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1V8 — A. Aahrga»g -Mittwoch de« SL. August IVIO Sächsisch eWksMng - dl-ki-lv-iltkne PettUette oder deren Raum mit Sttc-etnt tSaltch »ach«. mU «ulnaftm» der Sonn- mit Festtage. für Wahrheit, Recht und Freiheit Unabhängiges Tageblatt «««»»»atu werden die kckefpaltene PetttzeUe oder deren Raum mir ?S^«ellamen mtl 6« ^ die Zette berechne,, bei Medeldvlun,«« entbrechenden Rabatt «uchdrackrrei, Redaktion o»d 1S«»»iift»ftette, LreSdru, «Mnt«er Strafte 4». — Fernsprecher III«« SkürSrückaabeunvrrlamit. Schriftstücke »«tnrVerbiitdlichlrN " Redaktion^. Sprechstunde: IItit Uhr. Litte s?5obie^en 5ie mizeteo fioclifeioeri ^amÜien-^Zffee pek Lftmcl /Vlarß 1.35. 8e ^oc^tk'oli, D^cieri. ftlscssnls^i-n In sllsn StüttttsIIsn. INI Das Königreich Montenegro. Montenegro feiert in diesen Togen seltene Feste: als bedeutendstes die Sonntag erfolgte Proklamation zum Königreich. Mit großer Feierlichkeit, einer festlichen Sitzung der Skupschtina und einem Gottesdienst iw der historischen Kirche, fand am Sonntag die Proklamation des Fürsten Nikolaus zum „König von Montenegro" statt. Der König und die Königin von Italien, der .skvonprinz von Serbien uud die anderen Fürstlichkeiten nahmen an der Feier teil. Die Begeisterung der Bevölkerung mar grenzenlos. - Ferner feiert das Land das fünfzigjährige Re- gierungsjubiläum des Herrschers, des Fürsten Nikolaus I., der seit dem 13. August 1860 den Thron von Crnag >a (der Schwarzen Berge) innehat, und mit dem Regiernngs- jubiläum die goldene Hochzeit des Fürstenpaares: denn am 8. November werden auch 60 Jahre darüber hingegangen sein, daß der kaum 19jährige Fürst Nikita sich mit der schönen Milena Vukotitsch vermählte, die einer angesehenen montenegrinischen Woiwodenfamilie entstammte und an ihrem Hochzeitstage erst 13'/- Jahre alt war. Der Ehe» bund war ein sehr harmonischer und glücklicher. Ihn, ent sprossen drei Söhne und sieben Töchter. Die älteste, im Jahre 1890 verstorbene Prinzessin Zorka, war mit Peter Karagjordjewitsch vermählt, dem jetzigen König von Ser bien: zwei, Milihe und Stana, haben russisck>e Großfürsten geheiratet, und Helene, die vierte, ist Königin von Italien geworden, während die 'fünfte, Anna, als Prinzessin von Battenberg auf deutschen Boden gekommen ist. Diese Fa milienverbindungen tragen dazu bei. den Festen eine weit reichende Beobachtung zu sichern. Im Elternhause zu Ce- tinje weilen noch die Prinzessinnen Lenia und Wcra. Der jetzt 39jäbrige Erbprinz Danilo hat, wie bekannt, eine mecklenburgische, dagegen der 31jährige Prinz Viktor eine serbisckie Prinzessin geheiratet. Das jüngste Kind des Königspaares, der 21jährige Prinz Peter, besuchte bis vor kurzem die Heidelberger Hochschule. Das jüngste Königreich ist das kleinste unter den euro päischen Königreichen. Gleick»vohl ist seine Flächenaus- dehnung bedeutend größer, als die meisten nach der Erinne rung von der Landkarte vermuten. Es zählt 9080 Quadrat kilometer, ist also 2000 Quadratkilometer umfangreicher als das deutsche Großherzogtum Hessen und an Oberfläche ungefähr den gesamten sächsiscl>-thüringischeu Herzogtümern gleich. Während diese aber zusammen über sine Million Einwohner haben, zählt Montenegro deren knapp 300 000. Jeder Montenegriner ist ein geborener Soldat, bei dem die militärische Dienstzeit, die für den Infanteristen vier Monate, und für Artilleristen und Pioniere sechs Monate beträgt, nur die letzte Feile anlegt. Man rechnet, daß Mon tenegro im Kriegsfälle sofort 37 200 Mann unter Waffen stellen kann. Sobald ein Montenegriner 16 Jahre alt wird, erhält er von staatswcgen einen Revolver, den er beständig im Gürtel trägt. Trotz der allgemeinen Bewaffnung kommt aber unüberlegtes Schießen so gut wie gar nicht vor. DaS wird schon durch die Selbstbeherrschung behindert, zu der jeder von frühester Jugend au erzogen wird. Außer dieser Selbstzucht sind Mäßigkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Gastfreundlichkeit