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Nr E5V 18. Iahrg. Sonnabend, den 22 März <inp. d- GesrhAsiSstcNe »uv Lr rV«?K»ct^. Dr?8d-n-4l. j,-. Golde-»stur st -- Fe^iprvryer 213-44» PosZcheckkottlo Leipzig Nr. 2 " 7 -8r,uS«pr«tS, I Ol«o„ad» » IN» Mufti BeUuae vterlelMrltch ' 8.N» >k. In Dresden und ganz Deutlch- in,.' »ei HnuS Mit» ^ in Oesterreich « ,«» X. An» .an« u » ricftährlich it.kd« In Dr.sden >n>d .janz Deulichland frei Hau« » , In Seit, rrei» KG«» X. /«ei-«lummer Ni z. u>in-e VolkSjeUunu «richetnl an allen ü uineniagen nachufttragS. 0 —^ ««zeigen i i Airnahm« von Gr schüsi«a»ze!geu j). j von FumMenanziigen vis t 1 Uhr vo .n k Preis für die PcM-Epaltzeile !rk ! i-fta x meteii G« g. ganill nn-rinzeiae». ^ Für undeutlich geschlichene. soi.n, hn , Hern- z wrechcr anfgegebcne SInzeigcn I Beranlwormchleit fllr die Richligte: i nicht Nberi.hme». Sprechstunde der RedMin II—l» Mr vorm > - - ^ . Einzige kachMche Tageszeum»« w W»ME Nrgm Sm Aentrumspt.««,. Lusgabe ^ Mit illustrierte» N«t«»uaLtu»gsdeUage mW reug Wocheubetiag^ K«Er,ÄMiM WrsgadE V. «ui mit der WsHeubeUagr Lakminken, pucter >üe Ivg„tz.b.gz. s küe LftSnIIsonxiien, rar iiaulpfiegg pA-fUmsns 86ilVi/Ä^!036 0 K 3 c- s n - ^kü3 jZ l Bon der boischewtstischen Front Von einem Sonderberichterstatter des „Petit Journal", der unter dein Namen Mareel Nay schreibt, wird dein Pa riser Blatt aus Warschau ein Bericht gesandt, der manches Neue über die Art der bolschewistischen Propaganda ent hält. Zwischen Lenin, dem Opportunisten, und Trotzki, dem Vorkämpfer des Bis-ans - Ende - Gehens, hat sich die Meinungsdifferenz in letzter Zeit stark vertieft. Lenin scheint die Oberhand gewonnen zu haben, er hat ganz auf Las Prinzip seiner auswärtigen Politik Verzicht geleistet. Er hofft nicht mehr darauf, in den Weststaatrn die kommu- nistische Revolution organisieren zu können. Seine ganze Propaganda geht nunmehr darauf hinaus, eine bewaffnete Intervention der Verbündeten in Rußland zu verhüten. Lenin ist der Ansicht, daß, wenn das besiegte Deutschland dem Bolschewismus widersteht, die siegreichen Nationen noch weiter entfernt sind, die Schönheiten des Leninismus zu begreifen. Das will nun nicht besagen, daß er das Propaganda-Bureau für England, Frankreich und Italien schließen will: Dieses Bureau, das unter Leitung eines jüdischen Studenten Krubitsch steht und monatlich über drei Millionen Rubel verfügt, soll seine Anstrengungen ver doppeln, aber in einer neuen Richtung. Die Agenten, die nach der Schweiz und Frankreich entsandt werden, haben die Aufgabe, die Nichteinmischung des Verbandes in den Ar- beiterkreisen zu propagieren. Die Agenten von Krubitsch sind nicht Teroristen, sondern Pazifisten; sie predigen die Rechte des Menschen und der Völker, die Wohltaten eines kräftigen Völkerbundes, in den Rußland eintreten würde, wenn nian es ruhig leben lassen würde. Rechte Hand von Krubitsch ist ein gewisser Grünbauin, Chef der Unterabteilung des Spionagenbureaus. Diese Ehef der Unterabteilung der Spionagebureaus. Diese stehen in direkter Verbindung mit dem Exekutivbureau in Stockholm, das bisher Radek und seiner Sekretärin unter- stand. In Bauernkreisen und im niederen Volk gilt Lenin als derjenige, der den Zaren mit eigener Hand getötet hat und die Zarin geheiratet. Lenin gilt schon als neuer Zar, dessen Bild in Len Bauernhäusern hängt. Inzwischen beschleunigt sich der innere Zusammenbruch immer mehr. Infolge der Nationalisierung ist der Handel und die Industrie ruiniert. Die