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zuerst das Gesetz über die Freihaltung der Flußläufe im Ueberschtvemungsgebiete. Danm wurde unter anderem der Antrag Falt in beraten betreffend Besserstellung der Amtsgerichtssekretäre: Justizminister Schönstedt will eine Art gehobener Stellen einrichten, mehr nicht. Es folgte der nationalliberale Antrag auf Schaffung einer obersten Neichsstelle für Zollsachen. Ter Antrag wurde kurz be gründet und dann von der Tagesordnung abgesetzt. Am Montag beginnt die Beratung der Berggesetze. — Tie beiden Richtungen in der preußischen Landes- kirche streben immermehr auseinander. So sprachen am Sonnabend in Berlin zwei Pastoren in einer öffentlichen Volksversammlung über die Entsä-eidung des Oberkirchen- rats. Sie erklärten es für unmöglich, daß positive Kräfte weiter in einer Kirche verbleiben, in der auch der offenbare Unglaube gelehrt werden dürfe, und beriefen, sich dafür auf Stöcker, der ebenfalls die Trennung für unvermeidlich halte. Außerdem traten die beiden Redner für Trennung von Staat und Kirck)e ein, da die Kirck>e nur daun mit neuem Leben erfüllt werden könne, wenn sie vom staatlickxm Zwang befreit sei. An die Vorträge der beiden Referenten schloß sich eine Diskussion,, die sich so stürmisch gestaltete, daß der Vorsitzende die Versammlung schließlich auflösen mußte. — Ter neue Oberpräsident der Provinz Brandenburg, (vor verschiedene Namen werden genannt als Nachfolger des Präsidenten von Bcthniann-Hollweg. Während liberale Blätter den Führer der Konservativen, Landesdirektor Frei herr v. Maiitenffel, der beim Kaiser sehr gut steht, be- zeichneten, erklärte die „Krenzzeitung", „daß diese Frage in keiner Weise an Freiherr v. Manteuffel herangetreten ist." Damit ist allerdings nicht gesagt, ob er nicht annehmen würde, falls man ihm diese Stelle anbietet. In politischen Kreisen nennt man aber noch zwei andere Männer; zuerst dm Oberpräsidenten von Ostpreußen, Grafen v. Moltke und dann auch den Landrat des Kreises Niederbarnim, v. Stnbenrnn ch. Letzterer würde damit einen sehr großen Sprung mackien, vom Landrat zum Oberpräsidenten; oü'er er hat jetzt schon als Landrat dieses wichtigsten Kreises eine erzeptionelle Stellung. Tie Ernennung selbst dürste wohl erst nach der Beendigung der Mittelmeerreise erfolgen. Das Zentrum kvlviiinlbnnkcrott. Diese höchst eigen artige Entdeckung machen freisinnige und demokratische Blätter; komisch! Das Zentrum l>at nie mit Kolonialbc- geisternng gehandelt, also kann es hiervon auch nickst banke rott werden. Tie Kolonie des Reiches wurde erworben ohne Zutun des Zentrums. Windthorst hat 1884 immer wieder gewarnt. Seit dieser Zeit verhielt es sich zurückhaltend, just wie die freisinnige Volkspartei: es hat auch für die Kolonien mir genehmigt, was notwendig war und nach Maßgabe der Finanzen des Reiches; ganz wie der Freisinn. Es unterschied sich von diesem in Kolonialfragen nur darin, daß es für den Bau von Eisenbahnen in den Kolonien ern trat. Aber diese sind absolut nötig, um die Kolonie zu er schließen, so die Zuschüsse des Reiches zu verringern und be deuten somit vom Standpunkt des Reiches ans ein gutes Geschäft. Nun haben wir vor einiger Zeit die Frage ge streift, ob Südwestafrika, die schlimmste unserer Kolonien, nicht einfach liegen zu lassem sei. Diese Ansicht taucht in weiten Kreisen ans, selbst unter einer großen Anzahl von Kolonialvolitikern. Aber jetzt sträubt sich auf einmal die freisinnige Presse hiergegen! Weshalb? Weil manches Kapital der Banken in der Kolonie liegt. Dieselbe Presse betont jetzt, daß die Großmachtstellnng des Reiches diesen Kolonialverkanf verbiete; aber bei der Militär- und Manne vorlage sucht man in diesen Zeitungen vergebens ein, Wort über die Großmachtstellnng des Reiches. Diese