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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190209076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020907
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020907
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-09
- Tag 1902-09-07
-
Monat
1902-09
-
Jahr
1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1902
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4. Leily W LchziM TWbN M Mzchkr Nr. V», Zoiiiiliig, 7. Äptcmbcr lVk. llapoleon l. und die sächsische Tertttindusirie. Histvrictte vvu Wilhelm Clobes. Nachdruck verboten. Lachsen ist reich an krummen Winkelgassen, reich an alten Baudenkmälern. Und wer die ehrwürdigen, male rischen Mauern lange anschaut, den überkommt es wie ferne Grübe aus vergangenen Zeitaltern. Unter den sächsischen Städten nehmen Chemnitz und Plauen die erste Stelle auf dem Textilmarkte ein. Die Industrien des „sächsischen Manchester", und der Judustriecentrale des lannengrünen Vvgtlandes haben manchen Berührungs punkt. Beide Städte haben auch dereinst das lebhafte Interesse eines Mannes erweckt, der einige Jahrzehnte hindurch die Geiste! schwang und ganz Europa sich zu Füßen sah. Tie sächsische Textilindustrie war es, die der mächtige Corse zuerst kennen lernte in dem alten Hause einer solchen alten, krummen sächsischen Gasse des Sachsen landes, in Plauen. Das ehrwürdige Haus steht in der Künigstraße. Man nennt's die „KönigSburg". In den Mauern der KönigSburg spielte sich das fesselnde Bild ab, das ich mit der Feder ins Leben zu rufen versuchen E. * Napoleon stand im Zenithpuncte seiner Gewaltherr schaft. Alle Lande waren in seinem Joch. Sein Reich um faßte 180 Departements. Es erstreckte sich an den Küsten des westlichen und südlichen Europas entlang. Von Danzig und Hamburg bis Triest und Corfu. Majestätisch schien die Sonne im Imperium des „Nachfolgers Karl's des Großen" nie unterzugcheu. Da rührte sich'S wieder im fernen Ost. Man schrieb 1812. Der Nussenkatser sagte sich von dem Continentalsystem los. Ein gewaltiger Krieg mit Napoleon war die Folge. Mit einem Heere von mehr denn 600 000 Kriegern, dem mächtigsten, das die Welt seit Xcrxes' Tagen geschaut, drang der Nnhmverwöhnte, der Günstling des Mars, über den Niemen in Rußland ein. Auch über Chemnitz führte eine der großen Heer straßen. Während die Jahre 1810 und 1811 für Sachsen ruhig verliefen, wußte man an den Kometen vom Jahre 1811 üble Prognosen zu knüpfen. Schon im März 1812 kamen denn auch wieder die bedeutenden Truppcndurch- zttge. Bayern und Welsche, Polen und Italiener, die zum Armcccorps des Vicekönigs Eugen von Italien gehörten, kamen durch Sachsen. Es war eine bittere, schwere Zeit! Da — Anfang Mai -cS Jahres 1812 — drang die Kunde nach Lachsen: „Napoleon kommt!" Der Held des Tages bildete das Gesprächsthema überall. Wie würde er auSschcn? Man war allgemein gespannt und neugierig, den Mann von Äug' zu Auge zu sehen, dem die ganze Welt unterlag. Heber Plauen mußte er kommen! Die Botschaft nahm festere Form an. Im „Wochen blatt" verfolgte die Bürgerschaft eifrig die politischen Vor gänge. Endlich wurde cs „officiell". bekannt, daß der größte Mann des Jahrhunderts am 15. Mai cintrcffen würde. Der Himmel zwar betheiligte sich nicht an der knechtischen Huldigung, die man dem Beherrscher Europas damals darbrachtc. Im Gegentheil; es goß in Strömen. Die Wege w.cren grundlos und verdorben. Desto freu diger war der Empfang durch die Bevölkerung, die von weit her nach Planen geströmr war, an der ersten Haupt- pforie des Sachsenlandes. Vor -cm Brückenthore war eine stolze Ehrenpforte