Sowjets sind unfähig, die Ernährung der Städte und des Landes durchzuführen. In Petersburg sind kommunistische Restaurants entstanden, in denen jedermann für 3,50 Rubel eine ganz ungenügende Ernährung erhält. In Petersburg ist Simovieff der eigentliche Leiter der Schreckensherrschaft: er ist dabei von zwei Frauen, der Sta- nova und Jakowalenwa unterstützt; die Stanovna präsidiert dem Kriminalgericht, das aus gänzlich ungebildeten, des Lesens und Schreibens unkundigen sogen. Richtern zu- sammengesetzt ist. Eine Zeitlang wurden die Verurteilten neben ihren frisch aufgeschaufclten Gräbern mit Musik hin gerichtet. Nach der „Nationaltidende" vom 25. Februar verfügen die Bolschewiki bei ihrem Angriff gegen die Ostseeprovinzen im Abschnitt Navwa—Pskow—Volmar über ein Heer von 100000 Mann. Das ganze Bolschewikiheer soll aus 750 00» Mann bestehen, von denen aber nur 250 000 Mann geübte Truppen sind. Gänzlich zerrüttet ist das russische Verkehrswesen. Ter Lokomötivpark ist infolge des hohen Prozentsatzes nicht be- triebsfähiger Lokomotiven von Jahr zu Jahr gesunken, so daß man einen Zusammenbruch schon für den nächsten April voraussieht. Im Nordbezirk (Nikolai, Nordwest, Nord, Rybinsk—Moskauneb, Murmaneisenbahn und andere), be trug die Zahl der Lokomotiven September 1013 nur 2313, davon 43 Prozent nicht betriebsfähig. Di« Leistuckgsfäbig- keit -der fünf größten Lokomotivfabriken. die jährlich etwa 350 beträgt, ist auf 120 zurückgegangen. Ebenso traurig ist der Zustand des Waggonsparks, da auch die Zahl der repa- raturbedürftigen Waggons ständig wächst. Die Leistungs fähigkeit der Reparaturwerkstätten hat stark nachgelassen und beträgt nur noch 30—60 Prozent der früheren Leistungsfähigkeit. Infolgedessen hat sich der Bolicbewiki- kommissar für das Verkehrswesen der obersten Sowjet leitung äußerst Pessimistisch ausgespro'chen und erklärt, daß das Verkehrswesen in den nächsten paar Monaten gänz'ich gelähmt sein wird. Die Weltgefahr des Bolschewismus beginnen nunmehr auch die englischen Blätter einzusehen. Die .Times" zwar tzosst, daß man den Bolschewismus beschwören kann, wenn man einen kräftigen Pufferstaat zwischen Deutschland und Frankreich errichtet. Die Pariser Konferenz müsse in Ost- Polen eine Linie angeben, deren Ueberschreitnng von seiten d- r Bolschewisten als Kriegserklärung angesehen werden müsse. Von der „Times" kann man nicht die Einsicht er warten, daß eine neutrale Zone kein Hilfsmittel zur Ab wendung der Bolschewistengefahr ist. Wenn der einzige, bere-btiote. verständliche und notwendige Kriei der Bürger krieg ist, wie ein bolschewistischer Redner geäußert hat, dann wird auch eine solche Politik des Sichgehenmisens nichts Helsen. Mit dem Bolschewismuus paktiert man nicht, son dern man schneidet das Geschwür mit Feuer und Schwert aus. Einen anderen Standpunkt nimmt der /Daily Tele- gravh" ein, der von den Verbündeten verlangt, du; sie Deutschland jede nur mögliche Hilfe leisten, um die Be wegung zu meistern. Dazu gehört ferner ein mit alle-mröß- ler Beschleunigung abgeschlossener Friede d^r Gerechtigkeit. Aucki „Daily News" erhebt anläßlich der neuesten Ereig nisse in Deutschland ihre warnende Stimme (Nummer vom 24. Februuar). Ohne Untersküützung des neuen demokra tischen Deutschlands ist es zwecklos, den deutschen Militaris mus zu vernichten. Der Verband hat somit die Wahl zwischen einem ge rechten Frieden und der Züchtung des Weltklassenkampfes. Entwl der wird Deutschland behandelt, wie es nach Annahme der 14 Punkte Wilsons dazu ein Recht hat oder es wird zum Bolschewismus getrieben und damit sinkt ganz Europa in Trümmer. Der Klassenkampf wird universell. 