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Kr. SA 8 21. Jahrg. Fernsprecher: ^ Redaktis» 32723 - Beschäs1«st«lle 32722 -Postscheckkonto: Dresden Nr. 1479? SöcklWe Sonntag, 22. Oktober 1922 Redaktion und Geschäftsstelle; Dresden-2l. 16, Holbelnstrahe 4« volksrmuna Parteifreunde! Die Not der Zeit hat in den letzten Tagen die Mitglieder des NeichSausschusses der Zentrumspartei aus allen Teilen un seres deutschen Vaterlandes m großer Zahl in der Neichshaupt- stadt zusammengeführt. Die Ergebnisse der von vaterländischem Pflichtgefühl und christlichem Geiste getragenen Verhandlungen legen es nahe, ein eindringliches Wort an dre Mitglieder unserer Partei zu richten, das zugleich dazu dienen mag, gewisse Miß verständnisse und Befürchtungen auszuräumen, die in jüngster Zeit hervorgetretcn sind, I. Die politischen Sorgen lasten ungeheuer schwer auf dem deutschen Volke, das durch die brutale Machtpolitik seiner Gegner m Verzweiflung getrieben wird. Unser armes Vater- land hat bis zur Erschöpfung seinen Willen, die ihm aufgezwun- genen Verpflichtungen zu erfüllen, vor aller Welt bewiesen. Kein Volk der Welt hat jcmo'- nach einem verlorenen Kriege das ge- leistet, was Deutschland vier Jahren geleistet hat. Unmög liches bleibt aber trotz aller Gewalt u-n möglich! Wer das deutsche Volk köpf- und herzlos weitertreibt, stürzt nicht bloß unser Vaterland ins Verderben; mit Deutschland fällt Eu- ropa, fällt dis abendländische christliche Kultur. Eines aber ist erreicht: DaS Reich, das Vaterland ist bis zur Stunde in seinem Bestände und seiner Einheit uns erhalten geblieben. Eine vaterländische Tat, die der Zen trum Spartet in erster Linie zu danken ist. Ihre politische Vertretung in den Parlamenten hat noch nie, auch in den schwersten Stunden des Vaterlandes, ihre Schultern der Last der Pfücht und der Verantwortung entzogen. Wir haben bei diesem Dienst am Vaterlande bereitwillig die Hand all denen gereicht, die sich zur Mitarbeit am großen Werke bereit fanden; dagegen lehnten und lehnen wir eine Politik des Radikalismus von links und rechts ab. Wir sehen in ihr die Straße, die schließlich in das Verderben des Bürgerkrieges führen muß. Diesen Weg zu gehen, verbietet uns die Liebe zu Volk und Vaterland, verbietet uns das Gewissen und das christ- liche Sittengesetz. In einer Zeit, in der eS sich um Sein oder Nichtsein des Vaterlandes bandelt, müssen alle Fragen von Nachgeordneter Be deutung zurücktrelen. Das Zentrum hat die Rechte der deutschen Stämme und Länder stets anerkannt und sich für sie eingesetzt. Wir wünschen deshalb die Stunde herbei, die es uns ermöglicht, bestehenden berechtigten Wünschen zur Erfüllung zu verhelfen. Aber vor den föderalistischen Sorgen die Einheit des Reichs! lieber der Staatsform steht die Staatsordnung und der Staat selbst. In den« Zusammenbruche von 1918 ging die alte Staatsform unter. Das Zentrum trägt daran keine Schul d. Diese Tatsache befreit; aber niemand von der Pfiicht, dem Valerlande in seiner Not mit allen Kräften zu dienen, die zerbrochene Staatsordnung wieder herzustellen und dabei die Staatsform anzunchmen, die nach Lage der Dinge allein die Wiedergewinnung der Staatsordnung ermöglichte. Wir 'waren .md sind eine Lirdnungspartei. Dementsprechend stehen wir aut wm Boden der heutigen Verfassung; denn sie ist durch die von ->em einheitlichen Willen des Volkes, dazu berufene Nationalver sammlung gesetzmäßig zustande gekommen. Angesichts der Not des Vaterlandes haben