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Zweites Blatt Sächsische VolkSzeitunst vom 27. April 1911 Nr. 95 Postunkerbeamte und Zer krum. Die Erledigung des diesjährigen Postetats im Reichs- tage hat in den Kreisen der Unterbeamteii Mißstimmungen hervorgernfen. Es zeigt sich dabei, daß die ineisten Unter beamten über den wirklichen Gang der Tinge im Reichstage nicht genügend informiert sind, teils infolge ungenügender Berichterstattung, teils infolge der tendenziösen Agitation der Linksparteien, die alles daransehe», im Interesse einer Wahlmache die Unterbenmten gegen die rechtsstehenden Par teien, speziell das Zentrum, aufzuhetzeu. Es scheint deshalb wohl angebracht, in .Kürze »och einmal auf die Bcsoldnngs- sragen und Wünsche der Unterbeamten einzugehen. Man macht der Zentrumspartei folgende Vorwürfe: 1. Das Zentrum trägt die Schuld an der ungenügenden Erledigung der Besoldungsfragen im Jahre 1909 — ein alter, in keiner Weise begründeter und oft widerlegter Vor wurf (Die Red. der Sozialpol. Korr.). 2. Die Zentrumspartei ist schuld, das; bei der diesjähri gen Erledigung des Postetats die Bejoldungsordnung die erst zwei Jahre in Kraft ist — nicht einer Reform unter zogen wird. 3. Tie Zentrumspartei hat zwar zu dem diesjährigen Postetat zugunsten der Oberpostassistenten gestimmt, aber gegen die Interessen der Unterbeamten. I. Was den ersten Vorwurf anbelangt, so sei folgendes lestgestellt: Nachdem der ehemalige Kanzler Fürst Bülow durch die Neichstagsnuflösung einen Vlockreichstag erhalten hatte, war es seine Absicht, diesem Reichstage eine Finanzreform und Besoldungsordnung vorzulegen. Die Parole der Ne gierung lautete von Anfang an: Ohne Finnnzreform keine Vesoldungsreform. Diese Verquickung der Finanzreform mit der Vesoldungsreform ist nicht Schuld der Zentrums Partei, sondern von ihren Rednern des öfteren kritisiert worden. Noch bei der diesjährigen zweiten Lesung des Postetats hat der Abgeordnete Giesberts diese Verkuppe lung als ungerecht und unberechtigt bezeichnet. Auf Wunsch der liberalen Parteien, die sich heute in Postbeamtenfreund- lichkeit fast überschlagen — mußte Fürst Bülow die Finanz- reform um ein Jahr vertagen, weil der Block sich nicht stark genug fühlte, diese Belastungsprobe zu ertragen. Dann kam im folgenden Jahre die Vorlage der Negierung. Es ist bekannt, aus welchen Gründen der Block die Fi nnnzreform und die BesoldnngSreform nicht zur Erledigung brachte. Der Kernpunkt war der, daß die liberalen Par teien unter Schonung des mobilen Kapitales eine schärfere Besteuerung des Grundbesitzes durch eine Witwen- und Wai- jensteuer, genannt Erbanfallsteuer, zur Voraussetzung für ihre Mitwirkung an einer Finanzreform machten, trotzdem sich Ersatzsteucrn für die umstrittene Erbanfallsteuer finden ließen. Wenn demnach die liberalen Parteien heute den Postunterbeamten vormachen, sie würden die vollen Gehalt- sätze, die der Reichstag wiederholt verlangt hat, bei der Re gierung durchgesetzt haben, falls die Finnnzreform in ihrem Sinne erledigt worden wäre, so liefern sie damit selbst den Beweis, daß sie die Interessen der Beamtenschaft hinter ihre egoistischen Parteiinteressen zurückgestellt haben. Tie Zentrumspartei hat sich damals in der Kommission und in der ersten Lesung ausgesprochen für die Bemessung der Gehälter der 'Unterbeamten von 1200 auf 1300 Mark und der mittlere» Postbeamten von 1800 auf 3000 Mark. Ties würde ein Gesamterfordernis an Mitteln für die Be- soldungsreform von 133 Millionen Mark notwendig gemacht haben, während die Negierung von vornherein diese Summe ans 100 Millionen bemessen hatte. Mit Hilfe der Zen- trumspnrtei ist diese letztere Summe schließlich aus 117 Mil lionen Mark erhöht worden. Es ist und bleibt daher eine Agitationslüge, wenn behauptet wird, die Zentrumspartei trage die Schuld, daß die Gehälter der Unterbenmten und mittleren Beamten nicht in der gewünschten Höhe bewilligt wnrden. Es