er baut. Schützend breitete auf gemaltem Schilde der kaiser lich französische Adler seine Schwingen über dem königlich sächsischen Wappen aus. Und wie lautete die Inschrift? Der Unterwürfigkeit der Schmachpcriode entsprechend: Xapoleoni Nagno Viotori dtrrtori Lropugnatori civit. Llav. Tas heißt: Napoleon dem Großen, dem Sieger, Erhalter, Vcrthcidigcr der Stadt Plauen. .... Der grobe Tag war gekommen. In allen Gassen Tumult, Leben und Treiben. Bürgerschützen und Ltandcöpcrsonen, Stadträthe und Volk, Amtspersonal, Gardisten und Geistliche strebten dem Brückenthore zu. Eine dichtgestaute Menge war schon dort. Napolecn's Reise nach Rußland glich einem Triumph zuge. Mit einem Male wurde cs lebhafte? in der Mcnschenmassc. Tie Begeisterung gewann über dem alten Haß die Oberhand, und als sich das stattliche Gefolge des Kaisers blicken lieb, brach man in Vivatrufe aus, in die sich schmetternde Fanfaren mischten. Eine Escorte polnischer Ulanen und sächsischer Kürassiere ritt voran. Dann kam der Imperator. Ihm zur Seite die neu < ngctraute Tochter des Kaisers von Oesterreich, die Kaiserin Marie Louise. Mit überlegenem Lächeln — jenem Lächeln, daS sich so Zelten in des Kaisers Zügen zeigte — dankte er für die frenetischen Begrüßungshuldigungcn. Dann aber wieder verfinsterte sich sein bleiches Antlitz, als ob dunkle Ahnungen ihn erfüllten, daß dieser Trinmphzug znm schmählichen Rückzüge von den Eisfeldern des Ostens werden sollte. Die Kaiserin war von ihren Hofdamen, den Her zoginnen von Montebcllo und von Bassano begleitet. Ten Kaiser umgaben in glänzenden Uniformen -er Groß marschall Duroc, die Marschälle Vcrthier und Bcssiercs, der Grobstallmeister Canlincourt, der Erzbischof von Mecheln de Pradt, der Fürst Aldobrandini, die Grafen Lobau Montesquieu, Daru, Durenne, Praslin, Noailles, eine große Anzahl hoher Militärs und Staatsmänner, ein Gefolge von insgcsammt 220 Personen. Die Ankunft erfolgte bald nach 0 Uhr Abends. Nach dcS Kaisers Herberge richtete sich sogleich der Weg. Zahl reiche Militärposten waren zur Absperrung der Juden gasse commandirt. Vor dem stolzen Hause des Kaufherrn Joh. Christian Kauz, daS in seiner Größe und Bauart an Plauens goldne Zeit erinnerte, machte die kaiserliche Cavalcade Halt. Durch den Hausherrn und „HerbergSwirth" des Kaisers selbst geführt, betrat Napoleon das schmucke Ge bäude, die „Königsburg". Das Innere dcS Gebäudes zeugte ebenso wie daS Aciißcre von dem ehemaligen blühenden Stand des säch sischen Tcxtilgewcrbcs, dem Wohlstand der Stadt, dem Rcichthum der „Schleierherrcn". Das Diner für die Majestäten stand bereit. Als dasselbe beendet war, wurde Kanz zur Audienz be fohlen. Bald nach seinem Eintreffen an der sächsisch bayerischen Grenze hatte schon Napoleon sein lebhaftes Interesse für die sächsische Textilindustrie dem Ober kammerherrn von Friesen gegenüber kundgegeben. In dem Zimmer des Kaisers hatte der Manufacturieur ein Sortiment Weißwaaren und baumwollenes Gcspinnst von Nr. 120 anfstelleN lassen. So trat der Handelsherr, den der Kaiser zu sprechen wünschte, ein. Napoleon hatte bereits die feinen Erzeugnnisse besich tigt und befand sich in Unterredung mi. seinem Dol metscher, dem Grafen von Lobau. Scherzweise pflegte er ihn „mon Lloutou" zu nenne», was aber keineswegs eine Beleidigung war, denn erstens war „klloutou". lSchas) des Grafen Familienname und zweitens fügte der Kaiser stets hinzu: „o'ost un lionlsi Au einem kleinen Ziertisch saß die Kaiserin mit ihren Damen. Der Graf, ein Liebling des Kaisers und ein Hüne von Gestalt, befahl Kanz, näher zu treten, worauf sich Napoleon sofort nrit Hilfe des Dolmetschers mit ihm unterhielt. Napoleon: „Wer seid Ihr?". Kanz verbeugte sich tief: „Ein Musselinfabrikant, Majestät!'