di» Hände gefesselt hat, mit Lenen e« sich sonst verzweifelt wehren würde, dann wollen wir hier in Stettin die Flagge» ans Halbmast ziehen und in einem letzten flammenden Protest, ohn» Suchen nach mildernden Ausdrücken, der Regierung da« himmelschreiende Unrecht vor Angen halten!, da« an un« begangen ist, gleichzeitig aber ihr auch unumwunden erklären, daß sie auf un« nicht mehr zählen soll und daß die pommersche Starrköpfigkeit sich anch einmal zeigen könnte, wenn dir Regierung zur Erreichung ihrer Zwecke und Ziele unserer Mitwirkung bedarf." Wie man in Stettin versichert, ist dir Erbitterung dort derart, daß nickt nur die angedrobte Trauerbrslaggung, sondern noch Schlimmere- passiren kann. Au« Memel, da« ungefähr ebenso zurückgesetzt worden ist, ertönen nicht minder harte Beschwerden. Dort ist, und zwar, wie Kenner sagen, mit Grund, in der Stadtverordnetenversammlung ausgesprochen worden, daß „der Handel Memrl« vor dem Ruin stehe, daß e« nur eine Frage der Zeit sei, daß sich unser Handel nach Libau ziehe, und daß den Memeler Großkaufleuten schließlich nickt« Andere« übrig bleibe, al« edensall« nach nach Libau au«zuwandern". Danach ist nicht, wie in Stettin, rin« deutsche Stadt zu Gunsten anderer deutschen Städte, sondern eine deutsche Stadt zum Dorthril eine« immer mächtiger werdenden auSlLndischen Mit bewerber« vernachlässigt. Die Flotten-Vorlage in der Sudgelcommisfion. Leipzig, 28. April 1900. Verehrliche Redaction! Die parlamentarischen Berichte über die überaus wichtige Sitzung der Budgetcommission vom Freitag den 27. d. M. enthalten so zahlreiche tbatsäckliche Irrtbümer, daß e« kein Wunder ist, wenn auch die Zeitungen in ihren Betrachtungen über da« Ergebniß der gestrigen Beschlüsse vielfach ganz irregeführt worden sind. Vielleicht ist e« deshalb für Ihre Leser von Interesse, wenn ick nachstehend einige Berichtigungen biete: Der Gezenentwurf der CentrumSmitglieder der Budget commission charakterisier sich dadurch, daß er von sämmt- lichen CentrumSmitgliedern der Fraktion unterzeichnet ist, auch von solchen, die wie der Abgeordnete Noeren gegen da-Flottengesetz vom Jahr« 1898 gestimmt batten, so daß er wartet werden darf, daß da« gesammte Centrum für da« dies jährige Gesetz stimmt, wenn e« diesem gelingt, die wesentlichen Bestimmungen seines Gegenentwurfes durchzusetzen. Der Gegenentwurf macht ferner den Versuch, die noch unaus geführten Tbeile deS geltenden Flottengrsetzes von 1898 in das neue Gesetz bineinzuarbeiten, während der neue Gesetz entwurf derRegierunz bekanntlich nurvon den Mehrforderungen gegenüber dem geltenden Gesetze von 1898 spricht. Der Gegen entwurf beschränkt sich andererseits aber nur auf die Schlachtslotte, während in dem RegierunzSentwurfe und in dem Gesetze von 1898 auch von der Torhedoflottille und den Specialschiffen die Rede ist. Endlich will der Entwurf die DeckungSfrage positiv regeln und nicht nur negutiv, wie der Z 8 des Gesetze- von 1898, der bei dem finanziellen Mehrbedarf nur den Massenverbrauch und damit die sogenannten schwachen Schultern auSsckied, ohne positiv zu sagen, wie etwa der (bisher nicht eingetretene) Mehr bedarf wirklich aufgebracht werden sollte. Wa« die Schlachtflotte anbelangt, so verzichtet der Gegenentwurf auf den noch am Donnerstag vom Centrum gemachten Versuch, die Gesckwaderstärke von 8 auf 6 Linien schiffe herabzusetzen. Bezüglich der AuSlandSflotte will der Gegenentwurf den bisherigen Bestand von 3 großen und 10 kleinen Kreuzern gesetzlich sestlegen, eine vom Negieruugßcnt- wurf geforderte Vermehrung (6 große und 7 kleine Kreuzer) also nicht eintreten lassen. Während das Gesetz von 1898 das Lebensalter der Linienschiffe auf 25 Jahre, der großen Kreuzer auf 20 Jahre und der kleinen Kreuzer auf 15 Jahre sestsetzte und die diesjährige Novelle hieran nichts ändern sollte, schraubt der CentrumSentwurf daS Lebensalter auch der kleinen Kreuzer nnd damit deren Ersatzpflicht auf 20 Jahre in die Höbe. Endlich will der CentrumSantrag die auf den Sollbestand in Anrechnung kommenden unv schon be willigten Schiffe im Gesetze selbst nennen und ebenso die Vertheilung der in den Jahren 190l bi- einschließlich 1917 fälligen Ersatz baut en auf die einzelnen Jahre. Er nimmt dabei eine gleichmäßigere Vertheilung dieser Ersatzbauten über diesen 