und Sittenstrenge Haupteigenschasten der Montenegriner. Jede Frau, jedes Mädchen kann bei Tage und bei Nacht allein sicher und unbehelligt auf den einsamsten Gebirgs- und Wildpfaden wandern. Man stößt durchgehends im Lande aus eine Bildung, die man der so einfach einherschreitenden Bevölkerung nicht zutraut. Ter Schulbesuch ist vom 7. bis 13. Lebensjahre obligatorisch: er ,st völlig unentgeltlich: auch die Lehrmittel werden den Kindern geliefert. In Cetinje, Podgoritza und Nikschitsch gibt es ei» Gymnasium. Namentlich fallen die Sprachkenntnisse auf. Viele Montenegriner sind in der deutschen, französischen oder italienischen Sprache völlig zu Hause. Die Gebildeten sprechen diese Sprachen alle drei. Diese Erfolge und das Emporblühen des Landes aus dem Gebiete der Kultur hat wesentlich Nikolaus l. hervor gebracht. Er hat sich als tüchtiger Organisator im Innern wie als Diplomat nach außen bewährt. Er erzog die Mon tenegriner zu Bürgersinn, so daß er ihnen vor einigen Jahren eine Verfassung geben durste. Bei allen Mächten, auch in Stambul und in Wien, steht der Fürst in Ansehen, so daß er unbedenklich die jetzige Rangerhöhung erstreben durfte, als deren Vorläufer die bereits vor zehn Jahren erfolgte Annahme des Titels „Königliche Hoheit" anstatt der früheren Anrede „Hoheit" gelten kann. Die Königs krone besiegelt den Abschluß einer fünfzigjährigen, ersprieß lich» Negententätigkeit, die den Nachfolger» aus dem Hause Petrowitsch-Negosch den Boden geebnet hat für eine verheißungsvolle Zukunft. Ruhig Blut. Ein Neichstagsabgcordneter schreibt uns: Wenn ein politisches Ereignis vor sich geht, so kocht und siedet es sofort in weiten Kreisen unseres Vaterlandes und die Zeichen politischer Unreife mach» sich geltend. Zu einem guten Teil ist dies auf das Gebaren unserer Sen sationspresse zurnckzuführcn: die ernsten politischn Zei tungen haben daher um so mehr Veranlassung zur Be sonnenheit zu mahnen und nicht in der ersten Erregung alle Töpfe zu zerschlagen. Wie ruhig und kühl nimmt man in England politische Ereignisse auf, während man nach der deutschen Presse vielfach annehmen ^ muß, die gesamte Be völkerung des Reiches bestehe aus heißblütigen Italienern. Gerade nach der Königsberger Kaiserrede von 1910 über schlagen sich gewisse Blätter von Wut: es sind dieselben, die nach der Königsberger Rede von 1891 — sie war gegen die Konservativen gerichtet — dem Kaiser zujubclten: schon daraus sieht man die parteipolitische Mach. Als im November 1908 das deutsch Volk von den Offiziösen in un- verantwortlichr Weise irre geführt wurde, als auch im Reichstage die Wahrheit nicht ihren Sieg feierte, da war der Lärm naturgemäß riesengroß und nur einer war es, der schon damals die ganze amtliche Darstellung als unwahr bezeichnete: der Abgeordnete Gröber. Heute ist die Legion seiner Gefolgschaft riesengroß: damals war der ge sunde Menschenverstand auf Ferien gegangen. Tann wieder hi der Protestbewegung bei der Vorromäus-Enzyklika: auf Grund einer gefälschten und verschärften Uebersetznng tobte man gegen den Papst: so eine Art Gegenstück gegen den Novembersturm. Jetzt kommt wieder der Kaiser an die Reihe, so daß man bald den Eindruck erhält, in dem einen Halbjahr wird in Deutschland gegen den Papst gehetzt, irr dem anderen gegen den Kaiser. Warum? Weil beide Wahr" heilen sagen, die den Modernen auf die Nerven fallen. Und wer hetzt? Liberalismus und Sozialdemokratie voran sind die größten Schreier. Es handelt sich hier um einen neuen Ansturm der umstürzlerische» Ideen gegen die kirchlichen und weltlichen Autoritäten. Schon darum bewahren wir in dem heutigen Lärm ruhig Blut, denn es hat sich noch immer als wahr erwiesen: wer so furchtbar laut schreit und brüllt, hat in der Regel unrecht. Er gleicht dem furcht samen Kinde, das allein durch den Wald geht und durch seinen Lärm sich selbst Mut einslößen will. So ist es auch jetzt bei der neuen Kaiserrede. Wir sind ganz gewiß nicht