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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 14. Juli 1911 ^ Nr. 158 58. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Mainz. t«k. bis 1«. Slngnst I 1» 1 I.) Brtr. Karten für dir festlichen Vernnstnltnnqen. Den verehrliclpm Besuchern des Katholikentages zur gefälligen Keniitnisnahine, das; die Karten für die Teil nahme an den festlichen Veranstaltungen schon jetzt zum Versandt gelangen. Der Preis für eine Karte zur Nhein- fahrt betragt im Vorverkauf 2 Mark, für das (Gartenfest 3t, Pfennige, beztv. für Inhaber einer Mitglieds-, Teil nehmer-, Damen- oder Stndentenkarte im Vorverkauf 50 Pfennige. Karten znm Festmahl werden znm Preise von 4,5,0 Mark das trockene Kuvert abgegeben. Wir er- snck)en um recht baldige Aufgabe der Bestellungen. Tie Karten werden ans besonderen Wunsch nach Eiiisendnng des entsprechenden Betrages nebst Porto (Inland !!0 Pfen nige, Ausland 00 Pfennige) an den Unterzeichneten oder unter Postnachnahme zuzüglich des Portos versandt. Vom 1. Angnst ab befinden sich sämtliche Bureaus der Kom missionen des Katholikentages in den Parterreeänmen des Mainzer Stadttheaters. Tie Finanz und Anmeldekom- niission: K o m m erzien r at Moltha n. Zwei UrLeile ini Kampse gegen die öffentliche Uiisittlichkcit sind nahezu in der letzten Zeit i» München niid Berlin gefällt worden. Das erste von Geschworenen, das zweite Von Bernssrichter». In München erfolgte die Verurteilung zu 8 Monaten Ge- sängnitz, iii Berlin aber ein Freispruch, der nur durch eine kleine Geldstrafe etwas bitter schmeckte. Und doch stand in beiden Fälle» nahezu dieselbe Anklage znm Urteil. 1, Fall: In München wurde der Schi istsleller Dr. Semeran wegen Verbreitung unsittlicher Abbildungen zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hat die angeblichen Kunstwerke ans allen Zeitaltern gesammelt und verviel fältigt und sie Privaten znm Kaufe angeboten. Der An geklagte trat da stolz ans. Er lies; einen gros;en Apparat von Sachverständigen laden, »m zu beweise», das; seine Sammlung von Schweinereien ei» hohes Kultur- und Knnstwerk sei. Aber dieser Apparat brach jämmerlich zu sammen, denn nahezu alle Sachverständigen wandte» sich mit Ekel von diesem besseren Schweinestnll ab. Der Staats anwalt aber traf den Nagel ans den Kops, indem er seine Befriedigung darüber anssprach, das; eS gelungen sei, eine gesunde Banerngeschworenenbank für diesen Prozes; zu- sanimenznbringen, diese würde» ei» solches Verbrechen gegen die Kiiltn' schon richtig beurteilen wissen. Ter Staatc-anivatt hat sich nicht getäuscht. Tic Geichworeiien hatten das Herz ans dem rechte» Flecke »nd sie verurteilten den hochnäsige» Angeklagten zu einer recht empsindlichc» Gesängnisstrafe. Diese Banerngeschworene haben dadurch dein ganzen deutschen Volke einen graften Dienst erwiesen, den» sie halfen mit. das deutsche Volk vor der Barbarei der Sitten und Zuchtlosigkeit zu bewahre». Es >oll uns gar nicht Wunder nehmen, wenn es nun Zeitungen gibt, welche über diese rückständigen Bauern urteilen und über die geknebelte Freiheit der Kunst jammern. 2. Fall: Vor dem Berliner Landgerichte, in welchem nur Berufsrichter sitzen, wurde ein ähnlicher Prozeft ver handelt. Verleger und Redakteur der Zeitschrift „Pan" hatten sich wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften zu ver antworten. Sie hatten das Tagebuch des französischen Romanschriftstellers Flanbert publiziert, mit allen Notizen, die derselbe über Reisen in Italien und Aegypten gemacht hatte. In diesem Tagebuche finden sich eine gaiize Reihe nicht nur anstöftiger, sondern auch schwer unsittlicher Bilder. Der Vertreter der Anklage führte mit Recht ans, das; diese hingekritzclten Notizen nicht für die Oesfentlichkeit ge schrieben worden seien. Ter Romanschriftsteller hätte, sie auch in