Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000203010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900020301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900020301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-03
-
Monat
1900-02
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis k d«r Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten ÄuS- aabrstellen ab geholt: vierteljährlich ^»4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrliährltch 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich >li 7.50. Tie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. W-action und ErpeLition: Iohanntsgafte 8. Tie Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Tortim. Universität-straffe 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. Mip)lgtr TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (-ge spalten) 5-O^Z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/^. Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichniff. Tadellarisck)er und Ziffernsatz nach höherem Tarif. tkptra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig. Kl. Sonnabend den 3. Februar 1900. 8l. Jahrgang. l.a Zusrrs L outranos. Nathdruck virbolkn. Man schreibt uns: Wer etwa Optimist genug gewesen ist, um es für möglich zu halten, daß England zum Abschlüsse eines Friedens geneigt sei, dürfte wohl durch di« ersten Tage der Parlamentstagung eines Anderen belehrt worden sein. Denn einmal enbhält die Thron rede die ausdrückliche Ermahnung, auszuhalten, bis der Kampf um die Vorherrschaft in Südafrika siegreich zu Ende geführt sei, und zweitens hat auch der Redner der Mehrheit seiner Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß der Frieden erst dann hergcstellt werden könnte, wenn Engländer und Holländer in Südafrika unter der Aegidr der englischen Flagge vereint wären. Dies heißt nichts Anderes, als daß der Krieg so lange forrgefiihrt werden soll, bis die Boeren bis auf den letzten Mann niedcrgeworfen sind, denn daß früher die englische Oberherr schaft in Südafrika nicht stabilisirt werden kann, darüber sind sich wohl auch die Engländer allmählich klar geworden. Ein angesehenes Berliner Blatt hcrt dem Bedauern Aus druck gegeben, daß die Thronrede nicht gedämpftere Töne ange schlagen habe, die dem Ende des Krieges und damit auch dem Ende der von der Königin so schmerzlich beklagten Verluste förderlich gewesen wären. Bei einiger Kenntniß der Psychologie oer englischen Monarchie und des englischen Volkes aber dürfte man eine solche Hoffnung von vornherein nicht hegen. Es mag sein, daß die englische Königin theoretisch den Frieden liebt, aber dadurch wird die faktische Thatsache nicht aus der Welt geschafft, daß England während ihrer Regierung.sich an 40 Kriegen betheiligt hat. Woher sollte auch die praktische Friedens liebe englischer Herrscher stammen? Wenn, was der Himmel verhüten möge, heute Deutschland in einen Krieg verwickelt würde, so zieht Deutschlands Kaiser sofort ins Feld, mit ihm die deutschen Bundesfürsten, mit ihm sein einziger Bruder, mit ihm sein kaum im Jünglingsalter befindlicher ältester Sohn, mit ihm all' seine Vettern, soweit sie deutsche Prinzen sind. So war eS von Alters her, und so wird es in alle Zukunft sein. Wie ganz anders England! Georg II. und Georg III. haben zahl lose blutige Kriege geführt, ohne daran theilzunehmen. Und wie ist es eben jetzt? Der alten Herrscherin kann man natürlich nicht zumuthen, ins Feld zu zichen, aber ob ihr Sohn picht Neber an der Spitze seiner für da» Vaterland leidenden Truppen stehen sollte, statt daS Protektorat über Ausstellungen nrrifvr- inirter Hunde zu übernehmen, daS mag sich Jeder selbst beant worten. Wenn einmal englische Prinzen