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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.09.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020903016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-09
- Tag 1902-09-03
-
Monat
1902-09
-
Jahr
1902
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Die diesjährigen großen, soeben beendeten Flottenmanöver in Frankreich haben nicht nur die fran zösische, sondern auch insbesondere die englische Presse aufs Lebhafteste intcressirt, weil der Schauplatz dieser Uevungen wiederum das Mittelmeer gewesen ist, in dem nach fast übereinstimmender Ansicht über kurz oder lang doch ein mal der Kampf um die Meeresherrschaft der beiden großen benachbarten Rivalen auSgefochten werden wird. Es ist bekannt, wie Frankreich schon seit Jahren bemüht ist, nicht nur durch Verstärkung seiner Flotte, sondern auch durch den Ausbau seiner Küstenstützpuncte so stark wie nur irgend denkbar in» Mittelländischen Meere zu sein, und wie keine Kosten und keine Arbeit gespart werden, um die strategische Linie Toulvn-Evrsica-Biserta für diesen Zweck vollwerthig einzurichten. Die diesjährigen Flotten manöver sollten nun in erster Linie zeigen, inwieweit nach dieser Richtung auf das neugestaltete Btsertazu rechnen sei und ob die Mittel der Vertheidigung zur Abwehr auch eines überlegenen Angriffs durch ein feindliches Ge schwader ausreichend vorhanden seien. Obwohl ja aus leicht erklärlichen Gründen nicht viel Einzelheiten über den im Morgengrauen begonnenen Entscheidungskampf um Biserta iri die Oeffentlichkeit gedrungen sind, so verlautet doch soviel, die umsichtigen Anordnungen des die Vertheidigung leitenden Admirals Merleaux.Pvnty, sowie die neuen Anlagen am Fort Andalous und der Um- bau des Arsenals hätten sich so glänzend bewährt, daß Sldmiral Gervais, der Höchstcvmmandirende der gc- fammten Manöver, bei der Schlußkritik seine Ansicht dahin zusammenfassen konnte, daß ein Angriff auf Biserta selbst mit so großen Mitteln wie im vorliegenden Falle — durch 8 Divisionen — würde im Ernstfälle sehr schwierig, lang dauernd und gefährlich sein. Die französische Landesver- therdigung steht in diesem Urtheil ein um so günstigeres Resultat für den Küstenschutz nud für die Basis von Ope rationen von der nordafrikanischen Küste aus, als auch das Gibraltar gegenüber gelegene MerS-el-Köbir sich im Verlauf der ersten Manöverperiode als ein sehr werth voller Stützpunkt erwiesen hat, so daß die beschleunigte Fortsetzung des Erweiterungsbaues und der Befestigungs anlagen dieses wichtigen Hafens aufs Wärmste empfohlen werden konnte. Aber nicht nur nach dieser Richtung bietet der dies jährige Manöververlauf der französischen Flotte vom strategischen Gesichtspunkt aus ein lehrreiches und inter essantes Bild, sondern auch darüber haben diese Uebungen bemerkenswerthe Aufklärung verschafft, wie werthvolle Hilfsmittel die Strategie zur See in der draht losen Telegraphie in Zukunft haben wird und wie deren ausgiebige Verwendung für die Opera tionen weit getrennter und deshalb häufig sehr schwer zu vereinigender Parteien für den end- giltigen Ausgang einer Entscheidungsschlacht von ge radezu ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Auch darin hat sich ein weiterer Vortheil in der Ausnutzung der drahtlosen Telegraphie gefunden, daß die Mittel der Aufklärung auf Tee, für welche fast ausschließlich die Kreuzer in Betracht kommen, sich der Zahl nach nicht un wesentlich verringern lassen, wodurch dem Gegner das Finden und Erkennen der feindlichen Maßnahmen sehr er schwert wird, während andererseits den eigenen Ent schlüssen ein nicht unerheblicher Factor an operativer Kraft in der Hand bleibt. So ist es während der Manöver u. A. möglich geworden, daß eine verhältnißmäßig dünn besetzte Aufklärungslinte