! „Macht Ihr große Geschäfte?" „Ehedem wohl, indessen jetzt nicht!" „Warum nicht?" „Weil Handel und Wandel stocken!" „Aus welchen Ursachen?" forschte der Kaiser weiter, doch Kanz antwortete ungenirt: „Weil die Länder, in die sonst der meiste Absatz gewesen, größtentheils geschlossen sind!" „Und welche Länder meint Ihr?" „Die Gegenden am Rhein und an der niederen Elbe,' Holland, Italien und die Türkei." „Warum finden kerne Versendungen in die Türkei mehr statt?" „Wegen des Krieges, der zwei Jahre schon tobt, und wegen des Falles des Wiener Courses. „Sind diese Akusselinwaaren hier gefertigt und ist das Garn alles hier gesponnen worden?" „Allerdings, Majestät, es ist die beste und feinste Waare und wird viel seltener gemacht, als ordinäre!" „Von welcher Nummer ist das Gespinnst?" „Von Nummer 120, Majestät!" „Kann man noch feiner hier spinnen?" „Allerdings — da indeß die Feinheit des Gespinnstes von der besten Wolle abhängt, die jetzt schwer zu haben ist und die ordinären, vorzüglich deutschen Waaren noch am besten gehen, so verfertigt man meist ordinäre Garne." „Wieviel Fabrikanten sind wohl hier in Plauen?" „Es mögen deren circa 30 sein!" „Werden auch schafwollene Zeuge, als Tücher und Kashmire, im Lande gemacht?" „Allerdings, Majestät, doch mehr gröbere und mittlere Sorten, als ganz feine." „Woher werden die feinen Tücher bezogen?" „Aus Frankreich, Majestät, ich trage selbst ein fran zösisches Tuch.'! Der Kaiser befühlte das Tuch, daS Kanz trug, und plauderte weiter: „Führt man hier auch noch englische Fabrikate ein?" Seine Augen hefteten sich scharf auf das Gesicht des Kaufmanns, der mit „Nein!" antwortete. „Ist dies auch ganz gewißlich nicht der Fall?" fragte der Kaiser nochmals. „Nein, Majestät, bestimmt nicht, wie ich sagte." „Nach Leipzig etwa?" . - „Nein, das glaub' ich auch nicht!" „Giebt's viel Geld hier bei Euch in Sachsen? Kann man leicht Anleihen machen?" „Wenig Majestät. Der Handel liegt ja brach und der König selber hat bereits große Anleihen gemacht, zu denen die Capitalisten ihre Fonds gegeben haben." „Wie hoch ist -er Zinsfuß in Sachsen?" - „5 Procent." „Wie hoch das Disconto unter den Kaufleuten?" „Ein halb Procent pro Monat, Majestät." Napoleon schüttelte nachdenklich mit dem Haupt. „Hm — das ist viel!". ; „Weniger beträgt es nie, doch eher mehr!" „Kauft man in Sachsen viel seidene Zeuge?" „O ja, Majestät!" „Woher bezieht man solche?" „AuS Lyon!" Der Kaiser nickte beifällig, indem er ein paar Worte mit dem Grafen wechselte. , „Herr — wie heißt Ihr doch?" ' t ! „Kanz!" r „Herr Kanz — Ihr scheint ein wohlhabender Mann zu sein. Wieviel Vermögen habt Ihr denn, Herr Kanz?" Kanz zuckte mit bescheidenem Lächeln die Achseln. „Na, sagt's nur frei heraus!" „300 000 Francs wird cS wohl sein!" „Ei, das ist wenig, Cstrlden, Gulden meint Ihr wohl, bei Eurer Fabrik ist doch viel Verdienst?" „Ja ehedem war viel Verdienst darin, jetzt nicht mehr, Majestät, und ohnehin wird viel Waare auf Kredit ge geben, wobei sehr viel verloren ging, besonders bei den Russen und den Polen." Napoleon war am Ende seiner Unterredung angelangt. Durch den Grafen lieb er dem Kaufherrn noch einige Worte des Dankes oder der Anerkennung sagen, womit sich Kanz wieder tief verneigend empfahl. Diese ziemlich authentisch überlieferte Unterredung zwischen Napoleon und dem sächsischen Großindustriellen verdanken wir dem Berichte des damaligen Kreishaupt- mans des Vogtlandes, Georg Friedrich von Watzdorf, von dem auch die Idee der Ausstellung in des Kaisers