an Kriegen theilnehmen, so sind es solche Prinzen, denen dies von ihrer deutschen Abstammung her im Blute liegt: die Teck's, die Bättenberg's u. s. w. Wenn man einige tausend Meilen vom Schüsse entfernt ist und die schweren Verluste beklagt, so muß der Unbefangene sagen: „Worte, nichts als Worte." Und ganz ähnlich ist es mit dem englischen Volke. Für die Engländer ist ein Krieg in erster Reihe eine Geldfrage, wie denn auch der Mehrheitsredner im Parlamente vorwiegend von der Geldbewilli gung sprach, indem er meinte, größere Mittel für die Kriegs führung würden sofort und mit Vergnügen vom Parlamente bewilligt werden. Der Ausdruck „mit Vergnügen" mag dem Redner wohl unwillkürlich entschlüpft sein, aber er ist charakte ristisch für die frivol« Auffassung der Schrecknisse des Krieges in England. Man sieht den Krieg als eine Art Sport an, den man sich im Vollbewußtsein eines gutgefüllten Geldbeutels leisten kann. Ob die Soldaten dabei wie die Hasen nieder geknallt werden, läßt ebenso kalt, als wenn sich ein Jockey beim Hirvdernißrennen das Genick bricht. Hier wie dort handelt es sich ja nur um Söldlinge. Und dies ist der Unterschied zwischen der „xuerre L outrancs" Frankreichs im Jahre 1870/71 und dem jetzt von England geplanten Kriege aufs Aeußerste. Die Franzosen waren damals Deutschlands Feinde, aber allen Respect vor der gewaltigen Energie, die dies Volk auch nach den schwersten Niederlagen noch zu bethätigen vermochte. Eine Regierung von sehr problematischer Legitimität — Gambetta und Genossen waren ja Regierende aus eigener Machtvollkommenheit — rief alles waffenfähige Volk zu den Waffen und Alle, Alle kamen! Halbwüchsige Jünglinge und Greise, die kaum noch die Muskete halten konnten, Gelehrte und Arbeiter, sie sammelten sich Alle unter Frankreichs Fahnen, um einen letzten Versuch zu machen, die deutschen Eroberer aus dem Lande zu treiben. Mag doch einmal di: englische Regierung eine derartige „levSs en masses" anordnen! Wie kläglich sie ausfallen würde, hat man schon bei dem theilweisen Versuche im Decrmber und Januar gesehen. Und noch ein Anderes spricht zu Ungunsten eines englischen „Krieges bis aufs Messer". Die Franzosen hatten allerdings gegen die Deutschen in allen Kämpfen den Kürzeren gezogen, und wenn diese Niederlagen es auch unwahrscheinlich machten, daß sie noch einen Bundesgenossen finden würden, so konnten sie doch jedenfalls unbedingt davor sicher sein, daß ihnen noch ein Gegner, außer dem Feinde, mit dem sie schon zu kämpfen hatten, in den Rücken fallen würde. Ja, sie konnten sogar eine Zeit lang hoffen, daß die europäischen Mächte zu Gunsten Frankreichs interveniren würden. Hat doch Fürst Bismarck gelegentlich seines 80. Geburtstages den Ausdruck gebraucht: „Mr führten den Krieg von 1870 gewissermaßen unter dem Gewehranschlage der fremden Mächte." In umgekehrt«! Lage sind die Engländer^. DätzcM ätzzqr Gunsten mtervenirt werden könnte, ist gang ausgeschlossen^ wohl aber sind sie in der Gefahr, daß eine fremde Macht ihnen in den Rücken fällt, und zwar wird diese Gefahr um so größer, j« länger der Krieg dauert und je mehr sie ihre militärischen Kräfte in Südafrika auf brauchen müssen. So kann der „Krieg bis aufs Messer" zu einer Katastrophe nicht nur für die englische Position in Südafrika, sondern für die englische Weltstellung überhaupt werden. Und in jedem I Falle sind die Engländer keinesfalls sicher, daß di« Aufwendung I auch der äußersten Mittel bestimmt zu ihrem Siege führen wird. Ein wenig mehr Bescheidenheit würde also sowohl der Thron rede, wie dm Reden der Mehrheitsparteien wohl angestanden haben. Der Krieg in Südafrika. Noch immer ist daS Gerücht unbestätigt, nach welcher Buller den Tngelaflutz abermals