Volltext Seite (XML)
Verbandslag der Mndlhorslbunde Deutschlands. ii. ««achdruck verboten., Opo. Coblenz, den 10. Juni l»I1. In der Diskussion über das Referat deS Abgeordneten Tr. Pieper ergab sich völlige Uebereinstimmung des Ver tretertages mit den Ausführungen des Referenten. In der Debatte ergriff auch der Abgeordnete Pauli- Cochem das Wort, um auf eine Anfrage aus der Versammlung sich eingehend über die Bedeutung des Kaligesetzes zu äußern. Gleichzeitig dankte er dem Abgeordneten Dr. Pieper für sein reges Interesse, das er stets dem Mittelstände gegen- über bekundet habe. Im Anschlüsse hieran wurde ein An trag angenommen, der sich arif die äußere Gestaltung deS Organs „Das Zentrum" bezog. In der Sitzung vom Sonn tag wurde als Ort der nächsten Tagung Dortmund be stimmt. Als Vorort wird wieder Köln gewählt. Ferner wurde beschlossen, daß aus Anlaß des im Jahre 1912 statt findenden Geburtstages Windthorsts möglichst gleichzeitig Windthorstgedächtnisfeiern von den einzelnen Bunden ver anstaltet werden. Bcgrüßungstelegramme sind u. a. einge- laufen vom Abgeordneten Dr. Groenenberg, Karl Huszar, Mitglied des ungarischen Parlamentes, und Joh. Hulus Generalsekretär des ungarischen Volksvereins, vom Windt- horstbunde Regensburg, Abg. Dr. Porsch. Vorsitzender Dr. Schrömbgens begrüßt hierauf mit lebhaftem Beifall der Versammlung den Referenten des heutigen Tages, Abge ordneten Giesberts, der ein eifriger Förderer der Bundessache sei. Giesberts ergreift hierauf das Wort zu seinem Thema: Das Zentrum und die nächsten Reichs tagswahlen. Er führt etwa aus: In allen Parteien werden bereits die Vorbereitungen für die Wahlen getroffen. Die Sozialdemokratie hat fast in allen Wahlbezirken besondere Korrespondenzbureaus errichtet: neu ist, daß sie seit fünf Jahren bereits über 700 000 eingeschriebene Mitglieder hat, somit also den Volksverein bereits überholt hat. Auch der Hansabund und der liberale Bauernbund sind rührig tätig. Daher müssen auch wir zur Stelle sein. Der Liberalismus bemüht sich aus allen Kräften, wieder zur Geltung zu kom men. Die Regierung nimmt auf ihn mehr Rücksicht als auf uns. So kommt das Arbeitskammergesetz nicht zu stande, weil die Nationalliberalen gegen die von uns ge forderte Stellung der Arbeitersekretäre sind. Ein Block von Bassermann bis Bebel wird nicht kommen, aber eine An näherung der Linken für die Wahlen kommt. Das hat sich bei der Reichsversicherungsordnung gezeigt. Die Sozial demokratie hat ihre Angriffe nur gegen uns, nicht gegen den Liberalismus gerichtet. Auch hat sie mit Nücksichr auf den Liberalismus die Obstruktion unterlassen. Bei den Sozialdemokraten finden sich Ideen, die tief in den Freisinn hineinreichen und auch zwischen den Jungliberalen und den» Freisinn finden sich Berührungspunkte. Von den drei Gruppen der Linken haben wir bei den Wahlen einen geschlossenen Kampf gegen uns zu erwarten. Man will uns ausschalten, wie das Bülow beim Block wollte, weil man ed unerträglich findet, daß daS Zentrum den Ausschlag in der Politik gibt. Freunde in der Politik haben wir nur wenig. Wir haben viele Berührungspunkte mit den Konservativen, aber daß diese auch anders können, das hat der Block und die Feuerbestattung gezeigt. Bei der Wahl zwischen uns und Sozialdemokratie werden aber die Konservativen und Christlichsozialen für uns eintreten, die Haltung der Polen ist ungewiß. Eher werden sie sich von uns entfernen als sich uns nähern. So müssen wir uns bei den Wahlen wie der auf unsere Kraft verlassen. Daher sind alle Differen zen im eigenen Lager zurückzustellen. Wenn wir auch nicht alle unsere Mandate erhalten, so müssen wir doch unsere Wähler erhalten. Wer die Differenzen nicht zurücktreten läßt, der vergeht sich am Zentrum. (Lebhafter Beifall.) Zum Kampfe müssen wir uns alle brüderlich die Hand geben. (Erneute Zustimmung.) lieber Wahlkompromiß- politik ist schon viel zu viel geschrieben und