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Nr. LLS LS. Jahrg. Freitag den IS. Mai 1916 Geschäftsstelle und Redaktion^ Dresden >A. 16, Holdeinstrabe IN Fernsprecher 21366 Postscheckkonto Leipzig Nr. 14 7S^ ve,o,»prei», »usaav« X mit Mustr. Beilage vierleljührltch 2.1« In Dresden und ganz Deutsch land frei HauS 2.L2 SS; in Oesterreich X. «»»gab« v dierteljLhrllch 1.8« 2». In Dresden und ganz Deutschland frei HauS 2.22 S»; in Oesterreich 4,«V X. »inzel-Nummer 1« Die tzüchsilche BolkSzeitung erscheint an allen entagcn nachmUtagS. «»zeig,», Annahme von NeichUsiSanzciaen bis 1«Uhr von Aanlilienaiizctgc» bis 11 Uhr darin Preis sin dicPctit-EpaIlzciIc20 1. tm Steila- meleil «« z. shür undeutlich geschriebene, sowie durch Ys-m- wrccher ausgegebene Anzeigen können wir dio BcrmUworllichkeil snrdie Richtigleil deS LepeS nicht übernehmeit. kprechstunde der Redaktion: 11—12 Uhr vorm. Organ der Zentrumspartei. Einzige Tageszeitung für die katholische Bevölkerung im Königreich Sachsen? Ausgabe ^ mit illustrierter Unterhaltungsbeilage und relig. Wochenbeilage Feierabend. Ausgabe 8 nur mit der Wochenbeilage. h Das Steuerkoinproinisz abgeschlossen Die Vermögenssteuer die der Bundesrat in Gemeinschaft mit dem Rcichsschatz- sekretär vom Reichstage bewilligt haben will, ist für viele von großer Bedeutung. Einmal gehört sie zu den direkten Steuern, die wir nicht gern im Reiche sehen, denn sie sollen doch den Einzelstaaten Vorbehalten bleiben, und dann sind sie eine Art Wehrsteuer in zweiter Auflage, wenn auch in Veränderter Form, eine Steuer, die eigentlich nur einmal kommen sollte. Allein das Reich braucht Geld und in irgend einer Weise muß es beschafft werden. Nun wird die Neichs- vermögenssteuer noch nicht überall richtig verstanden, wes halb eine kleine Erläuterung nicht unangebracht erscheint. Vorweg sei bemerkt, daß es sich bei der Neichsvermögens- jteuer um eine eininaligc Abgabe handelt. Der Bundesrat stellt sich auf den Standpunkt, daß jeder, der im Kriege sein Vermögen in gleicher Höhe er halten oder nicht mehr als ein Zehntel seines Vermögens verloren hat, eigentlich einen Vermögensvorteil erzielt hat, den er dem Schutze des Reiches verdankt und mit einer Steuer dem Reiche bezahlen soll. Jeder, der in dieser glücklichen Lage ist, soll darum von dem, was er von einem Zehntel seines Vermögens besitzt, ein Prozent Steuer be zahlen. Ein Beispiel mag den Vorschlag erläutern: Der Besitzer eines Vermögens von 100 000 Mark, der während des Krieges nichts verloren und nichts gewonnen hat, be zahlt für ein Zehntel dieses Vermögens, also für 10 000 Mark ein Prozent Abgabe, gleich 100 Mark. Ter Besitzer eines Vermögens von 100 000 Mark, der während des Krieges 5000 Mark verloren hat, bezahlt aber weder von 95 000 Mark noch von 10 000 Mark, sondern nur von den an letzteren übrig bleibenden 5000 Mark ein Prozent, also 50 Mark. Der Besitzer eines Vermögens von 30 000 Mark, der 5000 Mark während des Krieges verloren hat, besitzt heute also 26 000 Mark. Er müßte an sich Steuer bezahlen von 3000 Mark, d. h. von dem zehnten Teil seines Ver mögens. Da er aber mehr als diesen zehnten Teil, also mehr als 3000 Mark verloren hat, fällt er überhaupt nicht unter die Besteuerung. Der Besitzer eines Vermögens von 25 000 Mark, der 1000 Mark verloren hat, zahlt ein Prozent Steuern von den übrig bleibenden 1500, also 15 Mark. Alle Vermögen bis zu 20 000 Mark sollen