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Von Ritterlichkeit und Sitte ist bei ihr nicht die Rede. Uns scheint es fast so, als ob sie in Ermangelung genügen den geistigen Rüstzeuges wenigstens durch „sensationelle", wenn auch unwahre Meldungen ihre Leser schwer zu täuschen versucht. In ihrer Nummer 29 bringt sie eine neue Nach richt über die Teplitzer Affäre von einem „angesehenen und wohlinformierten" Gewährsmanne. Danach sollen eS Katholiken gewesen sein, welche mit den katholischen Schwestern im Bezirkskrankenhause nicht zufrieden gewesen seien. Die Schwestern sollen kein Mittel unversucht ge lassen haben, um Protestanten zum Abschwören ihres Glaubens zu drängen und zu treiben. Daß die Geistlichen und Pflegerinnen zu einem derartigen Betragen die strengste Unterweisung haben, war uns das neueste auf diesem Erbiete der Erfindungen. Hochinteressant wäre uns, zu er- fahren, wie das Leibblatt des Papstes heißt, welches ge schrieben haben soll: „Vom Papste Toleranz zu erwarten, ist Verrücktheit." Das Blatt muff schrecklich dumm sein, als Leiborgan des Papstes diesen selbst zu kompromittieren. Um so ein Märlein zu glauben und seinen Lesern anfzn- tischen, dazu gehört wirklich eine große Naivetät und edle Dreistigkeit. Wir möchten den „wohlinformierten" Ge währsmann auch bitten, uns sowohl betreffs der Unter weisung der Priester zur Toleranz und betreffs des geist lichen Leiborgans näheres mitzuteilen, sowie seine Quellen zu nennen, ans denen er geschöpft, damit wir dieselben auf ihre Richtigkeit hin untersuchen können. Wir denken nicht daran, die Beschuldigungen zu widerlegen, welche die „Westend-Zeitnng" gegen die Schwestern erhoben hat. Denn Blätter, die sich nicht scheuen, wie Buschklepper über arme, wehrlose Frauen herzufallen und, wenn sie dann gestellt werden, wie Straßenjungen auszukneifen, verdienen keine Beachtung, höchstens Verachtung. I'. X. * Wie hiesige Blätter melden, haben sowohl die Deutsche Straßenbahngesellschaft als auch die Dresd ner Straßenbahn sich nunmehr zur Vollziehung der neuen mit der Stadtgemeinde Dresden abzuschließcndcn Konzessionsverträge bereit erklärt, sodaß vorbehältlich der Zustimmung von Nat und Stadtverordneten und der ober- behördlichen Genehmigung in diesem Frühjahr der Ban der neuen Straßenbahnlinien in der Fürsten straße und nach dem Niederwaldplatze, sowie nach den Vorstädten Seidnitz, Zschertnitz und Räcknitz be ginnen kann. Damit wird nicht nur ein langgehegter Wunsch der am 1. Juli 1902 einverleibten Vororte in Er füllung gehen, sondern zugleich eine schnellere und bequemere Verbindung mit dem Seidnitzer Nennplatz geschaffen werden. * In dem Verein für Noksbildnng wird Herr Jens Lützen, Dozent der Humboldt-Akademie in Berlin, am 1. Februar im großen Saale des Trianon einen Licht bildervortrag halten, dessen Thema lautet: „Leben wir am Ende eines geologischen Zeitalters?" Der Vortrag fängt um P/„ Uhr abends an. * Aus selbstmörderischer Absicht zwängte sich Donnerstag nachmittags der in der Nenstädter Gasanstalt schon viele Jahre beschäftigte Arbeiter Langner in den Gasbehälter und ertränkte sich. Der Beweggrund hierfür ist unbekannt. * Die Abteilung I der Deutschen Städte-AnS- stellang wird die Fürsorge der Gemeinden für die Ver- kehrsverhältnisse, für Beleuchtung, Straßenbau und Ent- Wässerung, Brücken und Häfen, einschließlich des gesamten Tiefbau- und VermessnngSwesens, der Straßenbahnen nsw. veranschaulichen. Ihr Gebiet ist also der öffentliche Ver- lehrsranm. In betracht kommt zunächst das, was zu seiner Ausgestaltung zu Straßen und Plätzen und was an Vor- nahmen erforderlich ist, um ihn verkehrsfähig und verkehrs