gesprochen wor den. Wir wollen daher diese Frage hier ausscheiden. An gesichts unserer vielen Erfahrungen können wir ruhig in den Wahlkampf ziehen. Die Neichsfinanzreform hat uns eine Gesundung der Finanzen und eine Hebung unseres Wirtschaftslebens gebracht. (Sehr richtig!) Die Liberalen haben hierbei die gründlichste Unfähigkeit, politische Ge schäfte zu besorgen, gezeigt. Die Besoldungsreform ist zwar nicht nach unseren Wünschen ausgefallen, aber daran sind wir nicht schuld. Die Negierung wollte nach meiner Auf fassung aus Haß gegen das Zentrum uns keine befriedigende Vesoldungsreform geben, und durch die Zersplitterung der bürgerlichen Parteien wurde sie hierbei unterstützt. Was die Privaibcamtenfragen anlangt, so weit sie rechtlicher Na tur sind, so sind sie leider nur wenig gefördert worden. Die große Gewcrbenovelle von 1909 enthält wesentliche Fort schritte, aber der Reichstag hat sie beim Schluß des Reichs tages unter den Tisch fallen lassen infolge von Beschlüssen in der Kommission bezüglich des Privatbeamtenrechtes, die ihm zu neit gingen. Eine Lösung dieser Frage ist nicht zu umgehen. Die Privatbeamtenversicherimg wird im Herbste erledigt werden. Wir werden alles tun, um es zustande zu bringen. Wir verhehlen uns die immer stärker werdende Gegnerschaft nicht. Die Reichsversicherungsord- nung bedeutet einen großen positiven Erfolg. Daß die. Sozialdemokraten das Gesetz verschreien, ist klar, aber ganz wohl ist ihnen dabei nicht, und wir werden lmrch eine Flugschrift des Abgeordneter Becksr-ArnA.erg, die etwa in 11 Tagen herauskonimt, für Aufklärung sorgen, auch über die sozialdemokratischen Verträge, bei denen bei Entlassun gen die Beamten mit 20 Prozent des empfangenen JahreS- gehalteS abgefnnden werden. Hat beispielsweise ein Be amter 20 Jahre jährlich 1000 Mark erhalten, so bekommt er eine Abfindung von 20 000 Mark. (Lebhaftes Hört, Hört') Daß liberale Schwätzer gegen baS Gesetz waren, lezeichnet nichts gegen den Umstand, daß ein Mann wie Mommsen, der Verantwortung sich bewußt, für das Gesetz gestimmt hat. Bedauerlich ist, daß in der elsaß-lothringi schen VerfassungSfrage eine Mißstimmung unter unseren Freunden aus Elsaß-Lothringen ausgebrochen ist. — Wollen sie aber im Reichstage nicht einflußlos wie die Polen sein, so müssen sie mit dem Zentrum gehen. (Sehr richtig!) Im weiteren verbeitet sich Redner über den Zehnstundentag und das Hausarbeitergesetz, die Sicherung der Bauforde rungen, das Weingesetz, den unlauteren Wettbewerb, daN Kaligesetz. Redner schließt mit der Auffassung, daß auch im künftigen Reichstage der Schutz der nationalen Arbeit zu den ersten Aufgaben gehören, müsse. Unserer Erfolge haben wir uns nicht zu schämen, im Wahlkampfe muß das hervorgehoben werden und man müsse dafür sorgen, daß: wir einen Reichstag für Schutz der nationalen Arbeit ev- langen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Von einer Diskussion über das Referat des Abgeord- neten Giesberts wurde abgesehen. Hierauf wurde die Be ratung über den Bezug des Verbandsorgans „Das Zen trum" zu Ende geführt, nachdem die Angelegenheit nochmals au die Kommission zurückverwiesen worden war. Nach ein gehender Debatte wurde der Antrag der Verbandsleitung angenommen, wonach der Vertretertag bestätigt, daß die Von der Verbandsleitung durchgeführte Umwandlung der politischen Wocheuzeitung „Das Zentrum" in das offizielle Verbandsorgan rechtsgültig ist und daß der Bezug des Organs für alle Mitglieder obligatorisch ist. Jedoch wurde ein Zusatz angenommen, daß Bunde aus finanziellen Grün den für das erste Jahr eine Stundung von 10 Prozent der Kosten beansvruchen können. Damit war die Tagesord nung erschöpft. Die Rückzahlung des gestundeten Beitrages bleibt der Initiative des betreffenden Bundes überlassen. Nachmittags fand eine ZeutrumSversammIung in? Görresheim statt. In derselben sprachen Tr. Schrömbgens über die politische Lage und die