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> Bezug-pret«, AuSaab« 1 Mil 2 Beilagen inerteijthrltch 2,1« n». In Dresden durch Boten 2,4» X. I» ganz Deutschland lrel Hau» 2.5!» in Oesterreich 4.4.1 L An-aabe » nur mit Feierabend vierteljährlich IdM In Dresden durch Bolen 2,1V In ganz Deutschland srei Hau« 2,22 : tn Oesterreich 4,»7 L — Linzel-Rr. 1v 4 Redaktions-Sprechstunde: 10 btS 11 Uhr vormittags. Für Rückgabe eingesandter Schriftstücke macht sich die Redattton nicht verbindlich; Rücksendung erfolgt, wenn Rückporto bet- gcfügt Ist Brieflichen Anfragen ist ilntwortsporto beizusügen Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit rtut«rhaltunK»beilag« Die illustrierte Zeit , und Sonirta-sbeilage Feierabend Nr. 66 Fernsprecher 1366 Freitag, den 21. März 1913 — — > » Unzetgeu, Annahme von EeichüilSanzeigen dis I« Uhi, von FSmilien- anzeigen bis 12 Uhr. Preis für die Pettt-Spailzeile 2» 4. im Rellamelcii U«) g. Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fernsprecher aus. gegebene Anzeigen ISnnen wir die Beranlwortlichlctt sür die Richtigkeit deS Textes nicht übernehmen. Gcschüürstelle und Redaktion Dresden, Hoidcinslraxc SS Fernsprecher 136<i 12. Jahrg. Karfreitag Als sich bei Anbruch des Karfreitags das Synedrium versanimelte, um über die Hinrichtung Jesu zu beraten, er wachte in Jerusalem weit über eine halbe Million Menlchen. Das nachexilische Jerusalem hatte zur Zeit, da Alexander der Große Persien eroberte (333 v. Ehr.), nach dem Bericht des Geschichtsschreibers Hecataeus von Abdcra schon wieder 120 000 Einwohner. Z Unter den Herodäern stieg die Zahl auf 200 000 und der Umfang der Stadt auf 33 Stadien (6,3 Kilometer). 2) Dazu kamen an Festen, besonders Ostern, die Scharen der Pilger. Ostern war das Fest der Feste. Zu seiner Feier gehörte die Bisitatio des Tempels Der Zulauf des Volkes aus allen Teilen der damals be kannten Erde war gewaltig.') Weitgehende Gastfreund schaft wurde geübt. Folgen wir mit freier Betrachtung der heiligen Schrift über den Karfreitag. Die Kunde von der Gefangennahme des Propheten durchlief Jerusalem. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Wer bleibt zu Hause, wenn Jesus von Nazareth gerichtet wird?*) Eine ungeheure Menschen menge begleitet den Heiland vom Palaste des Kaiphas nach dem Prätorium des Pilatus. Menschen auf den Dächern, in den Fenstern, vor den Türen; durch enge Straßen, über freie Plätze wälzt sich ein schwarzer Strom von Menschen. Der Stadtpöbel, Bettler und Landstreicher von nah und fern sind zur Stelle und für ein paar Pfennige zu haben, pur auf Verlangen „erueikixel" zu schreien. Die Sonne brennt heiß, und eine Wolke von Dunst und Staub liegt über deni Gewühl. Die Lempelwachc hat den Erlöser in die Mitte genommen. Die Leviten haben blank gezogen. Ihre Diener tragen noch die erloschenen Fackeln und Laternen. Die Rotte macht einen übernächtigen Eindruck. Einzelne stolpern halbtrunken vorwärts und geben sich alle Mühe, durch aufgeregtes Lärmen die Zuschauer von der Wichtigkeit ihres Auftrages und von der Gewissenhaftigkeit keiner Durchführung zu überzeugen. „Nasch, rasch!" heißt die geheime Losung. Der Handstreich muß gelingen. Jetzt oder nie! Auf dem Forum vor dem Gerichtshause hat die römische Besatzung Posto gefaßt. Sie war wegen der an Festtagen drohenden Unruhen auf etwa 1000 Mann verstärkt.") Ein Teil der Kohorte hat die Freitreppe besetzt, die zu der mit Mosaik