Zeitungen schreiben weiter: „Das Zentrum war gewarnt. Tie Linke des Reichstages hat schon bei Beginn der Flaggenhissnngs- periode ans alle die B'deiikeu. die jetzt das Zentrum geltend macht, und noch auf weitere, schwerwiegende Besorgnisse, auch militärischer Art, aufmerksam gemacht. Aber das Zentrum hat das alles in den Wind geschlagen." Eine gröbere Entstellung der geschichtlichen Wahrheit ist uns noch nie unter die Augen gekommen. Diese Sätze entspringen lediglich dem Bestreben, mit allen Mitteln — auch den un verständigen, Kampf gegen das Zentrum zu führen; was gerade vom Freisinn so töricht ist, da er viele seiner Mandate ganz allein dem Zentrum verdankt. — Die deutschen Arbeitgeberverbände rüsten sich nun zu gemeinsamen Schritten gegen die Streiks. Auf der letz ten Vorstandssitzung derselben gelangte ein Antrag zur Sprache, der aus die Beseitigung gewisser mittelbar aus der Handioerksgesetzgebung resultierenden Spannungen zwi schen Handwerk und Industrie abzielt. „Tie Industrie bil det in dem Kampfe gegen die sozialdemokratischen Gewerk schaften gewissermaßen ein Offizierkorps ohne Soldaten, das Handwerk eine Armee ohne Offiziere. Es ist aber un bedingt notwendig, daß beide gemeinsam Vorgehen, wenn der Gegner erfolgreich bekämpft uarden soll. Ilm diesem Uebelstand zu steuern und die beklagenswerte Zersplitterung der Kräfte zu beteiligen, forderte der Antragsteller die Ge wäbrnng von Zugeständnissen auf beiden Seiten;" so wird berichtet. Die Versammlung stimmte dem einstimmig zu und beauftragte je einen der znm Vorstande des Vereins deutscher Arbeitgeberverbände gehörigen Vertreter der bei den Interessengruppen mit der Bearbeitung der gemachten Vorschläge. Wir haben gegen eine solche Organisation der Unternehmer nichts einzuuandeu; aber für die Arbeiter liegt darin die Mahnung, nun auch die Reihen der Gewerk schaften bis auf den letzten Mann zu füllen. — „Religion ist Privatsache" — Heuchcleß Am letzten Dienstag hielt der sozialdemokratische Wahlverein des dritten Berliner Reichstagswahlkreises eine Versammlung ab. in welcher Genosse Dr. Paul Bernstein über die Frage referierte: „Ist Religion Pritatsaclie?" Seine Ausführungen gingen unter anderem dahin: „Diejenigen, welche in den religiösen Anschauungen stecken bleiben, seien Hindernisse unserer Bewegung. Aus diesen Gründen dürfe die Religion nicht als Privatsache gelten. Aus unserer Forderung: Trennung der Kircla von Staat, ergebe sich die Konsequenz, daß wir auch gegen die Religion Stellung nehmen müssen, denn Kirche und Religion seien untrennbar. Die ersten sozialdemokratischen Führer seien fast alle Freidenker ge- Wesen, die sich von der Religion und Kirche emanzipiert halten. Als dann die Partei größer wurde, habe sie mit Rücksicht auf das Hindernis, welches die religiöse Gesinnung der Bauern unserer Agitation entgegensetzte, den Pro grammpunkt ausgestellt: Religion ist Privatsache. Also nur aus taktischen Rücksichten, vor allem um Wahlstimmen zu gewinnen, sei dieser Punkt in unser Programm ausge nommen worden. Das sei nicht nur Widersinn, sondern Heuchelei. Warum sollten wir nicht versuchen, die religiösen Elemente zu bekämpfen«? Mit religiösen Dummköpfen könnten wir nichts anfangen, denn wer unter dem Einfluß der Geistlichen stehe, könne kein zuverlässiger Sozialdemokrat sein. Nicht die Gewinnung von Mitläufern und die Er oberung von Mandaten dürfe uns die Hauptsache sein, son dern die Gewinnung bewußter Sozialdemokraten. Unsere Agitation dürfe sich nickst nur stützen auf die wirtschaftlichen Verbesserungen, die die Verwirklichung unserer Forderungen dem Einzelnem, bringt, sondern wir müssen Aufklärung von Grund aus verbreiten. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, müsse nüt der religiösen Aufklärung begonnen werden, ehe die Politisch und wirtschaftliche Aufklärung folgen könne. Daraus ergebe sich, daß der Punkt: Religion ist Privatsache, aus unserem Programm gestrichen werde." So berichtet uns selbst der „Vorwärts". In der Debatte kamen wohl auch andere Ansichten zum Ausdruck; ein Ge nosse protestierte gegen diese „Verleumdimg der Partei"; aber er konnte die Ausführungen Bernsteins nickst wider legen. Ein Genosse Heilmann meinte: „Jeder Parteige nosse habe das Reckst, gegen die Kirche zu agitieren und sie zu bekämpfen, nur dürfe das nickst im Namen der Partei ge schehen. Daß die Emanzipation von religiösen Anschau ungen der politischen Aufklärungen vorangehcm müsse, be stritt der Redner, ebenso, daß der betreffende Satz nur mit Rücksicht auf die Bauern im Parteiprogramm ausgenommen worden sei. Aus agitatonschen Gründen hält er die Beibe haltung des Satzes für geboten. Damit ist alles zugegeben. Die „agitatorischen Gründe" sind aber jnst der Bauernfang, den zuvor der Genosse Bernstein so schlimm mitgenommen hat. Ans eine Anfrage Heilmanns erklärte Genosse Bern stein. im Schlußwort, daß er keineswegs von jedem Partei genossen das Bekenntnis zum Atheismus oder zur Anti religiosität fordere. Im übrigen bleibe er auf seinem Standpunkt stehen. Köstlich! Nicht jeder Sozialdemokrat muß Atl>eist sein; oder alle zielbewußten Genossen müßten Gottesleugner sein. Wir sind für alle diese Ausführungen auch dankbar; sie kommen gerade zur rechten Zeit! Oesterreich-Ungarn. — Die Situation in Ungarn hat sich wenig verändert. Tie Beziehungen, welche von der Krone zur Majorität des neuen Abegordnetenhauses geführt haben, sind durch das Erlöschen der Mission Andrassy abgebrochen und vorläufig deutet ein winziges Zeichen darauf hin, in welcher Richtung neue Versuche zur Bildung eines Kabinetts und damit zur Sanierung der politischen Verhältnisse des Landes unter nommen werden sollen. Dieses eine Zeichen ist die Be rufung Wekerles zum Monarchen. Nachdem dieser im libe ralen Ungarn einflußreiche Er-Minister und Freimaurer weit mehr links steht, als der bisherigeVertrauensmann der Krone. Andrassy, so wäre hieraus der Schluß zu ziehen, daß auch die ganze offizielle Politik nach links zu rücken sich an schickt. Tie kirchenpolitischen Gesetze in Ungarn gelten hauptsächlich dem Kampf gegen den Katholizismus. Mau mackste es mit den Ehescheidungen nnd dem Konfessionslos werden so leicht als möglich, schaltete so viel als möglich die Kirche von allen staatlichen Angelegenheiten aus. Nun werden Notrufe der ungarischen Protestanten laut. So führt eines ihrer Organe jetzt bittere Klage darüber, daß nach deni Ausweise des Kultusministeriums im Jahre 1903 die protestantisch-reformierte Konfession mit Verzweiflung erregender Schnelligkeit ihrer Vernichtung haupt sächlich infolge der Konfessionslosigkeits-Erklärungen ent gegengehe. Seit dem Jnslebentreten der kirchenpolitischcn Neformgesetze haben die evangelisch-reformierten Kirchen in Ungarn nahezu 0000 Seelen durch Koufessionsloswerden verloren, der Verlust durch Uebertritte betrug an 6000, in den 37 Jahren — von 1868 bis heute, so ziemlich also seit dem Bestände des liberalen Negierungssystems — ist der Prozentsatz dieser Konfession gegenüber der Gesamt- bevölkerung des Landes von 24 auf 14 gesimiikcn. Ararrkreiil, — Ter Episkopat äußert sich immer noch über die Ler Briand, die Trennung von Staat und Kirche. Nach dem „Gaulois" sagte der Herr Bischof von Grenoble, das Gesetz stemple die Katholiken zn Parias, aber sie würden, unge achtet des Gefängnisses und des Exils, das ihnen drohe, die Glaubensfreiheit und die heiligen Gewissenspslicksteni Hochhalten. — Der Bisckiof von Pervignan bezeichnet das Ge setz als eine Apostasie und ein verabscheuungswürdiges In strument. Ruhland. — Am Sonnabend