in allen Teilen mit derselben einverstanden: den Grnndton billigen wir, da er christlich und konservativ im besten Sinne des Wortes ist: einzelne Ranken der Rede sind zu sehr verschnörkelt. Daß der Kaiser die Monarchie von Gottes Gnaden feiert, kann doch niemand überraschen, und einen Toast auf den Reichstag ht auch niemand in Königsberg erwarten können. Der Kaiser sprach seine An sicht offen und unumwunden aus und wußte, daß er damit Ziistimmung und Widerspruch finden wird. Aber hat er denn hierdurch die Verfassung verletzt? Tic Reichver- sassung ganz gewiß nicht: denn in keiner Silbe hat er sich mit der aktuellen Tagespolitik befaßt, und wenn der oberste Kriegsherr von der Erhaltung der Wehrkraft spricht, sä erfüllt er nur die Pflicht, die ihm die Reichsverfassung auserlegt; da ist nichts zu mahn. Oder hat er das Ver-. sprechen vom 17. November 1908 „gebrochen"? Kein Mensch konnte damals die Bedeutung desselben umschreiben und kann es heute noch nicht: wir haben nie hohen Wert auf die paar Zeilen Druckerschwärze im „Neichsanzeiger" gelegt, und seitdem wir wissen, wie sie zustande gekommen! sind, wird nur ein schweres Unrecht gesühnt, wenn dieser? Fetzen Papier zerrissen in die Luft flattert. Also kämä noch die Verletzung der preußischen Verfassung in Betracht- AVer hier steht der König als gesetzgebende Gewalt nebett den beiden Häusern des Landtages, und da er die voll ziehende Gewalt auch besitzt, ist er im Rahmen seiner Macht befugnisse geblieben. Auch das Gottesgnadentum steht in! der preußischen Verfassung. Nach der staatsrechtlichen Seite! hin läßt sich somit schon gar nichts machen: der Kaiser hak keine Ausdehnung seiner Befugnisse gefordert oder in- Anspruch genommen: er hat keinen Angriff auf fremdä Rechte angekündigt oder ausgeführt. Je fester man aufs dem Boden der Verfassung steht, um so besser für Volk, Reich und Kaiser. Was bleibt also übrig? Die politisch-taktische Seite der Rede. Soll der Kaiser ganz schweigen? Auch jetzt, wq die rote Flut immer höher steigt, soll er da allein, wie einl Stummer dastehe», wenn er dem Volke die ideale Gesinnung erhalten will? Warum aber dann erregt sein, wenn dev Kaiser eine solh Rede hält? So morsch und unhaltbar sind die Rechte des Volkes nicht, daß sie Zusammenstürzen, wenn der Kaiser seine Rechte betont. Da haben wir weit mehr Vertrauen in die Festigkeit der Volksrechte als die lärmenden Liberalen und Sozialdemokraten. Wenn dev Kaiser durch die Rede vor aller Welt das Ende der Bülow- Aera mit all ihrem Schwindel und Trug angczcigt hat. so gratulieren wir ihm dazu, daß er trotz des Geschreies des Liberalismus hierzu schritt. Für die Rechte des Volkes Der Weltkongreß für «freies Lhnslentum" ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Wer er wartet hatte, endlich einmal von einem jener Phrasenmacher, die dort aufgetreten sind, zu hören, was denn unter „freiem Christentum" zu verstehen sei, wurde bitter enttäusclst. Dieses eigentliche Thema verschwand ganz in dem Phrasen nebel. der über dem Kongreß lagerte. Eingangs sprach der Berliner Professor Harnack von einem doppelten Evangelium im Evangelium; er meinte damit die alte Unterscheidung zwischen dem historischen und dogmatischen Christus, d. h. zwischen Christus als Mensch und Christus, dem menschgcwordenen Gottessohne. Diese Unterscheidung ist unhaltbar. Einst hatte man die Be hauptung aufgestellt, diese Unterscheidung fände sich in den Evangelien: während das vierte ganz unzweifelhaft den Gottessohn verkünde, wüßten die ersten drei nur von einem — Menschen Jesus. Die älteste Generation des Ur- christentums, deren Anschauungen das Markus-Evangelium wiodergeben solle, wüßte nur von einem solck>en. Harnack selbst hat dieses Märlein bezüglich des Markus zerstört und macht diesem Evangelisten den Vorwurf, er habe „aus Je- suS nahezu ein göttliches Gespenst gemacht" (Lukas der Arzt, S. 86). Und wenn otlvas als sichere Tatsache der Ge schichte zu betrachten