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Geschäftsstelle und Redaktion Dresden.«. 16, Holbeinstrahe 46 Mittwoch den 15. Okiober 1913 Fernsprecher 21366 12. Jahrg Die nalionalliberale Jugend Der Reichsverband der Vereine der nationalliberalen Jugend hatte sich am Sonnabend und Sonntag in Leipzig zum 16. Male ein Stelldichein gegeben, lieber große Dinge hat man sich dort unterhalten, über Kirche und Staat, Schule und Kirche, über Welfensrage und Arbeite- tvilligenschutz. Merkwürdigerweise ist das der jungliberalen Bewegung sonst gar nicht abholde Berliner Tageblatt über den Verlauf dieses Vertreterin ge« gar nicht zufrieden; eS konstatiert recht unwillig, das die jungliberale Bewegung innerhalb der nationalltberalen Partei in ein rückläufiges Stadium eingetreten sei. Das mag wohl übertrieben sein und die Verstimmung des Berliner Tageblattes resultiert wohl mehr aus der Erkenntnis, daß die Jungliberalen sich noch nicht ganz in seinem Geist bewegen. Immerhin dürste zutreffen, daß auf dem jungliberalen Vertretertag in Leip zig viel doktrinär gesprochen und wenig ernsthast gehandelt worden ist. Am interessantesten war auf der Tagung das Referat über das Verhältnis von Staat und Kirche. Immer deutlicher tritt in Erscheinung, daß weite Kreise des Volkes und auch starke politische Kräfte sich bemühen, zwischen Kirche und Staat das Einverständnis zu trüben, das heute noch besteht und die Kirche dem Staate dienstbar zu machen. Die Jungliberalen haben den Reigen der politischen Par teien eröffnet, die auf ihren Vertretertagen das Thema: Kirche und Staat in kirchenfeindlicher Tendenz abwandeln wollen, Fortschrittler und Sozialdemokraten werden im nächsten Jahre folgen. In Leipzig aber kam der Referent zu dem Resultat, „daß es keine einfache Lösung gibt, die die Fülle der Fragen und Probleme zur Entscheidung führen könnte, die in unserem Thema versteckt sind". Be- merkenswert war auch das Eingeständnis, daß trotz des prinzipiellen Kampfes gegen die katholische Kirche gerade bet ihr eine Trennung vom Staate „nicht ein einziges der Machtmittel treffen würde, woinit die autoritative ka tholische Kirche ihren Einfluß auf das katholische Volk stützt". Es kann nur gut sein, wenn die TrennungSfceunde, die den Trennungsgedanken vor allem aus Haß und Ab- Neigung gegen die katholische Kirche propagieren, zu der Erkenntnis gelangen, daß die katholische Kirche die Tren nung vom Staate nicht beweinen und sehr gut Überstehen würde; daß das Wort von der „freien Kirche im freien Staate" katholischen Ursprungs ist, und daß die katholische Kirche in erster Linie des Grundsatzes wegen eine Tren nung von Kirche und Staat mißbilligt. Was hier für die evangelischen Landeskirchen der Todesstoß wäre, würde aller Voraussicht nach sür die katholische Kirche zum Nutzen auSschlagen. Also Furcht ist es keineswegs, was die Katho liken daS AuSeinanderreißen von Kirche und Staat ver urteilen heißt. Der jungliberale Vertretertag hat eS sich in Erkennung des heiklen Problems denn auch versagt, die Formel der Trennung von Staat und Kirche in sein Pro gramm aufzunehmen; er verlangte aber nach dieser Rich tung hin Reformen der staatlichen Gesetzgebung, zunächst in der Durchführung der Gleichberechtigung aller religiösen Gemeinschaften im Staatsleben, nahm aber gleich darauf debattelos einen Antrag an, der die Parteileitung ausiordert, „allen Versuchen zur Aufhebung und Milderung des Jesuiten- gssetzeS energisch entgegenzuireten". Das ist jungliberale Logik! Daß für die Befreiung der VolWchulen von jedem kirchlichen Einfluß eifrig plädiert wurde, ist bei dem sattsam bekannten Geiste der jungliberalen Herren selbstverständlich. Die