17jährigen Zeitraum hin vor und gelangt bei der Ersatzpflicht der kleinen Kreuzer statt zu 42 nur zu 29 ersatz pflichtigen kleinen Kreuzern, entsprechend der Verschiebung der Ersatzverpflichtung von 15 auf 20 Iabre. Schließlich will der Entwurf in seinen tztz 6 und 7, wie wir schon an deuteten, die DeckunzSfrage regeln, wobei aber in Aus sicht genommen ist, in dritter Lesung diese Bestimmungen au« dem Flortenzesetzewiederum auszuscheiden und in ein besonderes Steuergeietz zu verweisen. Nur wenn man alle aufgefüdrten Merkmale berücksichtigt, versteht man die gestrigen Beschlüsse der Budgetcommission. Diese sind nun die folgenden: Bei der Abstimmung über die tztz 1 und 2 der Re gierungsvorlage (SckiffSbestand und Jndiensthaltungen) erhoben sich für diese nur 8 Mitglieder und zwar 3 Confer» vative (1 Mitglied fehlte), die 4 Nationalliberalen und — wa« besonders bemerkenSwerth ist — auch der Abgeordnete Frese-Bremen (Mitglied der Freisinnigen Vereinigung, Gruppe Rickert). Bei der Abstimmung über die entsprechenden Hß 1 und 2 de« CentrumSantrage« erhoben sich dafür zämmtliche Mitglieder des Centrums, die oben genannten conser- vativen und nationalliberalen Mitglieder sowie die Vertreter der Freisinnigen Vereinigung und der deutsch-socialen Reform partei. Bei der Gegenprobe stimmten dagegen acht Mit glieder, aber selbstverständlich nicht, wie die Parlaments berichte behaupten, die oben genannten Nationalliberalen, Conservativen n. s. w., sondern die Socialdemokraten, die Mitglieder der Freisinnigen DolkSpartei (Richter) und der Pole, während die deutsche VolkSpartri (süddeutsche Demokraten) und die Elsaß-Lothringer und Büudler nicht vertreten waren. Wiederum entgegen manchen ParlamentSberickten ist e« zu einer Abstimmung über die Deckungsfrage (§§ K und 7) gestern noch nicht gekommen, auch wird e« nach Lage der Sache vielleicht am nächsten DienStag, der nächsten Ätzung der Budgetcommission, noch nicht dazu kommen können. Da« Ergebniß der gestrigen Beschlüsse läßt sich also dahin zusammenfaffen, daß der Sollbestanv der Schlachtflotte in dem von der Regierung vorgeschlagenen Umfange bewilligt ist, daß auch für die Linienschiffe und die großen Kreuzer die Ersatzpflicht in der vorgeschlagenen Weise seststeht und daß nur für den Sollbestand de« Iabre« 1917 13 kleine neue Kreuzer weniger vorhanden sein sollen, al- die Regierungs vorlage wollte. Der Form nach ist zwar die Vermehrung der Au«- landSschiffe um 6 große und 7 kleine Kreuzer abgelebnt, thatsächlich aber die Beschlußfassung hierüber nur bi« zum Iabre 1906 verschoben worben, in welchem Jahre nach der Regierungsvorlage selbst erst mit dem Vermrhrung«bau der Schiffe für daS Ausland begonnen werden sollte. Zu dieser wichtigen Frage bat nun die Regierung in folgender Weise Stellung genommen: Der Staatssekretär Tirpitz konnte mittheilen, daß der BundeSrath sich am vorigen Donnerstag mit der Frage beschäftigt und dabei einstimmig an der Forderung der Vermehrung der Auslandsschiffe frstgehalten bade. Doch habe e« der BundeSrath für di-cutabel erachtet, in eine Erwägung darüber einrutreteu, ob die Beschluß faffung hierüber bi- zum Jahre 1906 hinausgeschoben werben kann. Man darf deshalb annehmen, daß aus dieser Grundlage ein Compromiß zu Stande kommt. Der von einem Mitglied« der Commission gemachte Versuch, die bis zum Jahre 1906 verschobene Frage schon jetzt im Wege der Resolution zu behandeln, scheiterte an dem Widerstande des Centrum«. Doch darf au« deu Aeußerungen der CentrumSredner geschlossen werden, daß sie sich im Jahre 1906 den bezüglichen Forderungen nicht verschließen werden. Ja der Abgeordnete Bebel sand vielfach Beifall, als er voraus sagte, baß bei der Entwickelung unserer Weltpvlitik die Forderungen für Auslandsschiffe im Iabre 1906 weit größere sein würden, als heule, und daß dann daS Centrum gezwungen sein würde, selbst diese gesteigerten Forderungen dann zu bewilligen. Ueber die Behandlung der Deckungsfrage ist wiederum abweichend von einigen ParlamentSbrrichten Folgende« zu bemerken: Wenn der CentrumSantrag absichtlich von dem am 1. April 1900 geltenden Steuerrrcht auSgeht, so will er etwaige Mehrerträgniffe aus Getreidezöllen, wie sie vielleicht die neuen Zolltarife und Handelsverträge de« Jahre« 1903 bringen, ausscheiden, der Antrag will