künftigen NeichStagswahlen, Rechtsanwalt Dr. Wirtz-Köln über die rheinische Laudge- meindeordnuug und Abgeordneter Oberlandesgerichtsrat Marr über die Ideale des Zentrums. Leider wies die Ver sammlung seitens der Koblenzer Bevölkerung eine geradezu frappierende geringe Beteiligung auf. Von der örtlichen Parteileitung war nicht einmal jemand erschienen, um die Versammlung zu leiten, so daß ein Herr aus Bingerbrück >en Vorsitz übernehmen mußte. Gemeinde- und Verelnsnachrichren. * Friedland i. B. Am Drcifalligkeiissvniitage wurden in der hiesigen Tekanalkvche gegen 300 Kind-r mit brennenden Kerzen in der Hand in höchstfeierlicher Weise zur eisten hl. Kommunion geführt. Hochaliar, Seiten- nltäre und Herz-Jesu-Statue strahlten in ihrer vollen elektrischen Beleuchtung, als unter Glockmg-läute, geleitet von den Seelsorgspriestern, die Kinder im Fesikleide in daS Gotteshaus eiuzogen. Man muß Zeuge der erhebenden Feier gewesen sein, um den Eindruck, welchen dieselbe aus jung und a't machte, würdigen zu können. 0'. 8 Chrmuiy. Achtung katholische Arbeiter und Arbeiterinnen! Erscheint vollzählig hrute Mittwoch abends 8 Uhr im großen Saale der Linde, am Königsvlatze. zu der großen öffentlichen Versammlung. Vortrag: Die natio nale Arbeiterbrwegung und die Sozialdemokratie. 8 Leipzig-West. (Volksvcrein f. d. k. D.) Freitag den 16. Juni Vertrauensmännerversamwlung und DiSkutier- schule im Fclsenkeller zu Plagw tz. Uni Pünktliches Er scheinen bittet der Obmann. Gäste herzlich willkommen. 8 Radeberg. (Katholisches Kasino.) Donnerstag, den 15. Juni. Hauptversammlung bet Rasier. — 56 — Der junge Ränkeschmied goß sich ein Glas Whisky ein, ohne dazu auf gefordert zu sein, und trank es langsam aus, worauf er sagte' „Das ist ja richtig, aber ich glaube kaum, daß wir uns darob Sorgen zu machen brauchen. Leonard Wynter ist nicht aus dem gleichen Holze wie wir." „Wie soll ich daS verstehe".?" schnarrte Daubeny. „Ich meine, daß er wohl schlau sein mag, aber hinterlistig und heim tückisch ist er nicht, wie wir," erklärte Neynell mit einem Grinsen, stand auf und verließ das Zimmer, ohne die zornige Antwort DaubenyS abzuwarten. Er getraute sich sogar, die Tür hinter sich kräftig zuzuschlagen, wie um an zudeuten, daß er sehr wohl wisse, daß man hier ohne ihn nichts anfangeu könne, weil er ja die bewegende Kraft der Intrige tvar. 14. Während Reynell im Erdgeschosse seinem alten Spießgesellen die nied- lichen Ränke darlegte, die er gesponnen, um den beiden Wynter eine recht gründliche Niederlage zu bereiten, saß Lesbia Mythe in ihrem dürftig ausge- statteten Zimmer, um sich über ihr ferneres Verhalten klar zu werden. Den ganzen Vormittag hatte sie nach einem Auswege aus dem Labyrinth von Zweifeln und Schwierigkeiten gesucht, in dem sie zu ersticken fürchtete: aber ohne jeden Erfolg. Es gewährte ihr nur einen flüchtigen Trost, daß der Regen Leonard zurückgehalten habe, heute in die Bucht hinauszugchen, so daß wenigstens heute nicht zu befürchten war, er werde es zu büßen haben, daß sie ihren Nachtdienst nicht verrichten konnte. Die wenigen Worte: „Weil ich Sie selbst mein nennen will!", die ihr noch immer in den Ohren klangen, hatten sie mit einem neuen Schrecken er füllt. Es hätte ja so manche Lösung für das aufgetauchte Dilemma gegeben, aber jede verstieß gegen ihr Schamgefühl und ihre Selbstachtung. Gab sie sich den Anschein, als füge sie sich dem verhaßten Vorschläge ihres Verfolgers, indem sic sich von Leonard lossagte, so war dieser schutzlos den Gefahren preis- gegeben, die ihm von seiten seiner rücksichtslosen Feinde drohten: bot sie aber Reynell Trotz und bewahrte sie dem Geliebten die Treue, so würde sie wahr- scheinlich angeklagt werden, den Tod ihres Vetters Jnman Taubeny herbei geführt zu haben. Zwischen diesen zwei Alternativen pendelte sie hin und her, ohne zu wissen, für welche sie sich entscheiden sollte, als ihr düsterer Gedaukengana