belegten Terrasse führt, die sich vor dem Palaste des Landpflegers befindet. Ein anderer Teil ist in voller Rüstung wie eine Doppelmauer aufgebant, den ersten An sturm deS Volkes unerbittlich streng zu brechen. Auf der Erhöhung vor dem Gcrichtshause, die das Evangelium Ltthostroton oder Gabbatha nennt, steht der Nichterstuhl des kaiserlichen Prokurators. °) Das Gedränge wird beängstigend. Die Hastati (Lanzen träger) halten ihre Speere vor, und wer nicht hincinrenncn will, muß zurück. „Zurück!" ruft mit rauher Stimme der Hauptmann dem Volke zu und reitet erbarmungslos in. den Menschenstrom hinein. „Zurück!" — Wer kann zurück? Alle Straßen, die an den Markt grenzen, speien neue Massen auf den Platz. Die Hilferufe der Niedergetretenen und Halberdrücktcn klingen schauerlich. — So brandet das Meer schäumend und zischend gegen Felsen. Der Fels aber steht unerschütterlich. Christus wird in das Gerichtshaus geführt, verhört und zu Herodes geschickt. Der römische Hauptmann und seine Mannschaften müssen alles anfbieten, den Transport vor dem Gift und Geifer der rasenden Juden zu schützen. Im Narrenkleid kommt Jesus zurück. Wieherndes Gelächter umbraust ihn. Christus — Varrabas! Mit wilden Augen und vertierten Zügen starrt Barrabas in die Mcnschen- massen. Der Gedanke des Richters, im Prozesse Wider Jesils, den der Neid ihm aufgedrungen, von seinem Be gnadigungsrechte Gebrauch und durch Gegenüberstellung des sanften, noch im Leid hohcitsvollen Christus mit dem berüchtigten Raubmörder dem Volke die Wahl leicht zu machen — war zu plötzlich gekommen. Barrabas begreift 0 Wetz« und Welke .Kirchenlexikon'. VI. 1320. ^ Brock hau» .Konoersaiionslexikon'. IX. Si-2. ') Meschler .Da» Leben unsere» Herrn Jesu Cyristt'. I. 188. *) Bcrgl. Luc. 24, 18: »Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem ....' S-pp-Hanneberg »Da» Leben Jesu'. V. 277. «) Vergl. Loch-Reischl »Die heiligen Schriften de» Neuen Testamente»'. I. 186. h Vergl. Karl Weiser .Jesu»'. IV. W. nicht, was or hier soll. Da entdeckt er in der Menge seine Spießgesellen. Sie legen die Hand an den Mund und rufen ihm Mut zu Ter Mörder beginnt zu verstehen. Er fährt sich durch das struppige Haar und grinst mit breitem Lachen in die Hefe des Volkes. Ein Trompetenstoß. Pilatus macht ein Zeichen. Er will reden. Allmählich wird es still. „Welchen wollt ihr, daß ich euch losgebe? Den Barrabas oder Jesum, der Christus genannt wird?" Sv spricht er langsam aus hebräisch mit römischem Akzent. Man versteht ihn nicht. „Lauter!" schreien einige aus dem Pöbel. „Ruhe!" donnert ein Centurio, die Hand am Schwert. Ter römische Richter wiederholt seine Worte und begleitet sie mit den Bewe gungen der Hand: Den oder den? Da bricht es los wie ein Orkan, wie ein wildes Tier brüllt und stampft der Haufe, drängt vor, weicht vor den Lanzen der Soldaten zurück, stürmt wieder an: „Barrabas, Barrabas!" — Barrabas frei! Mit einem Satz ist er über die Brüstung gesprungen und liegt in den Armen seiner Komplicen. Er wird auf die Schulter gehoben und im Triumph sortge- tragen. Alle Blicke wenden sich der widerlichen Szene zu. Nur die Schriftgelehrten und Pharisäer weiden sich in teuf lischer Bosheit an dem Bilde des verlassenen Galiläers.') Wieder spricht Pilatus. „Was soll ich denn mit Jesu machen . . .?" — „Oucil'i^e-, eriieiki^e!" — DaS Volk, das seinen Verstand verloren, verliert nun auch sein Herz. Der Tiger ist erwacht. Er will