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Deutscher Reichstag. Sitzung vom 18. März 11 Uhr 20 Minuten. Die zweite Lesung des Reichsamtes des Innern wird beim Kapitel Reichsgesundheitsamt fortgesetzt. Abg. Ranner (Ztr.) begründet folgende Resolution des Zentrums: „Der Reichstag wolle beschließen, die ver bündeten Regierungen um Einbringung eines Gesetzent wurfes zur Abänderung des Gesetzes, betreffend das Vieh- seuchengesetz vom 26. Juni 1909 (Reichsgesetzblatt S. b19) zu ersuchen, in welchem die Entschädigungspflicht des Staa tes ausgedehnt wird auf Diehverluste, die durch Maul- un) Klauenseuche und deren Folgen herbeigeführt werden." Die Regelung im Viehseuchengesetze genügt nicht. Die Maul- und Klauenseuche wird sehr oft durch beobachtende Gendarmen und Tierärzte weiter getragen. Man möge mit der Schutzimpfung von Löffler mehr Versuche machen; dies habe sich seither bewährt. Die von der Seuche betroffenen Gegenden sind schwer belastet, es muß alles geschehen, was man kann, um die Seuche zu bekänipfen. Das beste Mittel ist, daß man die Schäden, durch den Staat ersetzt, denn man soll nicht nur die auf polizeiliche Anordnung getöteten Kühe entschädigen, sondern alle. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, einen großen und gesunden Viehstand zu er balten, (Beifall.) Abg. Graf Kanitz (Kons.) stimmt dem zu. Allgemeine Interessen sprechen für diesen Antrag des Zentrums. Ein voller Ersatz wird nicht geleistet, schon um das Interesse des Viehbesitzers gegen die Seuchen wach zu halten. Abg. Ziel sch (Soz.) erklärt sich für die Resolution, Für die Bekämpfung der Tuberkulose geschieht noch viel zu wenig; das Reich hat aber kein Geld dafür. Das Zentral komitee ist auf eine Lotterie angewiesen. Für die Arbeiter der Porzellanindustrie sind weitgehende Schutzbestimmun gen zu erlassen. Redner rügt den Ausschluß der Arbeiter von der Internationalen Hygiencausstellung in Dresden. Staatssekretär Dxlbrück: Letztere ist ein Privat- nnternehiuen und ich habe keinen Einfluß darauf. Wir haben keine Anordnung an die Gewerbeinspektion erlassen, ' aß sie über bedenkliche Tatsachen nicht mehr berichten sollen. Mit d^r Bekämpfung der Tuberkulose haben wir uns stark befaßt; in d'i keraw.'ichcn Industrie herrscht diese Krank heit nicht besonders. Wir erörtern diese Frage eingehend und es werden nächstens weitere Publikationen folgen. Das Neichsgesundheitsanit hat seine Pflicht getan. Wir kennen jetzt Ursache und Heilmittel der Tuberkulose; unsere Aerzte des Neichsgesundheitsamtes arbeiten stets an dieser Frage und überall mit. Wir bekämpfen diese Frage mit Nachdruck und Entschiedenheit; auch mit Erfolg, wie die Statistik beweist. Abg. Neuner (Ntl.) fordert eine gesetzliche Regelung des Apothekerwesens. Staatssekretär Delbrück: Ich bin zu der Ueberzeu- gung gekommen, daß es nicht zweckmäßig ist, diese Frage reichsgesetzlich zu regeln. (Hört!) Die Materie ist sehr spröde; man kann nur landesgesctzliche Regelung anstreben, Ich bedauere auch, daß die Ausführungsbestiminungen zum Biehsenchengesetze noch nicht erlassen sind; das Neichsamt des Innern hat alles zur Beschleunigung getan, aber die Etappen sind zu zahlreich. An eine weitere Entschädigung in der Maul- und Klauenseuche ist nicht zu denken. Abg. Dr. Mugdan (Vp.) bedauert, daß keine reichs- gesetzliche Regelung des Apothekerwesens eintritt. Neben der Heilstättenbewegung muß die Bekämpfung der Tuberku lose in der Familie einsetzen. Staatssekretär Delbrück: Die gesetzliche Regelung des Hebammenwesens wird später erfolgen. Die Frage der Tuberkulosebekämpfung in der Familie wird eingehend untersucht. Abg. Gäbel (Vp.): Unsere Resolution betreffend bal dige Vorlegung eines Gesetzes zum Schutze der Bienenzucht gegen Faulbrut empfehle ich zur Annahme. Abg. Dr. Rösicke (Kons.): Der Grenzschutz gegen die Maul- und Klauenseuche muß möglichst scharf beobachtet