sei an die bekannten Vorgänge bei der zweiten Lesung der Besoldungsreform erinnert. Die Natiouallibe- ralen brachten den Antrag ein, die höheren Gehaltssätze für die Unterbeamten von 1200 auf 1800 Mark, der mittleren Beamten von 1800 auf 3000 wieder einzusetzen, obwohl die Negierung dreimal in der Kommission und bei der zweiten Lesung erklärt hatte, sie werde an diesem Beschlüsse die Be soldungsreform scheitern lassen. Der liberale Antrag hatte allein agitatorische Bedeutung und den Zweck, die Postbe amten gegen die verhaßten rechtsstehenden Parteien einzu nehmen. Um dies ein für allemal festzustellen, stimmte ein Teil der Zentrumspartei für den liberalen Antrag, der da durch zur Annahme gelangte. Die Liberalen waren darüber sehr enttäuscht und sahen sich nun in die Zwangslage ver- setzt, nachdem die Regierung ihr Unannehmbar kategorisch wiederholt hatte, bei der dritte» Lesung gegen ihren eigene» Antrag zu stimmen. Auch die Verantwortlichen Leiter der Beamtenverbäiide haben in der kritischen Situation den Parteien den Rat gegeben, die Vesoldungsordnung nicht scheitern zu lassen an den nichterfüllten Wünschen der mitt leren und unteren Postbeamten. Diese Sachlage ist so klar, daß sie nachgerade von keinem Postbeamten mehr angezwei- selt werden sollte. Es sollte auch den Beamte» nicht unbe kannt sein, daß der Widerstand gegen die höhere Gehaltsbe- messnng nicht einmal vorwiegend bei der Reichsregierung lag, sondern im VundeSrate und bei den einzelnen Staaten, deren Ressortminister mit aller Schärfe und Rücksichtslosig keit die höhere Gehaltsbemessung bekämpften. Mrche und Unterricht. Protestantische Aiiti-Mvdcrilistciicide gibt es in ver schiedenen evangelisch-lutherischen Landeskirchen Deutsch lands. Der oldenburgische Ordinationseid z. B. lautet: „Ich, N. N., ernannter Pfarrer (Hilfsprediger oder Assistenzprediger) zu N., schwöre zu Gott einen körperlichen Eid, daß ich dem mir jetzt anvertrauten, sowie jedem anderen geistlichen Amte, welches mir künftig anvertrant werden wird, treulich Vorstehen, das Wort Gottes nach dem In halt der Heiligen Schrift und nach An leitung der A u g s b u r g i s ch e n Konfession lauter und rein predigen, die Sakramente nach göttlicher Ordnung, der Heiligen Schrift und jener Konfession gemäß verwalten, dem Verfassungsgesetze der evangelisch lutherischen Kirche des Herzogtums in allem nachleben, in sonderheit auch dahin, daß den kirchenregimentlichen Be fugnissen Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs, sowie der auf der Verfassung und den Gesetzen des Staates beruhenden öffentlichen Ordnung nirgends Eintrag geschehe und in Lehre, Leben und Wandel mich so betragen will, wie es einem christlichen, gottesfnrchtigen, ehrliebende» Pfarrer lind Seelsorger Wohl anstehet, eignet und gebühret. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort." Ic Tic Tivzksaiimissionnrc und die Rrgirrung in Frank reich. In mehreren Diözesen Frankreichs gibt es Diözesan- missionare, die gemeinschaftlich leben und innerhalb ihrer Diözese oder auch außerhalb derselben Volksmissionen ab halte». Tie in der Diözese Nantes etablierten Diözesan- missionare von der Unbefleckten Empfängnis wurden als „Kongregation" betrachtet und mit einem Liquidator be dacht, der ihr HanS und ihr sonstiges Hab und Gut von Staats wegen liquidieren sollte. Das Amtsgericht kassierte jedoch diese Maßregel, und der amtsgerichtliche Beschluß wurde vom Landgericht Rennes und dieser Tage auch vom Kassationsgerichte, als der letzten Instanz, bestätigt. Die Tiözesanmissionare werden also in Frankreich nicht als Kon gregationsmitglieder betrachtet, obschon sie zusammen nach einer Hausregel und unter einem vom Bischof ernannten Oberen leben. Das Kassationsgericht begründete seine Ent scheidung damit daß die Missionen keine Gelübde ablegen, leine besondere Tracht tragen und kein Noviziat haben. Be- kanntlich habe» auch die „Weiße» Väter" noch ihre