von Kreuzern die weit von ein ander entfernten Geschwadcrtheile der eigenen Partei zu gemeinschaftlicher Action gegen die feindlichen Streitkräfte durch drahtlose Verständigung rechtzeitig vereinte, wo durch sich jene einen großen Theil des angestrevten Er folges von vornherein zu sicher» vermochte. Was neben der» strategischen Lehren die taktischen Erfahrungen der Flvttenübungen anlangt, so ist in der ausländischen Presse, vermuthlich von nicht fachmännischer Stelle aus, vielfach die Rede ge wesen von den» Versagen der Torpedo boote im Anfklärungsdienst, und diese irr tümliche Beurtheilung ist auch irr einige deutsche Blätter übergegangen. Aber nicht in der Aufklärung, die nicht die Aufgabe der Torpedoboote, sondern, wie schon oben gesagt, die der Kreuzer ist, haben jene Boote versagt, sondern darin haben sich sowohl in der ersten Manöver periode als später beim Angrisf auf Biserta Unvvll- tvmmenheiten und störende Zwischenfälle in der Ver wendung dieser Fahrzeuge herausgestellt, daß sie zu wenig geübt waren, in der Nacht zu manövriren, wodurch sie oft jede Fühlung unter einander verloren oder, wie es vor Biserta vvrgekvmmen seil» soll, die Bewegnngen der eigenen Kreuzer sehr erheblich aufhielten und sogar im entscheidenden Augenblick verzögerten. Mehr befriedigt haben die Torpedoboote am Tage, wenngleich namentlich über den günstigsten Angrifssmomcnt derselben in der Schlacht keine einheitliche Auffassung herrschte und ebenso Unklarheiten über den geeignetsten Aufenthalt dieser Boote vor ihrem Eingreifen ins Gefecht zu walten schienen. Auch über die Verwendung der Kreuzerin der See schlacht sind während der Manöver getheilte Ansichten hervorgegangcn, da mitunter nicht nur Panzerkreuzer, sondern unbegreiflicher Weise auch geschützte Kreuzer in vorderster Reihe gegen Linienschiffe verwendet wurden, und dies noch dazu häufig zu einem völlig ungeeigneten und unverständlichen Zeitpnncte, so daß im Ernstfälle diese Schiffe nicht nur vorübergehend kampfunfähig, sondern wahrscheinlich völlig vernichtet worden wäre»». Wenn es schon zweifelhaft erscheinen muß, ob es sich rechtfertige»» laßt, Panzerkreuzer in den Kampf gegen Linienschiffe — «nrtzer in den Augenblicken größter Gefahr oder wenn letztere nicht mehr ganz intact sind — eintretcn zu lasten, so kann das Einsetzen ungeschützter Kreuzer zu solche»» An- griffszwecken wohl überhaupt nicht gebilligt werden, da diese Schiffe gegen das Granatfeuer der schweren Geschütze wtderstandsunfähig sind und sie zudem für ihre vor nehmste Aufgabe der Aufklärung frühzeitig verloren gehen wüden. Ein anderes taktisches Moment von Wichtigkeit aus dein Verlauf der Flottenübungen ist das in der Manöver anlage zur»» Ausdruck gebrachte, für die Verhältnisse der Wirklichkeit aber durchaus irre leitende Uebcrgewicht an F a h r t g e s ch w i n d i g k e i t, das für die Aufklärungs kreuzer gegenüber den Schlachrschifsen deSNordgeschwaders angenommen wurde. Die ganz erklärliche Folge solch' un natürlicher Annahme war eine Reihe unwahrscheinlicher Manövcrbildcr und unzutreffender Entschlüsse und Ent scheidungen einzelner Führer, deren Wiederholung iin Kriege für Denjenigen geradezu verhängnißvoll werden dürfte, der sich ii» Friedenszciten an solch' falsche An schauungen gewöhnt hat und mit gleichen Verhältnissen beim Gegner rechnet. Da wir gerade bei Fahrt geschwindigkeit sind, mag noch hinzugefügt werden, daß für den ferneren Kriegsschiffsbau in Frankreich die Stellungnahme des gegenwärtiger» Marineministcrs M. Pellctan von Interesse sein wird zn der Frage, die auch als ein Ergcbniß der Manöver anzusehcn ist, ob nicht bei Linienschiffen die höhere Geschwindigkeit gegen über der» gegnerischen Schiffen der gleichen Elaste vor den Vortheilen einer zahlreicheren Bestückung zurück- zutrcten habe. Admiral