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Sächsische Volkszeitung : 17.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192305171
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19230517
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19230517
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-17
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 17.05.1923
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Dvnnerslag, 17. Mai 1923. - n— " — >..n— - xrund beim farbigen wie beim weißen Menschen; ja, wer ein gutes ErinnerungS- nnd Klassifizierungsvecmögen besitzt, vermag geradezu, von der dunklen Farbenskala nach der Hellen tranS. panierend, mitunter schmunzelnd, die gleichen Typen mit oftmals frappanter Aehnlichkeit wiederzuerkennen, denen er bereits unter der ?iqen?n weißen Rasse einmal begegnet ist. Und die Erkennt nis wird, je tiefer wir in das Reich der Anschauung gelangen, immer gebieterischer, daß eS eigentlich keine Seelenkrast, weder des Kopfes noch des Herzens, gibt, in der der Ai^ehörige dieser «niedrigeren Nassen" in seiner Vollendung nicht vereinzelt die «höhere Rasse" überträfe — die destillierte Intelligenz etwa aus genommen, die in die Sackgasse führt." Wollte man alle Misch rasse» als minderwertig abtun, so müßte man alle großen Kultur- nationen der Gegenwart verurteilen. «Wir alle entstammen einem Rassengemenge, und nicht nur aus den sogenannten kaukasischen, sondern vielfach un geahnt und unqewußt auch aus den eingeborenen Völkern Asiens, Afrikas und Uramerikas, W?r ahnt es in Holland, daß dieser oder jener «echte Holländer" einen Großvater hatte, der aus In dien zurückgekebrt war mit einer malaiischen oder baiakischen Stammutter seines Geschlechts? Wer weiß es. wieviele bedeu tende Kanfleute oder Militärs, Gekehrte oder Staatsmänner von Weltruf den indischen Einschlag haben? Und in den Vereinigten Staaten begegnet man selten einer alteingesessenen Familie, die nilbt englisches /schottisches, irisches) und deutsches, in den Süd- staaten und in Kalifornien englisch??, spanisches und französi sches Blut in annähernd gleicher Menge aufwiese, und wer seinen Stammbaum gar ans die Ureinwohner, die Indianer zu- rückzufübren imstande ist, ist noch besonders stolz hierauf. Nur N-gerblut deklassiert im Bewußtsein der Mitwelt und wird ver schwiegen, was aber nicht ausschließt, daß eS in d?n Adern so manches typischen Amerikaners pulsiert. Auch der in der Ein wanderung überbandnebmende Zustrom der süd- und ostpreußi- schen Völker macht seinen Einfluß geltend — ein heikles Problem für die Theoretiker, die den Wert die Kraft und die Zukunft der Völker auf Rassenreinheit zu bauen geneigt sindl" Trotzdem zeigen alle diese Völker — nicht zulebt auch die Amerikaner — einen ausgesprochenen Nationalcharakter. DaS alle? weist darauf bin. daß Rasse und Nation nicht identisch sonder» im tKeqenteil grundverschieden, daß bei Bil dung des Nationalckarakters nicht biologische, sondern seelisch geistige Faktoren maßgebend sind. „Nation ist die erweiterte Familie, mit Fainilicnzügen, Familientradition und niemals ganz versaaendem organisiertem Familienstolz. Dabei macht es bei der Nation wie bei der Familie wenig auS. aus welchen Rassen oder Gameten sie sich zusammengesetzt haben. Die amerikanische Milliardärstachter wird englische Herzogin (und versteht eS gut!), und ibre Nachkommen leben in vollendeter Adelstradition, an- gesehene preußische Adclsgeschlechter sind israelitischer Herkunft, nicht nur von Mutter?