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Aeber die Konfession der Selbstmörder veröffentlicht ?. Krose 8. 3. im dritten Bande des von ihm redigierten kirchlichen Jahrbuchs (Freiburg, Herder 1911) einige Notizen. Hält man an der durch das Kaiser liche Statistische Amt für das Reich gefundenen Durch- fchnittsziffer von 223 Selbstmördern auf eine Million Men schen im Reiche fest, so weisen demgegenüber die preußischen Provinzen und die größeren Bundesstaaten im Jahre 1909 folgende Zahlen auf: Ostpreußen 166, Westpreußcn 137, Stadt Berlin 327, Brandenburg 360, Pommern 180, Posen 123, Schlesien L33, Provinz Sachsen 322, Schleswig-Holstein 299, Han nover 216, Westfalen 143, Hessen-Nassau 217, Rheinland (mit Hohenzollcrn) 131, Bayern rechts des Rheins 149, Pfalz 204, Königreich Sachsen 320, Württemberg 202, Baden 221, Hessen 236, Mecklenburg 220, Oldenburg 303. Braunschweig 326, Thüringische Staaten 389, Bremen ^06, Hamburg 360, Elsaß-Lothringen 162. Weit über dein Durchschnitt stehen die Städte Bremen. Hainburg, Berlin und die Provinz Brandenburg, besonders aber die mitteldeutschen Gebiete, Sachsen, die thü ringischen Staaten, Braunschweig, die Provinz Schleswig- Holstein; umgekehrt weit hinter dem Durchschnitt bleiben zurück: Rheinland, Westfalen, Posen, Bayern, Westpreußen und Elsaß-Lothringen. Nach der konfessionellen Gliederung der Bevölkerung aller dieser Gebietsteile ist der Schluß berechtigt, daß in Gebieten, wo der katholische Volksteil einen erheblichen Prozentsatz beträgt, der Selbstmord keineswegs jene häufige Erschciuung ist, wie in andersgearteten Gebietsteilen. Diese Tatsache bestätigt sich, wenn man die Häufigkeit des Selbst mordes auf die Angehörigen der gleichen Konfession be rechnet. So fand K.rose Selbstmörder (auf eine Million): bei Kntbo!. bci Protest. bei Joden in Preußen 1891—1900 93 247 241 (1907) 105 255 356 in Bayern 1890—1899 93 210 212 1901—1906 101 224 ? 1908 112 243 ? in Württemberg 1899—1908 119 190 200 in Baden 1896-1905 161 267 269 in Elf -Lothring. 1906—1909 103 260 140 Die weitaus günstigere Stellung der Katholiken zum Verbrechen des Selbstmordes erhellt hieraus zur Evidenz. Neun Zehntel aller deutschen Katholiken wohnen in den ge nannten Gebietsteilen. Man darf deshalb die Selbstmord- ziffcr der Katholiken mit 110 veranschlagen, diejenige der Protestanten unter Hinzurechnung der ganz besonders- selbstnwrdreichen Gebiete Mitteldeutschlands ans 260. Bei der sich für die Juden ergebenden ebenfalls sehr hohen Ziffer ist zu bedenke», daß sie sich gegenüber derjenigen der beiden anderen auf ungleich andere absolute Zahlen stützt, die Verteilung der jüdischen Bevölkerung ans Stadt und Land aber außerdem eine ganz anormale ist. Sie kann deswegen auch nicht mit derselben Sicherheit wie die beiden anderen Tnrchschnittsziffern bewertet werden. Soziales. n Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitern ist nicht deshalb oft unleidlich und gespannt, weil der Ar beitgeber oder die Werksleitung es an sozialer Einsicht und Menschlichkeit fehlen ließen, sondern der Fehler liegt oft an ungeeigneten Werksbeamten. So schreibt der Gewerbeanf sichtsbeamte für Lothringen, Herr Gewerbe- und Regic- rungsrat Nick, im Jahresbericht für 1910: „Zu den größten Hindernissen des Arbeiter-Friedens gehört die weite Entfernung zwischen den Arbeitern und der Werksleitung. Aus vielfach vorgebrachten Klagen der Arbeiter gebt hervor, daß den Werkmeistern immer noch viel zu viel Einfluß zugestanden wird. Anstellung und Ent lassung, Bestrafung, Festsetzung der Löhne hängt häufig von ihnen ab. Dabei sind sie oft parteiisch und hart und können durch ihre Ungeschicklichkeit und Ungerechtigkeit die besten freundlichsten Absichten des Unternehmers znnichte machen. Dadurch schaden sie sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern, da gute Beziehungen zwischen den beiden Parteien zum Gedeihen der Industrie wesentlich beitragen." Von Unternehmerseite ist einmal mit Bezug auf die Arbeiter das Wort Kamerad gefallen. Leider sind wir »och recht weit von dem Zustande entfernt, wo dies Wort in unserem Gewerbe allgemeine Gültigkeit hätte. Die christlich-nationale Arbeiterbewegung arbeitet systematisch darauf hin, diesem Zustande näher zu kommen. Leider findet sie im Unternehmerlager wie in manchen Beamten kreisen für dieses Bestreben noch viel Vorurteil und Widerstand. HZeklattiationrn« weg?