sicher zu machen, sodann die Nutzung des Straßenramnes für Einbanten aller Art. insbesondere für Leitungen und .Kanäle, und endlich seine Inanspruchnahme für Anlagen, die besonderen Bedürfnissen und Annehmlichkeiten dienen. Die Vorführung des Ansznstellenden wird in erster Linie durch bildliche und schriftliche Darstellungen — tunlichst durch Modelle unterstützt — erfolgen. Besondere Ansmerk samteit soll dem derzeit »tüchtigsten städtischen Verkehrs mittel — den Straßenbahnen — zngewendet werden, und zwar nicht mir bezüglich ihrer baulichen Anlage, sondern auch in Bezug ans deren Betriebsweise und der Ausstattung ihres rollenden Materials. Es ist daher beabsichtigt, den Ansstelltmgsplatz zu dem Zwecke mit dem städtischen Straßen neve in Verbindung zu bringen, so daß, wenn nötig oder erwünscht, auch besondere Versuche angestellt werden können. Das reichhaltige Material dieser Abteilung ist in 9 Gruppen übersichtlich geordnet und dürfte in seinen mannigfachen Erscheinungsformen moderner Technik einen besonderen Anziehungspunkt für die Besucher bilden. Leipzig, 8t. Jan. Die Krankenkasse des Kollegiums der katholischen Bürgerschulen, welche durch die testamentarische Zmvendnng von 145,0 Mk. von der verstorbenen Frau A. Lohmann vor 17 Jahren ins Leben gerufen worden ist, hielt am 26. v. M. ihre Generalversammlnng ab. Ans dem durch die Herren Petrich und Caspar erstatteten Jahresbericht ist folgendes zu entnehmen: Die ursprüngliche Zahl von acht Mitgliedern ist mit den» Wachstum des Kollegiums ans 29 gestiegen, ein Beweis dafür, wie sehr man die wohltätige Einrichtung zu schätzen beginnt. Im verflossenen Geschäftsjahre wurde bei 99 Krankentagen die Kasse mit 5,6,40 Mk. in Anspruch genommen, zudem sind noch 88,20 Mk. als außerordentliche Unterstützung bewilligt worden, sodaß bei einer Iahreseinnahme von 686 Mk. und einer Ausgabe von 687 Mk. noch ein Ueberschnß von 219 Mk. verbleibt. Bei einer Wochensteuer von 0.20 Mk. ist das Gesamtvermögen der Kasse im Laufe der Zeit bis zur ansehnlichen Summe von 4065,.herangewachsen, wovon 1204 Mk. dem Sterbefouds augehöreu, 2861 Mk. ans die Krankenkasse entfallen. In den 17 Jahren ihres Bestehens hat die Kasse 1184 Mk. an Krankengeldern und außer ordentlichen Unterstützungen anSgczahlt. -1r.- Gera, 81. Jan. Der Aerztestrcik ist noch immer nicht beendet, da die Bemühungen der Krankenkasse, Streik brecher zu gewinnen, bis jetzt erfolglos gewesen sind. Die Nachricht, daß die drei Aorzte, welche sich nicht standhaft erwiesen haben, von: Vorstände der Kasse für mehrere Jahre angestellt worden seien, ist noch nicht ganz verbürgt, dagegen sind die Kassenmitglieder über das System der ZwangSärzte sehr erbittert. Zittau, 29. Jan. Am 28. Januar veranstaltete der hiesige Lehrergesangverein ein Konzert als Ehrenabend für Herrn Hofrat Professor Edmund Kretschmer in Dresden. Es gelangten nur Kompositionen dieses Meisters zur Auf führung. Das Konzert wurde eröffnet durch das Vorspiel zur Oper „Die Folknnger", welches, wie auch der später folgende „Eriksgang und Krönnngsmarsch" aus derselben Oper, durch die hiesige Regimentskapelle eine vortreffliche Wiedergabe fand. Der Lehrergesangverein brachte zunächst drei Münnerchöre (.lomi, ckulem memoria, die Lotosblume und Maiennacht), sowie ein Soloqnartett (Tansendschön) mit der ihm eigenen, auch bei seinen früheren Konzerten ge rühmten Abrundung und farbenreichen Tongebung zu Gehör. Die hiesige Solistin, Fräulein Ludwig, erfreute die Zuhörer durch zwei Lieder („Frühlingslied" und „Diebstahl"), die sie mit edlem Ton und innigem Ansdruck zum Vortrag brachte. Mit schöner klangvoller Stimme und tiefer Empfindung