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Sächsische Volkszeitung : 03.02.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190302034
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19030203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19030203
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-02
- Tag 1903-02-03
-
Monat
1903-02
-
Jahr
1903
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.02.1903
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daß so einschneidende Maßregeln nur auf Grund sehr eingehender Erhebungen über die Arbcitsverhältnissc auf dem Lande ins Werk gesetzt werden dürften, und hielten es daher und »m nicht die Vor lage überhaupt zu gefährden, für richtig, den Antrag Baudert ab- zulehnen und lediglich der bezüglichen von der Kommission bean tragten Resolution znzustimmen. Abg. Trimbvrn (Zentr.) führt gleichfalls aus. die Ausdehnung des Gesetzes auch auf Landwirtschaft und Gesindedienst sei ohne vorherige eingehende Erhebungen doch noch nicht ratsam. Selbst Herr Agahd, ans dessen Urteil die Linke so viel Gewicht legte, habe in der Sozialen Praxis ausgesprochen, die Mehrheit derKommission habe ganz recht daran getan, sich einstweilen ans die Regelung der gewerblichen .Kinderarbeit zu beschränken. Der Antrag der Sozial demokraten mache deshalb auch auf ihn den Eindruck einer bloßen Demvnslralivn. Das; inan dein Lehrer Agahd für seine Tätigkeit auf vielem Gebiete Dank schuldig sei, das wolle er, Redner, offen aussprechen. Staatssekretär Graf PosadowSlh schließt sich dieser Dank sagung an und gibt weiter zu bedenken, das; doch die Verhältnisse in Landwirtschait und sonstigen Gewerben gar zu verschieden seien, svdas; eine gleichzeitige Regelung desKinderschuhes in vorliegendem Gesetze sich verbiete. Schon im Landwirtschaftsbetriebe selbst liegt eine solche Ver schiedenheit. Für die Gewerbe könne sehr wohl vorgeschriebe» werden, zu welcher Stunde Kinder beschäftigt resp. nicht beschäftigt werden dürfen. In der Landwirtschaft können solche Vorschriften nicht erlassen werden, da richte sich die Arbeitszeit nach den Um ständen, nach Rege», Wind und Sonnenschein. Er bitte also, den Antrag Bauderl abzulehnen und nur die Resolution derKommission anzunehmcn. Abg. Ernst lfreis. Ver.j verwahrt den Lehrer Agahd gegen den ihm von Gamp gemachten Vorwurf frivoler Verdächtigung. Er selbst sei aus dem Lande aufgewachsen und könne nur bestätigen, das; solche Tinge vorkämen, wie Agahd sie schildere. Auf jeden Fall habe die Lehrerschaft ein grvs;es Verdienst um das Zustandekommen dieses Gesetzes. Abg. Bracsicke lfreis. Volksp.) führt unter lebhaftem Beifall der Rechten ans, ein Dekret, welches die Kinderarbeit in der Land wirtschaft verbiete» wollte, würde einen Sturm der Entrüstung unter den Bauern Hervorrufen und de» Ruin derselben herbciführen. Ganz unzutreffend sei, was über die Hütekinder gesagt worden sei. Diese bekommen Lohn ivie die Großen, ja »och mehr, die Bauern würden denknclnl so viel Geld für die.Hütekinder ausgeben, wenn sie sic nicht »ölig hätten, iLachen links.) Was über die Ver kümmerung, seelische und körperliche, der Hütclinder gesagt worden sei, sei mich nicht richtig. Die Hütejungen bewegen sich in frischer Lnfl und seien an Geist und Körper frisch. Er habe meistenteils auch gesunden, das; die Hütejungen die Ersten in ihrer.Masse waren. (Heiterkeit links.) Auch die .Halblagsschule auf dem Lande leiste Gutes. Tie Resolution freilich könne auch er annehmen, ^dagegen, das; über die Arbeitsvcrhältnisse der Kinder ans dem Lande noch Erhebungen angeslellt würden, sei ja nichts einzmvenden. (Bravo rechts.) Abg. Müller-Meiningen ruft zu den Stenographen hin über: schreiben Sie Bravo rechts! Heiterkeit! l'lbg. Reis;Haus «Toz.