Blut, Blut. — „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Ter Landpflegec ist daran, seine Ruhe zu verlieren. In seiner Seele kämpft Recht und Unrecht, Mut und Furcht, Himmel und Hölle! Die Entscheidung steht ans des Messens Schneide. Pilatus, sei tapfer, sei stark! Halte stmd! „Habe nichts zu schassen mit dem Gerechten!" Und in Aeonen wird dein Name leuchten, werden Märthrer und Heilige vor dir sich neigend sprechen: „Gerettet unter Pon tius Pilatus." — Sie haben ihn gekreuzigt, gekreuzigt seinen Leib, seine Liebe konnten sie nicht kreuzigen. „Die Liebe Hort nie auf." — Nacht und Nebel weben den Trauerflor um Golgatha. Es ist totenstill. Nur das Blut des Erlösers tropft und sickert leise in die Erde. O Erde, die du sein Blut getrunken, — sei verflucht! O Menschen, die ihr sein Kreuz errichtet, — seid verdammt! Nein, nicht verflucht, nicht verdammt, erlöst, gereinigt und geheiligt — „in Mractmo" — durch dein Kreuz und Blut, o Jesu! 8. Ueber den königsmord rn Saloniki liegen auch heute noch keine Nachrichten vor, die einen be stimmten Schluß auf die Motive des Täters gestatten wür den. Etlichen Meldungen zufolge handelt es sich um einen Wahnsinnigen, während anderseits behauptet wird, es sei doch nicht ausgeschlossen, daß es sich um einen rachsüchtigen Griechen handle. Nach Mitteilungen aus. Athener politischen Kreisen soll der Mörder ein bekannter Anarchist sein. Dem „Verl. Lokalanz." zufolge soll sich der Betreffende bei seinem Verhör auf der Polizei als Sozialist bezeichnet haben. Er gab an, Schimas zu heißen, zeigte keine Spur von Neue, sondern antwortete, er werde vor dem Tribunal sagen, warum er den König getötet habe. Es ist schwer zn glauben, daß bei diesem verruchten Morde nationale Momente nicht auch mitgcspielt haben sollten, zum mindesten indirekt. Wir haben schon gestern ausgefllhrt, daß dieser Gedanke gerade in Saloniki sehr nahe liegt. Sollte er sich bewahrbeite», dann würden aus dem Königsmoide sehr ernste politische Folgen erwachsen. In de» letzten Tagen munkelte man von geheimen Verhandlun gen, die zwischen der Pforte und Griechenland wegen eines Bündnisses stattfändeu. Man erinneite sich an die türkisch- griechischen Verhandlungen, die bis zum Beginn der Feind seligkeiten geführt wurden. Damals ist Griechenland schwankend gewesen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es sich zurzeit in einer ähnlichen Lage befindet, in die es lehr lenkst durch die Reibereien mit den Bulgaren hineingeraten sein kann. Möglich, daß durch derartige Gerüchte die bulgari schen Leidenschaften erregt worden sind. Vielleicht werden die nächsten Tage schon hierüber Klärung bringen. Der Königsmord erfolgte in einein Augenblicke, wo das Griechen volk kriegerische und politische Erfolge davonzutragen im Begriffe steht, die vorher kaum einer erwartet haben wag; in einem Augenblicke, wo das griechische Heer die im letzten Türkenkriege verlorene militärische Ehre wiederbergestellt hac. Kaum denkbar, daß in diesem Augenblicke ein Grieche der Meuchelmörder gewesen sein könnte! Wenn aber wirk lich der Grieche Schinas der Mörder ist, dann muß man trotz der Grauenhaftigkeit der Tat noch froh sein, daß sie vielleicht nicht zu einem gegenseitigen blutigem Morden zwi schen Griechen, Türken und Bulgaren führen wird. Nicht allein das Griecheuvolk wird durch die entsetzliche Kunde von dem Königsmord in Trauer versetzt. Mit dem Griechenvolk trauern drei