sang Herr Konzertsänger Mann ans Dresden das „Gebet des Magnus" und den „Hymnus der Bannerweihe" ans der Oper „Die Folknnger". Den Glanzpunkt des Abends aber bildete die herrliche Dichtung „Sieg im Gesang", welche, voll dramatischen Lebens, an Chor, Solostimmen und Orchester »licht geringe Anforderungen stellt. Alles wnrde unter der sicheren Leitung des Vereinödirigenten, Herrn Musikdirektor Kantor Stöbe, gut dnrchgeführt. Die Soli wurden von den oben ge nannten Solisten, sowie von den Bürgerschnllehrern Herren Lehns und Pastian gesungen. So ist das Bestreben des Lehrergesangvereins, dem berühmten Sohne der Lansitz, Herrn Hofrat Kretschmer, in seinem heimatlichen Gane eine Ehrung durch Anfführnng seiner Werke zu bereiten, von gutem Erfolge gekrönt worden. Leider konnte der greise Tondichter infolge eines Unwohlseins nicht, wie er beab sichtigt hatte, nach Zittau kommen, um dem Konzerte bei- znwohnen. Gerichtssaal. II. Schwurgericht. Am Sonnabend und Montag hatte sich das Dresdner Schwnrgericht mit der gegen den Gemeindevorstand und ehemaligen Mühlenbesitzer Adolf Otto aus Gröba wegen Verbrechens im Amte erhobenen Anklage zu beschäftigen. Derselbe ist beschuldigt, in den Jahren 1897 bis 1899 als Gemeindestenereinnehmer Ge meindesteuern in der Höhe von 8680 Mark 67 Pfennigen rechtswidrig sich zngeeignet und somit unterschlagen und die betreffenden Register unrichtig geführt zu haben. Zn dieser Verhandlung sind 28 Zeugen geladen. Dieselbe ist bei Redaktionsschlnß noch nicht beendet. Volksverein für das kath. Deutschland. 8 Seitcndorf. Die hiesigen Vertrauensmänner des Volksvereins werden Donnerstag, den 5,. Februar, für abends ^9 Uhr zu einer wichtigen Beratung, in die Wohnung des Hanptvertranensmannes höflichst eingeladen. Soziales. — Der große Eisenbahnarbeiter.Ansstand in Holland hat eine ganz winzige Ursache. Er ist entstanden wegen eines einzigen nicht organisierten Arbeiters, den eine Firma beim Ausladen eines Dampfers neben 5,6 organisierten Arbeitern verwendet hatte. Die Firma wollte die Forderung, daß sie nur organisierte Arbeiter verwenden dürfe, nicht anerkennen. Deshalb streikten zunächst die -06 organisierten Anslader, dann — als Streikbrecher an ihre Stelle getreten waren — die anderen Hafen- und Trans- Portarbeiter, »in den weiteren Transport der von jener Firma ansgeladene» Waren zu verhindern. So griff der Streik immer weiter, erfaßte auch die Eisenbahner, und mm ist der Ansstand zu einer schweren Kalamität für das ganze Land geworden. Die Post wird notdürftig noch mittels Automobilen besorgt. Güter aber können die hollän dischen Bahnen nicht mehr annehmen. Einstweilen stockt der ganze Eisenbahnverkehr nach und von den betroffenen Städten lAmsterdam, Rotterdam, Haarlem »siv.t und ebenso der Hafenverkehr in Rotterdam. Aus Airche und Staat. 7 <6ras Lonnal» hat gegen jener Zeitungen Tester- reichs die Anklage erhoben, welche die bewußten Notizen beleidigenden und verleumderischen Inhaltes veröffentlichten. 7 Die Versammlung der Rompilger, welche am 29. v. M. von Herrn I)r. Stephan in Berlin einbernsen war, war stark besucht. Erfreulicherweise ist die Zahl der Mitglieder von 70 ans 5>70 gestiegen, sodaß es wohl schwer halten wird, den geplanten D-Zng zu erhalten; doch null Herr Di. Stephan sich die größte Mühe geben, um den selben dennoch benutzen zu können. Um den Teilnehmern die Fahrt zu erleichtern, hat derselbe für eine frenndliche Anfnayme an allen Haltestellen resp. Stationen gesorgt, wo noch Teilnehmer sich anschließe». Die Abfahrt erfolgt nicht, wie vorher bestimmt, am 27. Februar, sondern am 26. früh. Anknnft in Stuttgart abends '/-9 Uhr; nach kurzem