« »ttircgelmäßigcr Lieferung oder Nichterhalten der Zeitung durch die Post bitten wir stets be dem betr,ffenden Postamte an- znbringen, be« dem die Zeitu.g bestellt worden ist. Schramm § kMemever. vresäen 8668ti-. 16 sUInIKkcholei) Pii-nsi8vlis 8lr. 2 von 4 ssg. so. l.kmäliau88tr. 27 212 ZOO Sorten Lixaretten. M kauclitabake ItvollMt« an nnerkannt »G«-in. öilligsts 6vrug3l>uoIIv bogtor Fabrikats von tapeten uncl Linoleum Voi-jjiki-igs unU unlvi- kräunixer 6e Idjaxsl Orosäon, Marion8tr. 7 fpiMiirl. — ssornspr. 640. I. Sp«»i»Ig»»vt,Stt »in p>»1»». feine in- u. aurlänUircde fleirck-unaAulriwalen Eigene rchIScdtevet. Ieüen vlenrlag ScklsedNert. rperlsliiSti b»u»»cd>»cl,»e»e Slut- una rebenvuvrt. ). Schneider vorin. L. Angerftei« Vrei0en-5tr.. Sokrbergrttayr 27. trink« vresäen-KMnltrer Mineralbrunnen un«I vresäen-ürlesnilrer sruchtlimonaik. l^iillunx »ua «i«r liiinix-Vrl««iriv>i-^uxuatHelI«ineIIs r« Itriaelon-Krivanitr. >;47 IjUrklonwui-ii» Lrimin^arvti bei k Itttppvl, I>re»N«n, Obcrgraben », Kamenzer Straße 22. vruno Vinter, VMauerei I ain-rin.l'knnkarn Hauptgeschäft:Nkiksn>,sIn«i-8lr, 1,2 p, > liUlillvtH Zweites Geschärt: llireict sm Llläkrisilltot Anfertigung von KrsdOsnlcmSlsrn unN Urnen aller /trlsn, 80«is Erneuerung aller Lrsbllsnkmalsr in Mtnrrnor, Szfvnil, ki »nie und 8»n«t»t«in. kiltige »1 wö--s SvlIlvNUNU. >2 Unglück — jedenfalls aber bi» ich viel zu jung, »m mir fortwährend so düstere Gedanken zu machen." Der Kopf schmerzte ihn, und er inachte einen Spaziergang in den Park. Als die Nacht herabsank, saß er ein paar Stunden mit Tante Sibylla zu sammen, um seinen Bruder zu erwarten. Aber es wurde zehn und elf Uhr — und noch immer waren sie nicht da. Da legte er sich zur Ruhe und verfiel in einen schwere», traumlosen Schlaf. 2. Herr v. Sonnenbcrg war mit Susi und Wolf spät in der Nacht hcimgc- kehrt, und Erich wußte, daß sie vor Mittag nicht sichtbar sein würden. Nun wollte er an dem freien Morgen wieder einmal nach Herzenslust die Heimat durchstreifen: er hängte des Königs Rock in den Schrank, legte Zivil an und machte sich auf den Weg. Es war ein wundervoller Herbstmorgen. Wie von Gold dnrchsponnen war dis Luft und so klar und frisch und rein, daß es eine Wonne war, sie zu atmen: ein warmes Leuchten lag über Wiesen und Feldern, und in hundert bunten leuchtenden Farben sprühte das Laub der Bäume. Erichs Brust hob sich höher und freier, seine Wangen röteten sich, und als er wie durch goldene Pforten in die prunkenden Hallen des Waldes trat, wo die Stämme wie silberne und marmorne Säulen aufstiegen, und sich die hohen farben- sprühonden Kuppeln des Blättcrdaches wölbten, stieß er eine» lauten fröh- , lichen Jauchzer aus. Ein stilles hohes Wunder war dieser leise atmende Herbstwald init seinen tausend goldenen Fenstern, durch welche das Helle Sonnenlicht blitzte und eine reiche Farbensymphonie vor das Angc zauberte. Leichten Fußes schritt Erich auf dem schmalen Wege dahin, den die fallenden Blätter wie ein bunter, weicher Teppich bedeckten. Nun stand er vor einem langen, schmalen Waldtale, durch das ein munterer Bach seine silberne Furche zog. Grüne Wiesen lagen im kühlen Grunde, niederes Busch werk sniuilte die Hänge und auf den Höhen rauschte der Hochwald. Eine breite, natürliche Terrasse schob sich in das Tal hinein, und hier erhob sich ein sclynnckes Hans imt grüngestrichenen Läden, einem mächtigen Hirschgeweih über der breiten Flügeltüre und zwei Reihen blanker Fenster, in denen die Sonne goldene Flammen entzündete — das Förstechausl Bci seinem Anblick klopfte Erich das Herz. Wie ein stiller Märchenbau ragt es iu dem einsamen, friedlichen Tale empor. Blumen blühten an den