Gemach ausgcgangen sein dürfte. Am andern Morgen, 16. Mai, fuhr Napoleon weiter. . .. Ende Januar 1813 aber kamen die ersten Flüchtlinge von der in Rußland total vernichteten „xrancks arwoe" durch Sachsen. Napoleon's Pläne begannen jämmerlich in Trümmer zu fallen. Sachsen hat aber seine krummen Gassen bis auf den heutigen Tag noch und seine alten, ehrwürdigen Häuser. Und die Steine reden . .. Vermischtes. >--> Ucber die AuSländcrct im SportSwesen geht dem Deutschen Sport die Zuschrift eines patriotischen Deutschen zu, die der Redacteur mit gutem Humor veröffentlicht, ob wohl ihm selbst darin die Leviten gelesen werden. Es heißt darin u. A.: Trotz Bismarck steckt uns immer noch die An betung des Ausländischen in den Gliedern, bei Ihnen zeigt sich das in der Titulatur der Fremden. Während Sie wunder barerweise die Ungarn, Russen, Dänen rc. mit dem gewöhnlichen „Herr" abfinden, nennen Sie jeden Engländer ehrfurchtsvoll „Mr.", jeden Franzosen „Mons." Darf ich nach dem Grund fragen? In England fand ich seinerzeit den Graditzer„Botschafter" „eount Lehndorsf" genannt, keine Zeitung sprach von „Bot schafter". Machen wir eS doch ebenso. Statt dessen bemühen wir uns krampfhast, jede fremde Kracke in ihrer Ursprache, am liebsten jedoch englisch, auszusprechen. Wie oft wurde der unvergleichliche „Chamant" in meiner Gegenwart „Schemment" genannt, hieß doch selbst der gute deutsche „Postillon" häufig „Poslilljen". Sobald die Trainer H. Brown juu., G. Long und E. Kelly als Rennpserde- Besitzer auftreten, heißen sie in Ihrem Blatt „Mr." Soviel ich weiß, sind diese drei Herreu in Deutschland geboren, erzogen und haben ihre Kunst in deutschen Ställen erlernt. Sie sind zum Mindesten ebenso gut Deutsche, wie der Jockey Taral (von unS mit Vorliebe Teeret genannt) Amerikaner, Baron de Schickler Franzose, Lord Goschen früher Goeschen, Engländer sind. Daß diese beiden letzteren, ehe sie den Adel er hielten, in ihren neuen Ländern „Herr" genannt wurden, ist mir nicht bekannt. „Aber fo'n bißchen ausländisch ist doch wunder schön". So nennt sich einer unser verdientesten Nennleute „Capt. Joö", und dabei hat er an „Herrn Ul,ich" ein so gutes Beispiel, folge er dem doch; Herr Felix klingt viel besser als „Capt. Joö". Kürzlich laS ich in der Tagespresse, daß ein hoher Beamter seinen Abschied habe nehmen müssen, weil er die Tochter eines früheren Feldwebels geheirathet habe. Ich glaube selbst, daß ein früherer, später noch so reich gewordener Feldwebel nur schwer festen Fuß in der besten deutschen Gesellschaft fassen Würde, es sei denn — wir wollen ihn Michel August Lehmweg und sein Töchterlein Helene nennen — daß er ins Ausland ginge und als reicher Mr. Michel A. Lemway zurück käme. Da würde er natürlich allerorts offene Arme finden und der Tochter eine gute Partie sicher sein. Und wenn dann der Graf oder Geheimrath Gottlieb mit seiner Ge mahlin geb. Miß Michel A. Lemway irgendwo aufträte, so würden den biedern Deutschen Schauer des Entzückens über die gekrümmten Rücken rinnen, daß er mit einer geborenen Miß verkehren darf. Miß Michel A. Lemway ist doch auch etwas ganz anderes als Helene Lehmweg. 