Aufent halt Abfahrt nach Schaffhanse»; dortselbst Ankunft um 12 Uhr. Nach den» Mittagessen, welches gemeinschaftlich in einem großen Saale eingenommen wird, erfolgt gegen 2. Uhr die Fahrt »ach Mailand; Hierselbst 5, bis I<> Stunden Aufenthalt. Während dieser Zeit wird das Abendessen ein genommen, alsdann Nachtfahrt nach Rom. Dieselbe erfolgt nicht über Assisi, wie erstlich bestimmt, sondern über Genna. Pisa, Rom. Ankunft daselbst am 1. März, abends gegen 7 Uhr. Hierselbst 7 Tage Aufenthalt. Für Neapel, Pom peji sind 8 Tage vorgesehen. Auch ist Hierselbst Gelegen heit geboten zu einer Dampferpartie nach Eapri. Dieselbe kostet pro Person 4 Mk. Tie Rückfahrt erfolgt am 18. März über Venedig. Von hier ans sind einige Ansflüge geplant. Am 1t. früh von Venedig nach Padua znm Gottesdienst, alsdann weiter nach Innsbruck, dortselbst übernachten und dem sonntäglichen Tiroler Gottesdienst, welcher sehr inter essant ist. beiwohnen. Hierauf über München nach Berlin. Die Mitnahme der Fahnen wnrde befürwortet, und haben sich auch folgende Vereine zur Mitgabe derselben bereit er klärt: St. Meinrad. St. Bonifaz, St. Matthias, St. Mau ritius, Gesellenverein, Arbeiterinnen, Arbeiterverein Weißen see, St. Pins, Lehrlingsverein. Die Fahrt »vird durch einen Gottesdienst cingeleitct, welcher am 25,. Februar, abends 7 Uhr, im Leohospiz stattfindet. Ferner wnrde beschlossen, die answiirtigen Teilnehmer möglichst unter sich der Gast, srenndschaft wegen aufznnehmen. Am 19. Februar findet die letzte Sitzung statt. f An der neu zu errichtenden theologischen Fakultät in Straßbnrg stehen die folgenden Professuren fest: Prof. Dr. Ehrhard, gegenwärtig in Froibnrg, für Dogmatik. Prof. I)r. Schröter, zur Zeit in Münster, für Pastoral; Prof. I)r. Lange, gegenwärtig im Priesterscminar in Straß burg, fstr Apologetik; Prof. Ör. Schäfer, gegenwärtig an der Universität in Breslau, für Nentestamentliche Exegese. f Das älteste Manuskript der Bibel soll jetzt in Syrien entdeckt worden sein. Man hat dort das vollstän dige Manuskript der fünf Bücher des alten Testaments ge funden. in samaritischen Buchstaben ans Pergament ans Gazellenhaut geschrieben. Sachverständige haben fest gestellt, daß das Manuskript ans dem Jahre 785, vor Christi Geburt stammt und so älter als alle hebräischen Manuskripte ist, die man bisher gefunden hat. Man konnte bereits feststellen, daß der Text der Bibel wie man ihn jetzt kennt, in vielen Fällen unvollkommen zu sein scheint. Der bekannte Orientalist Georges Zeidnn ist mit der vorläufigen Anfbewahrnng des kostbaren Fundes und den weiteren Forschungen betraut worden. „Monna Vanna." Der Antor dieses Schauspiels, Maurice Maeterlinck, hat bisher einige kleinere phantastisch geschmückte Stücke geschrieben. Die Sprache war überall poetisch, aber der Kreis seiner Schwärmer war trotzdem sehr klein. Nunmehr tritt er mit einem größeren Drama „Monna Vanna" an die Öffentlichkeit. Es hat in» hiesigen Schanspielhanse bereits einige sehr gut besuchte Anfführnngen erlebt; die Mache hat der Antor diesmal besser verstanden, »veil er das moderne Publikum richtiger einschätzte. Er stellte reale Menschen ans die Bühne, umgab sie mit szenischen Effekten und erweckte im Beschauer eine gewisse Lüsternheit, die ihn: zu leicht geneigt macht, über die gröbsten inneren Mängel eines Dramas mitleidig hinwegznsehen. Und diese großen inneren Mängel sind in dem Schauspiel „Monna Vanna" in großer Anzahl vorhanden. Der größte Fehler ist, daß ibm jede innere Wahrscheinlichkeit, ja pspchologische Mög lichkeit fehlt. Es spielt mit den Motiven und läßt die pspchologische Eharakter-Entwickelnng völlig ans den: Auge. Er bearbeitet