Fenster», ein zahmes Reh äste auf dem Anger, und ringsum schien der Wald zu blühen, so hell leuchteten die Farben seiner Blätter: blaßrot die Buchen, goldgelb und rostbraun die Eichen, purpurn der Ahorn, weiß und blaßgrün die Birken. Zur Seite standen drei hohe dunkle Wettertannen wie trntzige Wächter deS Tales. Erich lehnte sich an den silberschinnnernden Stamm einer Buche, in dessen Rinde eine Menge Namen geschnitten waren, schlang den Arm um ihn und blickte träumend und voll Sehnsucht hinüber zu dem freundlichen Hause. In seiner Brust Hub es an zu singen und zu klingen, als sei ein altes, längst vergessenes Lied wieder lebendig geworden und hebe nun zu tönen an . . . — 9 — „Wir müssen immersort an uns selber arbeiten, wenn wir wahrhaft groß und gut werden wollen, lieber Rainer," sagte sie. Herr v Sonnenberg lachte „Siehe da," rief er, „meine liebe Sibylla ist eine Sibylle geworden! Sag' 'mal ehrlich: Wo steht der weise Spruch? Bei Schiller oder bei Goethe? Das sind ja so deine Lieblingsdichter." Sibylla y. Hohenberg schien von diesem Spott verletzt. „Bei keinem von beiden,' sagte sie mit majestätischer Würde. „Es ist ein Satz, den mich die Erfahrung gelehrt hat." „Na, na," spottete Sonnenberg, „irgendein Poet ist sicher Pate ge standen bei dieser Weisheitslehre. Ich kenne dich, Sibylla: wenn du eineni deine berühmte» Aphorismen znm besten gibst und der Name des Vaters dir entfalleil ist, so berufst d» dich auf deine Erfahrung. Und davor muß ich dann dis Waffen strecken. Aber diesmal glaube ich dir aufs Wort — denn gut bist du immer gewesen. Darum bringe ich dir meine Blume — Prost!" „Wenn man sei» Leben lang so viel Unklugheiten und Ueberflüssiges reden hört, da lernt man schließlich einsehen, daß Schweigen die größte Tugend ist." „Das ist sicher von Goethe: ich schwör darauf!" rief v. Sonnenberg und füllte sein Glas aufs neue. „Sibylla, ich bekomme ordentlich Respekt vor dir — d» bist Moltke der Zweite. Ich kapituliere." Sibylla würdigte ihn keiner Antwort, sondern beschästigte sich ange legentlich mit einem Nebhuhnflügcl. Erich hatte bisher schweigend zngehört. Die Leichtfertigkeit, mit der sein Vater von einer so ernsten und wichtigen Sache sprach, verletzte ihn. Sein Vater allerdings, auch seine Schwester und der kleine, joviale Baron nahmen das Leben von der leichtesten Seite. Der Baron allerdings hatte die nötigen Mittel dazu und konnte sich das leisten. Aber die Seinen? ... Es wußte doch jeder im Kreise, wie es mit Hans Sonnenherg stand. Und trotzdem das flotte, oberflächlicl>e Leben! Sein Vater schlief jeden Tag bis zehn, schika- nierte die Arbeiter auf den Feldern, machte seinen Spazierritt, soupierte gut und trank seinen Wein — das ging so Tag für Tag. Und Susi, seine Schwester, lebte ganz als große Dame, trug nur seidene Kleider, verwandte halbe Tage auf ihre Toilette, ritt und flirtete, »nd fehlte bei keiner Festlich keit. Dir denn das gelebt? Nein — das war das Leben vergeudet! Er hatte sich nie mit dieser leichten Lebensauffassung, die das Leben nur als ein leichtes, tändelndes Spiel ansah, befreunden können. Dies ernste, heilige Leben stellte doch wahrlich andere Anforderungen an den Mann und an jeden Menschen. Ihm war cs ein kostbares Gut, wo jede Minute unver gänglichen Wert besaß. Er war nur widerwillig Offizier geworden; aber nachdem er einmal des König-Z Nock trug, hatte er die höchste Ehre darein- gesetzt, seine Pflichte» aufs gewissenhafteste zu erfüllen und sich nicht die ge- ringste Nachlässigkeit oder Verfehlung zuschulden kommen zu lassen. Was ihm an Begabung und Neigung abging, suchte er durch Eifer und Fleiß zu er setzen. Das Kleid, das er trug, »vor für ihn ein Ehrenkleid, das keinen Flecken duldet, und in dem Stand, denr er angehörte, suchte er das Ideal eines Edel mannes zu erblicken. Für ihn war das Offizierkorps der starke Stamm, aus dem der Staat seine beste Kraft zog — das Elitekorps der menschlichen Gesell- ichaft. Und wenn er auch manche Schwächen und Fehler entdeckte — das „Halls Sonnenberg." 4' «1