wir zum Sam meln und Sichbersicben aufgerufen. Mer mit «nS ehrlich und in Treue der ZcntrnmSfahne dienen will, der sei uns willkommen! Nach alter geschichtlicher Entwicklung hat sich in der Hauptsache das gläubige katholische Volk um dieses Banner geschart! Nichts ist geschehen, was diese Kreise mit Recht bestimmen könnte, heute von dem Beispiel der Väter abzugehen; im Gegenteil: der Verlust weiter katholischer Gebiete und die dadurch bedingte Schwächung des katholischen Einflusses, die Gefahren der Zeit, die erhöhte Bedenlmng des Parlaments fordern heute mehr als je zuvor: größte Einigkeit und Geschlossenheit. Es ist den katholischen Zentrumswählern in der Vergangen- heit nie schwer gefallen, andersgläubigen Kandidaten zum Siege zu verhelfen, um damit großen kulturellen oder sozialen oder vaterländischen Idealen zu dienen. Ebenso find, seit es em Zen trum gibt, ständig auch Nichtkatholiken unserer Fahne gefolgt. Je schwerer die Zeiten sind und je mehr auf dem Spiele steht, um so bereitwilliger müssen wir Sinn und Verständnis für eine Sammelpolitik aller Gutgesinnten im Dienste der Religion und des Vaterlandes betätigen. Diesem Gedanken kann und soll Raum gegeben werden, ohne daß den traditionellen Aufgaben des Zentrums auf kulturellem Gebiete Eintrag getan wird. Da her sind wir bereit, auch in Zukunft Männer und Frauen nicht katholischen Glaubens, die auf dem Boden des Zentrums programms stehen, bei der Aufstellung der Kandidatenlisten zu berücksichtigen. In diesem Geiste hat auch die Presse der Partei zur Zeit Windthorsts und Kettelers gearbeitet. Diesen bewährten Bahnen soll sie auch in der Gegenwart folgen. Dabei bleibt das Recht unserer Presse, die politischen Dinge pflichtgemäß auch vom kon fessionellen Standpunkte aus zu würdigen, durchaus unberührt, die allgemeine Notlage der Presse last besonders schwer auf der unsertgen. Wir fordern deshalb unsere Parteifreunde in Stadl und Land dringend auf, die Zenlrnmspreffe weiter zu unter, stütze» und dort, wo die Kräfte versagen, für Mittel z» sorgen, damit niemand aus unseren Reihen der geistigen Hungersnot ausgesetzt wird! > N. ' Unser Vaterland wehrt sich nnr letzter Kraft gegen den drohenden Zusammenbruch seiner Wirtschaft. Wenn diese furcht bare Katastrophe, von der die ganze Welt miterfaßt würde, ver hindert werden soll, müssen entscheidende außenpolitische Wand lungen, in erster Linie die Revision des Friedensvertrages, er reicht werden, deren wirksame Förderung nur durch einträchtiges Zusammenwirken aller vaterländisch Gesinnten Herbeigeführt werden kann. Die Zentrumspartei hat sich diesem Gebote der Pflicht gegen Volk und Vaterland niemals verschlossen. Sie stellt sich entschieden hinter die Neichsregierung in ihrem Kampfe gegen die Schu-ldlüge als das Fundament des uns aufgezwungenen Ver trages von Versailles und damit gegen die Urquelle der deutschen Verelendung. Sie unterstützt die Neichsregierung in ihrem Vor gehen gegen die weitere Verschlechterung unserer Währung durch eine gewissenlose Spekulation. Andererseits begrüßt die Zen trumspartei alle Maßnahmen, die geeignet sind, unsere Prm>uk- tion zu steigern und damit die wichtigste Voraussetzung für die Gesundung unserer Wirtschaft zu schaffen. Wir stehen vor einem Winter, der aller Voraussicht nach dem deutschen Volke schwerste Spfer und Entbehrungen aufer- lcgen wird. In voller Erkenntnis der ungeheuren, täglich wach senden Not ruft die ZentrnmSpartei ihre Anhänger auf, sich zu