wurde im Kreise Jepifan, Gouv. Tula, durch Bauern ein Landsitz geplündert; der bis vor kurzem dem Grasen Jgnatiew gehört hatte und jüngst durch Kauf in den Besitz eines seiner Bauern Namens Basmanow übergegangcn Nxir. — Sonntag abend wurde auf der Straße Nowyswiat in WarsckMi eine Bombe unter den Wagen des Polizeichefs Nolken geschleudert, der durch Splitter ver wundet wurde. — Die Gärung unter den Schülern in Tiflis dauert fort. Die, welche die Schule besuchen wollen, werden von anderen, gewaltsam daran gehindert. — Aus ver schiedenen Ortschaften des Gouvernements werden Bauern- uuruhen gemeldet. Am 13. drangen 360 Bauern der Ort schaft Clüdari Wardsija (Kreis Schoropan) in die vom Ministerium für Volksaufklärung unterlxiltcne Schule, zcr- trümnierten Türen, Fenster und Möbel und zerrissen ein Bild des Kaisers sowie Dokumente und Bücher. Aehnliches verübten sie in der Wohnung des Verwalters eines einem griecknschen Kloster gehörende Gutes. In der Zeit vom 14. bis 18. d. M. begingen die Einwohner von drei Ort- sck>af1en Waldfrevel auf der Apmmgebesitzung Muchrans- koje; 800 mit Stöcken und Gewehren bewaffnete Bauern aus verschiedenen Ortschaften erschienen in der Gutskanzlei und stellten die Forderung, jeder Ortschaft in Zivil-, wie .Kriminalsachen unbeschränkte Rechtsprechung durch gewählte Richter zu gewähren, den Dorfgemeinden beigetretene Per sonen anderer Stände als vollberechtigte Bauern anzuer- kennen, die Staats-, Apanagen- und Privat-Güter den Dorf- gemeinden als Eigentum zu übergeben und von diesen nur Staatssteuern zu erheben. Weiter verlangten sie Besoldung der Geistlichen und Entschädigung derselben für gotteS- dienstliche Handlungen ohne Kontrolle der Obrigkeit, Frei gabe und Eröffnung von Lesezimmern und Bibliotheken ohne Zensur, Schulen, Verwendung der Rekruten ausschließ lich innerhalb der Grenzen des Gouvernements und für Kriegsoperationen nur innerhalb der Grenzen Transkstu- kasiens, sowie Preßfreiheit und Abschaffung verschiedener Steuern. Zum Schluß erklärten sie sich solidarisch mit den russischen Aufrührern, setzten den 27. März als Termin für die Erfüllung ihrer Forderungen fest und behielten sich für die Zeit nach diesem Termine weiteres vor. Zur Herstellung der Ordnung und Beitreibung der Entschädigung für den durch den Waldfrevel entstandenen Schaden ist ein Bataillon entsandt worden. — Auch im Kreise Gori ist verschiedent lich Waldfrevel verübt worden. Deutsch -S«sttvest«srika. — General v. Trotha befindet sich auf dem Wege nach den: südlichen Kriegsschauplätze. Die Gefechte vom 10. und 11. März in den Karasbergen haben den Erfolg gehabt, daß die Bande Morengas sich nach allen Seiten zerstreute. Major v. Kamptz kehrte mit dem Rest der Truppen und dem Beutevich nach Keetmanshop zurück. Auf dem Wege dort hin wurde er am 19. östlich von Hurub von etwa 100 Hotten totten angegriffen, von denen infolge der günstigen Ac- tilleriewirkung 50 fielen'. Am 22. wurde die Abteilung Kamptz wiederum von 160 bis 200 Hottentotten erfolglos angegriffen. Diesseits fiel ein Bur, vier Reiter und ein Bur wurden verwundet. Die feindlichen Verluste konnten der Dunkelheit wegen nickst festgestcllt werden. Aus Stadt und Land. «Rittet!»!,a«n auS unserem Leserkreise mit Name,iSsertigunn sür diese Rubrik find evc Redaknon allezeit willkommen. Der Name de» Stillender« bleibt «>hetmul« der Redaktion. Nnonvme Zuschriften müssen unberücksichtigt bleiben.) Dresden, den 27. März 1908. Tageskalender für den 2 8. März. 1892. -f Konstantin v. Alvensleben, hervorragender preußischer General. — 1871. Er öffnung der Friedenskonferenz zu Brüssel. — 1854. Beginn des Krimkrieges. — 1840. Wahl Friedrich Wilhevns IV. zum erblichen Kaiser von Deutschland. — 1795. Einverleibung Kurlands in Ruß land. — 1443. * Raffael