dann das Mebrbedürsniß in folgender Weise decken: 1) durch Erhöhung der Stempelabgaben auf Werth- papiere und Lotterieloo se, sowie durch Ein führung einer Stempelabgabe auf Kuxe, Schiff«» conossemente und Seefahrkarten, 2) durch Einführung «i»rr Abgabe auf Schaumwein, sowie durch Erhöhung der Zollsätze auf ausländische Schaumweine, Likör«, Cigarren und Cigaretten, 3) soweit die unter 1 und 2 bezeichneten Abgaben und Zölle nicht genügen, durch Einführung einer er gänzenden, den Massenverbrauch nicht belastenden Reichssteuer, deren Höbe für die einzelne Finanz- Periode nach Bedarf festgesetzt wird. Diese Vorschläge codificiren die bei früheren Beratbungen der Commission von verschiedenen Parteien gegebenen An regungen und haben versehentlich nur die auch von der Regierung gebilligte Besteuerung de« Saccharin vergessen. Zu diesen Steuervorschlägen macht« »un der Staat sekretär de- Reichsschatzamte« von Thielmann die Mit- tbeilung, daß für die erste Gruppe Steuergesetzentwürfe in der Ausarbeitung begriffen seien und in den nächsten Tagen fertiggestellt werden könnten. Er schätzte deren Ertrag auf jährlich 40 Millionen Mark. Die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen für die zweite Gruppe biete technisch so viele unvorhergesehene Schwierigkeiten, daß die Entwürfe kaum vor dem Herbste d. I. fertiggestrllt sein könnten. Für die dritte Gruppe sei eine Aufstellung überhaupt unmöglich, so lange die Commission sich nicht darüber ausgesprochen habe, welche ErgänzungSsteuer sie wirklich wünsche. Aus den von allen Seiten al« vorläufig und un verbindlich bezeichneten Besprechungen der Commission möge uur hervorgehoben werden, daß man den Ertrag der Schaumweinsteuer auf 7 Millionen, der Saccharinsteuer auf 1 Million schätzte und auch eine Erhöhung de« Zolles auf ausländische Biere vorschlug. Eine Steuer auf Seesahr karten hat wenig Aussicht, da Amerika gerade im Begriff steht, seine analoge Steuer aufzuheben, und dann Deutschland die einzige Seefahrkartensteuer besitzen würde. Don der Er» döbung deS Zolles auf Liköre und importirte Cigarren versprach man sich nur wenig Ertrag, hielt aber aus politischen Gründen an ihnen fest. Die Erhöhung deS Zolles auf Cigaretten wird kaum durckgeführt werben, da von sach verständiger Seite nachgewiesen wurde, daß eine solche zu einen» Minderertrage führen werde. Das Schwergewicht liegt nun in der unter Punct 3 an gedeuteten Ergänzungssteuer. Die Schwierigkeit ist eine doppelte. Ersten« verhalten sich die beiden conser vativen Parteien durckauS ablehnend gegen eine Ver mögenssteuer, Erbschaftssteuer oder Einkommensteuer, also die fast allein in Betracht kommenden Ergänzung steuern, sodaß eS schwer halten wird, für eine der selben eine Mehrheit in der Commission zu gewinnen, da die Socialdemokraten und die Freisinnigen, die an sich für solche Steuern sein würden, sich ablehnend verhalten, weil sie daö Gesetz und damit auck seine Bedeckung nicht wollen. Die andere Schwierigkeit besteht in dem Widerstande der Einzel staaten und damit wahrscheinlich de« BnndeSratheS gegen alle diese Steuern, insofern sie zu Reichssteuern gemacht unr damit den Einzelstaaten ganz oder theilweise entzogen Werder sollen. Endlich aber behaupten sowohl die Regierung, als die Vertreter der meisten Parteien, daß die Ergänzunga steuer überhaupt nicht notbwendig werden wird, daß hierauf bezügliche Beschlüsse also nur akademische Bedeutung hätten und daß e« unrecht wäre, dieser Theorie zu Liebe da« Gesetz selbst scheitern zu lassen, dessen Notbwendigkeit von der Mehrheit anerkannt werde und dessen Geldbedarf thatsächlich gedeckt sei. E« sei de-balb erwünscht, diese ganzen ftcuertbeoretiscken Erwägungen zu vertagen, bis das Reich später einmal für diesen oder für andere Zwecke wesentlich mehr Geld braucht. Dem steht nun leider der 8 7 deS CentrumSantrage« entgegen. Dieser lautet: „Diese« <»rsrtz tritt gleichzeitig mit den im 8 6 erwähnten, noch io dieser Vefetzgebungspertode zn erlassenden Steuer» und Zollgesetzen in Kraft." Hiernach würde also da- Flottengesctz zwar auf dem Papiere angenommen sein, aber tbatsächlick? nicht zur Aus führung kommen können, bevor alle die großen und schwierigen Fragen der gesammten RrichSstrurrresorm »um
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