--, sondern auch von Vatersseite und gelten sich und anderen als blaues Blut. Wo war je ein typischerer Nationalfranzose als Le'on Gambetta. der Sobn eines genuesi sche» Jude»? Wo gibt eS im Deutschen Reich bewußtere und patriotischere Deutsche als die Abkömmlinge jener unter dem Großen Knrkürsten nach, Preußen eingewandcrten Franzosen, die heute noch vielfach die änßei'en Züge ihrer romanischen Abkunft anßuoiien? Alle diele Abkömmlinge zeigen im Leben die charak- tc-isiischen Eigentümlichkeiten des Volkes, das sie ausgenommen hat. AuS allem diesen aber crkellt, daß der Einfluß der Nass? ans den Ebarakwr eines Volkes, der sich niemals ändert, van untergeordneter Bedeutung ist, daß vielmehr die Umwelt. daS. gemeinsame innere Erleben nnd vor allem bei den höber ent- w-ck-lten Schichten di? Tradition mit ihren tausenderlei Ein flüssen aus Geschichte und Erzählung bestimmender für den Na- tionalcharaUer sind als die Herkunft. Kaum irgend ein Vorgang dürft- anschanl'cher sein für die Erkenntnis vom Primat deS Gei stigen als die Bildung des Nationalcharakters, der seine Wurmln in Rossen»,iterlagen hat, aber seine Gestaltung durch seelisch.! Momente erbält die sich ebenso vererben wie die leib lichen, und konstant bleiben, solange der Prozeß der geistigen Weitererzcuaung anbält." Alle diese Tatsachen sprechen vornehmlich gegen dse Nassen- tbeoreüker und für den universalistischen Grundy?danken des Eb r j st e n t u m s, für „die menschheitserlösende und versöh nende Idee, daß alle 6leschaffenen. und seien sic noch so ver schieden in S.lrt und Zusammensetzung, gleich sind und eins vor G o t t." Vmi feuerspeiend-n Beraen Nach mehrjähriger Ruhe hat der imposanteste Vulkan Euro pas, der Aetna, wieder einen heftigen Ausbruch begonnen. Ein sechs Meter breiter Lavastrom rinnt in südwestlicher Richtung, also nach dem Biiiueulande zu, von dem gewaltigen Kegel herab täglich um sechs Kilometer vorrückend. Aber in der am Fuße des Bergrieseu gelegene» Stadt Eatania soll keine besondere Auf regung herrsche». DaS ruhige Fortschreiten der glühenden Masse auf der von der Stadt abgewandten Bergseite scheint einen ge wissen Schutz gegen schlimmere Hei», such»,,gen zu geben. Denn die Erdbebengefahr wird herabgemindert, wenn der Feuerherd im Innern des Kraters den Ueberschuß seiner Brennstoffe nach ^ Zwischen Himmel und Erde Von Otto Ludwig. (38. Fortsetzung.) «Wenn er so bliebe!" dachte der Bauherr. Er hatte nicht Zeit, etwa? zu erwidern. Er drückte ihn, die Hand. Apollon!,»» empfand alle?. wa-S der Händedruck sagen wollte. Wie ein Mit leid zog eS über sein Gesicht hin mit dem wackern Alten, wie Mißbilligung, daß er dem braven Alten Schmerz gemacht, und ihm noch mehr Schmerz machen wollen. Er sagte mit seinem alten Lächeln: „Auf solche Fälle bin ich immer bereit. Aber es gilt Eile. Ans frohes Widcrschen!" Der schnellere Apollo- niuS war dem Bauberrn bald aus den Augen. Auf dem ganzen Weg? nach Sankt Georg, unter dem Geschrei, den Hörnern und Trommeln, Sturm nnd Donner, sagte der Bauherr immer vor sich hin: „Entweder sehe ich de» braven Jungen nie wieder oder er ist gesund, wenn ich ihn wiü-ersehe". Er legte sich nicht Rechenschaft ab, wie er zu dieser Neberz?ugung kam. Hätt' er'S ,auch sonst gekonnt, eS war nicht Zeit dazu. Seine Pflicht als RatSbanhcrr verlangt? den ganzen Mann. Der Ruf: „Nettenmairl Wo ist der Nettenmair?" tönte dem