bei dieser Vermögensabgabe von der Besteuerung frei bleiben. Die Vermögensabgabe soll in die Kriegsgewinnsteuer hineingearbeitet werden. Die in § 9 der Regierungsvorlage betr. Kriegsgewinn- steucr vorgesehenen Sätze für den Vcrmögensznwachs sollen erhöht oder verdoppelt werden. Hier sollen die Vermögen bis zu 3000 Mark von der Besteuerung frei bleiben. Man nimmt an, daß die direkten Steuern mindestens eine Milliarde einbringen werden, während für die indirekten Steuern mehr als 700 Millionen erwartet werden. Nun wird der Steuerausschuß des Reichstages die Steuer vorlagen möglichst schnell zu erledigen suchen, damit sie vom Reichstage selbst bald verabschiedet werden können und dann in Kraft treten. Hoffentlich wird Ausschuß und Vollversammlung die Volkswünsche richtig erfüllen. X Eine sozialdemokratische Versammlung Der Sozialdemokratische Verein für den 6. sächsischen Neichstagswahlkreis hielt am Sonntag den 14. Mai eine Generalversammlung ab, die in mehrerer Hinsicht auch außerhalb der sozialdemokratischen Partei von Interesse ist. Wir folgen da einein Bericht der „Dresdner Volkszeitung" vom 17. Mai. Das Blatt hat sich also reichlich Zeit ge lassen, den Bericht herzustcllcn. Die Versammlung war sehr zahlreich besucht und sehr unruhig. Schon am Saal eingang gab es lebhafte Auseinandersetzungen, weil sich eine Anzahl Personen den Zutritt zum Saal verschaffen wollten, die nicht mehr Mitglied des Vereins oder die Mit glieder eines benachbarten Vereins sind. In der Versamm lung entstand über diesen Vorgang eine Geschäftsordnungs debatte, weil die Nichtmitglieder den Saal nicht verlassen wollten. Eine zweite Geschäftsordnungsdebatte entfesselte die Wahl des Vorsitzenden. Gewohnheitsmäßig hätte der Vereinsvorsitzende Hertwig die Leitung zu führen, Redest- keur Fleißner wollte aber „unter den obwaltenden Um ständen" lieber das Mitglied Walther aus Laubegast zum Vorsitzenden haben. Nach dreimaliger Abstimmung galt Hertwig mit 243 gegen l65 Stimmen als gewählt. Eine dritte Geschäftsordnungsdebatte gab es bei der Wahl des 2. Vorsitzenden, die mit der einstimmigen Wahl von Walther-Laubegast endigte. Diese Vorgänge sowie ein auf den Tischen ausgelegtes Flugblatt hatten eine ziemliche Un- ruhe in die Versammlung getragen. Zu Beginn der eigcnt- Tagung erstattete der Parteisekretär Kahmaim den Ge- Das Neueste vom Tage Al VW MA MMU (W. T. B. Amtlich.) Großes Hauptquartier, 19. Mai 1010. Westlicher Kriegsschauplatz Auf dem westlichen Maasufer wurden die französischen Gräben beiderseits der Straße Haucourt-Esnes bis in die Höhe der Südspitze des Eamard-Waldes genommen und 9 Offiziere und 120 Mann zu Gefangenen gemacht. Ein erneuter feindlicher Angriff gegen die Höhe 304 brach unter sehr erheblichen Verlusten für den Feind zusammen. Auf dem östlichen Maasufer steigerte sich zeitweise die gegen seitige Artillerietütigkeit zu großer Stärke. Die Fliegertätigkeit war auf beiden Seiten groß. Oberleutnant Bölke schoß das 10. Flugzeug südlich von Nipont ab. Bahnhof Luueville sowie Bahnhof, Luftschiff- Halle und Kaserne bei Epiual wurden mit Bomben belegt. Oestlicher Kriegsschauplatz Nichts Neues. Balkan-Kriegsschauplatz Ein Flugzeuggeschwader griff die feindlichen Lager bei Kukus, Bausca, Miholova und Saloniki an. Ober st e Heeresleitung. Das Stcucrkompromisr vollendet Berlin, 19. Mai. Die Beratungen der Fraktionen über dos Steuerkoiiipromiß sind, wie