-Dem,): Eine nette Vvlkspartei! Die Herren scheine» seit den Tagen vor Weihnachten nach dem Beifall der Rechten lüstern zu sein. Selbst die .Halblagsschule» hält der der Vorredner für eine gute Einrichtung! Das ist doch wirklich zu traurig! Rach Acnßernngen der Abgg. Henning ikvns.) Gamp (Rp.) und Sieg «national.) im Sinne des Abg. Braesicke, zeigt Abg. Stöcker (christlich sozial), wie die Sozialdemokraten und Abg. Zwick die un günstigen Erfahrungen in einer einzigen Gemeinde benutzt haben, um die .Hütekinder samt und sonders als den Abschaum der Mensch heit hinzustellen. Abg. Wurm (Soz.-Dem.) entgegnet, es falle den Sozialdemo kraten nicht ein, ans einem Ei»zel)alle allgemeine Schlüsse zu ziehen. Aber dir Vorbedingungen für die an einem Orte festgestelllen trau rigen Ersahrnngen seien doch überall vorhanden. Die Sozialdemo kraten wollten das Gesetz zu stände bringe», sonst hätten sie »och viel weitergehrnde Anträge gestellt. Abg. Trimborn tZtr.j: Tie Sozialdemokraten wissen genau das; schon die Annahme des Antrags Baudert das Gesetz für die Regierung sofort unannehmbar machen würde. Wenn Ihnen also wirklich ernstlich daran liegt, das Gesetz zu stände zu bringen, so ist der Antrag Baudert eine leere Temonstratio». Wäre dieser ernst gemeint, so dürfte er sich auch nicht darauf beschränken, einfach das ganze ans gelverbliche Verhältnisse berechnete Gesetz auf die Land wirtschaft zu übertragen, sonder» müßte für diese eine ganze Reihe besonderer Bestimmungen treffen. Ter Antrag ist und bleibt daher eine bloße Demonstration von der Art, Ivie Tie sie auch sonst zu machen pflegen. <Lebhafter Beifall.) Rach weiteren Bemerkungen der Abgg. Ernst, Zwick und Stärker schließt die Debatte, und nach zahlreichen persönlichen Be merkungen wird der Antrag Baudert in seinen beiden Teilen abge- lehnl und tz l unverändert einstimmig in der Fassung der Kom mission angenommen. Ebenso unter debattenloser Ablehnung eines weiteren Antrags Baudert i.Heranssetznng des Srhntzallers von Ui ans > l Fahret 8 2. 8 :> stellt fest, welche Kinder im Sinne dieses Gesetzes als „eigene" gellen sollen. Regierung und.Kommission wollen als eigene Kinder nnrh solche betrachtet wissen, die dem sie Beschäftigenden als Fürsorg eI inder «d. h. zur gesetzlichen Fwangserziehnng) über wiesen sind. Ein Antrag Trimborn will die Fürsorgekinder als eigene »nr dann angesehen wissen, wenn sie „zugleich »nt eigenen.mindern" beschäftigt werden. Tiefer Antrag wird angenommen. 8 l handelt von den verbotenen Beschäftigungsarten. Er wird nach ganz kurzer Debatte unverändert angenommen unter Ablehnung einiger sozialdemokratischer Abändernngsanlräge. 8 handelt von der Beschäftigung in Werkstätten.und bestimmt, nicht vor x Uhr morgens, überhaupt nicht vor dem VormittagS- miterrirbl: mittags ist eine mindestens Lslündige Panse „zu gewähren". Abg. Wurm empsiehlt eine andere Fassung, um das Wort „gewähren" zu vermeiden. Er erinnert daran, Ivie das OberlandeS- gerirhl Breslau, auch verschiedene zweitinstanzliche Gerichte, bei der BnndeSralsverordnnng über die Ruhezeit im Gastwirtsgewerbe das anch dort vorkommende Wort „gewähren" so ansgelegt haben, daß zwar den Gehnlsen die Ruhezeit „gewährt" werden müsse, es aber de» Gehnlse» gestaltet sei, „freiwillig" milznarbeiten. Wegen dieses an und für sich durchaus zu verwerfenden Standpunktes des Oberlandesgerichts Breslau dürfe auch hier nicht die Wendung „ist zu gewähren" gebraucht werden. Staatssekretär Gras Posadowskl, stimmt dem Vorredner