Gerufenen auf seinem Wege nach Sankt Georg entgegen -und klang hinter ihm her. DaS Vertrauen seiner Mitbürger weckte daS Gefühl seines Wertes wieder in ihm auf. Als er, auS der Fremde zurückkchr?nd, die Heimatsstadt vor sich liegen sah hatte er sich ihr nnd ihrem Dienste gelobt. Nun durste eS sich zeigen, wie ernst gemeint sein Gelübde war. Er übersann in Gedanken die möglichen Gestalten der Gefahr, und wie er ihnen begegn?» könnte. Eine Spritze stand ber?it im Dachgebälk, Tücher lagen dabei, um damit, in Wasser getaucht, dte gefährdeten Stellen zu schützen. Der Geselle war angewiesen, heißes Wasser bereit zu halten. DaS Gebälks war überall durch Leitern ver bunden. Zum erstenmal seit seiner H?imkunft von Brambach war er wieder mit ganzer Seele bei etnem Werke. Vor de? wirk lichen Not und chren Anforderungen traten die Gebilde seine» Vrütens wie verschwimmende Schotten zurück. Die ganze alte Wirkiliigsfreudigkeit und Spannkraft war wieder hevaufgernfen. das Gefühl der Erleichterung erhöhte sich noch. Mit Gedanken kann man Gedanken widerlegen, gegen Gefühle sind sie ein« schwache Waise. Vergeben? sah sein Geist den rettenden Weg: er war in der allgemein?» Erschlaffung mit erkrankt. Jetzt war ein siärkercö gesundes Gefühl gegen die starken kranken Gefühle anfgeglüht und hatte sie in seiner Flamme verzehrt. Er Mußt!, ohne besonders daran zu denken, er hatte den rettenden Ent schluß gesunde», und dieser war die Ouelle seines erneuten Da außen ablagert. Und gegen die Bedrohung rmrch die ausge- worsenen Massen bietet wiederum die Höhe des Berges eine Sicherheit. Es ist einleuchtend, daß nach Physikalischen Gesetzen die aus der Oessnung emporgeschlenderten Glühkörper, Steine wie Gase, je höher der Gipfel eines Berges emporsteigt, um so sicherer in die Höhlung zurückfallen werden, während der Aus wurf z. B. des dreimal niedrigeren Vesuvs einen Schrecken für die Ortschaften selbst eines weiteren Umkreises darstellt So wurde Pompeji und zwei andere Städte nebst zwei Dör fern im Jahre 79 nach Christi Geburt durch den ersten und fürchterlichsten Ansbruch des campanischen Berges völlig unter Aschenresten verschüttet, und ähnlich im Jahre 1902 die Stadt St. Pierre aus der Insel Martinique durch feurige Gase, die aus dem nahegelegene» niedrige» Vulkan Mont Pele heraus- quollen, in einer Viertelstunde mit ihrer gesamten Bevölkerung von 25000 Köpfen und samt den im Hafen liegenden Schiffen vernichtet. Alexander von Humboldt hat auch der Hauptstadt Mexikos eine ähnliche Katastrophe vorausgesagt, die ihr nicht vom hochragenden Popocatepetel, sondern von einem winzigen Feuerberge ihrer näheren Umgebung in irgendwelcher Zukunft droh«. Im Gebiete des Mittelmeeres zählt man noch 7 Vulkane, die im letzten Halbjahrtausend Proben ihrer fortdauernden Tätig keit abgelegt haben. Viele andere haben sich erst in historischen Perioden eingestellt. So der Mosychlos aus Lemnos, der »och zu Sophokles Zeiten gespien hat, der Epomes auf Jschia usw. Aber die Erfahrung mit dem Vesuv, den die klassischen Jahrhunderte der alten Geschichte für erloschen hielten, lehrt doch auch, den gegenwärtig stillgewordenen Gefäßen ältester vnl- kantscher Prozesse nicht allzu sehr zu trauen. Daß freilich die ziemlich zahlreichen Kuppeln von jener charakteristischen Form, die auf ehemaligen Vulkanismus schließen läßt, welche sich in verschiedenen Gegenden Deutschlands finden, noch einmal aus ihrem Todesschlaf erwachen werden, dürfte