das „Berl. Tagebl." schreibt, gestern abend z n m Abschluß gekommen. Völlig ablehnend gegenüber den Kompromißvorschlägen verhalten sich nur die beiden sozialdemokratischen Frak tionen. Bezüglich der Stellungnahme des Bnndesrates seien insbesondere von seiten Preußens und Sachsens sehr lebhafte Einsprüche zu überwinden gewesen. Die bundesstaatlichen Minister hätten schließlich dem Kom- promiß unter der ausdrücklichen Bedingung zugestimmt, daß es sich tatsächlich nur um die einmalige Kriegs abgabe handeln dürfe, daß die Bundesstaaten nach wie vor das ganze Gebiet der direkten Steuern als dem einzel- staatlichen Zugriff Vorbehalten ansehen und daß dies jetzt der letzte Eingriff des Reiches in die Steuer- rechte der Bundesstaaten sein müsse. Im „Berl. Lokalanzeiger" wird mitgetcilt: Im Reichs tage habe gestern nachmittag der Eindruck vorgeherrscht, daß alle bürgerlichen Parteien sich schließlich auf den Boden der neuen Regierungsvorschläge stellen würden. Bis zum Abend sei es aber nicht gelungen gewesen, in allen Stücken ein vollkommenes Einverständnis zu erzielen. Jedenfalls könne aber als feststehend angesehen werden, daß die Steuervorlagen in der abgcündertcn Form nun mehr einer Mehrheit gewiß seien. Schweizer Steucrfragen Berlin, 18. Mai. In einer heute in einer Sonder sitzung stattgehabten Besprechung der Finanzreform hat sich der Bundesrat mit der Ausarbeitung eines verfassungs mäßigen Entwurfes für die Schaffung einer Kriegsgewinn st euer einverstanden erklärt. Die Einberufung eines beratenden Ausschusses wurde ver- schoben, bis das Finanzdepartement bestimmt formulierte Entwürfe vorzulegcn in der Lage ist. Die Bulgaren in Frankfurt Frankfurt a. M., 18. Mai. Die bulgarischen Ab geordneten nahmen gestern nachmittag Besichtigungen der Sehenswürdigkeiten vor und folgten einer Einladung der „Franks. Ztg." zum Abendessen im „Frankfurter Hof". Namens der Gastgeberin hieß sie Dr. Heinrich Simon will kommen. Namens der Gäste erwiderte Dr. Georgiern in Kultur- und Interessengemeinschaft. Nach dem Mahle be gaben sich die bulgarischen Gäste in das Opernhaus, wo ihnen zu Ehren der 3. Akt aus den „Meistersingern" ge- spielt wurde. jchäfts- und Kassenbericht. Hiernach betrugen die Ein nahmen im Jahre 1914 insgesamt 92 511 Mark, 1915 sanken sie auf 03184 Mark und 1910 auf 39 564. Ein ähnliches Bild ist beim Wahlfonds zu verzeichnen. Die Zahl der Mitglieder verringerte sich von 21606 im Jahre 1914 auf 12 835 im Vorjahre und auf 7927 im Jahre 1910, mithin betrug seit 1914 der Gesamtverlusr 14 903, wovon 8667 znm Militär einberufen und der Rest sonstwie verloren ging. Aehnlich ging es mit der „Dres dener Volkszeitung". Sie sank im 0. Wahlkreise von 22620 im Jahre 1914, auf 18178 im Jabre 1915 und auf 15122 im Jahre 1910, also beträgt in den 2 Jahren der G e s a m tverlu st 7 4 9 8. Man tut gut, sich diese Zablen zu merken, ebenso wie die folgenden Sätze des Parrei- sekretärs, der den Verlust teilweise auf die Uneinigkeit, teilweise auf die Teuerung und den Krieg schiebt und Sann erklärt: „Dazu kommt noch als wesentlicher Faktor die einge tretene Verteuerung des Äbonnements. Trotz dem großen Verluste ist die „Dresdner Volkszeitung" eines derjenigen Parteiblätter in Deutschland, das am wenigsten ab genommen hat. Die Verluste des Vorwärts und derLeipziger V olkszeituug sind noch erbe b- lich höher, während die Breslauer Volksmacht und die Ehemnitzer