ganz anderer Form später verwendet. Was er in sein Tagebuch schreibe, gehe noch niemandem etwas an. Ganz anders aber sei es, wenn nun diese diskreten Notizen der breitesten Oefsentlichkeit unterbreitet würden. Die Strafkammer stellte sich ans einen anderen Standpunkt. Sie sah in dem Tagebuche nur ethnographische Schilde- iniigen. Auch erklärte das Gericht, die Angeklagten hätten nicht daS Bewnfttsein gehabt, etwas Unsittliches zu ver öffentlichen, sie hätten aber damit rechne» müsse», das; bei jugendlichen und bei niigebildeten Personen durch solche Publikationen die Lüsternheit geweckt werden kann. So I erfolgte im Hanptantlagepnnkte die Freisprechung und nur wegen des ckaliw «-V'nian!i>; eine Geldstrafe von 5>t) Mack. Man wird bei diesem Urteil gelehrter Ricbter sich an den .Kopf fassen »nd fragen, wie konnte man zu Buer solchen Auffassung kommen? Was eine einzelne Person, auch ein Romanschliststeller für sich »iederschreibt and stir sich be hält, das mag eine Schweinerei sein oder ei» Knnstwerk. So lange es nicht Tritten zugänglich gemacht wird, hat der Schreiber vor dein Richterstuhle seines eigene» Gewissens und vor dem Herrgott zu verantworten. In dein Momente aber, wo es in die breite Oesfentlichkeit und unter die Massen geworfen wird, da gelten die Bestimmungen des Strafgesetzbuches. Was eben dann nnsiltlich ist. ist unsitt lich. Und niizück>lige Schriften dürfe» dann »ich! mehr mit dem Deckmantel ethnographischer Schilderungen nmgeben sein. Ten breitesten Volksschichten wird es völlig n»be- greislich sein, wie man behaupte» kann, das; de» A»ge- llaglen das Bewnftlsein gefehlt habe, niizückitige Schriften zu verbreite». Da ist nur zweierlei möglich, entweder sind dieselben krank und niiznrechnniigssähig, dann gehören sw in ein .Krankenhaus oder eine Irrenanstalt, oder aber sie sind de» Schmutz so sehr gewohnt, das; sie es gar nicht mehr empfinden was- unzüchtige Schriften sind. Wir wollen nicht entscheiden, welche von beiden Ansfassniigen hier zu wählen ist. Diele beiae» Urteile fordern unwillkürlich z» einem 'Vergleich heraus. Bei dem einen Urteile wirkten Laien mit und das Pvlksempsinden kommt dabei zu seinem Rechte. Bei dem andere» Gerichtshöfe sitzen »nr Bernssrichter und das Urteil desselben wird in weiteste» Kreisen nicht verstan den. Wir wolle» damit nicht sagen, das; diese Richter nicht nach bestem Wissen und Gewissen ihr Urteil gefällt hätten. Aber nur weisen noch auf etwas anderes bin. Ein Richter, der sich sehr oft mit solchen Dingen zu befassen hat, wird ganz unbewusst etwas abgestumpft und verliert ganz unbe- wnftt das Angcnmas; für die Wirkling solcher Publika tionen auf das Volk. Der Geschworene dagegen, der sich nur selten mit solchen Dingen befaftt, urteilt anders und hält sich immer vor Augen, ivie eine solche Publikation auf unverdorbene Gemüter wirken mutz. Wir wollen gegen die Strafkammer wegen ihres unverständlichen Urteils keinen Vorwurf erheben, aber wir jagen, auch dieser Vorfall lehrt uns, ivie notwendig es ist, das; in den Strafkammern auch Laienrichter sitzen und zwar nicht nur in der ersten Instanz, sondern auch in der Berufungskammer. Sport. Np. Berlin, l l.Iuli. Das Klassement für den „B. Z.- PreiS der Lüfte" von l 00 000 Mark ist: König 1882.50 .Kilometer (40 000 Mark), Vollmöller 1837.50 Kilometer (25 000 Mark), Büchner 1303,75) Kilometer (10 000 Mark). Lindpaintner l 222.5,0 .Kilometer (7000 Mk.), Dr. Wittenstein 041,5>0 Kilometer (0,000 Mark), Wiencziers 030 Kilometer (5000Mk.), Schauenburg 5,35,.50Kilometer (lOOOMk). Lattich 572.50 Kilometer (nichts), Thelcn 407 Kilometer (3000 Mark), Müller <43 Kilometer (nichltz), Iahnow 83 Kilo meter (nichts). Da Laitsch Berlin bis zum Abend nicht erreicht hatte, wurde der 8. Preis Thelen zugesprochen. König erhielt als Sieger ferner den ersten Ehrenpreis des Kronprinzen