ausgeschlossen sein Der lebendigste der Mittelmeer-Vulkane ist der kleine Stromboli, etwas nördlich vom Aetna, auf einer Insel gelegen Ansiedlungen sind dort unmöglich gemacht, weil tagtäg lich brennende Massen dem Krater entströmen. An die außeror dentlich fruchtbaren Abhänge des Vesuvs kamen dagegen die durch Katastrophen wie die von 1872 und 1906 Vertriebenen immer gleich wieder nach dem Erkalten der Lava zurück, denn gerade bereit Verwitterungsprodukte begünstigen das Wachslum von An- pflanzungen ausnehmend. Noch vulkanischer als die Mittelmeergegend um die nach dem unglücklichen Messina genannte Straße herum ist die Insel Island in Europas fernstem Nordmeer. Dort zählt man 9 tätige Vulkane, deren Aschenregen zuweilen die norwegischen Küsten erreicht. Ihre wenig zalreichen Einwohner wissen wohl kaum das großartige Naturschauspiel gebührend zu würdigen, wenn die Feuersäulen aus den Schlünden des schneegckröiiten Hekla Hervorbrechen, und die ganze Insel wochenlang von den furchtbarsten Krämpfen ihres Erdinnern erschüttert wird. Opfer des Selbstmordes in den Vereinigten Staaten Im Jahre 1922 waren eS gegen 12000 Personen, die in den Vereinigten Staaten sich selbst das Leben nahinen. Be merkenswert ist die Tatsaclie, daß sich unter diesen nicht weniger als 79 Millionäre befanden. Die Selbstmörder, deren Zahl ungefähr dieselbe im vorhergehenden Jahr? war, rekrutierten sich ans allen Klassen, wohlhabende, durch soziale Stellung und hohe Bildung ausgezeichnete Persönlichkeiten nicht ausgeschlossen. Es befanden sich unter ihnen 38 Studenten, 60 Professoren »>d Schullehrer. 19 Predig?r und Führer religiöser Unternehmungen. 82 Richter und Rechtsanwälte, 84 Aerzte, 100 Präsidenten uics Direktoren größer?,: wirtschaftlicher Unternehmungen liebst einer Anzahl von Bankpräiidenteii. von denen einer nicht weniger als zehnmal einen Selbstmordversuch gemacht hat. Die Gründe, die viele zu diesem Schritt veranlaßten, waren oft fast lächerlich?r Natur. Ein junger Mann nahm sich das Leben, weil er gezwungen wurde, das Golfspiel anfzngebcn, ein Mädchen wegen Niedergeschlagenheit, nachdem si? sich das Haar hatte stutzen lassen, eine Frau nahm sich das Leben, weil sie zweimal den Zug verfehlt hatte, ein Mann, weil er das Ende der Welt fürchtete, ein anderer wegen eines Streites über eine Katze; einen Zuschneider brachte das Grübeln über die Frauen- moden des nächsten Frühjahres zum Selbstmord, während ein anderer die Kälte des Winters fürchtete und wieder andere Gif: nahmen, um einmal wieder eine neue Sensation zu erleben, wie ein zurückgelassener Brief b?zeugt?, oder um sich „einen Scherz zu erlauben". Außerordentlich traurig und ernst ist die Tatsache, daß un ter den Selbstmördern sich so viele Jugendliche befinden. Während im Jahre ISIS deren Zahl 477 betrug, stieg sie in den beiden folgenden Jahren auf 707 bezw. 888. 1922 betrug sie b?reits über 900. Das Durchschnittsalter dieser Jugendlichen betrug bei den Knaben 16, bei den Mädchen 15 Jahre; während letztere meistens Gift nahmen, griffen die Knaben zum Gewehr. Bei . einer Gelegenheit begingen innerhalb vier Tagen fünf Schülerinnen Selbstmord. seinS. Er wußte, er wird nicht schwindeln, und blieb er doch, so fiel er seiner Pflicht zum Opfer und keiner Schuld, und Gott und die Dankbarkeit der Stadt traten statt seiner in das Gelübde für die Seinen ein. Der Platz um Sankt Georg war mit Menschen angefüllt, die alle voll Angst nach dem