in der Benrteilnng des Erkenntnisses des Oberlandesgerichtes Breslau vollkommen zu. Dasselbe stelle unsere ganze sozialpolitische Gesetz gebung i» Frage. Richt nur in jener Bundesratsvervrdnung, sondern auch an verschiedentlichen Stellen der Gewerbeordnung komme die Wendnng: eine Ruhepause sei „zu gewähren" oder „muß gewährt werden" vor. Und jederzeit sei der Reichstag und die Regierung von der Anssassung ansgegangen, daß es sieh dabei »m dispvsitive Vorschriften habe Handel» solle», welche durch keine private A b in a ch ung du r ch kreuzt w erden dürfe. Auch das Reichsgericht habe dazumal Gelegenheit gehabt, sich mit dem Begriff „gewähren" in der Gewerbeordnung zu befassen, lind in allen drei Erkenntnissen «die der Staatssekretär im Wortlaut verliest) habe das Reichsgericht entschieden, das; es sich bei den betreffenden Bestimmungen der Gewerbeordnung »m „össentlichcs Recht" handle, welches durch keinerlei private Abmachung abgeäudert werden dürfe. Er wieder hole, wen» eine oberste gerichtliche Instanz dem entgegengesetzt ent scheide, so werde damit unsere ganze sozialpolitische Gesetzgebung durchkreuzt. Aber wen» man gerade deshalb dem sozialdemokratischen Anträge entsprechend das Wort „gewähren" vermeide» wolle, so warne er hoch hiervor Tenn gerade wenn man jetzt mit Vor bedacht eine andere Fassung wählt, dann liegt darin eine gewisse Anerkennung, das; jene Auslegung des Oberlaudesgerichts Breslau richtig sei. Deshalb bitte er, cs doch lieber bei der in der Vorlage gewählte» Fassung zu belassen. ' Abg. Trinibvr» stellt fest, daß die Auffassung des Staats sekretärs den Standpunkt des Reichstages durchaus richtig wiedcrgibt. Abg. Wurm (Soz.-Dem.) konstatiert ferner, das; sich das Obcr- lnndesgericht Breslau schon wiederholt mit dem osfenbaren Willen des Reichstages in Widerspruch gesetzt habe. Hierauf wird der 8 5 unverändert angenommen. Bei 8 13. Beschäftigung eigener Kinder, in Werkstätten usw-, wird auf Antrag Zwick nach kurzer Debatte das Verbot eingefügt, die Kinder „vor dem Vormittagsunterricht" zu beschäftigen. Bei 8 1b, wonach laut Kommissionsbeschluß im Gast- und Schankwirtschaftsbetriebe Kinder (eigene) unter 12 Jahren überhaupt nicht und Mädchen nicht bei der Bedienung der Gäste beschäftigt werden dürfen, beantragt. Nach einer längeren Debatte, in welcher allgemein die Kom- missionsfassung als zu weitgehend beanstandet wurde, wird einst weilen der ParaGraph in dieser Fassung angenommen mit dem Vorbehalt, für die dritte Lesung eine andere Formulierung vor zubereiten. Der Rest des Gesetzes wird ebenfalls nach den Beschlüssen der Kommission erledigt und sodann die von dieser beantragte Resolution (Landwirtschaft und Gesindedienst) fast einstimmig angenommen. Dienstag 1 Uhr: Zweite Lesung des Etats. Schluß »ach 6 Uhr. politische Rundschau. Deutschland. — Im Aufträge des deutschen Kaisers wurde am Sterbetage des Kronprinzen Rudolf auf dessen Sarg in der Kapuziuergruft in Wien ein prachtvolles Blumen gewinde gelegt, auf dessen weißen Atlasschleifen sich folgende Inschrift befindet: „Dem treuen Freunde! Kaiser Wil helm H." — Die nächsten Reichstagöwahlen werden nach einer Aenßernng von halbamtlicher Seite etwa Mitte Juni, d. h. zwischen Frühjahrsbestellung und Heuernte, statt finden. Eine Verschiebung bis zum Herbst, wie es teil weise gewünscht wurde, ist nicht wohl möglich, weil das Mandat des gegenwärtigen Reichstags schon im Juni ab- lünft. Uns wurde schon vor längerer Zeit von unterrich teter Seite mitgeteilt, daß die Wahlen wahrscheinlich schon in der ersten Hälfte des Juni stattsinden würden. Ein Münchener Blatt spricht sogar von