1. Der Heuschrcckenkricg. Als -er verstockte Phavao sich trotz der über sein Land verhängten Plagen noch immer nicht dem Willen Gottes unterwarf, da ließ der Gott -er Hebräer durch Moses also zu ihm sprechen: „Weigerst Du Dich, mein Volk zu lassen, siehe, so will ich morgen Heuschrecken kommen lassen an allen Oertern, daß sie das Land bedecken, also, -aß man das Land nicht sehen könne; und sollen fressen, was Euch übrig und errettet ist vor dem Hagel, und sollen alle Eure grünenden Bäume fressen auf dem Felde; und sollen erfüllen Dein HauS, aller Deiner Knechte Häuser und aller Egypter Häuser; desgleichen nicht gesehen haben Deine Väter und Deiner Väter Väter, seit der Zeit sie auf Erden gewesen, bis auf diesen Tag." Das war die siebente Plage Egyptens, und da bei dieser Schilderung Alles auf die Steigerung ab gesehen ist, so wird die Uebcrschwemmung mit Heuschrecken jedenfalls auch als die empfindlichste Strafe hingestellt nächst der darauf folgenden Vernichtung -er gesanrmten Erstgeburt. Die Heuschreckenplagen sirr- so alt wie der Ackerbau überhaupt. Sie werden auch noch früher be standen haben, konnten dann aber nicht in dem Maße schaden. In Afrika pflegen sie besonders empfindlich auf- zutreten. So werden während des vorigen Jahrhunderts die Jahre 1820, 1845, 1847, 1806, 1872, 1877, 1888 alS „Heuschreckenjahrc" bezeichnet. Jetzt wüthet diese lästige und gefährliche Pest wieder einmal inNordafrtka, namentlich in Algier, und zwar mit solcher Heftigkeit, wie sie seit Menschengedenken nicht aufgetreten ist. In manchen Gemeinden des Bezirks von Constantine haben die Heuschrecken 30 Centimeter hoch weithin den Boden bedeckt und Alles abgefressen. Die Bümne sind ihrer Blätter beraubt, die Weinstöcke völlig zerstört, und schließ- lich haben sich die unersättlichen Jnsecten selbst auf- zufrcssen genöthigt gesehen. In einigen Städten sind sie in großen Wolken nicht nur in die Straßen, sondern sogar in die Häuser cingedrungen, so daß die Bewohner sich in ihren Zimmern vor ihnen nicht zu retten wnßten. Zwischen Constantine und Philippeville wurden mehrere Eisenbahnzüge aufgehalten, indem sich die Räder der Loco- Motiven durch den schlüpfrigen Brei der zermalmten Heu schrecken nicht fortzuarbeiten vermochten. Selbst verständlich sind alle möglichen Kräfte aufgeboten worden, um der Landplage ein Ende zu machen und wenigstens weitere Folgen für die späteren Jahre zu verhüten. Der schlimmste Umstand der jetzigen Lage ist, daß die gesammte Bevölkerimg von Algier gar nicht dazu genügt, durch eines der gewöhnlichen Mittel eine Ausrottung -er Heu schrecken auszuführen, die sich namentlich auf die Ver nichtung der Eier richten muß. Man hat daher ein gesehen, daß sich die Vertheidigung des Landes auf die Abwehr der jungen Heuschrecken beschränken muß. Am besten bewährt sich die Kampfcsart, die schon von Alters her bei den Heuschreckenplagen auf der Insel Cypern zur Anwendung gekommen ist. Es werden dabei einfache Tuchstreifen von 50 Meter Länge und 80 Centimeter Höhe ausgespannt und davor in gewissen Abständen kleine Gräben von je zwei Meter Läng- und je einem Meter Breite und Tiefe gezogen. Der obere Rand -es Tuch- strcifens wird mit einem Band von sorgfältig geöltem Wachstuch versehen, über das die Heuschrecken nicht fort zukriechen vermögen. Die Gräben sind an ihren äußeren Rändern mit glatten Zinkplatten eingefaßt. Die Heu schrecken finden nun zunächst an dem Tuch einen un- uberschreUbaren Widerstand und fallen in die Gräben, aus denen sie wegen der Zinkplatten nicht mehr heraus können. Zur Unterstützung dieses Vorganges werden die Heuschreckenzäune durch Zuaven bewacht, die durch Schläge mit ihrem Burnus die Jnsecten nach dem Graben hinzutrcibcn bemüht sind. In etwa 25 Minuten ist ein Heuschreckenschwarm auf diese Weise bewältigt, und dann steigen die Araber ab und trampeln in den Gräben umher, bis ihr Inhalt nur noch einen rothen Brei von sehr unangenehmem Geruch bildet. Dann werden die Gräben einfach zugeworfeu. UebrigenS hat man auch Versuche zur Slusnutzung der Heuschrecken gemacht. Als Dünger sind sie nur sehr schlecht