durch das Geräusch unterbrochen wurde, mit dem jemand unten eine Tür ins Schloß lvarf. Sie schrak empor, und wie von einem Bedürfnis nach frischer Luft erfaßt, setzte sie ihren Hut auf, verließ das Zimmer und stieg die Treppe hinab. In der Vorhalle stieß sie auf Reynell, der sie neugierig anstarrte und fragte: „Sie »vollen wahrscheinlich einen kleinen Spaziergang unternehmen, da der Regen ausgehört hat?" „Das ist tatsächlich meine Absicht," erwiderte sie kalt. ES war ihr erstes Zusammentreffen nach der Unterredung am vorhergehenden Tage. „In diesem Falle möchte ich mir das Vergnügen, Sie zu begleiten nicht entgehen lassen." sagte Reynell. und trotz der höflichen Worte lag ein gewisser gebieterischer Ton in seiner glatten Stimme, der Lesbia erbitterte. — 53 — „Ich wette, für junge Leute, wie Sie, ist's in Grange zu still und trau rig," sagte Holt, als sich auch Reynell am Tische niederließ. „Da haben Sie recht," lautete die Antwort, begleitet von einem flüchti gen Blick auf das mit einem dampfenden Gemisch von Rum und Wasser ge füllte mächtige Glas, das vor dem schwarzen Dick stand. „Der alte Daubeny :st eine recht trübselige Gesellschaft: allein mich fesselt ein ganz anderer Zauber an sein Haus." „Wahrscheinlich ein hübsches Frauenzimmer, was?" lachte Holt dröh- ncnd auf. „Na, Tick, Sie wissen ja, man soll nicht prahlen," meinte der Intrigant, der mit rascher Erkenntnis wahrgenommen hatte, daß der Holländer nur Bier, und auch dies bloß in sehr bescheidenem Maße getrunken hatte. „Doch wir »vollen miteinander auf Ihre Gesundheit anstoßen." Unter dem Einflüsse von drei oder vier Glas von Sturmans steifem Grog und ermüdet von seiner angestrengten Wanderung den ganzen Vorinit- lag hindurch, lag der schwarze Tick eine halbe Stunde später schnarchend aus seinem Stuhle zurückgelehnt, obschon ihn niemand für betrunken hätte halten können. Und da auch der Wirt das Zimmer für einen Moment verlassen hatte, starrte Andreas Voordam wie eine Eule Reynell ins Gesicht, um nach kurzem Besinnen zu sagen: „Wie schade, daß Sie damals nicht in der Bucht ertrunken sind." „Kaminen Sie hinaus, ich habe mit Ihnen zu sprechen," gab Reynell auf dieses liebenswürdige Bedauern zur Antwort, und das so wenig zusammen passende Paar begab sich auf die durchweichte Landstraße hinaus, um vor dem Wirtshause auf- und abzuschreiten. Das kleine Torf lag einsam und lautlos da, weit und breit war niemand zu erspähen. „Weshalb haben Sie mich nicht verraten?" eröffnet» Reynell das Gespräcch. „Nicht etwa, als hätte ich Sie schonen »vollen, glauben Sie das ja nicht." erwiderte Andreas nach einigem Besinnen. „Miß Judith fürchtete, ihr Vater könnte Ihnen die Knochen im Leibe zerbrechen, wenn er erfährt, wie schänd lich Sie sich benommen haben, und da mußte ich ihr schwören, keine Silbe ver lauten zu lassen. Ihr bangte es natürlich nur uni ihren alten Vater, nicht etwa um Sie." beeilte sich der Holländer hinzuzufügen. „Welche Gründe sie auch gehabt haben mag, ich bin ihr von Herzen dank- bar, um so mehr, als ich niein Benehmen von damals nicht genug bedauern kann," erklärte Reynell demütig. „Meine Bewunderung für ihre Schönheit riß mich hin, was freilich nicht als Entschuldigung gelten soll. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ihr das berichten wollten." „Soll geschehen," erklärte Andreas törichterweise. „Die Vergangenheit wäre also erledigt. Mr. Voordam," fuhr Reynell anscheinend im Tone der Erleichterung fort. „Nun kommt die Zukunft an die Reihe. Ich bin glücklicherweise in der Lage, Miß Holt volle Entschädigung zu bieten, indem ich ihr rechtzeitig eine Warnung zugehen lasse, die sie nach Belieben benützen kann, um zu ihrem Wohle und dem ihres Vaters beizutra- gen. Ich habe zufällig Kenntnis davon erhalten, daß das Wrack von einem Detektiv überwacht wird, und zlvar im Aufträge der Steuerbehörde!" „Verdammt!" entfuhr es dem Holländer. ..Jfn-e Schuld.