Ende Mai. Jedenfalls darf man als feststehend betrachten, daß die Regierung die Wahlen so früh als möglich anberanmen will und daher anch die Hoffnung hegt, daß der Reichstag schon vor Ostern, spätestens aber anfangs Mai geschlossen werde. — Im preußischen Abgeordnetenhanse wurde am Sonnabend zunächst der Landwirtschaftsetat ohne größere Debatte zu Ende beraten, unter Streichung der ersten Rate für den Neubau des landwirtschaftlichen Ministeriums in Berlin, und dann in die Beratung des Etats der GestütSverwaltnng eingetreten. Dabei kamen dann die Schnlverhältnisse ans dem ostprenßischen Gestüt Tra- kehnen zur Sprache, die neulich der Gegenstand eines sen sationellen Prozesses waren. Der Prozeß endigte mit der Verurteilung der Ankläger des Landstallmeisterö von Oellingen zu empfindlichen Strafen. Die öffentliche Meinung neigte sich aber trotzdem der Auffassung zn, daß die Zustände in den Trakehner Schulen und die Behand lung der Lehrer sehr viel zn wünschen übrig ließen. Am Sonnabend wurde diese Auffassung durch den freisinnigen Abgeordneten Rektor Kopsch vertreten, der scharfe Angriffe ans den Landstallmeister v. Oettingen richtete, welcher ans der Tribüne dieser Verhandlung beiwohnte. Minister von Podbielski glaubte dagegen, daß das Urteil der öffent lichen Meinung durch die Presse irregeführt worden sei. Zinn Beweise, daß die Schulgebäude in Trakehnen nicht so schlecht seien, ließ er einige photographische Abbildungen derselben im Hanse hernmgehen. Noch energischer ging Abg. von Oldenburg (kons.), der vielfach als der „Thron folger" des Herrn v. Wangenheim im Landbnnde be trachtet wird, für Herrn v. Oettingen und gegen die Tra kehner Lehrer ins Zeug; er wollte sogar bei einer per sönlichen Besichtigung der Trakehner Schulen diese „mit reichlicher Verschwendung gebaut und elegant" gefunden haben. Damit war der Fall für diesen Tag erledigt; gegen ö> Uhr wurde die Etatsberatnng ans den nächsten Dienstag vertagt. - Die „Phosphorkommission" des Reichstags, d. h. die Kommission zur Vorberatung des Gesetzentwurfs über das Verbot der Verwendung weißen Phosphors bei der Znndwarenfabrikalion, hat zn ihrem Vorsitzenden den Abg. De. Oertel (kons.), zn dessen Stellvertreter den Abg. Zehnter (Zentrum) gewählt. Vom Zentrum gehören ihr außerdem die Abgg. Engelen, Klose, Lnrz, I)n. Marconr, Trimborn und De. Weißenhagen an. Die »ationalliberale Partei hat zn ihrem Generalsekretär an Stelle des znrückgetretenen Herrn Patzig den Geschäftsführer der Partei in Sachsen, einen Herrn Breithanpt, gewählt. — Tie Konservativen (Nißler und Gen.) haben im Reichstage eine Interpellation eingebracht über die Ans führnng der am «». März !!><)> beschlossenen Resolutionen betreffend Beihülsen an Kriegsveteranen. - Die anch von uns gebrachte Meldung, daß für die Generale der Armee neue Uniformröcke nach Art und Farbe der hechtgrauen Oesterreichs eingeführt werden sollten, wird offiziös als Erfindung erklärt. — Sozialdemokratische Spiegelfechterei. Zn diesem Thema haben die Herren „Genossen" schon wieder einen Beitrag geliefert, und zwar durch ihren Antrag, den geiverbliche» Kinderschntz, den der dem Reichstcvze vor liegende Gesetzentwurf bezweckt, unverändert anch ans die Landwirtschaft zn übertragen. Daß dies ein Unsinn ist, können sie selbst nicht leugnen, denn in der Landwirtschaft liegen die Verhältnisse ganz anders als im Gewerbe. Wie kann man z. B. die Bestimmungen über die Arbeitszeit einfach ans die Landwirtschaft übertragen, wo die Arbeits zeit ganz verschieden ist je nach der Jahreszeit, dein Wetter usw.? Der Antrag war also offenbar nicht ernst genreint, sonst hätten