verwerthbar, doch hat sie ein französischer Arzt in Algier ernstlich alS — Nahrungsnnttel empfohlen. O. ü. Eine neue Krankheit. In der „New Parker Staats-Zeitung" lesen wir: Senator Best von Missouri befindet sich in Pen Mar, Blue Ridge Mountains, um seine stark angegriffene Gesundheit in der Bcrgluft zu kräftigen. Seit einigen Jahren ist cs mit dem alten Herrn rasch rückwärts gegangen; seine rundliche Gestalt ist fast zu einem Schemen zusammengesunken, und nur mühsam vermag er sich fortzuschleppcn. Ein Bekannter, der ihn seit nahezu zehn Jahren nicht gesehen, traf ihn in Pen Mar und war erschreckt über den physischen Zerfall deö ehedem so lebhaften und kräftigen Mannes. Im Laufe des Gespräches fragte er den Senator: „Was ist denn die Natur Ihres Leidens?" — „Hm", erwiderte Senator Best mit einem Anfluge seines alten Humors, „das ist so eine Frage. Vor Jahren pflegte ich regel mäßig nach Virginien zu gehen, um dort einen alten Freund zu besuchen. Von Jahr zu Jahr ward ei schwächer und schrumpfte mehr und mehr zusammen, und jedesmal, wenn ich Abschied von ihm nahm, sagte er melancholisch: „Best, wenn Sie nächstes Jahr wieder kommen, finden Sie mich nicht mehr." Einmal fragte ich ihn: „Was fehlt Ihnen denn eigentlich?" Er schüttelte -en Kopf und antwortete: „Ich habe alle möglichen Doctorcn gehabt und jeder hat meine Krankheit anders diagnosirt. Jetzt habe ich sie alle zum Teufel gejagt, die ganze Bande weiß nichts. Ich glaube, ich leide an „Huno Domini"." So steht es auch mit mir", fügte der Senator hinzu, „ich leide auch an „Xnno Domini"." — Gefangene Boeren als Bildschnitzer. Tie armen Boeren, die nach Cronje's Fall zu Paardeberg in britische Gefangenschaft geriethen, beschäftigten sich mit der An fertigung von Holzschnitzereien, theils GebrauchSgegen- ständen, theils Modellen und Spielzeug. Bedenkt man, das; die Leute nie Unterweisung in dieser Kunst erhielten, daß Holzklötze, alte Kisten, Metallstückchen, bunte Tuch- und Zeuglappen, Papierabfälle, Glasscherben, Sand und Moos das Material ihrer Plastik waren, und daß ihnen Taschen messer und Gabeln, die einzigen Werkzeuge, welche die Engländer den Gefangenen ließen, das Schnitzmesser, den Stichel, die Feile und all' das übrige Arbeitsgerät!) des Holzbildhauers ersetzen mußten, so bekommt man Respect vor dem Talent, Fleiß und Geschick dieser erfinderischen Dilettanten. Einzelne haben sich an die Compositivn ganzer Gehöfte und Kricgsscenen gewagt. Einer aus der Menge der Fuhrwerksschnitzer hat ein „volles Gespann" geschnitzt und arrangirt, einen gedeckten Bauernwagen, mit dessen sechzehn starken Ochsen die Boeren zwölf bis fünfzehn Meilen im Tage zurücklegcn. Manches freilich zeigt die Technik von Anfängern in der Gewerbeschule. Hie und da aber fällt ein kühnes figurales Stück auf, das, nach der Pose trefflich aufgefaßt, in der Ausführung sichtliches Be mühen nach Naturtreue verrathcnd; echten künstlerischen Kern hat. Da sind neben dem vielen Hauörath, wie: Ge fäßen, Büchsen, Eßbestecken und dergleichen, neben den Häuschen, Puppengarnituren, Geigen, Klcttermännchen und turnenden Affen, neben den aus einer einzigen Holz leiste geschnitzten, langgegliederten Ankerketten auch Porträtftguren, Reiter, Thiers im Sprung, Menschen im Kampfe mit Bestien und andere Darstellungen lebendiger Bewegung zu sehen, die wahrhaft überraschen. Kühnheit und Selbstbewußtscin der Boeren werden verherrlicht, Humor und Satire gegen die Briten losgelassen. Da hat Einer nach Zeitungsmeldungen in der Gefangenschaft ver nommen, De Wet sei auf dem Zweirade geflohen und Baden-Powell's Polizisten hätten ihn mit ihren Pferden nicht