überschritten haben sollte. Eine Depesche des „Daily Telegraph" besagt, die Truppen batten während der letzten drei Tage Exlrarationen empfangen und ruhten sich aus. Eine Abtbeilung Cavallene mit Kanonen über wache Trichardts Drift. Die Schiffskanonen in der Nähe von Zwartskop hätten Montag die Boeren, die fortgesetzt ihre Stellung gegenüber PotgieterS Drift befestigten, beschossen. AuS dem Umstände, daß die Fürthen Trichardt und Pokgieter von britischen Truppen besetzt ge halten werden, folgert der „Daily Telegraph", daß Buller versuchen werde, SpionSkop nochmals zu erstürmen. „Morning Post" glaubt ebenfalls, ein solcher Versuch werde ohne Zeitverlust gemacht werden; er sei wahrscheinlich schon im Gange. Die Nachricht von der RecognoScirung Lord Dundonald'S in westlicher Richtung gegen Zunckler spricht wenigstens nicht dagegen. Der militärische Mitarbeiter der ,,Frkf. Ztg." (ein „alter preußischer Osficier" in London) beurtheilt die Lage folgender maßen: „Buller'S Vorstoß ist als endgiltig gescheitert anzu sehen und Buller wird vorläufig nichts weiter tbun können, als seine alte Stellung an der Bahnlinie Colenso-Durban wieder einzunehmen. Will er jetzt den östlichen Umgehungsplan durchführen, so hat er seine MunitionS-Vorräthe und Trans porte zu ergänzen, er hat vor allen Dingen seinen geschlagenen und deprimirten Truppen Rübe zu gönnen und die Frage zu wägen, ob sein Vorstoß über Oste» überhaupt noch von Werth sein kann. — Das heute gleichzeitig mit Buller'S Bericht be kannt werdende fast kindlich naive Vertrauen der Belagerten in Ladysmith auf Buller'S Leistungen ist bitter getäuscht worden. Man batte in Ladysmith bereits begonnen, wieder volle Rationen auSzugeden, weil man darauf vertraute, daß sich die Belagerung nun nicht mehr lange hinziehen könne, und heute — keine Aussicht auf Entsatz, und vor den Wällen ein siegreiches Belagerungsdeer, welches nunmehr Zeit hat, seine ganze Aufmerksamkeit der Belagerung zu widmen! Deshalb scheint mir der Fall von Ladysmith besiegelt zu sein, und Lord Roberts kann meines Erachtens nichts Bessere- thun, als jeden weiteren Versuch, den Krieg in Natal zu Gunsten der Eng länder zu entscheiden, aufzugeben, alle noch verfügbaren Truppen zu sammeln und mit einem starken Heere thatsächlich einen neuen Feld zu g gegen den Süden des Oranjefreistaates zu eröffnen. Eine weitere Entsendung der einzigen ihm zu Verfügung stehenden Truppen nach Natal, zu Buller'S Heer, würde die Sachlage kaum mehr ändern. Wird aber Lord Roberts mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material den Feldzug wirklich erfolgreich durchführen können? Ich bezweifle dies sehr. Der englische General verliert recht leicht daS Ver trauen seiner Leute, wie die Briefe aus dem englischen Heere deutlich erkennen lassen, und daß die Soldaten des Buller'schen HeereS nicht mehr ganz vertrauensvoll zu ihren Führern aus blicken, daS ist nur zu leicht verständlich. Roberts bat also mit entmutbigten Truppen zu rechnen. Andererseits kann Roberts nur noch auf Nachschub aus freiwilligen Formationen hoffen, wenn man nicht endlich sich doch entschließt, die Miliz in ausreichendem Maße heranzuziehen. Dieses Anerbieten Frei williger nimmt aber nicht etwa mit der Gefahr zu, wie uns die englische Presse glauben machen will, sondern eS nimmt mit jeder Hiobspost ab, da auch in der Heimath der englische General heute nicht viel mehr gilt. Freilich, Roberts und Krtchener haben noch keine Niederlage zu verzeichnen und ihr Ruhni ist noch unbeschädigt. Vielleicht würden die Truppen unter dem direkten Commando eines dieser Herren sich zu neuem Muthe entfachen lassen. Aber — die erste Niederlage, welche diesem nur schwierig aufzustellenden und