klöster lichen Niederlassungen ans französischem Boden. Sie sind Weltpriester ohne Gelübde, aber haben Noviziat und Or denskleid und binden sich an ihr Institut durch einen Eid. Auch bliebe» die Trappisten in Frankreich bisher unbe helligt, obschon sie einen alten eigentlichen Orden bilden und in Klöstern ihrem Ordcnsleben nachgehen. lc Holland und der Vatikan. Die seil i.uumchr zwölf Jahre» unterbiocheian Beziehung, u zwischen Holland und dem Vatikan werden nunmchr wenigstens zum Teil wieder ausgenommen werden. Die Nnaziatur im Haag wird aber mit der Nansiatnr in Brüssel unter Leitung des Monsignore T- cc v ncinigt werden. T cci wird der Königin von Hol land in der nächst'» Woche sein Beglaubigungsschreiben überreiche». Ob H> ltai d aber einen Vertreter beim Vatikan ernennt, siebt »och in Frage. Vermischtes. V Eine Pos: lasse beraubt. In der Montagnacht drangen Einbrecher in das Postamt zu Hard (Tirol) ein, schlippteu d'e schwere eiserne Kasse ins Freie, laden sie dann aus einen W'grn und sichre» davon. Nach vicrtel- slündlger Fahrt nahmcn die Einbrecher die Kasse vom Wagen herab und begannen O, ssnimgsvcisuche an ihr vor- zuuehmen. Es gelang ihnen auch, ein Fach zu öffnen und einige hundert Kronen zu erbeute». Plötzlich erschienen Geadarmrn und Grcnzwächter ans der Bildfläche. worauf die Einbrecher flnchteteten. Die Kaffe wurde in das AmtS- lokal ziirnckgebrcicht. Von den Tätern sehlt noch jede Spur. v Die Genernlversainnilung der Brüsse ler Weltausstellung A.-G. bnt die vorläufige Ab schlußbilanz, die einen Verlust von 116 528 Franken auf weist, mit 1781 gegen 3 Stimmen genehmigt. Dabei ist zu Avremont und alle, die dieser letzte» Trennung beiwohnten, bahnten sich, von Naridjah geführt, einen Weg durch die Ruinen der Pagode; bald er- reichtcn sie einen unter Felsen verborgenen Eingang und befanden sich in mitten von dichten und durch Schlingpflanzengewinde miteinander verbunde nen Bäumen. Kaum befanden sie sich in dem Labtzrinth des Waldes, als die Eugläud- der den Tempel überfielen. Nachdem sich ihre Angen an die Dunkelheit ge wöhnt hatten, bemerkten sie Souradjah regungslos wie eine Statue. Sie stießen Frendenrufe aus und nachdem sie die Spuren der Geflohenen bemerkt hatten, meinten sie: „Es sind noch andere Personen dagewesen, wo sind sie?" „Suchet sic." „Daun wirst du für sie büßen." Mit drohender Miene gingen sie auf ihn zu, hielten aber plötzlich inne, als sie unter den Wölbungen Feuerschlaugen hiuschleichcu sahen. Das Lauf feuer erreichte die zu diesem Zwecke aufgehäufte» Fässer, und eine furchtbare Explosion erfolgte; die alten Mauern der Pagode wankten, dann trat ein all gemeiner Einsturz ein, unter dem Souradjah und die Engländer begraben wurden. 38. S a n d r a j s i. Im Nordwesten von Indien erhebt sich der Berg Abou; seine antiken Monumente sind für die Indier der Gegenstand einer religiösen Verehrung. Ein anderer Grund lockte die Engländer dahin. In der Zeit der großen Hitze suchen sie dort eine mäßigere Temperatur, um ihre durch das brennende Klima erschütterte Gesundheit wieder zu kräftige». Wie Simla im Hima- laya, so ist der Berg Abou eine Genesungsstätte, ein Bergniigmigsort, wo die hohe Gesellschaft sich zusanimenzusinden pflegt. Viele Familien hatten sich während des Krieges dorthin geflüchtet, Ladh Hackingham befand sich dort mit ihrer Tochter; nach beendigtem Kampfe traf sie Anstalt, sich zu ihren; Manne zu begeben, der nach dem Tode Sir Williams zum Gouverneur von Gnalior ernannt worden war. Ein zahlreiches Gefolge begleitete sie, sowohl um ihr Ehre zu machen, als auch, um sie zu beschützen gegen schlimme Begegnungen, die beim Ausgange dieses langen Krieges zu befürchten waren. Tic Reise ging ohne Hiirdernis auf der Straße von statten, die die ost- indische Handelsgesellschaft durch Zentralindieu hatte erbauen lassen. Das Gefolge kam in einiger Entfernung von Gnalior an. Ehe nian den letzten Etappcuplatz