Turmdache hmauf sahen. Der un geheure alte Bau stand wie ein Fels in d?m Kampf, d?n Blitzes- Helle mit der alten Nacht unermüdlich um ihn kämpfte. Jetzt umschlangen ihn tausend hastige glühende Arme mit solcher .Macht, daß er selber aufzuglühen schien unter ihrer Glut; wie eine Brandung lief es an ihm hinauf und stürzte gebrach?» zu rück, dann schlug die dunkle Flut der Nacht wieder über ihm zusamm?n. Ebenso oft tancbte die Menge aneinander gedrängter bleicher Gesichter auf um seinen Fuß und sank wieder ins Dun kel zurück. Der Sturm riß die Stehend?» an Hüten und Män- teln und schlug mit eigenen nnd fremden .Haaren und Kleider zipfeln nach ihnen, und warf sie mit seinem Schnecgeriesel, da» in dem Schein der Blitze wie glühender Funkenregen an ihnen herniederstäubte, als wollt? er si? cs büßen lassen, daß er ver geblich an den steinernen Rippen sich wund stieß. Und wie dte Menschen bald erschienen, bald verschwanden, so wurde ihr ver wirrtes Dnrcheinanderreden immer wieder vom Sturm und vom Donner übcrbraust und überrollt. Da rief einer, sich selbst tröstend: „eS ist ?in kalter Schlag gewesen. Man sieht ja nichts". Ein anderer meinte, die Flamme von dem Schlag könn? noch auSbrechcn. Ein dritter wurde zornig; er nahm den Einwand wie einen Wunsch, der Schlag möge nicht rin kalter gewesen sein, und die Flamme noch auSbrechen. Er hatte sich schon getröstet, und rächte sich für die Unruhe, die der Cinwand wieder neu in ihm erregte Viele sahen, vor Angst und Kälte zitternd, mit den geblendeten Augen stumpf in die Höhe, nnd wußten nicht mehr, warum. Hund?rt Stimmen setzten dagegen auseinander, welches Unglück die Stadt betreffen könne, ja betreffen müsse, wenn der Schlag kein kalter war. Einer sprach von der Natur der Schiefer, wie sie im Brande schmelzen und als brennende Schlacke straßenweit durch die Luft fliegend schon oft einen beginnenden Brand im Augenblick über eine ganze Stadt verbreitet hatten. Andere klagten, wie der Sturm einen möglichen Brand begünstige, un^> daß kein Wasser zum Löschen vorhanden sei. Nock, andere: und wäre welches vorhanden, so wübde eS vor der Kälte in den Spritzen nnd Schläuchen gefrieren. Die meisten stellten in angst voller Beredsamkeit den Gang dar, den d?r Brand nehmen würde. Stürzte das brennende Dachgebälk, so trieb cs der Sturm dahin, wo «in« dicht« HSusermasse fast an den Turm stieß. Hier war Nr. 74. Seite 6 Man fragt sich nach den tieferen Ursachen dieser traurigen Erscheinung. Gewiß mag in manch?» Fällen erb lich? Belastung mit der Grund sein; in anderen Fällen sind dis häuslichen Verhältnisse unerträglich. Endlich wird das Schul system verantwortlich ge»,acht. Diese drei Ursachen werden als die Hauptgründe für den häufigen Selbstmord bei Jugendlichen angegeben. Die Statistiken sind entnommen einem Berichte von H. M. Warren, dem Präsidenten der Antiselbstmordliga Save-a-Lift League von Newhork, und gewähren einen Einblick in den phy sischen und moralisch?» Zustand d?S aiilerikanischen Volkes. Si« zeigen, wie gering der Wert des Lebens eingeschätzt wird und wie sehr eS dem Volke an Kraft und Selbstbeherrschung fehlt. Der Hauptgrund ist Mangel an Religion unh Gottesfurcht. K. K. Die Uhren in Basel In Basel, der Stadt, sind vor Zeiten alle Uhren um eine Stunde zu früh gegangen, so daß, wenn's z. B. in Liestal elf Uhr war, die Glocke in Basel bereits alle zwölfe schug. Dies« sonderliche Gewohnheit war zurzeit großer Not ausgekommen, wie die