gemischten Heere wiederfahrcn würde, wäre das Ende des Krieges, England hat nicht mehr viele Aussichten auf einen cndgiltigen Sieg, eS hat dafür aber eine Sicher heit, nämlich die, daß der Krieg endgiltig verloren ist, wenn Roberts nicht von Anfang an Erfolgt zu verzeichnen haben sollte. Duller's Heer dürfte kaum mehr große Bedeutung haben, wenn eS unter Buller'S Commando verbleibt, und die Vereinigung der verschiedenen Heerestbeile in der Cap- colonie wird geraume Zeit in Anspruch nehmen." Die sechste Division ist eben in Südafrika angelangt und die siebente ist auf dem Wege dabin und dürfte gegen Mitte Februar vollständig dort gelandet sein. Im besten Falle wird somit Marschall Roberts im Stande sein, eine Division zur Verstärkung Buller's in Natal und eine Division zur Verstärkung Methuen'S, French's und Gatacre's nach dem Norden der Capcolonie zu entsenden. Mit dieser Division rechnet offenbar General Buller, wenn er in einem Tagesbefehl an seine Truppen die baldige Wiederaufnahme der Operationen zum Entsätze von Ladv- smith in Aussicht stellt und die Ueberzeuzung auSsprickt, die Befreiung der Truppen Wbite'S werde binnen acht Tagen vollbrachte Thatsache sein. Angesichts der großen Verluste, welche die bisher im Kampfe gewesenen englischen Truppen erlitten haben, nnd der Demoralisation, welche eine »nunter brochene Kette von Niederlagen im Gefolge haben muß, er scheint eö fraglich, ob je acht Bataillone, etwa je 6000 Mann, i für jeden der beiden Kriegsschauplätze in Natal und in der I Capcolonie zur Aenderung der ungünstigen Kriegslage genügen Ferrilletsn. Das Abwerfen der Geweihe. Jagdplauderei von Fred Vincent-Friedenau. Äochd-eU vkldo!<n. Am 27. Januar, an seinem Geburtstag, hat unser Kaiser, wie alljährlich an diesem Tage, die unter seinem Protectorate stehende deutsche Gcwkch-Ausstellung in Berlin eröffnet. Es ist die sechste derartige Ausstellung, die aus die Anregung des hohen kaiserlichen Waidmannes die weiten Parterre-Säle des Borsig'schen Hauses in der vornehmen Voßstraße mit einer prachtvollen Sammlung der besten Hirschgeweihe, Rehgehörne und Gamskrickcln — sämmtlich während des Jahres 1899 auf deutschen Jagdrevieren oder von deutschen Jägern im Auslande erbeutet — anfiillt. Von Jahr zu Jahr ist die Zahl der eingesandten guten, starken und kapitalen Geweihe gewachsen und mit ihr das Interesse in der gejammten deutschen Jägerwelt für diese ebenso anregend wie belehrend wirkenden Ausstellungen. Auch von Seiten des Laienpublicums beginnt man, ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und zweifellos würde dies noch viel mehr der Fall sein, wenn man sich allgemein der Thatsache be wußt wäre, daß alle die mächtigen Rothhirschgeweihe, wie sie das kaiserliche Leibjagdgehege in der Rominter Haide oder das fürstlich Pleß'sche Wildgatter in Schlesien hervorbringen, Erzeug nisse eines einzigen JahreS sind und dieses nicht überdauern, sondern an dessen Schluß von selbst abfallen, um im Lause weniger Monate durch «in neues, meistens noch stärkeres ersetzt zu werden. Von diese.» alljährlich regelmäßig wiederkehrenden Vorgang der Erneuerung de» Hauptschmuckes aller männlichen Mitglieder der großen artenreichen und weitverbreiteten Hirschfamilie sagen die Jäger: „sie ^werfen ab und schieben, oder setzen ein neues Geweih auf". So lange dies noch weich und mit der schützen den plüschartigen Hülle überzogen ist, wird es als „Kolben- oder Bastgeweih" bezeichnet, das jedoch, sobald es vollkommen aus gewachsen oder „vereckt" ist, „gefegt" wird und alsdann in der Regel stärker ist und mehr Enden zeigt, als das abgeworfene, wenigstens bei gefunden und kräftigen Thieren. Bei alten, oder in Folge eine» Schusses, sowie aus anderen Ursachen „kranken" oder „kümmernden" Stücken ist meist daS Gegenthril der Fall, und von ihnen heißt es alsdann: „sie haben zurückgesetzt", und der Waidmann thut gut daran, solche Hirsche, al» zur Fortpflanzung ungeeignet, möglichst bald abzüschießen. Dieses jährliche Avwerfen deS Geweihes ist, wie erwähnt, sämmtlichrn Lirscharten vom zierlichen Rehbock bis zum ge waltigen Flchschaufler, aber auch nur ihnen, eigen, denn alle Antilopen», Rinder-, Schaf- und Ziegenarten behalten ihre Hörner da» ganz« Leben hindurch und verstärken sie nur durch Ansetzen von Jahresringen, oder auf ähnliche Weife. Ein weiterer Unterschied zwischen diesen großen Thierfamilien besteht darin, daß bei den zuletzt Genannten beide Geschlechter Hörner besitzen — das kvekbliche gewöhnlich etwa» schwächere —, wie bei» spirlßweise auch unsere Gemse, die einzige noch bei uns dor kommende Lnkiloprnart, der Steinbock, unsere einzige Wildziege, und der Mufflon, der alleinige Vertreter des Wildschafes in Europa. Bei den Hirscharten dagegen gehören die weiblichen Thiere zu dem sogenannten Kahlwild, d. h. sie tragen keine Geweihe, mit der einzigen Ausnahme des Rennthieres, bei dem beide Geschlechter mit einem schaufelförmigm Geweih geschmückt sind, das sie indeß beide alljährlich abwerfen und durch ein neues ersetzen. Eine weitere bemerkenswerthe Eigenthllmlichkeit ist es, daß das Abwerfen nicht bei allen Hirscharten zu derselben Zeit statt findet, sondern daß es im engsten Zusammenhänge mit der Brunst», oder Paarzeit der verschiedenen Gattungen steht, während der jedes einzelne Individuum einer jeden von ihnen sich in der höchsten Kraft und im vollsten Schmucke zeigt. So finden wir, daß die Rehböcke, die bereits zu Ende Juli in die Brunst- oder Blattzeit treten, schon im Monat November abwerfen, während die Rothhirsche, deren Brunft zwischen Mitte September und Mitte October liegt, erst im Februar — und zwar die stärksten zuerst — mit dem Abwerfen beginnen, so daß man schwache Hirsche sogar noch anfangs März mit vollem Gcweihschmuck be obachten kann. Beim Damwild, das noch später, nämlich Ende October und Anfang November, in die Brunft tritt, ist der März in der Regel als der eigentliche Abwurfsmonat zu be trachten, wenn auch ausnahmsweise in einzelnen Revieren be sonders starke Schaufler schon früher ihr Geweih verlieren. Was aber wird nun aus den abgeworsenen Geweihen? Das ist eine Frage, die sich unwillkürlich aufdrängt, und die thatsäch lich auch häufig genug gestellt wird, ohne eine befriedigende Ant wort zu finden. Denn es giebt selbst Jäger genug, die einiger maßen in Verlegenheit gerathcn würden, wollte man eine solche von ihnen verlangen. Doch die Frage ist ebenso alt wie durchaus berechtigt, und wohl auch für weitere Kreise interessant genug, daß wir eS unternehmen dürfen, an dieser Stelle eine genügende Erklärung zu suchen, sind doch die auS früheren Zeiten stammen den alle mehr oder minder so abenteuerlich, daß sie keinen An spruch auf Glaubwürdigkrit erheben, sondern lediglich als Be weis dafür gelten können, wie tief die Liebe zu Wald und Wild im deutschen Volkscharakter begründet liegt, und wie gern das Volk beide zum Gegenstand phantasiereicher Vorstellungen macht. Zunächst muß bemerkt werden, daß es in dicht bewachsenen und schwach, oder gar nicht bewirthfchafteten Forsten — wie beispielsweise in den wenigen, noch in urwäldlichem Zustande erhaltenen Waldungen im Norden und Nordwesten Amerikas — auch heute noch zu den allergrößten Seltenheiten gehört, wenn zufällig einmal ein derartiger „Abwurf" — wie der Jäger diese Geweihe kurz nennt — gefunden wird, obgleich selbst diese ver- hältnißmäßig immerhin noch ziemlich wildreichen Gegenden Jahr für Jahr von