Gervais, der demnächst die Altersgrenze erreicht und damit aus dem acttven Dienste scheidet, hat zum dritten Male die großen Flottenmanöver ge leitet und dabei im selben Maße wie in den Vorjahren Geschick, Sachkenntnis, und große Unparteilichkeit be kundet. ES ist daher erklärlich, daß die französische Marine diesen tüchtigen Officier mit aufrichtigem Be dauern scheide»» sieht. Deutsches Reich. * Leipzig, 2. September. (Ein angebliches neues Kaiserworr.) Ter Pariser „Eclair" meldete jüngst, die Kaiseryacht „Hohenzollern" habe am Ende der Revaler Mon- archenbeaegnung auf Befehl Kaiser Wilbelm'ö II. siznalisirt: „Der Admiral de« Atlantischen Oceans dem Ad miral des Stillen Oceans!", worauf der Zar den „Standart" nur kühl „Glückliche Reise" habe antworten lassen. Die deutsche Presse hielt fast durchweg diese Meldung für eine freie Erfindung des französischen Blattes und änderte diese Ansicht nicht einmal, als ein zumeist wohljnformirter Petersburger Correspondent der „Frkf. Zlg." die Nachricht bestätigen zu können behauptete. Man wunderte sich nicht einmal darüber, daß die Berliner Officiösen kein Dementi brachten. Ein solches muß man nun aber wünschen und er- warten, da die conservative „Elbinger Zeitung" sich sehr ernsthaft mit den Meldungen des Pariser und des Frank furter Blattes beschäftigt. Beide»» fügt eS zunächst das Fol- gende hinzu: Hierzu mag bemerkt werden, daß die russisch« Censur sofort nach der Abreise des Kaisers Wilhelm den Zeitungen verbot, irgendwelche Mittheilungen über die beim Abschied zwischen den Monarchen durch Signale ausgetauschten Grüße zu bringen. ES ist also jedenfalls etwas von politischer Bedeutung in denselben enthalten gewesen. In Petersburger russischen Kreisen wurde gleich nach der Kaiserzusammenkunft dasselbe erzählt, was der „Eclair" jetzt enthüllt zu haben glaubt. Die Lesart war bloß: „Der Beherrscher der westlichen Meere entbietet seinen Gruß dem Beherrscher des Stillen Oceans"; die Antwort habe „Glückliche Reise" gelautet. Und an diese Hinzufügung knüpft daS conservative Blatt die folgenden Bemerkungen: „Der Admiral des Atlantischen Lcean» dem Admiral de« Stillen OceanS" — es liegt wohl kein Grund vor zu bezweifeln, daß die Worte wirklich so gelautet haben. Man wird sich also mit ihnen durchaus ernsthast beschäftigen können, zumal da auch die weitere Nachricht, daß der Zar höchstselbst angeordnet habe, daß die russische Censur die Weiterverbreitung der Worte unterdrücke, viel Wahr, scheinliches für sich hat. Kaiser Nikolaus hat anscheinend die weit tragende Bedeutung dieser neuesten Kundgebung seines kaiserlichen Vetters sofort erkannt und durch ihre Geheimhaltung unliebsame Preßerörterungen verhindern wollen. Daß ihin dies nicht gelungen, ist aufrichtig zu bedauern. Nachdem sich nun einmal die Druckerschwärze der Angelegenheit be- mächtigt hat, wird man in Frankreich und den Vereinigten Staaten, vor Allem aber jenseits des Canals nicht zögern, sie gegen den deutschen Kaiser und seine Flottenpolitik gehörig aus« zubeulen. Man wird sich wieder der kaiserlichen Worte erinnern, daß Deutschlands Zukunft auf dem Wasser liege, und wird geneigt sein, die weitere Versicherung, daß Deutschlands starke Flottenver» mehrung lediglich zuny Schutze seiner Küsten und seiner Handels« flotte vorgenommen werde, nicht ernst zu nehmen. Man wird im Auslände vielmehr sagen, Laß Deutschland darnach strebe, „der Beherrscher der westlichen Meere", sein Kaiser „der Admiral des Atlantischen Oceans" zu werden, oder sich gar einbilde, es schon zu jein — und das wird bei unseren angelsächsischen Vettern wiederum ein vorzügliches Hetzmaterial gegen unser Vater« land abgeben. Hält sich doch England nicht nur für die Beherrscherin des Atlantischen, sondern aller Oceane, „Lrikauvm ruls tbs wavog", und wacht es doch