konfessionslose Schul« ist ja von jeher das Ideal der sogenannten Liberalen gewesen. In der Welfensrage stellten sich die Jungen ganz auf den Boden der Entschließungen der kürzlich in Wiesbaden versammelt gewesenen national- liberalen Reichstagsabgeordneten; auch sie wollen den Prinzen Ernst August den Braunschweiger Herzogsthron nicht besteigen lassen, wenn er sich nicht zu einem aus- drücklichen Verzicht auf Hannover versteht. Nicht ganz einig ging die liberale Jugend mit der Wiesbadener Tagung in der Beurteilung des ArbeitswilligenschutzeS, zu dessen Prüfung in Wiesbaden bekanntlich eine Kommission eingesetzt worden ist. Man verstand nicht, wie die Fraktion vor einigen Monaten erst einstimmig gegen einen darauf hinzielenden konservativen Antrag stimmen konnte und jetzt in derselben Frage eine Studienkommtssion einsetzt. Stim mungsvoll war zum Schluß noch die dem Vorsitzenden aus der Versammlung erteilte Rüge, daß er den Namen Bebel zu symvathisch ausgesprochen hätte; weniger Sympathie im Ton wäre besser gewesen. Deutsches Reich Dresden den 15 Oktober 1913 s Zur Frage des künftigen Direktoriums der Zweiten Ständekammer schreiben die „Sachs. Politischen Nachr.", Konservative Korrespondenz für das Königreich Sachsen: „Die Mitglieder der konservativen Fraktion der Zwei ten Ständekammer hielten in diesen Tagen in Dresden eine Sitzung ab und faßten dabei einstimniig folgenden Be schluß hinsichtlich der Besetzung des Direktoriums der Zwei ten Kammer: Die Mitglieder der konservativen Fraktion der Zwei ten Ständekammer erklären, daß sie im allgemeinen Vater- ländischen Interesse bereit sind, bei der Bildung des Direk toriums der Ziveiten Kammer dahin mitznwirken, daß unter allen Umständen die Wahl eines Sozial demokraten in das Direktorium ausgeschlossen sein muß. Unter dieser Voraussetzung wollen die Konservativen für die kommende Tagung auf den Posten des ersten Prä sidenten, auf den sie nach parlamentarischem Gebrauche als stärkste Fraktion unbedingten Anspruch haben, ver zichten, beanspruchen aber für sich den Posten des ersten Vizepräsidenten und eines amtierenden Schriftführers. Man darf die Hoffnung aussprechen, daß dieser von der Sorge um unser sächsisches Vaterland diktierte Beschluß zu einem sozialistenfreien Direktorium der Zweiten Kam- mer führen wird. Die Ansprüche der konservativen Fraktion sind um so anerkennenswerter, als sie sich auf das beschrän ken, was die Nationalliberalen bei der Tagung des Land- tages 1909/10 den Konservativen schon angeboten hatten." — Zu dem Besuche des Kaisers im Dom zu Trier wird gemeldet: Das Domkapitel hatte am Portale, die Stadt geistlichkeit im Hauptschiff Aufstellung genommen. Der Kaiser nahm die Vorstellung der Herren entgegen. Der Domchor sang mehrstimmig „Domina snlvnrn krre impera- toram", das vom Domkapellmeistcr Stockhausen eigens kom poniert worden war. Der Kaiser nahm u. a. die vor dem Rotzen Chor auf einem Tische ansgeleatcn Hanptstücke des Domschatzes in Augenschein und interessierte sich besonders für die Gegenstände frühmittelalterlicher Kunst. Bei der Rückkehr vom Amphitheater stieg der Kaiser nochmals auf dem Ncgierungsgebäude ab und nahm den Tee bei der Gattin des Präsidenten, Frau Baltz, ein. Der Kaiser sprach sich wiederholt überaus befriedigt über den Aufenthalt in Trier aus. Um 6 Uhr 45 Min. traf der Kaiser, von Trier kommend, in dem Moselorte Lieser, dem Wohnsitze des Land wirtschaftsministers v. Schorlemer, ein. Ter Kaiser, bei dessen Eintreffen großer Jubel herrschte, fuhr zum Schlosse des Ministers, wo ihn dessen Familie empfing. — Eine Regierungserklärung zur braunschweigischen Thronfolgefrage. Die „Nordd. Allgem. Zeitg." schreibt: „In einem Artikel des „Hann. Kuriers" wird die bevor stehende Erledigung der braunschweigischen Thronfolge als ein politisches Opfer, das aus dynastischen Rücksichten ge bracht werde, scharf getadelt. Weil des Kaisers Tochter den letzten Welfensprossen zum Gemahl erkoren habe, gehe man über wichtige Reichsinteressen hinweg und treibe Hauspoli- tik. Der hierin liegende Vorwurf gegen den Kaiser kann nicht scharf genug zurückgewiesen werden. Mögen mich die Ansichten über die Bedingungen für die Thronbesteigung des Prinzen Ernst August noch ausein andergehen, fest steht jedenfalls, daß für die Haltung des Kaisers und seiner Regierung nicht die Heirat der Kaiser tochter und dynastische Hausinteressen, sondern die von dem Prinzen vor seiner Verlobung und Hochzeit mit Zustimmung seines Vaters abgegebenen Erklärun gen und die damit für die Zukunft des Reiches und Preu ßens geleisteten Garantien entscheidend waren." Das preu ßische Staatsministerinm wird sich in den nächsten Tagen mit der braunschweigischen Frage beschäftigen und sie so dann in Form eines Antrages vor den Vundesrat bringen. Wie der „B. L.-A." hört, wird der Bundesrat am 24. oder 25. Oktober Gelegenheit haben, zu diesem Antrag endgültig Stellung zu nehmen. Prinz Ernst August wird, wie bereits gemeldet, am Tage seiner Anfang November zu erwarten den Thronbesteigung eine Kundgebung erlassen, die ein klares Bekenntnis zur Neichsverfassung enthalten wird. — Monarchenparade. Unter dieser Aufschrift schreibt, der „Vorwärts" zur bevorstehenden Leipziger Jahrhundert feier: „An: Gedenktage der Völkerschlacht bei Leipzig soll der höfisch-byzantinische Zauber der Jahrhundertfeier seinen Gipfelpunkt erreichen. Das Riesendenkmal in Leipzig soll Fäulnis Faul, oberfaul! So muß man konstatieren, wenn man die Begleiterscheinungen des letzten Berliner Mord- Prozesses liest, über den die „große" Berliner Presse breite Spalten publizierte. Faul, oberfaul muß es im Leserkreise dieser Blätter aussehen, daß sie sich solches Zeug bieten lassen. Spuren der Fäulnis sah man aber auch anderweits. Wir wissen sogar, daß die Begleiterscheinungen dieses Prozesses beweisen, daß die Oberschicht und die Groß stadt sittlich wurmstichig und stark angefressen sind. Nur einiger dieser Tatsachen. Die vor einigen Tagen wegen Totschlages verurteilte Hedwig Müller in Berlin hat die Zeit ihrer Untersuchungshaft dazu benutzt, nach berühmten Mustern im Untersuchungsgefängnis ihre Memoiren zu schreiben, die auf eine bisher noch unaufgeklärte Weise in den Besitz des „Berl. Tagebl." gekommen und — mit Weg lassung der Erotik — von diesem zum Teil veröffentlicht worden sind. Dazu bemerkt die „Hallesche Zeitung": „Eine gewisse Presse hat längst den schönen Beruf, Erzieherin des Volkes zu sein, verfehlt. Amüsant und pikant müssen ihre Berichte um jeden Preis sein; Eigenschaften, die weder deutsch noch erzieherisch zu nennen sind. Ein sensations lüsternes Publikum, das zu dieser Art Lüsternheit zum großen Teile erst durch die Sensationspresse erzogen wurde, will und soll auf seine Rechnung kommen. Ein Beispiel für viele! In ihrer Untersuchungshaft schrieb ein ebenso schönes wie lasterhaftes, hysterisches 20jähriges, nicht unbe- gabtcs Mädchen (die angeklagte Hedwig Müller) seine „Memoiren". Abschnitte aus dieses» „Memoiren" veröffent lichte dieser Tage einer Berliner Zeitung („Berl. Tagebl." Nr. 606). Woher ihr diese Aufzeichnungen auf den Tisch flatterten, das zu untersuchen, ist Sache zuständiger Be- Hörden. Daß-aber solche Aufzeichnungen, wenn auch unter „Weglassung der Erotik", veröffentlicht werden, zeugt gerade nicht von» Gefühl für Verantwortlichkeit, auch nicht vom Pflichtbewußtsein