Jaddexpeditionen, sowohl des Sportes, wie de- Gewinnes wegen nicht gerade selten besucht werden. Wir dürfen daraus den Schluß ziehen, daß e» in früheren Zeiten in unseren deutschen Wäldern nicht viel anders gewesen ist, und wir finden es dann nicht mehr so ganz unbegreiflich, daß lange Zeit hin durch selbst in Jägerkreifen die Fabel geglaubt werden konnte, daß der starke Hirsch, sobald die Abwurfzeit herangekommen war, die lose werdenden Geweihstangen an sumpfigen Stellen in den weichen Boden stieß und dort abbrach, um sie vor Aller Augen zu verbergen. Er soll die» au» dem Grunde gethan haben, damit die schwachen Hirsche, die bekanntlich erst später abwerfen, nicht auf seinen Verlust aufmerksam und versucht werden, jetzt, wo der gefürchtete Tyrann und Herrscher im Harem wehrlos geworden, die von diesem während der Brunst erlittene Unbill an ihm zu rächen. Unterstützt wurde diese Annahme dadurch, daß wieder holt beim Torfstechen u. s. w. in den Mooren sehr starke, sogar Riesen-Hirschgeweihe gefunden worden sind, sowie auch dadurch, daß die starken Hirsche zu dieser Zeit wirklich sehr „heimlich" werden, d. h. sich in die dichtesten Bestände stecken und dort ab werfen. Ihr täglich wackliger werdender Hauptschmuck genirt sie nämlich sehr, und daher ist es keineswegs verwunderlich, wenn sie nicht mehr gerne viel herumziehen, sondern in Ruhe und Zurückgezogenheit den unvermeidlichen Verlust abwarten. In Forsten mit ausgedehnten Dickungen wird es auch heute noch manchmal vorkommen, daß dieser Verlust von den Forst beamten nicht gleich bemerkt wird, namentlich wenn keine Fütte rungen eingerichtet sind, die von dem Wild regelmäßig an genommen werden. In solchen Fällen sind die Abwürfe meist verloren, da sie infolge ihres eigenen Gewichtes rasch in der Laub-, Moos- oder Schneedecke einsinken und dem Auge ent zogen werden. Im nächsten Frühjahr, von der Bodenflora über wachsen, gehen sie fast ebenso rasch, wie sie entstanden, ihrer natürlichen Zerstörung durch Witterungseinflüsse entgegen, wenn sie nicht schon früher von Sauen, Füchsen, Eichhörnchen, Mäusen und Schnecken zerbissen und zernagt werden. Derartige Ab würfe sind nämlich trotz ihres äußeren harten Uebcrzuges im Innern porös und ziemlich saftreich und daher durchaus nicht so widerstandsfähig, wie man im Allgemeinen anzunehmen geneigt ist, und es dürfte daher diese einfachste Erklärung für ihr spur loses Verschwinden wohl auch die richtigste sein. In unseren modernen Wäldern mit ihrer intensiven Bewirth- schaftung und vorzüglichen Beaufsichtigung des Wildstandes an den Fütterungen kommen dagegen solche Verluste nur noch aus nahmsweise vor, denn meist gehören die Abwürfe zu den Com- petenzen der Forstschuhbeamten, und es liegt daher schon in deren eigenstem Interesse, während der Abwurfszeit ein wachsames Auge auf alle guten Hirsche zu haben. Denn nur wenn es ihnen gelingt, sich beide Abwurfstangen eines Hirsches zu sichern, können diese durch Aufsehen auf einen künstlichen Schädel größeren Werth erhalten, während einzelne Stangen nur vom Drechsler verarbeitet werden können und daher nicht viel einbringen. Und diesen Beamten, die jeden einzelnen Hirsch ihres Revieres und seinen Standort ganz genau kennen, muß es sofort auffallen, wenn der gestern noch so stolz Geweihte am nächsten Morgen nur mit einer Stange oder vielleicht schon ganz kahl an der Fütterung erscheint — denn starke Hirsche werfen gewöhnlich beide Stangen gleichzeitig oder kurz hintereinander ab, während die schwachen „Schneider" manchmal noch Tage lang mit einer Stange herumziehen und diese schließlich vertragen, doch hat dies ja weniger zu bedeuten. Sobald jedoch ein Eapitaler abgeworfen, so verliert der betreffende Grünrock