eifersüchtig über dieser seiner maritimen Machtstellung. Die Vereinigten Staaten aber sehen — insbesondere seitdem der mittelamerikanische Canal greif bare Gestalt anzunehmen beginnt — den Stillen Ocean für «in rein amerikanisches Gewässer an und werden sich daraus sicherlich weder von Rußland noch von Japan vertreiben lassen. In Deutschland selbst werden alle die Kreise, die die Kraft deZ Reiches in einer starken Armee sehen und mit bekümmertem Blick bemerken, daß der Schwerpunct unserer Macht mehr als nothwendig in die Flotte verlegt wird, in dem neuesten Kaiserworte die Be stätigung ihrer Ansicht finden, daß man bei uns jetzt einer Welt politik zusteuert, deren Consequenzen unabsehbar sind. ES wird auch Leute geben, die aus den Katserworten heraus« lesen werden, daß zwischen den beiden Monarchen in Reval gewisse inaritime Abmachungen getroffen fein müssen, als deren Niederschlag die Signale der „Hohenzollern" auszufassen seien. Sei dem wie ihm wolle, jedenfalls trägt die Bekanntgabe auch dieser kaiserlichen Aeußerung nicht dazu bei, den Zündstoff, der sich ins« besondere seit Lein letzten nach München gerichteten Kaisertelegramm aufgehäuft hat, wieder zu zertheilen und unschädlich zu machen; und das ist aufs Lebhafteste zu bedauern." Je näher die Besorgniß liegt, daß da« angebliche neue Kaiserwvrt im Auslande Eifersucht und deshalb im Reiche Bebauern erwecken werde, um so berechtigter ist die Erwartung, daß nunmehr der Dementirapparat in Bewegung gesetzt und die ganze Geschichte in das Reich der Fabel verwiesen wird. -i- Berlin, 2. September. (Zur Stellung de« DeutschthumS in Amerika.) Im Septemberhefte der „Deutschen Rundschau" lenkt Julius Rodender« die Aufmerksamkeit auf die in New Jork erschienene Schrift Oskar KuhnS' „rko trormsn auck gviss Lvttle- mouts ok Ovlollial ksans^Ivauia". KuhnS, ein Amerikaner deutscher Abstammung, erzählt darin die Geschichte der Besiedelung PennsylvanienS durch Deutsche und dir Geschicke der Ansiedler. Diese Geschichte ist be sonder« werthvoll deshalb, weil sie die Leistungen deutscher Culturarbeit in den Vereinigten Staaten in Helles Licht rückt. Mehr als 100 000 Deutsche sind seit dem letzten Drittel deS 17. Jahrhunderts bis zum AuSbruch der französischen Revolution in Pennsylvanien ein gewandert, und obwohl die meisten davon verarmte Leute waren, brachten sie doch Fertigkeiten und Erfahrungen mit, die bis dahin in ihrer neuen Heimalb unbekannt geblieben. Sie führten zuerst die Bewässerung ein; sie verstanden e«, den dem Urwalde adgewonnenen Aecker »m zweiten Jahre erlragsfähig zu machen, während bisher zwanzig Jahre dazu gebraucht wurden; ihre Pferde waren berühmt; ihre Kühe gaben doppelt so viel Milch wie die ihrer Nachbarn; ihre Pflanzungen versorgten bald ganz Philadelphia mit Früchten und Gemüsen. „Diese Provinz", äußerte sich schon im Jahre 1738 ein Gouverneur von Pennsylvanien, „ist seit einigen Jahren der Zufluchtsort bedrängter Protestanten aus der Pfalz und anderen Theilen Deutschland«, unv ich glaube, eS kann in Wahrheit gesagt werden, daß ihr > gegenwärtiger blühender Zustand großen TheilS dem Fleiße dieser Leute zuzuschreibeu ist". — Als später der Un- abhängigkeitskrieg ausgebrochen war, ist die erste Compagnie, die Washington erreichte, eine deutsch-pennsylvanische gewesen F-rriHrtsn. Mit unsichtbaren Machten. ' Skizze von Elizabeth Kuylenstterna. AuS dem Schwedischen von Julia Koppel. NaSdruck verboten. Ein Zufall — als etwas Anderes wollte Dagny Thorescn es nicht betrachten — hatte eS gefügt, daß Kjell Magnell's Gattin sich ihr anschloß auf dem Rückwege von einer Früh- stiicksgesellschaft, die eine gemeinsame Bekannte Dagny'S Aufenthalt in der Stadt zu Ehren gegeben hatte. Als sie jetzt eben an einem Schaufensterspiegel vorbei gingen, verglich Dagny sich mit Linnea