einholen können. Daraus machte der lustige un kunstfertige Boer ein großes Carrousel-Spielzeug mit costümirten Figuren. De Wet und die britischen Ver folger sind durch eine Kurbel zu bewegen, und da sie in gemessenem Abstande von einander mit Kreuzstäben an der Welle befestigt sind, können die Verfolger dem Fliehenden in alle Ewigkeit nicht näher rücken. Dieses drollige Kriegsringelspiel hat ein originelles Seitenstück in der Compositivn zweier Farmen, welche denselben Boerenbesitz vor und nach dem Kriege darstellen sollen. Hier ein blühen des Anwesen mit arbeitsamen Männern, stattlichen und frohblickenden Frauen, lächelnden und spielenden Kindern, der Hof fast überfüllt von prächtigen Pferden, buntem Ge flügel und wohlgenährten Schweinen, die sich am Tröge weitermästcn. Alles Kraft, Alles Lebenslust. Gegenüber, vor dem zerstörten Hause, nur abgemagcrte, traurige Hausthiere und an der Pforte klagende Menschen, die mit cmporgehobencn Händen den Himmel zum Zeugen ihres Unglückes anrufen. Die umgcworfenen Bäume der Farm, die jener Cronje's nachgebildet sein soll, hat der brave Realist, offenbar weil ihm ein anderes Dar stellungsmaterial fehlte — mit Bleistift auf den Boden ge zeichnet. So ist Ernst und Humor der Kriegszeit in primi tiver oder mühevoller Manier hier abgeschnitzt. Die Aus stellung hat in London, in Birmingham viel Interesse er regt und ist jetzt in Wien zu sehen. „ Lücherbesprechungen. Tie schädlichen Folgen der Trunksucht und ihre Ab - wehr.auch durch die Schute. Von Schuldirector L. Mittenzwey, Verlag von Siegismund L Volkcning in Leipzig. Preis 60 Pfg. Die nachthciligen Folgen der Trunk sucht in körperlicher, geistiger, moralischer und wirthschafllichcr Hinsicht sind so große und schwere, daß eine Bekämpfung des Mißbrauches geistiger Getränke entschieden geboten ist. Ver schiedene Wege hat man auch bercrts vorgeschlagen rind ein geschlagen zur wirksamen Agitation gegen den Alkoholismus, so z. B. Errichtung von Mähigkeits- und Enthaltsamkeitsvereincn, Gründung von Trinkerheilanstalten, Reform des WirthShaus- betricbes, Trunksuchtscurcn durch Mcdrcamcnte, Hebung des häuslichen Glückes u. s. w.: bis auf die Trunksuchtscuren durch Geheimmittcl, die auf Geldschneiderei hinauslaufen, hat jedes Verfahren etwas für sich. Ein Alliirter darf aber in diesem Kampfe nicht fehlen, und das ist die Schule. Bei der Jugend isi immer der Hebel anzuschen, das wußten schon Moses, Lykurg, Luther u. v. A., durch die Schule mutz Auf klärung und Belehrung und auch Gewöhnung bei Schulfesten und TchülerauSflügen u. s. w. kommen. — TaS vorliegende Schriftchen faßt besonders auch diesen Punct in's Auge und giebt viele recht bchcrzigenSwerthc Winke. Tie ganze Broschüre zer fällt in sechs Abschnitte, der erste behandelt die Er nährung und die Nahrungs- und Gcnußmittcl überbaupt, der zweite verbreitet sich über die Ursachen der Beliebtheit alko holhaltiger Getränke und die bicraus sich ergebende Gefahr, der dritte Abschnitt behandelt die Nachtheilc des regelmäßigen Alko- holgenusscS und die Folgen der Trunksucht, der vierte gedenkt specicll der Schädlichkeit für die Kindesnatur, der fünfte giebt die Wege für die Bekämpfung der Trunksucht an und der letzte beantwortet die Frage: Was kann die Schule thun zur Beseiti gung des Alkoholismus? — Das Schriftchen orientier vollständig über diese actuclle Frage und ist so überzeugend geschrieben und giebt so bcachtenswerthe Winke, daß wir dasselbe nur bestens empfehlen können. Or. 3. W8ligk8 Angebot in MeiüeiÄllflen! „krtwL vdovlot, rein» Volle« r L IToi'nills, 17
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