7>er Kreislauf. Lenin, der Kapitalist. Von Dr. Klein- Berlin. ' In den Berichten aus dem bolschewistischen Rußland fällt die Wandlung immer mehr und nrehr aus, die seit längerer Zeit, seit dem Beginn der bolschewistischen Offen- sive gegen das westliche Europa, die russisch Armee durch- gemacht hat. Das sind keine zusammengewürfelten Hansen mehr ohne Ordnung und Zucht, sondern ein straff geglie dertes Heer von vorzüglicher Ausrüstung, in dem die Offi ziere, zumeist aus der alten zaristischen Armee, eine strenge Disziplin und eine unmnschränkte Befehlsgewalt hand haben, mit stärkeren Garantien dieser Gewalt, als selbst das alte Heer sie kannte, mit einer geradezu eisernen und. wenn es nottut, terroristischen Zucht. Ter bolschewistische Staat scheint alle produktiven Fähigkeiten, die er noch aus dem Zusammenbruch gerettet hat, auf die Ausstattung, alle Autorität, die er für sich noch geltend machen konnte, ans die Disziplin dieses Heeres verwendet und so eine Wehr- Hastigkeit nach innen und nach außen zustande gebracht zu haben, deren inan ihn nicht für fähig gehalten hatte. Der russischen Wirtschaft scheint neuerdings eine ähn liche Wandlung bevorzustehcn. Man weiß, wie der bolsche wistische Terror sie vollständig zerschlagen und zugrunde gerichtet hat, wie der Arbeitgeber, der „Burschni" — und jeder geistige Arbeiter gilt als solcher — vogelsrei geworden war, wie die Leistungen der Industrie auf einen kleinen Bruchteil der früheren hcrabgegangen waren und der ganze wirtschaftliche Prozeß tödlicher Lähmung und Erstarrung verfallen schien. Neuerdings scheint hier ebenfalls eine Aenderung Platz zu greifen, mindestens in die Wege geleitet zu werden. Man entnimmt das aus einer Schrift von Lenin über „Die nächsten Ausgaben der Sowjetmacht" und einer ihr angeschlossenen Resolution des HauptvollzngSaus. schusses der Arbeiter-. Soldaten-, Bauern- u»nd Kosakcn- Depntierten. Es stand mit der Arbeit ebenso wie mit dem Heere: Leitung und Disziplin hatten versagt, die Leistun gen waren minimale geworden, so daß die Wirtschaft überall stockte. Das hat für Lenin, der offenbar doch nicht bloß der unverbesserliche Theoretiker ist, für den man ihn hielt, ge nügt, »m es auch hier mit einer durchgreifenden Wandlun; zu versuchen. Er spricht in jener Schrift von der Ne^ Wendigkeit einer längeren Ncbergangszeit. die dazu dien i müsse, mit der Steigerung der Arbeisleistung in den V - trieben die Wirtschaft neu zu beleben. Er fordert streu- e Disziplin in Len Betrieben, ganz im Gegensatz zu der bis herigen Rätcwillkür, und hohe Gehälter für die Betriebs leiter. während bisher jeder Burschni mi! dir K, . - riugsten Entlohnung abgespeist wurde. Während bisyc» die Arbeiter die unumschränkten Herren k"r BB-H w . », fordert, so sagt Lenin wörtlich, „heute dieselbe R - n. und zwar im Interesse des Sozialismus, die wid rs-, ' loie Unterordnung der Massen unter den einheitlichen Willen der Leiter des Arbeitsprozesses". Lenin geht aber noch weiter. Er verlangt, daß man in Rußland die An- lernung und den Unterricht des Taylorsystems, seim syste matische Prüfung und Anwendung ansnuben müsst, also zu der denkbar äußersten Ausnutzung der Arbeitskraft des Arbeiters übergehe, wie es bisher nur bei ns die Spitze getriebenen kapitalistischen System denkbar lvar. und er fordert die Wiedereinführung des Akkordlohnes, g-gen