Magnell. Sie waren natürlich vollständige Contraste, wie konnte cs auch anders sein? Dagny war dunkel, groß und schlank. Der edelgeformte Kopf saß stolz auf dem zierlichen, schlanken Halse; die Züge waren unregelmäßig, ein Gemisch von tausend lebensvolle»» Einzelheiten, der Mund und die Augen ihre größte Schönheit. Und dann die Art, wie sie sich zu kleiden verstand . . . mit dem Vorrecht einer Künstlernatur, die stets überraschte; elegant bis zum Raffinement und doch mit jener harmonischen Vornehmheit und weichen Abtönung in den Farben, die angeboren sein muß. Alles an Dagny Thoresen war originell, die gesell schaftliche Erziehung war vollständig an ihr abgeglttten. Linnea hatte leichte, regelmäßige Züge, eine fein gebogene Nase, „ein Familienerbtheil" ebenso wie die schmalen Lippen und die aristokratisch kleinen Hände und Füße. Sie hatte nichts Eigenes an sich; man hätte sie mit ihren Cousine»» verwechseln können, die auch „besonders süß" »raren. Das modische Tailormabe-Costüm faß tadel los an ihrer netten Figur. Um den Hals trug sie eine dunkle Marderboa und ein einfacher Matrosenhut mit einem gepunkteten Schleier faß aus reichem, blondem, schlicht gekämmtem Haar! Obgleich sie sich fast nur vom Hörensagen kannten, stockte die Unterhaltung doch keinen Augenblick. E« war Dagny, als lief die Unterhaltung an einem unsichtbaren Faden, der auf keinen Fall reißen durfte; denn mit dem Still schweigen würben lästige Gedanken aufkommen, das wußte sic. „Wie nett, daß wir uns kennen gelernt haben", sagte Linnea mit ihrer angenehmen, klaren Stimme, „sowohl Agda" — das war die Freundin, die die Frühstücksgescll. schäft gegeben hatte — „als auch mein Mann haben mir schor» so viel von Ihnen erzählt, daß ich ordentlich neugierig geworden war." ,Hat Herr Amtsrichter Magnell von mir gesprochen?" Dagny beherrschte ihre Stimme, so daß die Frage höflich und kühl klang. „Ja, oft. Sie haben ihn wohl verschiedentlich in Gesell schaften getroffen, wenn er während der Reichstags- siyungen in Stockholm war?" „Allerdings." „Sie sind Wittwe, Frau Thorescn?" „Seit fünf Jahren." Dagny sagte es ohne Sentimentalität im Tonfall, nur wie eine unanfechtbare Tbatsache, aber Linnea gab ihren» Gesicht eine»» bedauernden Ausdruck; bas that sie immer bei Erwähnung solcher Verluste, das hatte schon ihre Mutter sie gelehrt. Nach einer augenblicklichen Pause fuhr sie fort: „Mein Mann hat von Ihnen als Künstlerin gesprochen! Malen Sie — oder singen Sie vielleicht?" „Ich singe, spiele, male und schnitze auch, wenn ich Lust dazu habe, aber ich glaube nicht, baß der Herr Amts richter dies als meine größte Kunst bezeichnen würde." „Haber» Sie denn noch mehr Talente?" Dagny lachte und spannte ihren rothen Sonnenschirm gegen die heiße Mittagssonne auf. „Ja, ich habe noch ein Talent." „Welches denn, Frau Thorescn? Sie wären wirklich eine Requisition für unsere Stabt. Wie schabe, baß Sie schon beut' Abend wieder sortreisen." „Sie sind sehr freundlich, aber ich könnte hier nicht leben!" „Würbe e« Ihnen hier nicht gefallen? Nein, da« läßt sich denken. Aber e« ist schabe, denn ich hege viel Interesse für Sie, und wir würden gewiß oft zusammenkommen. — Sehen Sie, dort in dem Hause hat mein Mann sein Bureau. Er ist leider in der letzten Zett so beschäftigt, daß ich ihn fast gar nicht zn sehen bekomme." „Ach. . „Ja, es ist recht fatal; aber ich habe glücklicher Weise die Kinder zum Trost." „Können die Ihnen die Gesellschaft Ihres Mannes er setzen?" unterbrach Dagny sie heftig. Sie war ganz roth geworden bei der Frage und ihre Augen blitzten. „Ersetzen?" Linnea's Augen öffneten sich weit. „Wo denken Sie hin, Frau Thoresen. Ich weiß ja, daß ich ihn besitze, wenn die Arbeit auch viel von seiner Zeit und seinen Gedanken in Anspruch nimmt. Seit einigen Monate»» ist er ungewöhnlich nervös