und den ersten Ehrenpreis der Stadt Berlin. Den zweiten Ehrenpreis der Stadt Berlin für den schnellsten Flug auf der letzten Etappe Halbcrstadt-Berlin erhielt Büchner. Der zweite Ehrenpreis des Kronprinzen für die gestrigen Abendflüge in Johannisthal dürfte an Eyring oder Hirth fallen. Vermischtes. V Ein Rabbi von 117 Jahren gestorben. In SzamoS-Krnsfo (VcSprimer Komitat) ist der älteste Rabbiner Ungarns Isaak Reich im Alter von 117 Jahren gestorben. Er wurde als „Wunderrnbbi" von den Inden gepriesen. Im vorigen Jahre hat er seine vierte Frau im Alter von Ol Jahren verloren. In seiner Bücherei sollen sich ver schiedene kostbare Bücher schätze befinden. Reich war ein guter Freund des Bukowiner „Wunderrabbis" von Sadagora. v 17!) Ttei n e im Mage n. In Lag bei Peters burg starb an Blntvergistnng eine gewisse Witwe Uwe- denc-kaja, deren Leiche in die Petersburger anatomische An stalt überführt wurde. Wie erstaunten die Aerzte, als sie in, Magen der Verstorbenen 170 kleinere Steinchen fandenl Sie scheint diese mit schlechtem Mehl nach und nach initge- gesse» zu haben. Literatur. Pastor bonuS. Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und Praxis, heransgegeben von Dr. Ehr. Willems, Professor am Priesterseminar in Trier. Monatlich erscheint ein Heft in der Stärke von vier Bogen. Preis halbjährlich 2,5,0 Mk. Druck und Verlag der PauliiniS-Drnckerei (G. m. b. H.) in Trier. — 15,2 — wieder, um mit einer Verbeugung Judith die mit Edelsteinen gefüllte Zigarrenschachtel zu übergebe». „Ich weift nicht, wem diese Dinge von rechtSwege» gehören," sprach er ernst. „Mir gewis; nicht, aber auch dem Lumpen nicht, der da oben liegt, und bei dem ich sie gesunden habe. Ich bin ein fauler Kunde, meine Dame», der so manches au) dem Kerbholz Hai: aber ich glaube, die Ereignisse dieser Nacht werden mir eine kleine Lehre sein. Nach alledem, was wir heute miteinander dnrchgemacht habe», glaube ich kanm, das; ich noch aiele» Leuten ein Unrecht ziijügen werde." „Reynell ist tot?" fragte Judith. „Er ist mitte» durchs Herz geschossen. Danbeny inns; ihn mit dem Schuft getötet habe», de» wir kurz vor seinem Sturze gehört haben. Mein hinter! sicher Begleiter scheint ihm hinsichtlich der gesuchte» Schätze das Märchen ansgetischt zu haben, das; sie sich in der Kajüte befänden, und der alte Mann hielt sozusagen im Vorhinein Gericht über ihn. Ich bin Roger Danbeny aufrichtig dankbar dasür, denn inen» ich Reynell noch am Lebe» ge snnde» hätte, doch es ist vielleicht besser so. Iedensalls ist ihm ei» gnädigeres Geschick beschieden gewesen, als wenn er von meiner Hand ge züchtigt »norden wäre. Wie geht eS Ihnen, Sir?" Diese Frage galt Leonard, den die Ereignisse dieser Nacht in eine» ohn machtähnlichen Zustand versetzt hatten. „Ich danke Ihnen," lautete die mit leiser Stimme gegebene Antwort. „Ich möchte Ihnen sehr gerne die Hand schütteln, wen» ich die Kraft 7>azn hatte. Aber vielleicht haben Sie die Güte, die meinige zn schütteln." Barllett neigte sich über den Kranke» und nahm dessen kraftlose Rechte in seine mächtige Faust. Als er sich emporrichirle, sah er zn seinem Staunen Judith und LeSbia dicht neben sich. „Wir inöchten Ihne» auch die Hand reichen," sagte Lesbia schüchtern. „Bei >»i>- können Sie sich dann sagen, einem Mädchen die Hand gereicht zn habe», das kaltblütig einen Menschen tötete." Sie sagte dies in der Meinung, das; Reynell seinem Verbündeten ent hüllt habe, was sie in der Windmühle getan, und in ihrem Zartgefühl trachtete sie sich mit dem Uebeltäter, dessen Mut und Unerschrockenheit ihnen allen das Lebe» gerettet habe, ans die gleiche Höhe zn stelle». Tech Bartlett Mutzte nichts von jenem Ereignis und meinte bloft, das; sie dnnnnes Zein: durcheinander rede, wahrscheinlich als Folge der erschütternde» Vorfälle dieser Nacht. „Sie wollen einen Menschen getötet