werden. Die Sperrmaßregeln sind für die Landwirte von enormem Nachteile im Interesse der Allgemeinheit. Staatssekretär Delbrück: Ich muß wiederholt dar auf Hinweisen, daß die Ausführung des Seuchengesetzes Landessache ist. Die Forderung, verseuchte Tiere, wo es zweckentsprechend erscheint, auf polizeiliche Anordnung zu töten und den Besitzer angemessen zu entschädigen, ist bereits seit längerer Zeit erfüllt. Abg. Lehmann (Soz.): Besondere Beachtung ver dient die Gefahr der Bleierkrankungen. Wir haben ge nügend Ersatzmittel für bleihaltige Farben; die Verwen dung der Bleifarbe sollte grundsätzlich verboten werden. Abg. Graf v. Oppersdorfs (Ztr.): Die schulärztliche Statistik muß veröffentlicht werden, wie auch die Erfahrung der Schulärzte ausgiebig verwertet werden muß. Nach kurzer Debatte wird die Diskussion geschlossen, das Kapitel bewilligt und die Resolution angenommen. Das Kapitel „Patentamt" wird mit der ersten Be ratung des Gesetzes betreffend den Patentausführungs- zwang verbunden. — Nach kurzen Bemerkungen wird die Vorlage an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen und das Kapitel bewilligt. Das Haus beginnt noch die Beratung des Kapitels „Neichsvcrsicherungsamt" und vertagt sich darauf auf Mon tag 2 Uhr. Schluß Uhr. Gemeinde- und Vereinsuachrichten. 8 Dresden. Um weitesten Kreisen Gelegenheit zu geben, sich über die Antialkoholbowegung zu unterrichten, besonders aber um die Ziele und den Zweck der katholischen Abstinenzbewegung kennen zu lernen, findet am 29. März abends 8 Uhr im großen Gesellenhaussaale ein großer Vor tragsabend, vom katholischenFrauenbvndDres- den veranstaltet, statt. Herr Kamillianerpater Brandts aus Wien ist für den Vortrag gewonnen worden. Es er geht die herzliche Einladung an alle katholischen Frauen und Männer, dem Vortrage beizuwohnen, um sich durch den als tüchtigen Redner bekannten Herrn Vortragenden über ein eminent zeitgemäßes Thema unterrichten zu lassen. 8 Chemnitz. (Kath. Geselle nverei n.) Am ver gangenen Dienstag, dem Vorabend des Bußtages, hatte der katholische Gesellenverein zum Besten des Gesellcnhausbau- fonds einen Theaterabend veranstaltet. Uni ihr Wohlwollen deni Vereine zu bezeigen und den guten Zweck zu unter stützen, war eine recht große Zahl unserer Gemeindemitglie der der Einladung gefolgt, so daß — wider Erwarten — der geräumige Saal der Thalia fast ganz besetzt war. Zur Aufführung gelangte „Die Else vom Erlenhos" von S. B. Staack. Die Erschienenen werden wohl auf ihre Kosten ge kommen sein; denn die Spieler und Spielerinnen haben ihre Schuldigkeit in jeder Weise getan und uns durch flottes und sicheres Spiel erfreut. Ihnen und allen, die sich sonst noch um das Gelingen des Abends verdient gemacht haben, sei auch an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt. Hoffentlich fließt dem Baufonds ein großer Ueberschuß zul 8 Lübau. (Kath. Arbeiterverein.) Herr Lehrer Nolle hielt einen Vortrag über den Freiburger Stadtpfarrer und Volksschriftsteller Hansjakob. Als neue» Mitglied wurde Herr Kramer aus Chemnitz begrüßt. Von der Zittauer Katholikenversammlung wurde Kenntnis ge nommen und die Monatsversammlung auf den ersten Sonn* tag im April verlegt. Sport. sp. Dresden, 19. März. Die Eröffnung der Dresdner Rennsaison vollzog sich heute unter starker Teilnahme des sportliebenden Publikums. Trotz der empfindlichen Märzkühle waren die Logen und Tribünen vollbesetzt und auch die Damenwelt war stark vertreten, galt eS doch die ersten Frühjahrstoiletten und Hüte inS Treffen zu führen. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte man auch Gelegenheit, das neueste Kleidungsstück, den Hosenrock in schickester Form zu sehen. Eine junge zierliche Dame hatte da» Wagnis unternommen und. man muß sagen, mit vielem Glück. Sie trug ein glattes rehbraunes FrühjahrSkostüm mit unten geteiltem Rock, aus dem zwei niedliche in Lackhalbschuhen steckende Füßchen hervorsahen. Der Tag war sportlich sehr interessant. Die Felder waren gut besetzt und die einzelnen Rennen boten mancherlei Ueber- raschungen. Die Folge davon waren reiche Totalisator quoten und auf der anderen Seite naturgemäß viele Enttäuschungen. Die einzelnen Rennen Verliesen glatt und ohne jeden Unfall wie folgt: I. Eröffnungs-Rennen. Preise 2501 Mark. Distanz 1200 Meter. 1. Graf Cl. Westphalens »Jeune Femme' (Iangl>, 2. MrS. Jones .Rote Erde' (Hughes), 3. Herrn H. SchefferS »LandeSvater' (Brederccke). Totalisator: Sieg 176 :lo. Platz LS, 31, 56:10 II. FrühjahrS-Rennen. Ehrenpreis und Union-Klub- PreiS icoo Mark. Herren-Reiten. Distanz 16vS Meter. I. Prinz A. Taxis' .Elise' (Lt Stresemann), 2. Rittmeister v. KayserS (12. Hus.) .Apatin' (Bes.), 3. Herrn L. Molchs .»raphtl' (Lt. v. Mahner). Totalisator: Sieg 23:10. Platz 14, 86, 22:10. III. Damenpreis.Jagdrennen. Ehrenpreise und 18K> Mark. Offiziers-Reiten. Distanz SSt» Meter. 1. Major v. Wuthenaus (Korab.i .Hyncopate" jRitlmeister Fürst Wrede). 2. Desselben Besitzers »Micke' (Rittmeister Kaiser II.), 3. Leut». Mieze« (21. Ul.) .Beautiful' (Bes.). Totalisator: Sieg 17:1V, Platz 15. 27:10. IV. Räcknitzer Handikap (1100. Rennen). Union- Klub. Preis 2000 Mark und Ehrenpreis. Distanz 1400 Meter. 1. Herrn VogdtS »Monsalvat' (Rastenbergei), 2. Prinz A. Taxi»' — .36 — jale niit dem gelassenen Mute eines herzhaften Mannes entgegensehend. Von den Malaien verlangten die einen seinen Tod und erinnerten an den Anteil, den er an der Verteidigung des „Friesländer" genommen hatte, andere waren für ein Lösegeld. Die ersteren würden ohne Zweifel den Ausschlag gegeben haben, wenn nicht Raodji dazwischen gekommen wäre. Er machte Argumente geltend, deren Wirksamkeit er vorhergesehen hatte: er sprach von entsetz licher Wiedervergeltung, malte die Aussicht auf ein hohes Lösegeld in glänzen den Farben aus und trug schließlich die Palme davon. Es wurde beschlossen, Gaston an eine einsame Küste von Java zu verbringen und ihn gegen die versprochene Summe freizugeben." „Und wer wird diese Summe bezahlen?" „Ich habe sie gestern abgesandt, die Piraten werden sie heute morgen erhalten haben." „Gott sei Dank und du seist gesegnet!" Souradjah verließ das junge Mädchen, aber während er sich entfernte, blickte er noch einmal zu ihr zurück. Er sah sie noch an demselben Platze sitzen versunken in ihre Gedanken. Nach einiger Zeit erhob fick, Edith und ging aufs Geratewohl auf den schattigen Pfaden dahin, über denen die blumigen Gewinde der Schlingpflan zen zum Dome sich wölbten. Ter Zufall des Weges führte sie zu einem kleinen chinesischen Pavillon, von wo aus man Reisfelder, Kaffee-, Gewürznelken- und Paumwollpflan- zungen überblicken konnte Die ganze Ueppigkeit der javanesischen Pflanzun gen entfaltete sich vo rihr, aber sie war gleichgültig gegen die Pracht der Na tur. Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit durch zwei Reiter gefesselt, die mit ihren auf der Insel so häufigen Zwergpferdchen die staubige Landstraße her- nnkamen. Ihr Herz zitterte, denn sic erkannte Gaston in Begleitung Raodjis. Auch er erkannte sie, und dem Indier die Zügel seines Reittieres überlassend, stieg er die Jaspisstufen hinauf, die zum Pavillon führten. „Es ist ein glückverkündender Stern, der mich führt," sagte er, „weil Ihr Antlitz das erste ist, dem ich bei meiner Ankunft begegne." Freundlich reichte sie ihm die Hand, plötzlich aber stieß sie einen Schreckensschrei aus. „Was haben Sie denn?" fragte er. „Dort, dort, sehen Sie!" Sie deutete auf ein Gebüsch, aus dem zwei glühende Augen geblitzt hatten. Die beiden begannen noch dem Spion zu forschen, aber sie konnten nichts mehr entdecken. Beklommenen Herzen schritten sie der Wohnung zu. Sie trafen den holländischen Nabob in einem großen Gemache, wo Sir William auf einer Matte liegend rauchte: er war noch