und verstimmt, aber Sie glauben nicht, wie lustig und vergnügt er sonst immer war, wenn wir allein zu Hause waren." „So-o." „Frau Thoresen, Sic könnten mir eine große Freude machen. Ich möchte so gern, daß Sie mit mir nach Hause kämen, damit ich Ihnen mein Heim zeigen kann. Sagen Sie nicht nein! Wenn Sie Zeit und Lust haben, würde ich mich sehr freuen, wen,» Sie unser Tischgast sein wollten. Es wäre auch eine angenehme Uebcrraschung für meinen Mann. Weiß er, daß Sie hier sind?" „Ich traf den Herrn Amtsrichter heute Morgen auf der Straße." „Ach so! Nun, wollen Sie unS das Vergnügen machen, unser Gast zu sein?" „Danke, es ist mir leider unmöglich." „Wie schabe." „Ja, allerdings — ich habe noch Einiges zu erledigen und reise um 11 Uhr mit dem Nachtzuge." „Aber jetzt können Sie vielleicht doch einen Augenblick mit binanfkommenl Wenn Sie und Kjell dann wieder in Stockholm zusammen sind, wissen Sie, wie eS bei ihm zu Hause auSsieht." „Sind sie gegen alle Reisebekanntschaften Ihre» Mannes so freundlich, Frau Magnell, dann bewundere ich Sie." „Ja, gewiß. Sie gefallen meinem Manne und darum auch mir." Linnea lachte und zeigte eine Reihe wohlge- pslegter Zähne. „Kommen Sie mit! Hier wohnen wir", fügte sie gleich darauf hinzu. Linen Augenblick zvgerte Dagny. Die« war ja eigen», lich eine höchst unbehagliche Tragikomödie; aber ihr inner- liches Widerstreben wurde von der unbezwinglichen Lust besiegt, sein Heim zu sehen, bevor sie für den Winter Schweden verließ und nach Italien reiste. Im nächsten Sommer hatte sich wahrscheinlich schon Alles verändert, und sic, Dagny, war an Stelle dieser kleinen, unbedachtsamen Fra»» getreten, die so sicher von „ihrem Mann" sprach, als wäre er ihr unantastbares Etgenthuin. Nächstes Jahr, wenn Kjell alles geordnet haben würde, würde er die Bande zerreißen, die ihn peinigten und drückten, und offen seine Liebe zu ihr bekennen. Tas »vor ja gerade ihr größtes Talent, dav sie ohne Anstrengung und ohne kleinliche Koketterie Seele und Sinne gleichzeitig entzünden konnte, so üag sie zu einer lodernder» Flamme wurden. Amtsrichter Magnell hatte ein reiches und solides Heim, das wußte Dagny schon im Voraus, und es gab weder in der Ausschmückung noch in der Einrichtung etwas, was sie überraschte. Ungefähr ebenso sah es bet all ihren Bc- kannte»» aus. Nur einen Unterschied gab es: c r leblc hier, seine Stimme, seine Schritte tönten durch diese Nauinc. Sic konnte ihn sich überall denken, ihn fast peinlich deutlich vor sich sehen, während sie Linnea schweigsam folgte, und deren eifrigen, hausmütterlichen Beschreibungen lauschte. Und Linnea's Recht in diesen» Hause, auf das sie pochte, in Liebe und Vertrauen zu dem Manne (der auch sie einst- malS in Liebe hier hinein geführt hatte) wurde so dentlich beleuchtet, hob sich so klar hervor, daß die Frau, die auch einmal ein Hein» besessen hatte, sich unwillkürlich vor der Macht dieses Rechtes beugte. Dagny'S Begehren hielt den Athem an, wie nach einem zu hastigen Sprung; ihre sieg reiche Zuversicht schwankte auf der Gewiffenswaage zwischen Recht und Unrecht. Und Ltnnea erzählte. Jetzt erst fiel es Dagnn auf, baß dieselbe scheinbar ein bestimmtes Ziel vor Augen hatte. Wie stille Tropfen, einer nach dein andern, fielen die Worte von ihren Lippen, aber dahinter vibrirte ein merkwürdiges Schwanken, wie ein Ast schwankt, bevor er den Tropfen losläßt. „Hier, Fran Thoresen, sehen Sic unser Wohnzimmer! An Winterabenden zünden wir das .Kaminfeuer an und gruppircn uns da herum. Jeder hat sein eigenes Kissen; es ist dies eine kleine Chronik, die ich mir ansgedacht habe. Diese« hier gehört meinen» Mann. Lehen Sie, sein Mono gramm und die Jahreszahl als wir nn« verheirathetenl Hier ist meines, und da. eins, zwei, drei... die der
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