den sich bisher der erbittertste Widerstand der gesamten so zialistischen Arbeiterschaft in der ganzen Welt gerichtet hat, sowie eine Anpassung der Löhne an die allgemein«.'» Ar beitsergebnisse der Fabrik. Schließlich wird auch ein cngeS Zusammenarbeiten mit den bürgerlichen Genossen>ch-".s!en als wünschenswert bezeichnet und die Zulassung auslän dischen Kapitals in gewissen Grenzen angekündigt. Der Kreislauf ist vollendet*, »nd über Sozialdemokratie und Bolschewismus mündet die russische Wirtschaft in das alte kapitalistische System, und zwar in seiner äußersten und schärfsten Ausprägung, wieder ein. Wir wollen in diesem Augenblick nichts als diese Tat sache feststellcn. Wir wollen keine Schlußfolgerungen auf Deutschland ziehen. Es ist möglich, daß die Sozialisier»»» in Deutschland, wenn sie sich von dem bolschewistischen Terror und seiner blinden Zerstörungswut freihält, nicht denselben Krebsgang zu gehe» braucht und daß gewisse unter ihren Ergebnissen, die iün vermehrtes Mitbestlinmnngsrecht des Arbeiters an seinem Betriebe und der Arbeiterschaft an dem ganzen Wirtschaftsprozeß herbeiführen sollen, fester „verankert." werden können, als sich dies in Rußland als möglich erwiesen hat. Aber das russische Beispiel ist aus alle Fälle eine Mahnung zur Besonnenheit und eine Be kräftigung der alten Wahrheit, di« Kautsky gleich zu Be ginn der Revolution predigte, daß man das Pferd nicht beim Schwänze aiifzänmen soll. Geht es so weiter wie bis her mit der tollen Forderung auf Alleinherrschaft der Ar» beiterräte und mit der schlappen Nachgiebigkeit der Regitz- rung gegen diese Forderung, so würden wir wahrscheinlich die sämtlichen Stadien des russischen Zusammenbruchs diirchznmachen haben. ' Deutsches Reich Neue Pläne. Von unserem Berliner Mitarbeiter. Unsere Leideüszcit ist noch nicht vorbei! Wer LaS wähnen sollte, würde nicht mit der Zähigkeit der spartakisti- schen Putschisten rechnen. Daß diese den Kamps noch lange nicht aufgeben »nd ihre Position als verloren betrachten wollen, haben nur ja bereits gewußt. Es ist aber ein Doku ment der Zeit, daß sie sich ganz ungeniert in voller Oeffent- lichkeit mit ihren neuen Plänen nnd Absichten brüsten. Der Spartakusbund erließ in Berlin nach dem jetzigen vorläufigen Abschluß der Kämpfe ein Flugblatt, in welchem er sagt, daß es leider diesmal nach nicht möglich gewesen wäre, die Politische Macht zu erobern. Nach dem Motto: „Was nicht ist, kann noch werden!" erkliüt der Spartakus bund schlankweg, daß der nächste Putsch ganz anders vor- bereitet werden müsse, als der jetzt niedergeschlagene. Es käme nicht darauf an, daß in Berlin oder in Leipzig oder an anderen deutschen Zentren der Kampf tiopseinveise nach einander aufflackere, das Ziel sei vielmehr, mit einem Schlage in ganz Deutschland znm Angriff zu schreiten. Demgemäß erklärt der Spartakusbund, daß sein nächstes Ziel die P r o k l a m i e r u n g des Generalstreiks über g a n z D e u t s ch l a n d sein werde. Wir sehen also die ungeheure Gefahr, die erneut über unser Volk heraufbeschworcn wird. Man sckiätzc die spar» takistische Ankündigung ja nickst gering. Diese äußerst Rad-i- kalen haben ihre bisherigen Drohungen stets wahr gemacht'. Wenn man auch füglich bezweifeln darf, ob die Gesamte arbeiivrschaft Deutschlands ans die spartakistischen Drei« bereien sich einlüßt, so darf man doch nicht übersehen daß, wie die bisherigen Erfahrungen in den bctrübcndstcn For>« men gezeigt haben, eine kleine rücksichtslos anftretende be»