Santi, berühmter italienischer Maler. —* Se. Majestät der König wohnte am Sonntag vormittag dem Gottesdienst in der katholischen Hofkirche bei und nahm nachmittags */„1 Uhr an der Familieutofcl bei Ihrer König!. Hoheit der Prinzessin Mathilde teil. — Die Köuigin-Witwe Carola ist am 25. d. M. nachmittags, von Brüssel kommend, in London eingctroffen. —* Se. k. k. Hoheit der Erzherzog Franz Ferdi- nand von Oesterreich ist in Dresden eiugetroffeu. —* Herr Ludwig Neubuer, Königlicher Hof kirchensänger und Schulleiter der Ztveigschule der 4. Be zirksschule (Wittenberger Straße 88) feiert am 1. April d. I. sein 26 jähriges Lehrerjubiläum. —* Die Ziehung der 6. Klasse der 147. Königlich Sächsischen Landes-Lotterie beginnt am 6. April. —* Beim Wettbewerb für den Bau eines Dresdner Künstlerhauses der Dresdner Kunst genossenschaft sind 22 zum Teil ganz wertvolle Arbeiten eingegangen. Das Preisgericht entschloß sich in seiner am Freitag Aboud stattgefundenen Sitzung vier gleiche Preise an die Dresdner Architekten R. Schleinitz. O. Hänel, von Weyenburg und Oswin Hempel zur Verteilung zu bringen. Der originellste Entwurf ist derjenige des Architekten Q. Hempel, der die Form einer alten Klosterkirche zeigt, während der Entwurf des Architekten O. Haeuel den besten Grundriß aufweist. Die Preisgekrönten Entwürfe sind im Lokale der Dresdner Kunstgenossenschaft zur Ansicht aus gestellt. —' Kaufmaunsgerichte in Sachsen. Bis jetzt sind im Königreich Sachsen 12 Kaufmaunsgerichte errichtet worden, nämlich in den Städten Dresden, Leipzig, Chemnitz. Plauen. Zwickau, Freiberg, Neichenbach, Crimmitschau, Glauchau, Meerane und Bautzen, sowie für den amtS- hauptmaunschaftlicheu Bezirk Chemnitz, einschließlich der Städte Limbach und Stollberg, mit dem Sitze in Chemnitz. —* Der falsche Wortlaut des Lides, den der katholisch gewordene Kurfürst August von Sachsen ge schworen haben soll, spukt noch immer in den Köpfen ge wisser Leute herum. Es wurde uns mitgeteilt, daß an einer Schule zu Bautzen auch an katholische Schüler vor einigen Tagen durch einen Lehrer beim Geschichtsunterricht jene Eidesformel in mehreren gedruckten Exemplaren ver teilt worden sei. Allerdings geschah eS ohne Wissen und Zustimmung des Direktors. Die protestantische Wissenschaft hat die Eidesformel längst als Erfindung bezeichnet. Eine neue Ausgabe des gefälschten Glaubensbekenntnisses er- schien im Jahre 1845: „Glaubensbekenntnis und Ab- schwöruugsformular Friedrich August II., Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen, bei seinem Uebertritt von der lutherischen zur römisch-katholischen Religion, ab gelegt am 2. Juli 1697 in Baden bei Wien gegen den Bischof von Raab. Nach authentischen Quellen und mit Angabe derselben. Gera 1845. Verlag von H. Kanitz, gedruckt in der Hofbuchdruckerei." Auf Seite 11 wird bemerkt, daß Friedrich August, Kron prinz zu Sachsen, am 12. Oktober 1717 dasselbe Glaubens bekenntnis abgelegt habe. Der sächsische protestantische Geschichtsschreiber Gretschel erklärt das Formular für ein erdichtetes niedriges Zerrbild der katholischen Lehre und schreibt: „Nur die Bemerkung stehe noch hier, daß ge wöhnlich in Tagen, wo die kirchlichen Gegensätze schroffer hervortreten, jenes Formular von neuem hervorgesucht und seine fortwährende Anwendung geflissentlich und ohne Beweis behauptet wird, wie solches noch im Jahre 1841 in Sachsen der Fall war. wobei sich nicht allein die Unwahrheit bald herausstellte, sondern auch das Formular von der dadurch beschwerten Konfession und ihren Dienern selbst als ein gottloses und Unfrieden stiftendeSBekenntniS be zeichnet wurde." (Gesch. d. sächs. Volkes. II.. 688. Vgl. Land- tagSakten v. 1845/46, Beil, zur 3. Abt., 3. Samml., S. 193.) Der Ursprung des EidfornmlarS reicht noch vor die Kon-