Volksstimme ihren Abonuentenstand während des Krieges noch verbesserten. Es wurden 124 Mitglieder versammlungen und 7 öffentliche Versammlungen abgehal ten und ein Flugblatt gegen die LebenSmittelnot in einer Auflage von 81 000 Exemplaren verteilt." ! Mae sieht, trotz der Erschwerung der Versammlungs- I tätigtest ist immer noch gearbeitet worden, der Erfolg ist aber auf allen Gebieten rein negativ. In der Aussprache bemängelt Partsch, daß der Kreisvorstand und die Bezirks mitgliederversammlungen die Agitation g e g e n die „Dres dener Volkszeitung" bedauert haben und daß verlangt wird, daß nur solche Parteimitglieder Vertrauensstellungen ein nehmen könnten, die das Blatt halten. Er ist überhaupt nicht mit dem Blatte zufrieden und wirft den Redakteuren und Vorstandsmitgliedern vor, „daß sie sich wegen der finanziellen Seite an ihre Aemter klammern und ihre Politik danach cinrichten". Tann wurde die Rede zeit auf 15 Minuten festgesetzt und gleichzeitig von Lorenz, einem Anhänger der Neichstagsminderheit, eine diesbezüg liche Entschließung eingebracht, worin sogar die Ver- w eigernng der Beiträge gefordert wird, wenn der Kreisvorstand recht bekäme. Der nächste Redner, Sachs, hielt die Abrechnung mit Fleißner, dem er ein ganzes Sün denregister vorhielt und dein er das Zeugnis auüstellte. er sei ein Reaktionär in Schlafrock und Filz pantoffeln. Er (Fleißner) würde sicher den richtigen Zeitpunkt für die Revolution verpassen und sich nachher darüber beschweren, daß sie nicht stastgefundeu habe. Man kann nicht behaupten, daß Sachs gerade sehr freundlich von seinem Parteigenossen sprach, aber schließlich muß jeder selbst wissen, was er sich in seiner Partei erlauben darf. Sachs kommt zum Schluß zu folgendem Gesamturteil über den Abgeordneten Fleißner: „Seine Zweideutigkeit und Umvahrhastigkeit hätten sich auch wieder in der Affäre Zimmerwald gezeigt. Er habe sich in der Redaktion krank gemeldet, sei aber zunächst: nach Gießen gefahren, wo er eine Versammlung abhielst Dann habe er aus der Schweiz einem Kollegen geschrieben, daß er wegen schlechten Wetters seinen Aufenthalt in der Schweiz verlängern müsse. Tatsächlich sei er aber nach Zimmerwald gefahren. Dem Geschäftsführer der Volkä- zcitung habe er bewußt die Unwahrheit ge sagt, indem er ihm auf die Frage, ob er in Zimmerwald! gewesen sei, schroff erklärte: „Das ist inir gar nicht ein gefallen." Hier entstand starke Unruhe in der Versammlung, dis sich dermaßen steigerte, daß es dem Redner und dem Bureau längere Zeit unmöglich war, sich verständlich zu macken. Auch den Genossen Fleißner, Edmund Fischer und Horn- Lindenau ist es nicht möglich, sich Gehör zu verschaffen. Im Laufe der weiteren Anssprache erklärte Erler, 0aU er lieber auf alle Ehrenämter verzichte, als die Zeitung zst abonnieren, solange die jetzigen Redakteure am Ruder seien. Fleißner selbst wehrte sich tüchtig, wobei er eine Ent schließung beantragte, die sich gegen die Reichstagsmebrheitj wendete. Dr. Gradnauer, der in derselben Redaktion tätig ist, wünschte eine Entschließung für die .Reichstagsmehrheit. Zu einer Abstimmung kam es noch nicht, denn um 9 Uhr abends wurde die Versammlung vertagt. Sie wird dem nächst eine Fortsetzung haben. Warum bringen wir nun all' diese Dinge? Wir wollen unseren Lesern zeigen, wie es manchmal im roten Lager zugeht und wie wir cs nickch machen dürfen. Ter Geist der Einigkeit und das Gefühl