ist. so daS, daß cs niemals ein Christen tum, niemals christliche Gemeinden gegeben hat, wo Christus nicht als der menschgewordene Gott betrachtet worden wäre. Und Eduard v. Hartmann hat recht, wenn er das Wesen deS Christentums in dem Bekenntnis zur Gottheit Christi erblickt: nur jene, die dieses Bekenntnis ablegen, hätten daS geschiclstliche Recht, sich Christen zu nennen; denn zu Christus als einem Propheten könnten auch Juden und Mohammedaner sich bekennen, und doch falle es niemand ein, diese deshalb als Christen zu bezeichnen,. Eine vortreffliche Illustration zu diesen Worten Hart manns bot der Weltkongreß für „freies Christentum". Dort haben tatsächlich Juden und Heiden über „Christen tum" fabuliert, allerdings über ein Christentum, das mit dem Christentum Christi nichts mehr gemeinsam hat. „Frei" nennen sic dieses „Christentum" mit Recht, denn es ist be freit von seinem eigentlichen Wesensinhalt, der Frohbot schaft von der Menschwerdung Gottes. Was wollen dann die Leutchen überhaupt noch? Sie werden doch nicht glauben, in dieser Wassersuppe, die durch Einlagen von überschwommenen Ideen und schalen Redens arten nicht an Inhalt gewinnt, der erlösungsbedürftigen und nach Erlösung nun einmal verlangenden Menschheit einen stärkenden Heiltrank darbieten zu können? Nun. dann hätten sic sich belehren lassen können von Trews, dem sie die Mitarbeit an ihrem Treiben untersagen wollten, der aber ganz recht gesehen hat. als er schrieb: „Nicht Jesus, der Mensch, der liebenswürdige Berg- predigcr und sanftmütige Prophet im Jordantale, nicht der Mann mit dem himmelwärts gelvandten Blick und dem Herzen voll Erbarmen und trostreicher Huld für alle Erdenschwcre, auch nicht der Kämpfer für ein neues reli giöses Ideal, der Wiedcrerwecker des alten Prophetentums, der für seine Ueberzeugung in den Tod gegangen ist. nicht dieser hat die Herzen bezwungen und dem Christentume den Sieg über die alte Welt verschafft, sondern Christus, der leidende, am Kreuze gestorbene Gottheiland, dies unge heure Symbol des sich selbst für die Menschheit opfernden GotteS: er ist von jeher die Stärke des Christentums ge wesen, womit eS den tiefsten Eindruck auf daS menschliche Gemüt hervorgcbracht hat. In dem Gedanken, daß Gott selbst leidet, um erhöht zu werden, hat der Mensch sich über sein eigenes zufälliges Leid getröstet: im Bewußtsein der göttlichen Mittlerschaft l>at er den Weg gesunden, m» über die Weltabhängigkeit hinauszukommen" (Tie Religion als Selbstbewußtsein Gottes, 1906, S. 203). Oder bilden sich die Leutcl-en am Ende ein, ihrem Thohuwabohn, ihrem Chaos und Wirrwarr von »»reifen, verschwommene» Gedanken gehöre die Zukunft, die Mensch- heit werde in der Zukunft, ihnen als religiösen Genies und Helden, als den Bringern eines neuen Evangeliums Lob lieder singen. Dann sind sie schlechte Geschichtskenner. Har nack, der von den an der Versammlung Beteiligten die Ge schichte des Urchristentums vielleicht am besten kannte, hätte den Herrschaften verraten können, daß die Menschheit schon einen solcl>cn internationalen Religionsmischinasch, wie sie! ihn betrieben, erlebt hat und daß als Sieger über diesen! das Christentum das Feld behauptete, und zwar gerade wegen seiner Frohbotschaft von der Erlösung von Sünde und Gewissensqual durch den menschgewordene» Gottes sohn. Wir »volle» uns das Bild, an das uns der Kongretz erinnerte, zeichnen lassen von dem belgischen Forscher Cu- mont. Der schreibt einmal: „Nehmen wir an. das moderne Europa wäre Zeuge davon gewesen, wie die Gläubigen die christlichen Kirchen verließen, um Allah oder Brahma zu verehren, die Gebote des Konfuzius oder des Buddha zu befolgen, die Grund- sähe des Shinto anzunehmen: denken wir uns ein große» Durcheinander von allen Rassen der Welt, in dem arabische Mullahs. chincsiscl>e Gelehrte, japanische Bonzen, tibetanische LamaS, hinduistisclie Panthis zu gleicher Zeit deü Fata- lismus und die Prädestination, den Ahnenkult u,ü> die An-