Herrscherhäuser: das dänische, dem König Georg entsprossen ist, das russische, dem seine Gemahlin entstammt, und das deutsche Kaiserhaus, dein die Gattin des Thronfolger Konstantin, Sophie, die Tochter Kaiser Friedrichs, entstammt Der Königsmorö von Saloniki ist aber auch sür Eurova eine laute Mahnung, nun so bald wie möglich und mit aller zulässigen Energie an die Herstellung der Ordnung am Bal kan zu schreiten. Zögert Europa noch, dem Balkänkriege ein rasches Ende zu bereiten, streitet die europäische Diplo matie uni akademische Erörterungen herum, so ist die Ge fahr vorhanden, daß die Bluttat von Saloniki vielleicht auch anderswo am Balkan eine Wiederholung findet. Sowohl in Belgrad als auch in Sofia werden Stimmen des Unmutes gegen die Dynastien laut und in den Schwarzen Bergen wackelt Nikitas Thron ganz bedenklich. Der Krieg auf dem Balkan Eine österreichisch.ungarische Flvttcndeiiioustrativ» gegen Montenegro Am Mittwoch früh sind aus Pola zwei Divisionen in der Richtung nach dem Südeil abgedampst. Ria» bringt diese Maßnahme mit der Durchsuchung und Bedrohung eines österreichischen Dampfers in San Giovanni di Medua und der Beschießung deS Europäervicrtels in Skutari ist Verbindung. In Giovanni di Medua wurde nämlich von den Montenegrinern ein Schiff, das die österreichisch-nuga- rische Flagge trug, angehalten und belästigt. Es handelt sich um den Dampfer „Skodra" der Ungarisch-Kroatischen Schiffsgesellschaft. Die bisherigen Nachrichten über den Vorfall deuten auf eine ernste Verletzung des Völkerrechtes hin. Was aber die Beschießung Skutaris anbelangt, so zielt Montenegro augenscheinlich nicht auf die Niederkämp- fung der Fortifikationen, sondern auf völlige Zerstör u n g der Stadt, insbesondere des von den Ausländern be wohnten Stadtviertels. Außer dem österreichisch-ungarischen Konsulat und dem italienischen Waisenhaus soll auch das österreichisch-ungarische Waisenhaus, sowie mehrere Häuser, deren Besitzer österreichisch-ungarische Staatsangehörige sind, durch Granaten beinahe völlig zerstört worden sein. Tie Kirche, in welcher der Erzbischof und viele Katholiken seine Zuflucht hat, wird beschossen. Frauen und sogar Nonnen sind schwer verletzt. Das FrauziSkanerkloster soll teilweise durch Bomben zerstört sein. Einige Blätter geben der Meinung Ausdruck, daß diese Vorkommnisse zu einem ernsten Konflikt zwischen Oesterreich-Ungarn und Monte- negco führen könnten. Wie die Neicbspost erfährt, steh: e:n energischer Schritt Oesterreich-Ungarns zur Wahrung seiner Interessen an der Westküste Albaniens gegenüber dein ekla ' tonten Bruch des Völkerrechtes durch die Kriegführende» bevor. Der Gesandte in Cetiuje sei beauftragt worden, bei der montenegrinischen Negierung energisch zu intervenieren. Sein Bericht soll für die weitere Entschließung Oeilerreicb- Ilngarns entscheidend sein. Eiiislweilen soll die obener wähnte F l o t t e n d e m o n st r a t i o n den Montenegri nern Respekt einflößen. Urbcr die Beschießung Skutaris wird uns ans Skutari von besonderer Seite noch gemeldet: Besonders das Enropäerviertcl soll stark beschädigt sein. Auch das österreichisch-ungarische Konsulat hat durch ein montenegrinisches Geschütz schwere Beschädigungen erlitten. Der Erzbischof von Skutari weilt mit mehreren tausend Flüchtlingen in der katholischen Kathedrale. Auch gegen Wegen des Karfreitages erscheint die nächste Nummer erst Sonnabend den 22. März nachmittags. "MW