die Sozialdemokraten ihn ans die besonderen Verhältnisse der Landwirtschaft znschneiden müssen. Außer dem aber wußte» sie ganz genau, daß das Gesetz vom Bnndesrate abgelehnt worden wäre, sobald der Reichstag es ohne weiteres anch ans die Landwirtschaft ausgedehnt hätte. Trotzdem stellten sie den aussichtslosen Antrag und bewiesen damit, daß — wie Abg. Trimborn (Etr.) ihnen mit Recht vorhielt — dieser Antrag nur eine leere Demon stration war. Die energische Art, wie Abg. Trimborn ihnen diese Spiegelfechterei verhielt, inachte übrigens am Sonn abend ansnahmsweise einmal Eindruck ans sie. Die Sozial demokraten verzichteten nämlich nach der ersten Abstimmung ans die weitere Beratung ihrer Anträge und machten anch keinen Versuch, durch Anzweiflung der Beschlußfähigkeit des schwach besetzten Hauses die Beendigung der zweiten Lesung des Gesetzes am Sonnabend unmöglich zu machen. Wir wollen sehen, wie lange die Besserung anhält. Oesterreich«Ungaru. — Zu dem österreichischenZolltarifentwnrf meint die Berliner „National-Zeitnng", es sei damit „die Gefahr des Nichtzustandekommens neuer Verträge gewachsen". Tie „Voss. Ztg." meint, „der österreichisch-ungarische Tarif eröffne, ebenso wie der neue russische, für Deutschland unerfreu liche Aussichten. Rußland habe alles Interesse, Lester- reich-Ungarn von Deutschland zu trennen und werde daher wirtschaftlich gern mit dein Donanreiche Zusammengehen, um es auch politisch zu gewinnen. So könne eine fehler hafte Handelspolitik schädliche Rückwirkungen ans die aus wärtigen Beziehungen Deutschlands üben." — Das Abgeordnetenhaus erlebte am 29. Januar einen noch nicht dagewesenen Fall. Ueber Einladung der Negierung hatten sich die Vertreter der Znckerindustrie und zwar der beiden Parteien, der „Rohen" und „Raffinierten" zn einer Besprechung im Budgetsaal des Abgeordneten Hauses eingefnnden. Es handelte sich um folgendes: Tie österreichische Znckerindustrie soll nach dem Inkrafttreten der Zuckerkonvention immer noch eine Art Prämie erhalten durch die Festsetzung eines Eingangszolles von sechs Franks für Zucker. Diese sechs Franks per Meterzentner verhindern nämlich nicht nur das Eindringen der ausländischen Kon- knrrenz, sondern ermöglichen der inländischen Industrie auch, innerhalb dieser sechs Franken die Znckerpreise im Inland zn steigern. Diese sechs Franken sind also eine Belastung des inländischen Konsums zugunsten der übermästeten Zncker- indnstrie, eine Belastung, die den österreichischen Konsumenten Millionen kostet. Die Raffinadefabriken, welchen eine wahrhaft monopolartige Stellung in der Kontingentierungs- Vorlage der Regierung eingeränmt wird, sind nun mit den Rohznckerfabriken in Streit über die Teilung dieses Ge winns geraten. Vor Abschluß der Verhandlungen im Ab geordnetenhanse wollte die Regierung die Einigung der strei tenden Parteien herbeiführen; und sie einigten sich anch nach langen Verhandlungen auf 2,70 Franks für die Raffinerie und !i,i!0 Franks für die Rohznckerfabriken. Als aber die Abgeordneten bei Beginn der Sitzung hörten, daß die^„Zncker- barone" im Hanse verhandeln, und zwar ohne das Präsidium vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, so drangen einige radikale Abgeordnete in den Budgetsaal ein und begannen die Teilnehmer an der Znckerkonferenz mit Gewalt daraus zu entfernen; die meisten verließen fluchtartig das Konferenz- zinnner. Dieses Vorgehen war ungehörig und das Ansehen des Hauses schädigend. Man mußte nicht die Geladenen, sondern die unberufenen Einlader dafür veramvorilich machen. Aus Stadt und Land. Dresden, 2. Februar 1!M. * Als Erpositns für Dresden-Johannstadt