daS Judith-Motiv und darin hat ihn bereits die Bibel überholt. Was von ihm als neue Variation eingewebt »vird, ist ein grober Unterschlag der Sinnlichkeit. Princivalli ist ein Söldner ohne Ideale, selbst jene der Vaterlandsliebe kennt er nicht, er gibt vor, keines zu haben. Ein Mädchen von 8 Jahren, Giovanna, hatte er als Knabe kennen gelernt. Er weiß, daß sie die Frau des Komman danten der Besatzung von Pisa geworden ist, jener Stadt, die er als Anführer eines Florentinischen Heeres belagert; die Stadt ist ohne Munition und ohne Lebensmittel; doch Princivalli will Pisa nicht stürmen, sondern retten, wenn Monna Vanna nachts allein in sein Zelt kommt. Aber er stellt noch eine Bedingung, sie solle „nur" mit einem Mantel bekleidet in sein Zelt kommen. Darin liegt eine Schmach und Erniedrigung Monna Vannas, die in direktem Gegensatz zu den Empfindungen steht, die Prineivelli »ms alsdann znm Besten gibt und ihn so sentimental machen, daß er sie schont. Und das Weib, welches der Dichter nns als rein und tugendhaft schildert, vergißt, daß anch der edelste Zweck das schmachvolle Mittel, die Selbstpreis- gebnng einer liebenden Gattin, nicht rechtfertigen könnte; es ist Pspchologisch unmöglich, daß eine reine, edle Frau sich selbst so erniedrigt. Hätte sie die Absicht gehabt, mit dem Starkmnt und dem Gottvertranen einer zweiten Judith ins Lager zu gehen entschlossen ihre Ehre ans irgend eine Weise zu verteidigen, und hätte Princivalli sie als Ingendgespielin »nieder erkannt und deshalb geschont, so wäre das Motiv gerettet. Und min das Betragen Vannas im Zelte selbst. Eine sanbere Franenehre, die wegen einer Jugend erinnermig. die sie erniedrigende Handlungsweise Primi- vallis vergessen und in dieser Situation — anch noch sentimental werden kann! Diese Bedingung, „nur" mit einem Mantel bekleidet zu komme», hat der Dichter mit Berechnung ans die Lüsternheit des Publikums ausgenommen. Monna Vanna bloß in das Zelt kommen zu lassen, hätte als Zngkrasl nicht genügt, ein Trick allein mußte das Stück retten. Princivalli schont Monna Vanna nicht wegen ihrer Gattentreiie, sondern weil „gerade sie es gewesen und keine andere", die vor ihm erschienen sei. „In dem Augenblick, da ich Dich sah, fand ich es nnmöglich. Dir etwas anzn haben", beteuert der Mann, welcher gerade diese Monna Vanna in sein Zelt verlangt hat. Das Motiv erklärt also die pspchologische Inkonsequenz nicht. Doch Monna Vanna ist in einem schleppenden braunen Mantel dickst gehüllt. Die sentimentalen Zuschauer kämen absolut nicht ans ihre Kosten. Der Dickster weiß sich zu helfen. Trotz des aus drücklichen Befehles Princivallis an die Wachen, ans Monna Vanna nicht zu schießen, läßt er sie von einem Posten durch eine Kugel an der Brust leicht verwunden; so kommt wenigstens das Publikum dazu, etwas von ihrer nackten Brust sehen zu können. So wird'S gemacht. Ans Dankbar keit nimmt Monna Vanna noch in derselben Nacht am Schlüsse des zweiten Aktes Princivalli mit nach Pisa, da er von Gefangenschast an die Florentiner bedroht ist. Der dritte Akt ist erst recht pspchologisch nnmöglich, wenn auch szenisch wundervoll und dramatisch packend. Ihr Gatte glaubt der Betenernng nicht, daß Monna Vanna nnversehrt znrückgekehrt sei; anch das Volk, das er znm Zeugen anrnft und unter dessen Jubel sie eben in Pisa eingezogen ist, glaubt es nicht. Und Princivalli spricht im ganzen Akte anch nicht ein Wort zur Verteidigung Monna Vannas. Der einfache Grnnd ist der, weil sonst der Antor seine» Schluß nicht anbringen kann. Dieser aber ist geradezu lächerlich, lim Princivalli vor der Wut des Gatten zu retten, lügt Monna Vanna, er habe ihr Gewalt angetan,