ein wenig bleich, aber seine Genesung war fast beendigt: Souradjah prüfte die Batterie eines vervollkommneten Ge wehrs. Herr Van der Bosch bereitete Gaston eine freundliche Aufnahme, die kejlne feindselige Gesinnung verriet. Der Engländer war höflich und Sourad jah gab sich den Anschein, als ob er die Gegenwart seines Freundes nicht be merkte. aber er benützte die erste Gelegenheit, ihm ins Ohr zu sagen: „Traue nicht dem Schein, der Tod schwebt über dir; sei vorsichtig, verstelle dich nur und gehorche nur." — 33 — Edith lieh von ihrer Kabine aus dem Toben des Kampfes ein ängstliches Ohr; sie konnte sich ihrer Unruhe nicht erwehren und ging jeden Augenblick nach der Treppe, um sich zu erkundigen. Nicht um sich selbst war sie besorgt, sondern um den jungen Mann, den ihre Mutter ihrer Zuneigung empfohlen hatte und den sie als die verkörperte Rechtlichkeit und Ehre betrachtete. Sie hatte sich auf die Kniee geworfen und sandte ein inbrünstiges Gebet zu Gott, mit Mühe unterdrückte sie das Klopfen ihres Herzens, als sich Schritte hinter ihr vernehmen ließen; es war ein Verwundeter, den man hinunterschaffte. Sie hatte noch nicht Zeit gefunden, sich umzuwenden, als jemand sagte: „Man sollte sie zuvor unterrichten, uni sie auf das traurige Ereignis vorzubereiten." Nur ein Name tauchte in ihrem Geiste auf, der des wackeren jungen Mannes, der mit so viel Sorglosigkeit dem Tode trotzte. „Graf Avremont — sie haben ihn getötet!" Beim zitternden Scheine einer Lampe sah sie, wie er, unterstützt von einem anderen Passagier, den von einem Schüsse getroffenen Sir William trug. Der Strahl der Freude, der die Stirne des jungen Mädchens verklärt hatte, verschwand sogleich wieder, denn sie sah, wie der junge Franzose sich entfernte, um wieder am Kampfe teilzunehmen. Am Himmel hatten sich die Wolken verzogen, die ihn eine Weile zuvor verdunkelt hatten und wohl noch nie hatte eine klarere Nacht dem Schauplatz eines Blutbades als Rahmen gedient; in ruhiger Majestät goß der Mond sein Silberlicht über die Fluten aus, die Sterne funkelten am azurblauen Himmelsgewölbe, die Brise trug die wohlriechenden Düfte der nahen Insel herbei. Tie Gesichtszllge der wutentbrannten Kämpfenden, die blutgierigen Augen und die schaumbedeckten Lippen bildeten einen schroffen Gegensatz zu der Ungeübtheit der Natur. Schweigsam suchte man einander den Tod zu geben und da es an Pulver gebrach, kämpfte man mit den Gewehrkolben und Säbeln. Gaston, sich aufrichtend mit seiner ganzen Gestalt, verteidigte den Zutritt zum Schiffe und so oft sein Karabiner nieöersank, hörte man den Fall eines Körpers in das Wasser. Souradjah war nicht mehr erkennbar. In mitten der Indier, die er durch sein Beispiel anfeuerte, schlug er unablässig wacker drein, ohne jedoch Gaston aus dem Gesichte zu verlieren, über den er mit Sorgsamkeit wachte. Penmark stand ihnen in nichts nach, er schien sogar mit einer Art Lustbarkeit zu kämpfen. Man hatte viele Malaien getötet, aber mit jener Todesverachtung, die den Orientalen eigen ist, erneuerten sie sich unaufhörlich und sie hätten gewiß den Sieg davongetragen, wenn man nicht ein Segel am Horizont signalisiert haben würde; es war eine englische Kor vette, die, vom Winde begünstigt, mit aller Schnelligkeit ankam. Angesichts der Hilfe, die ihnen ihre Beute zu entreißen drohte, ver doppelten die Malaien ihre Anstrengungen, aber die Verteidiger des Schiffe» gewannen neue Zuversicht und schlugen jeden Angriff zurück; der Kampf be hauptete sich nur mehr auf dem Vorderteil des Schiffes, wo einige von den Piraten gegen Gaston und Penmark mit der hartnäckigsten Erbitterung kämpften. Edith, durch die über ihr herrschende Stille ermutigt, wagte sich die ganze Treppe hinauf. Kaum war sie dort angekommen, so stieß sie einen markerschütternden Schrei aus. Sie sah Gasten eben sein Gewehr gegen seine beiden Gegner ^Um die Krone des Großmoguls»