ist Herr Kaplan Franz Klötzl, bisher in Leipzig, angestellt worden. * Se. Majestät der König hat den Negiernngsrat Demmering bei der Kreishanptmannschaft zn Ehemnitz zum Amtshanptmann in Schwarzenberg ernannt und dem Bnreaninspektor der Staatsanwaltschaft bei dem Landgerichte Leipzig, Oskar Freitag, den Titel und Rang eines Kanzlei- rates verliehen, * Der „Boh." wird ans Mentone geschrieben: Giro» und die Prinzessin dürften Mentone bald verlassen, da das hiesige Publikum ihnen gegenüber keine freundliche Haltung beobachtet. Giro» hat sich darüber ans der Präfektur de schwert, man antwortete ihm jedoch mit einem Achselzucken und legte ihm nahe, einen anderen Aufenthalt zn suchen. * Daß Herr Hans Hagen den bekannten Aufruf an die Amtsblattbesitzer und Amtsblattredaktenre lnrz vor der Aufführung seines „Lorenz Heidenreich" in Dresden erlassen hat, scheint nicht ganz absichtslos zn sein. Tie Ausführung des Stückes war nur ein Vorwand zn einem Rendezvous der Häupter des Evangelischen Bundes mit den Amtsblattbesitzern und -Redakteuren, um dieie einmal gründlich znm konfessionellen Kampfe zn bearbeiten. Die Herren sind schlau! Anch die Zittaner Morgen zeitnng ist dieser unserer Ansicht und schreibt darüber in ihrer Sonntagsplanderei der Nr. 2<>: „Ach, und es wäre doch so schön gewesen, wen» die Redaüeine und Verleger der sächsischen Amtsblätter sich nach dem Von'ckckuge des Helden dieser tragikomischen Episode in Dresden znsanuucu gefunden hätten. Aber schnell, „ehe es zn spät ist!" rief er aus. Die Herren von der Amtsblattpressc hätten dann vielleickn aucl, gleich die Theater-Vorstellungen besuchen können, die derEvnnge lische Bund ganz zufällig Anfang dieses Monats veranstaltet. Das -zittaner Stadltheater-Ensemble fährt zn diesem Zweck uacki Dresden, und man gibt dort — ganz zufällig — den „Lorenz Hcidenreich", dessen Verfasser — wieder ganz zufällig — naiürlicki! zu dem Rendezvous der Amtsblatt-Vertreter aufgcforderl. „elie e-Z zn spät ist!" Die Herren scheinen aber dazu keine Lust zn ver spüren, denn ans die liebenswürdige Einladung folgte eisiges schweigen in der Runde. Ja. cS kommt eben Meißens anders wie man denkt! " Der SonntagSplanderer der Zittaner Morgenzennng beschäftigt sich anch in feinem Sarkasmus mit den über triebenen Ausdrücken in dein Aufruf Hans Hägens; die darin enthaltene Erklärung, daß er noch ans dem Scheiter haufen die Verteidigung weiterznführon bereit sei. fertig! er spöttisch, wie folgt, ab: „Aber es bedurfte auch gar nicht der Errichtung eines Scveitec- haufenS, sondern nur eines leisen Winkes mit dem Finger „von oben", und schon drei Tage später, am Donnerstag, konnte inun im Zittaner Amtsblatt an oerselbcn Stelle einen Leitartikel des kreishaiiptmannschaftlichen Bautzncr Amtsblattes abge- druckt finden, der vor den Heißspornen warnt, die gewiüe Vorgänge ausbcuten, um die konfessionellen Gegensätze zn verütianeu. Gründlicher und drastischer hat sich wohl noch nie die Leitung eines Blattes selbst desavouiert, wie in diesem Falle die Leitung des Zittaner Amtsblattes. Ei» fluchtartiger Rückzug ohne jede Deckung! Man hörte das angebliche Rückgrat der sächsischen Amlsblaner förmlich knackeil!" Alle weiteren Worts sind überflüssig. * Trotzdem die „Westend-Zeitung" schon des öfteren von uns gründlich abgefertigt worden ist, trotzdem sie bis jetzt, anstatt den Beweis der Wahrheit für ihre Behaup tungen anzntreten, stets das Kneifen vorgezogen hat. slickit sie schon wieder der Hafer, wie ihre neuen tendenziös ge färbten und schutzlose Damen beleidigenden Berichte zeigen.
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