Chronik erzählt. ES hatten nämlich die gemeinen Bürger von Basel einst einen Aufruhr vor, und zum Ausbruch desselben; war die Stunde der nächsten Mitternacht Schlag zwölf anberaunit worden. Der Rat, hiervon zu noch guter Zeit benachrichtigt, ließ' hierauf in der nämlichen Nacht alle Glockenuhren der Stadt die verabredete Stunde überspringe», und statt zwölf ein Uhr schlagen. Hierdurch wurden die Empörer irre gemacht. Jeder bildete sich nämlich ei», daß er die Stunde verfehlt hätte; »ich weil in der verflossenen Stunde alles still und ruhig gebieben! war, so glaubte auch jeder, daß seine Mitverschworuen eines! andern Sinnes geworden waren; er hielt sich also gleichfalls ruhig, und aus dem vorgehabten Aufruhr ist nichts geworden. Zum Andenken aber an diese Begebenheit und zur Mahnung, daß die Obrigkeit im wachsam sei, ließen die Herren vom Rat dte Uhren fortan gehen, wie sie in jener Nacht gestellt wor den waren. Lange Zeit nachher — die Einwohner hatten sich au die sonderbare Einrichtung schon gewöhnt, als müßte es so sein — da ward von dem Rate der Beschluß gefaßt, daß, »in mit dem Zeitgeist gleichen Schritt zu halten, die Baseler Uhren wieder- in Ucbereinstimmung gebracht werden sollten mit denen in der übrigen Welt. Also wurden in einer Nacht alle Uhren um eins Stunde zurückgestellt. Da hätt« man aber sehen solle», welche Unordnung hierdurch in der ganzen Stadt entstanden. Gleich des Morgens kamen die Gesellen und andere Arbeiter um eine Stunde zu spät zum Werk, die Käufer und Verkäufer zu spät zum Markt, die Kinder und andere Leute zu spät in die Kirche und zur Schule. Es gab Zank und Streit überall, i» allen Fa milien. Mittags um elf Uhr waren freilich alle zur rechten Zeih bei Tische (der Hiinger kennt keine Uhr); aber um so träger gingen sie um zwölf Uhr zur Arbeit, die sie erst um ein Uhr zu beginnen gewohnt waren. Der Nachmittag lief im allgemeinen ruhig und ordentlich ab, außer daß einige Basen und Gevat terinnen, die auf drei Uhr (alten Stils) geladen waren, genau um drei Uhr (neuen Stils), also um eine Stunde zu spät kamen, so daß der Kaffee verraucht und die Milch verdorben war, was viel Mißvergnügen macht. Aber abends ging erst der Spektakel los. Es hatten gar viele Landlente, die in der Stadt, und viele Stadtlente, die ans dem Lande Ware», die Zeit der Tor sperre verabsäumt, welche früherhin aus siebe» Uhr, jetzt auf sechs Uhr festgesetzt war. Da entstand denn großes Gemurre ob den Strafpfennigeii, welche die Pförtner einforderten. Zum vollen Ausbruche kam jedoch das Mißvergnügen um zehn Uhr, zur Stunde, wo in den Wirtshäusern ausgeboten wurde. Die Bür ger, ohnehin schon erbost über die Neuerung, wie sie'S nannten, nnd vollends erhitzt durch das genossene Getränk, weigerten sich, die Trinkstuben zu verlassen. Es sei Herkommen, sagten sie, daß erst um elf Uhr die Wirtshäuser geschlossen und die Gäste ausgewiesen werde» sollen. Also steh' es geschrieben. Löblicher Rat habe keine Befugnis, »ach Willkür neue Ordnungen zu machen und die Bürgerschaft in ihren alten Rechten zu schmälern. Gehorsam sei man von nuten herauf nur so lange schuldig, als von oben herab Gerechtigkeit geschehe. Als die Ratshcrren das erfuhren, und später die Kunde erhielten, daß Gefahr sei zu förmlichem Aufruhr gemeiner Bürgerschaft, so versammel ten sie sich noch zu dersclbigen Stunde auf dem Gemei»dehause, und »ach kurzer Ueberlegung faßten sie den Beschluß, daß es in Ansehung der Uhren'beim