des Volkserziehers. Durch solche „Druck legung" werden ähnliche an Großmannssucht und Theaterei leidende Naturen angelockt und zum Schaden des Gesamt. Wohls suggestiv beeinflußt zu verbrecherischer Nachahmung." Und die Wirkung? Diese ist eine ganz entsetzliche. In den Köpfen vieler junger Mädchen vereinen sich alle Begriffe; sie haben am Schluffe nur noch das eine Bestreben, „in die Zeitung zu kommen". So sagte es erst dieser Tage ein sonst sehr einfaches und nett erzogenes Mädchen. Die Zeitungen laden mit solchen Berichten eine wahre Blut schuld auf ihr Gewissen. Ist denn in diesem Mordprozcß irgend etwas Sympathisches oder Heldenhaftes zu ver zeichnen. Geben wir einem liberalen Blatte das Wort; es schreibt: „Besonderes Mitleid? Fräulein Hedwig Müller verdient es nicht oder doch nur in äußerst beschränktem Maße. Wären die Geschworenen anderer Meinung gewesen, hätten sie über die Würdigung des fraglos mildernden Umstandes hinaus, daß der Tote ein gemeiner Kerl war und in ge meiner Weise drohte, sich der Theorie des Herrn Tobi Cohn gefügt und die Nebel eines histerischen Dämmerzustandes freundlich über die Tat gedeckt, dann würde Fräulein Hed wig Müller zweifellos als Erzieherin gewirkt und eine ganze Kette ähnlicher Taten nach sich gezogen haben. Sie war „drangsaliert und bis zum äußersten getrieben", aber im letzten Grunde doch durch eigene schwere Verschuldung, und sie war der Folgen ihrer Tat doch höchstens in dem letzten entscheidenden Moment sich nicht völlig bewußt, der von heftigen Affekten erfüllt war und den sie doch selbst kühlen Sinnes vorbereitet hatte. Und cs war auch kein wirklicher „Mord aus Leidenschaft", ach nein; denn auch in dem Verhältnis zu dem Ueberlebenden klingt diese heiße Stimme nicht, auch hier bleibt das Gefühl einer gewissen kühlen Berechnung, auch über diesem Verhältnis liegt etwas von dem typischen Charakter der Beziehungen, die durch Schmucksachen, Theaterbilletts und andere kleine Geschenke bestimmt werden. Folgt man Herrn Tobi Cohn, dann ist die Bahn frei für jedes Mädel, das die Fatalitäten eines unsauberen Liebeslebens durch den Dämmerzustand zu decken geschickt genug ist, und auch dieses Dutzend Mädels wird dann weiter sich mit den Forderungen des modernen Lebens schützen, das eben so unendlich viel komplizierter sei als das Leben unserer Vorfahren, und das nicht dem Richter, son dern dem Kulturhistoriker und dem Psychiater zur geneigten Beurteilung unterstellt werden müßte." So war es in der Tat. Aber das Verhalten der Geschworenen zeigte noch eine große Partie gesunden Menschenverstand; der Vertreter der Anklage gab denselben nicht in gleichem Maße zu erkennen. Alls einen „schneidenden Gegensatz" in dem Verhalten der Vertreter der Königlichen Staatsanwaltschaft in zwei sen sationellen Prozessen aus der jüngsten Zeit, nämlich in dem Prozeß gegen die „schöne Sünderin" Hedwig Müller und in dem Prozeß gegen den Amtsrichter Knittel, macht der konservative „Reichsbote" aufmerksam. Er schreibt: „Fast noch befremdlicher als dieses milde Urteil (gegen Hedwig Müller) muß jedoch die Rede des Vertreters der Anklagebehörde, des Staatsanwaltschastsrates Dr. Hysar, berühren. Wir vermissen mit schmerzlichem Bedauern in dieser Rede die, zumal auch niit Rücksicht auf die zahlreiche Zuhörerschaft, erforderlich getvcsene scharfe Verurteilung der ganzen sittlichen Anschauung, des „Milieus", um dieses be liebte Schlagwort zu gebrauchen, ans dem heraus eine solche Tat möglich war. Worte, wje die vom „Berliner Kind im besten Sinne des Wortes", und so manches andere mehr hätten gerade in Gegenwart eines Publikums, das so schon im Gefahr war, in der Verwirrung der sittlichen Begriffe