der deutschen Volks- und Noigemcinschaft zu bekennen, die uns allein reiten kann, wenn demnächst die physische und moralische Spannkraft unseres Volkes den schwersten Prüfungen auSgesetzt wird. Wir müssen, wie Professor Mansbach in München so trcsfend sagte, „bei uns selbst den traurigen Erdenrest von Kasten geist »nd Erwerbsneid hinwegschwemmen." Vor allem gilt es, die Ernährung des Volkes im kommen den Winter zu sichern. Mit Nachdruck bejaht die Zentrumspartei das Wort des Reichskanzlers Dr. Wirth: „Erst Brot, dann Re parationen!" Unter weitestgehender Berücksichtigung der Notwen digkeit, das Brot nicht zu sehr zu verteuern, muß der Landwirt- sehaft die Lebens- und Schaffensmöglichkeit erhalten und die Produktionsfreudigkeit durch zweckmäßige Maßnahmen und Un terlassung unnötiger Beschränkungen gesteigert werden. Die Zentrumspartei verlangt nachdrücklichsten Schuh der Verbraucher vor wucherischer Ausbeutung, aber auch die Abwehr ungerechter Belästigungen des ehrlichen Handels und Gewerbes. Die hemmungslose Bindung der Wirtschaft durch Kartelle, Stzn. dikate, Trusts und Preisvereinigungen wird von uns entschieden bekämpft. Nach wie vor bildet die Hebung der DohnnngSnot eine der chwierigsten und dringendsten Ausgaben unsrer Wirtschastz-- und Sozialpolitik. Die Zentrumspartei fordert und unterstützt alle Naßnahmen zur Erhaltung der bestehenden Wohnungen rend zur Förderung des Wohnungsbaues. Alle diese Maßnahmen können nur auf dem Boden »er altbewährten Grundsätze der Zentrums. III. Neben den vaterländischen und wirtschaftlichen Belangen ge bieten die kulturellen Sorgen eine Politik der Sammlung und Verständigung. Im Vordergründe stehen hrer Familie und Schule. Die Zentrumspartei wird sich hier mit aller Entschiedenheit einer Erleichterung der Ehescheidung und der rechtlichen Gleichstellung der unehelichen mit der ehelichen Mutterschaft widersetzen; ebenso lelmen wir jede Abschwachung der gesetzlichen Strafen gegen Sittlichkeitsvergehen ab. Die NeickSverfassung verbrieft zwar den christlichen Gedan. ken von den Rechten und Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern. Allein schon die Artikel über die Schule lassen erken- neu. daß hier Gefahren droben. Wir anerkennen die dem Staate zusteheiidcn Rechte auf die Schule, aber wir lehnen die Schnlallmacht des Staates ab. Seine Rechte finden ihre Grenze am göttlichen Rechte, an den Rechten der Eite-n und an der EwigkeitSbestimmi.-ng der Kinder. Wir müssen deshalb eine simultane StaatS-Zwangsschule grundsätzlich ablehnen, um so mehr, als sie nach der Meinung ihrer Dränger und Trei ber Durchgaugsstadium zur gottlosen Schule sein soll. Wir for dern die Freiheit der Privatschulcn und verlangen für die Be kenntnisschule die volle Gleichberechtigung. Die Zentrumspartei will den Schulfrieden im vollen Ernste und damit, mich freie Hände für die großen Aufgaben des Vater- landcs. Dieser Schrelfriede ist aber nnr möglich ans dem Boden der Gerechtigkeit und Freiheit. Würde diese Gerechtigkeit dem gläubigen Volke im Reichsschulgesetze verweigert, dann müßte der Volksentscheid anacrnsen werden. Einstweilen möchten wir noch hoffen, daß es schon im Gesetze gelingt, den Weg der Gerechtig keit und Freiheit zu finden. Diese Schul- und Erziehungsfragen erscheinen um so wichtiger, als in unseren Tagen mit ihren Niste» der Wiederauf bau am Volke und Vaterland ohne eine Erstarkung der Bürger, tunenden nicht zu erzielen ist. Wer aber diese Probleme der Volkserziehung