alten bleiben solle. Also zur Zeit, wo es hätte zwölf schlagen solle», schlug cs eins; und die Bürger, als sie das hörten, gingen zufrieden nach Hause. Von der Zeit a» war wieder Ruhe in Basel, der Stadt. Leser, welche sich aus jeglicher Geschichte eine Lehre ab« sehen wollen, können sich hier diese abnehmen: erstens, der Zweck aller Einrichtung in Haus und Stadt ist Ordnung und Friede. Zweitens, Sitte, Gewohnheit, eigener Wille ist der Ge sellschaft, wie den einzelnen, ihr Himmel. Drittens und letztens: ob ein Volk ein Jahrhundert zu spät oder ein Jahrhundert zu früh daran sek, ist dann gleichgültig, — >»en» das Volk untey den obwaltende» Umständen das ist, was es sein kan» nnd soll: durch Ordnung gut und durch Frieden glücklich. Ein Volksbüchlein II (1839). die feuergefährlichste Stelle der ganzen Stadt. Zahllose hölzerne Emporlambcn in engen Höfen, bretierne Dachgiebcl, schindeln gedeckte Schuppen, alles so zusammengepreßi, daß nirgends ein- Spritze hineinzubringen, nirgends eine Löschmannschaft mit Er folg anznftellen war. Stürzt? das brennende Dachgebälke wie nicht anders möglich war, nach dieser Seite, so war das ganze Stadtviertel, das vor dem Winde lag, bei dem Sturm nnd Wassermangel unrettbar verloren. Diese Auseinandersetzungen brachten Aengstlichere so auS der Fassung, daß jeder neue Blitz ihnen als die ouSbrechcnde Flamme erschien. Daß jeder nur eine Seite der Dnrmdackiflamme übersehen könnt?, begünstigte die Fortpflanzung deS Irrtums ES war wunderlich, aber man hörte nur von allen S?iten zugleich das Geschrei: „Wo? Wo?" Sturm und Donner verhinderten die Verständigung. Jeder wollte selbst sehen: so entstand ein wild?S Gedränge. „Wo hat es hingeschlagen?" fragte ApolloniuS, der eben daher kam. „In die Seite nach Brambach zu." antworteten viele Stimmen. ApolloniuS machte sich Bahn durch die Menge. Mit großen Schritten eilt? er die Turmtreppe hinauf. Er war den langsamer» Begleitern um eine gute Strecke voran?. Oben fragt? er vergebens. Die Türmerslente meinten, eS müsse ein kalter Schlag gewesen sein, und waren doch im Begriff, ihre besten Sachen ziisamm?nzuraffen, um vom Turme zu fliehen. Nur der Gesell, den er am Ofen beschäftigt fand, besaß noch Fassung. ApolloniuS eilte mit Laternen nach dem Dachgebälk, um sie da aufzuhängen. Die Leitcrtreppe zitterte nicht mehr unter seinen Füßen: er war zu eilig, daS zu bemerken. Innen am Dachgebälke wurde ApolloniuS keine Spur von einem be ginnenden Brande gewahr. Weder der Schwefelgeruch, der einen Einschlag bezeichnet, noch gewöhnlicher Rauch war zu bemerken. ApolloniuS hörte seine Begleiter auf der Treppe. Er rief ihnen zu, er sei hier. In dem" Augenblicke zuckte eS blau zu allen Turmluken herein und unmittelbar darauf rüttelte ein prasseln der Donner an dem Turm. ApolloniuS stand erst wie betäubt. Hätte er nicht unwillkürlich nach einem Dalken gegriffen, er wäre nmgefall?» von der Ersckiütterung. Ein dicker Schwefel- aualm benabm ihm den Atem. Er sprang nach der nächsten Dachluke, um frische Luft zu schöpfen. Die Werkl?uie, denk Schlage ferner, waren nicht betäubt worden, aber vor Schreckest auf den obersten Treppenstufen stehen geblieb?». „Herauf!" rief ihnen AvolloniuS zu. „Schnell das Wass?rl die Spritze! In diese Seite muß eS geschlagen haben, von da kam Luftdruck und Schwefelgeruch. Schnell mit Wasser und Spritze an die A»S- fahrtür. . ^ (Fnrtsebung folgt.)»
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