passierte, beschloß Lady Hackingham, in einer auf einer benach- barten Höhe erbauten Bangalo Halt zu machen. Unglücklicherweise waren dessen Wohngebäude durch Feuer zerstört worden und die entblöß: n Mauern boten de». Reisenden nur ungenügenden Schutz. In geringer Entfernung, nur durch ein Tal getrennt, zeigte sich durch die Bäume eine Behausung, die alle Anzeichen des Wohlstandes und der Mguemlichkeit trug. Lady Hacking ham bekam den Einfall, dort um Gastfreundschaft nachzusuchen: ihre durch die lange Reise entkräftete Tochter war sehr leidend; sie fragte an bei dem Kham- samah, dein dieses Haus gehörte, dessen rotes Ziegeldach zu dem Grün der Bäume grell kontrastierte. — 119 37. Der Tod Souradjahs. Der englische General Sir Hugh Rose hatte kaum bemerkt, daß die Feinde sich wieder gegen Gnalior gewendet hatten, als er ihnen ans der Spur nachsetzte, aber er konnte sie nicht erreiche», ehe die furchtbare Zwiugburg in ihre Hände gefalle» war. Sir Hugh Rose stand den anderen englischen Kapitänen nicht nach. Er lieferte iw (5hai»l»iltc>le eine Reihe von Schlachte», wobei inan ans beiden Seiten eine gleiche Tapferkeit und anch, man »ins; es wohl sagen, eine gleiche Grausamkeit entfaltete. Die Entscheidungsschlacht fand in kleiner Entfernung von Gnalior statt. Während eines inehrstündigen KainpseS »ntcr einer bleiernen Sonne wich kein Mann zurück; der Donner der Kanonen, das Geknatter des Gewehrfeuers erweckte» daS Echo der Berge, inan schlug sich mit blanker Waffe, Mann an Man»; Männer und Pferde fielen, man kämpfte über den Leiche»; die eng lischen Dragoner waren verinengt mit den Reitern des Nana; es war ein Wirbeln, bei dem der Blick kaum die Kämpfenden jeder Partei unterscheiden konnte. Ei» geschickt aiisgesührtcr Angriff des Obersten Maxwell entschied den Sieg- Dieser Offizier hatte ein auf Kamelen reitendes Regiment orga nisiert. Jeder Reiter hatte hinter sich einen Infanteristen. Diese ganz fri schen Truppe», die mitten unter die erschöpften Indier stürzte», machten sie wankend, und brnchten Verwirrung nnler sie, die sich der gnnzen Armee initteilte. Die Nacht breitete sich über das Schlachtfeld ans, und de; Mond be leuchtete eine wilde Szene. So weit das Auge blicken konnte, war der Boden mit Leichen besät. Tie entkräfteten Sieger lagerten »litten unter den Toten. Der Negimentsstab hatte sich ans einen kleinen Hügel niedergelassen, und einiae Fackeln warfen ihren rötlichen Schein ans die vor Müdigkeit bleichen Gesichter. Mitten unter den Offizieren plünderte der General Hackingham, dem Sir Rose nach seiner Verwundung den Oberbefehl übergeben hatte, mit seinem Neffen und seinem Adjutanten, dem Knpitän Fergnsson. Plötzlich schlich sich ein Mann »sie eine Schlange inmitteii der Tölen und Verwundeten dahin und dnnn sich jäh anfrichtend, verwundete er den General und traf seinen Neffen mit einein tödlichen Stiche. Ehe noch die Anwesenden von ihrer Bestürzung sich erholt hatte», war er mit außerordentlicher Behendigkeit davongesprnngen und in dem benach barten Hickicht verschwunden. Dennoch butte inan b'im Scheine der Fackeln Sandrnssi erkannt, dessen Unerschrockenheit und Grausamkeit berühmt war. und ans dessen Kops eine Belohnung ansgesetzt worden war, ohne daß man dieses unerreichharen Feindes habhaft werden konnte. Nach einigen Tagen Ruhe nalnnen die Engländer die Verfolgung der Besieglcn wieder ans. Die Rnnn, die ininitlen ihrer Amazoneneskadron wie eine Löwin gekämpft hatte, zog sich mit der Begum gegen Norde» zurück. Die Zahl ihrer Verteidiger war beträchtlich ziisninincngeschmol;en, mit jedem Schritte ließ sic einige der ihrigen zurück und man konnte ihre Spur nach der Reihe der Leichen verfolgen. Unter ihren Leuten fand sich nicht ein Verwundeter; diejenigen, die ihren Weg nicht fortsetzc» konnte», ließen sich von ihren Kameradin den Gnaden stoß geben, nm nicht lebend in die Hände der Engländer zu falle». Um die Krone des Großmoguls." 38