lösen will, wird auch die aroße Erzieherin, die Kirche, mit ihrer Jahrhunderte alten Erfahri.ng, mit ihren K»l. turschätzen und Erziehungsmitteln zur Mitarbeit hcranziehen müssen. Wir fordern diese Mitarbeit aus grundsätzlichen Er wägungen. Das -friedliche »nd verständnisvolle Zusammen arbeiten von Familie und Gemeinde, Staat und Kirche ist und bleibt unser Ziel, besonders auf dem Gebiete der Bildung und Erziehung. Der Zeitgeist ist diesen Knlinirsragen nicht günstig; er stellt das Materielle in den Vordergrund. Weite Voltsireise sind dieser Versuchung des Zeitgeistes bereits erlegen. Schwere Gefahren drohen hier auch dem christlichen Volke. Darum rufen wir ihm vor allein zu: Zurück zu den Gnindsät'en deS EhristentumS, auf denen sich die Zentrumspolitik von jeher anfgebant bat. In schwerer Stunde rief einst Windthorst seinen Freundest zu: „Nicht verzagen, stets sind die Freunde nab!" In diesen; Gedanken reichen wir all denen, die zu uns gehören wollen, ist Stadt u-nd Land die Rechte mit dem Gelöbnis: Nicht verzagen trotz der Not! Treue der alten Fahne! Stehet zinammen füv Volk und Vaterland! Mit Gott für Wahrheit, A.echt und Freiheit! Berlin, den 16. Hkiober 1922, Der Reichspartelvorstand der Deutschen Zentrumspartei: W. Marx-Berlin, ScnatSprSsident, Vorsitzender. Astov-Beriicrsieß Nr. Brauns-Berlin, v. Breulano-Dcumsiadt. vr. Crcmsr-Dorimund, Frau Dransfeld-Werl, Elfes-Münchm-Gladbach. Vsser-EiiSkirche», Fehrenbach.Frechiire «Iraiv-Woniibitt, Hcrold-Löoeliiikloe. Hofmanu-Lndwigshasen, Freiherr v. Kerckerinök zur Borg-Rinkerode, Klöckner-Löltringhaiisen. Lensing-Toriinund. Fürst Lüwenstein.silcinhcubach. Vr. v. Martin-Kro»bcrg. MSnnlq-Äöln. Frau PHUkpp-Karlkruhe, vr. Porsch-BrcSlau, 0r. Schofer-Freiburg, 0r. Spahn-Lichterfelde. Stegerwald-WilmerSdorf. Ulitzka.Naiibor. Der Reichsausschutz der Deutschen Zentrumspartei: Frau Alken-Frankfurt a. M., Altegoer-Bochum, Andre-Ztuitgart, Barbrock-Miinster. Fräulein Bartsch-Walporzheim, Nr. Bauer-Konstanz, Berker-Rrusberg.Aleglih Bllier.Rccklinahaiiscn Blum. Crefeld. Vott.Haiuburg, Brackel-Neustrelitz, Brand-Mttnster, Frau Brugger-Berlin, 0r. Brüning-WilmerSdorf. Nr. Buhla-Steglih. Burlage-Lcipzig, Busch-Wilmersdors. Frau Büssem-Obeihcmscn, Frau Driefsen-Bocholt, vr. Goldmann-Erfurt, Grotz-Sluttgart, v. Guerard-Coblenz, Häfner-Kicl, vr. Hamacher-Köln, Heil-Franksurt a. M., Frau Hetzberger-Berlin vr Soeber-Köln. vr. HSfle.Lichicrfelde. Jsenrath.Hainm, Kaiser.Wilincrsdorf, Karmann-OSimbriick, vr. Katzenberger-Zehlendorf, Frau Kemmerking-schwerlhe, Nr. Noch-Schöiicberg KrinaS^Niederbicber Krönet Berlin. Lange-B-rlin. Lange-BreSlau. Lange.Hegermann-Bottrop, Nr. Lauscher.Bonn, LequiS-Steglitz. LinskenS-Hamburg. 0r. Lohmiller-Osnabrück, MMer-Marbnrg Frau Neukaus-Lorlnumi». Pitz-Eckendorf, Poppe-Heiligenstadt, Poerschke-LandSberg. Radek-Stralsund, v. Rehbinder-Bcrllu. Nr. Relnke-Vechta. Reuler-Stutlgart, RH-rnlaeuder-Münster, Rhiel-Fulda Nicklarski.Ostcrwitz Sagawe-Schneidemiihl. Sander-Schweun. Fräulein Schmitz.Steglitz. Schönborn-Neulölln. Nr. Tchreiber-Münster, vr. SchrSmbgens-Lcipsig, Schulte-BreSlau. Stefscu-Allensiei,, vr St^nmlev' Bad Ems. Fräulein Stoffels-Neuß, Stübe-Duderstadt, Fräulein Teusch-Köln, Tourneau-Magdcbnrg. Trunk-KarlSruhe. vr. Bockel-Berlin. WatzmannKSln, Fräulein Webcr-V,r'i„ Meber.Eüe, Weihhaupt.Psull-nd-rf, W-ls-Dr-sden. Wittens-Ditter-bach. Nr. Wlrth-Berlin. »r. W-,k-VreSlau. Fräulein Wrouka-Allensicin. Zerbe-Povve. ^ M-b-r.^ie,