haben?" lachte er rauh. „Vielleicht durch üoergroftc Freiindlichkeit, die Sie auf mich armen Kerl verschwenden, der das nicht verdient. Jetzt aber wünsche ich Ihne» allen Glück. Ich höre Rnderschläge und will mit diesen Dinge» nichts mehr zu in» haben. Ver gessen Sie aber ja nicht Sie, Mift Judith, am allerwenigsten. das; der Mann, den man in gewissen Kreisen den „bengalischen Tiger" nennt, mensch liches Blut in seinen Adern fliesten hat." Er rückte an seiner Mühe, und entfernte sich mit langen Schritten, »in alsbald zwischen den Dünen zn verschwinden. Er warf keinen Blick zurück auf das brennende Schiff oder die drei Personen, in denen er nicht gerade die allerschlechteste Erinnerung znrnckgelassen. — 140 — Von der Stelle ans, an der er sich befand, konnte er ganz beginn» nm sich spähen. Allein, so sehr er auch sein Auge anstrengen mochte konnte er weder anl dem Schisse »och in dessen nächster Umgebung ein lebendes Wesen erspähe::, und mit einem unterdrückte» Fluche über sei» Miftgeschick setzte er das Boot »nieder in Bewegung, nm es etliche Meier von dem im Sande ver grabe»-'» Bug des Schiffes von »enem anznhalte». Die Groftartigkeit und überwältigende Pracht de-:- sich ihm darbietenden Anblickes lieft ihn unberührt. Der stolze Ban. der in der E'insamkeit des Marschlandes jegliche» Hilfe ent rückt war, das stattliche Schiss, das einst lausende von Menschenleben be fördert Halle und in den letzten Jahren ein glücklichcs Heini gewesen, regte Roger Danbenys Mitgefühl nicht an. Sein ganzes Wesen ging in ein ein zige-:' Gefühl der vlmmächtige» Wnl über den ihm gespielten Streich auf. als er sei» Boot ans Land lenkte und niit seinem lahme» Bei» aufs Trocken hinkte. Nachdem er mil Nol und Mühe eine Strecke ans dem Sandboien znrück- gelegt, ermannte er sich abermals und wiederholte sich die ganze Lektion, die er inährend des letzte» Teiles seiner c infamen Wassersahrt sich einznprägen versucht batte. Den» als er der Strickleiter zn nahe gekommen war, die znm Verdeck emporsührte, und die bei näherer Betrachtung sich als von den Flammen völlig unbeschädigt erwies, blickte er empor und gewahrte Reynell. der ans der Lanfbrücke stehend, ruhig zn ihm »iedersah. Noch bevor er seine lleberraschnng bemeislern könnt", tönten die Worte an sein Ohr: „Sie sind's, Dauben»? Ich dachte es mir ja gleich, als ich das Boot erkannte. Dieser schuftige Bartlett, den nur niemals in die Sache hätten einweihcn sollen, hat uns schändlich hinters Licht geführt. Aber vielleicht lässt sich immer noch etwas machen. Könne» Sie allein an Bord kommen, oder soll ich hinunter, »nr Ihne» zn Helsen?" Die rnbige, schmeichelnde Stimme diente an sich allein schon als War nung: allein Dauben» zögerte nur eincn kurzen Augenblick. „Ich inerde es schon allein zustande bringen," lautete seine verdrieftlich" Antwort. Er war froh, seine Gedanken »och ein wenig sammeln zn könne», be vor er dem heinitückischen Ränkeschmied entgegentrat. und als er -ndlich müh selig aiis das Deck geklettert war, galt sein Blick vielmein dem bleichen, achtungsvollen Gesichte vor sich, al-:> dem brennende» AcliterMnsf. Mit raschem Auge hatte er sich überzeugt, das; sie an der Stelle, wo sie sich befanden, von dem Brande niclils zn befürchten hatten. Das Mitteldeck war bis jetzt von de» Flammen verschont geblieben, die der Wind gerade in die entgegengesetzte Richtung blies. „Es freut mich, das; Sie liier sind. Als die Dinge schief gingen, halte i-h eine Art Ahnung, das; Sie kommen würde», obschon ich wirklich nicht weift, ob Ilm" Anwesenheit von irgend welchem Nutzen sein wird. Immerhin naben Eie mehr Glück Ivie ich, zumal ein Ileberums; von Mut niemass zn meinen Tilgenden gehörte," sagte Reynell. „Worte, immer nur Worte," mnrrte Roger. „Mo sind die I»n>eleii, Mann? Wie kam hier Feuer znin Ausbruch?" »Ihre Schuld. 38