natürlich keinen Augenblick, und nun wird mit der größten Sorgfalt Wechsel nach Wechsel, Standort nach Standort abgesucht, bis der bezw. die Abwürfe zur Stelle sind, denn gewöhnlich wird der Eifer von dem ge wünschten Erfolg gekrönt. Trohdem kommt es zuweilen vor, daß eine ganz kapitale Ab» wurfstange spurlos vom Erdboden verschwunden scheint und un geachtet der peinlichsten Nachsuche nicht herbeizuschaffen ist, so daß der wackere Forstmann in eine gelinde Verzweiflung geräth und geneigt ist, Waldmäuse oder Eichhörnchen für das räthselhafle Verschwinden verantwortlich zu machen. Und doch ist das Räthsel, das ihm so viel Kopfzerbrechen macht, gar nicht einmal so schwer zu lösen, denn es giebt gar viele Geweihliebhaber — be rechtigte und unberechtigte — und wenn einen der Letzteren, viel leicht einen Reisisssammler oder den Knecht eines Holzfuhcwerks, die ja auch mit Wald und Wito vertraut sind, sein Weg zu fälliger Weise an der Abwucfstelle vorüberführt,dann drauchr man sich nickt zu verwundern, wenn der Beamte später vergeblich sucht. Die Stange bleibt spurlos verschwunden, denn sie ist schon längst in „festen Händen", während der biedere Waldmensch noch immer in allen nur möglichen und unmöglichen Büschen nach ihr herumftöbcrt. Solche unconcessionirten Geweihsucher haben selbstverständlich alle Ursache, über ihren Fund reinen Mund zu halten, und daher wird in solchen Fällen oie Sache unaufgeklärt bleiben, während sich in einem anderen das Räthsel meist später noch befriedigend löst. Das Rothwild Pflegt nämlich, besonders auf der Suche nach Acsung, weite Strecken zu ziehen und wechselt nicht selten über die Grenzen des Reviers hinaus in den benachbarten Bezirk eines anderen Beamten hinüber, denn einem alten Jägerwort zufolge kann man es ja nicht an der Strippe haben. So ist denn der capitale Hirsch in beiden Waldorten zu Hause, uns beide Aufsichtsbeamte beobachten ihn unabhängig von einander auf das Sorgfältigste, denn Beide sehen schon im Geiste die wundervollen Abwurfstangen, auf einen künstlichen Schädel auf gesetzt, als prächtiges Decorationsstück an der Wand ihres Jagd stüberl hängen. Und eines Morgens hat der alte Herr die eine Stange verloren, und, vergrämt durch das einseitige Gewicht der noch stehen gebliebenen, das ihm den „Grind" (Kops) ganz schief zieht, trollt er hinüber in das andere Revier in einen Stangen ort, wo er so lange schüttelt und gegen die Stämmchen stößt, bis er auch der zweiten Stange ledig ist. Vollkommen kahl erscheint er auf der Fütterung — die vielleicht an der Grenze beider Reviere steht — und unverzüglich beginnen beide Grünröcke die Nachsuche, und Beide haben Glück, denn schon nach wenigen Stunden wandert ein Jeder von ihnen seelenvergnügt mit einem herrlichen Abwurf unter dem Arm seinen heimischen Penaten zu. Dann aber geht's ans Auffinden der zweiten Stange, doch damit hapert's; Tag für Tag wird das ganze Revier Blatt für Blatt abgespürt, allein stets vergeblich, und immer mißmuthiger suchen die beiden Förster Abends ihre Waldclause auf. So geht es bis zum Schluß der zweiten Woche, da aber fühlen die beiden Wackern das Bedürfniß, ihren Aerger durch einen kräftigen Trunk hinabzuspülen, und wie sie nun Hinterm Kruge beisammen sitzen, da klagen sie sich gegenseitig ihr Leid, und da« Räthsek ist gelöst. Ebenso einfach löst sich der Eonflict, wem von Beiden das ganze Geweih zusallen soll, denn wozu wären denn sonst Karten oder Wiirffl erfunden? Den Verlierer aber tröstet die Aussicht, im nächsten Jahre ein noch stärkeres Abwurfqeweih zu erhalten, falls der Eapitale die Brunst überlebt und nicht während derselben der Kugel des Jagdherrn verfällt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite