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Beilage zu Nr. 158 der »Sächsischen Volkszeitung" vom 8. Juli 1VÜ5. Alkohol und Verkehrswesen. Der in allen Berufskreisen verbreitete gewohnheits mäßige Genuß alkoholischer Getränke hat sich je länger je mehr als ein gefährlickier Feind auch der Ordnung und Sicherheit des Verkehrsdienstcs erwiesen. Er ist, wie sich Nachweisen läßt, bei den meisten Unfällen beteiligt, die nicht durch höhere Gewalt oder Materialschäden herbcigeführt werden. Das ist ja leicht erklärlich. Denn die Umsicht, Ur teilsfähigkeit, Entschlossenheit und Pflichttreue des Per sonals werden durch nichts so leicht und in dem Maße be einträchtigt, wie durch den fortgesetzten Genuß auch gerin gerer Mengen und durch die Nachwirkungen reichlicheren Alkoliolgenusses. Angesichts dieser Tatsache, sowie der gro ßen Verantwortlichkeit und Gefährlichkeit des Verkehrs dienstes auf der einen und des durch ungünstige Witterungs- einfliisse :c herbeigefiihrten stärkeren Anreizes zum Alkohol- gennß auf der andern Seite sind umfassende Maßnahmen zur weitgehenden Einschränkung dieses Genusses bei dem Personal der Lcrkehrsanstalten ganz besonders geboten. In dieser Beziehung verdienen bis jetzt schon die Bemühun gen der Eisenbahnvcrwaltungen alle Anerkennung. Wir erinnern hier nur an die Wohlfahrtseinrickstungen der ver schiedensten Art: Verbesserungen der Wohnungen, der Auf enthalts- und Uebcrnachtungsräume, gesteigerte Fürsorge für zweckmäßige Ernährung, gute und billige alkoholfreie Erfrischuugsmittel: Maßnahmen, die alle den Zweck ver folgen, das Personal der Lockung und dem Zwange zum Genuß alkoholischer Getränke mehr und mehr zu entziehen. Daneben bedarf es aber auch umfassender Aufklärung und Belehrung des Personals durch Vorträge sachkundiger Aerzte, Aushänge und Schriften, um namentlich der weitverbrei teten Auffassung zu begegnen, daß der Alkohol in irgend welcher Form ein unentbehrliches Genuß- und „Stärkungs mittel" sei. Am wirksamsten und überzeugendsten aber wird die Entbehrlichkeit des Alkoholgenusses durch das Bei spiel völliger Alkoholenthaltsamkeit dargetan, namentlich, wenn es von den Vorgesetzten ansgeht. Die Bestrebungen privater Natur, möglichst viele einsichtsvolle Beamte und Arbeiter unter dem deutschen Eisenbahnpersonal für dieses Beispiel zu gewinnen, sollten deshalb tatkräftig unterstützt werden, wie es in anderen Ländern, Schweiz, Frankreich, Belgien, bereits geschieht. Wenngleich in Deutschland nicht wie in Nordamerika völlige Alkoholenthaltnng in und außer Dienst zur Vorbedingung für die Annahme und Anstellung des Verkehrs-(Eisenbahn-)Personals gemacht werden kann, so solle dock) zum mindesten ausnahmslose Ausschaltung jeg lichen Alkoholgennsses während des Dienstes und unmittel bar vorher erstrebt werden! Das liegt nicht allein im In teresse der die Verkehrsmittel Benutzenden, sondern vor allem auch des Eisenbahnpersonals, das sich dadurch vor Unfällen mit den unangenehmen Folgen für sich und seine Familien am sichersten bewahrt. Nus Stadt rrnd Land. —* Auf die Bes ch w erde der Meißner Stadtver ordneten gegen die Einführung der Schwemmkanalisation in Dresden ist nun eine solche von seiten der Stadt Magdeburg gefolgt. Im „Zentralblatt der Bauvenvaltung", herans- gcgeben vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten findet sich nämlich eine Besprechung über die Durchführung der Schwemmkanalisation in Dresden, und die „Magdeburger Zeitung" nimmt entschieden dagegen Stellung. Sie schreibt u. a.: „Das erscheint als eine so unerhörte Verunreinigung unseres seltnen Elbstromes, daß man sie nach den bekannten Vorgängen in Preußen, welche für Magdeburg zum Verbot der Einleitung weiterer Kanalwässer in den Flußlauf und demgemäß zur Anlage von Rieselfeldern geführt hatten, nicht glauben inöchte, zumal auch das Reichsgesundheitsamt anscheinend bedingungslos sich mit der für uns Magdeburger keineswegs erquicklichen Maßnahme einverstanden erklärt haben soll! Es wäre wünsche,islvert, daß von zuständiger Stelle aus alles mögliche noch jetzt geschähe, um gegen dieses von der Stadt Dresden beabsichtigte und von unserer ersten Gesundheitsbehörde im Reiche augenscheinlich bereits sank tionierte Vorgelum noch im letzten Augenblick Front zu machen! Wenn schon Dresden sich nicht scheut, den Strom in solcher Weise zu versclnnutzen, und zwar ohne irgend welches Klärungsverfahren — ein ganz nnbegreiflicl>er hy gienischer Rückschritt! —, so eröffnet sich damit für die zu künftigen Trinkwasserverhältnisse bei uns in Magdeburg eine geradezu erschreckende Perspektive, wenn bei niedrigstem Elbwasserstande oder im Winter bei Eisstand ans die Selbst reinigung des fließenden Wassers so gut wie vollständig wird verzichtet werden müssen." — Demgegenüber muß fest- gestellt werden, daß von den Dresdner Stadtverordneten nicht nur die Errichtung eines Sandfanges und einer Ver suchs- und Reinigungsanlage beschlossen, sondern nötigen falls auch die Herstellung von Kläranlagen ans Kaditzer Flur in Aussicht genommen worden ist. * Wegen des auf den Linien Hainsberg—Kipsdorf und Mügeln bei Pirna—Geising-Altenberg zu Beginn der großen Ferien zu erUxirtenden außergewöhnlichen Per- s onenverkehrs wird die Staatsbahnverwaltnng Frei tag den 14. und Sonnabend den 15. Juli zu gewissen, von den Sommerfrischlern vorzugsweise benutzten Zügen im Be darfsfälle Vor- oder Nachzüge abfertigcn lassen. Außer diesen Vor- oder Nachzügen werden noch folgende Sonder züge abgelassen werden: Auf der Linie Hainsberg—Kips dorf Sonnabend den 15. Juli, nachmittags 1 Uhr 2 Min., von Hainsberg nach Kipsdorf (Abfahrt Dresden Hanpl- balmhos mittags 12 Uhr 30 Min.); nachmittags 3 Uhr 10 Minuten von Hainsberg nach Kipsdorf (Abfahrt Dresden Hanptbahnhof nachm. 2 Uhr 38 Min.): nachmittags 5 Uhr 40 Min. von Kipsdorf nach Hainsberg (Ankunft Dresden Hanptbahnhof abends 8 Uhr 8 Min.). Auf der Linie Gei- sing-Altenbcrg—-Mügeln bei Pirna wird Sonnabend den 12. August, also am Ferienschlusse, der sonst nur Sonntags verkehrende Personenzug nachmittags 4 Uhr 0 Min. von Geising-Altenberg verkehren. Diese Sonderzüge halten an allen Untcrwegsstationen und sind auf gewöhnliche Fahr karten 2. und 3. Klasse benutzbar. —* Während der vaterländischen Festspiele am 2. Juli d. I. hatte der hiesige Samariterverein wie bei den Festspielen der vorangegangenen Jahre eine Sanitätslvache errichtet, die mit einem Arzt und einem Heilgehilfen besetzt war. Die drückende Hitze des Tages veranlaßte eine starke Inanspruchnahme des Rettungsdienstes. In der Sanitäts wache gelangten 50 Personen — großenteils tragen Er schöpfung — zu ärztlicher Behandlung, während durch die Samariter in 55 Fällen erste Hilfe geleistet wurde. Zu gleicher Zeit ,var ein freiwilliger Samariterdienst an der ausgedehnten Feststraße des Antomobil-Schmnckkorsos ein gerichtet, an dem sich ebenfalls Mitglieder der freiwilligen Samariterkolonne des Samaritervereins und Turnersama riter, sowie die freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuze der Evangelischen Arbeitervereine zu Dresden be teiligten. Von diesen wurde erste Hilfe in zirka 140 Fällen geleistet. Die gemeinnützige Tätigkeit des Samariterver- eins bat sich also wieder einmal ans das beste bewährt und den Tank des Publikums in vollem Maße verdient. Großrnhain. In der hiesigen Gegend hat man bereits mit dem Roggenschnitt begonnen. Angustcnbnrg i. E. Am vergangenen Dienstag hat ein Waldbrand hier unweit des Adelsberges große Verhee rungen angerichtet. Ehcinniü. In der Drognenhandlnng der Firma Ge brüder Paul, Annabergerstraße, entzündete sich durch die Sonnenlntze eine größere Quantität von Feuerwerkskörpern, welche im l. Stock lagerten, und explodierte mit einer furchtbaren Detonation. Mehrere Personen wurden verletzt und das Gebäude, sowie das Nachbarhaus in Brand gesetzt. Ei.bcnstvck. Mit empfindlichem Wassermangel hat un sere Stadt zu kämpfen. Ter Vorrat im Bassin vermindert sich von Tag zu Tag, so daß die Leitung immer abwechselnd teilweise gesperrt wird, um den Verbrauch etwas einzu schränken. Planen i. V. Ter bei dem schweren Straßenbahnun glück liier lebensgesährlich verletzte Wagenführer Keßler ist im Krankenhanse zur Besinnung gekommen, vermag jedoch über die Unglücksfahrt nicht das Geringste anzngeben, da infolge der Gehirnerschütterung eine Lücke im Gedächtnis zurückgeblieben ist. Planen i. V. Hier steht die Hinrichtung des Raub mörders Nenmann sen. bevor. Die im Dresdner Justiz- gebände in Verwahrung befindliche Guillotine ist nach Planen abgegangen. Ter Raubmörder Nenmann jnn. ist zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Zwönitz. Die diesjährige Abgeordneten- und Jahres- versammlnng des Erzgebirgsvereins findet am 12. und 13. August in Zwönitz statt. Hanptgegenstand der Tagesordnung bildet die beabsichtigte Gründung des Museums des Erz gebirgsvereins. Seitcndvrs. Der Brand des großen Kohlenflözes unter den hiesigen Betriebsanlagen der Hirschfelder Kohlen- und Brikettwerte ist jetzt nach vierwöchentlicher angestrengter Tä tigkeit gelöscht worden. Ter Brand war aller Wahrschein lichkeit nach durch Selbstziindung entstanden. Bei den Lösch arbeiten mußte die hohe Esse bis auf 15 Meter abgetragen werden. Es wurden gleichzeitig Vorkehrungen getroffen, um die Wiederkehr eines derartigen Brandes zu verhindern. 104 — 101 — Das junge Mädchen war ganz blaß geworden: ihre bebenden Hände falteten sich wie zur flehenden Bitte und sie hob die angstvoll erstaunten Augen zum Vater: „O, sag ihm, daß er komme ... daß ich ihn ein letztes mal sehe . . . Ich muß mit ihm sprechen, ihm versichern, daß seilte Aimee nicht undankbar ist . . . Er darf eine solch bittere Erinnerung nicht ins Exil mitnehmenI" Herr Mariel fuhr mit fast mütterlicher Zärtlichkeit über das dunkle Gelock: „Das ist schon geschehen, mein Kind. Ich hütete mein Geheimins schon seit einigen Tagen. Noll wird kommen, wenn du es wirklich wünschest." „Dank, tausend Dank, mein guter Vater!" „Nun höre aber weiter; ich habe noch vieles zu sagen. Roll liebt dich: er hat nienials anfgchört, die aufrichtigste und reinste Liebe für dich zu hegen. Nun gestehe mir ganz offen, ob auch du ihn immer so gern hast, diesen Bruder, neben dem dn groß geworden, der die kleinen und großen Kümmernisse deiner Kinderjahre erleichtert und deine Freuden verdoppelt hat ... . Hast du nicht daran gedacht und gehofft, ihm einen andern Namen geben zu dürfen? Nie gewünscht, Opfer durch Opfer vergelten zu können und mit deiner Liebe die Schuld der Dankbarkeit zu bezahlen? Sag, ob ich mich irre, wenn ich annehme, daß dein Herz blutet, ihn scheiden zu sehen . . . ." Aimee, keines Wortes mächtig, barg den Kopf an des Vaters Busen. „Und wenn ich nun versicherte: Mein 5l4nd, Noll ist ein edler Mensch, deiner Zuneigung würdig, liebe ihn, wie er dich liebte; fürchte nichts. Mit Freuden werde ich denjenigen meinen Sohn nennen, der über die Kindheit meiner Tochter gewacht hat, der in der Zeit der Not ein treuer Beschützer ihres guten Namens und ihr Helfer und Ratgeber gewesen ist . . . Aimee, sag, was würdest du antworten?" «O Vater, ich würde sagen, daß du gut, unendlich gut, der beste aller Väter bist," stammelte das junge Mädchen, halb betäubt vor Wonne. Ein Jubelschrei erscholl jenseits der Hecke, und Roll, Roll halb närrisch vor Glück, stürzte zu den Füßen Aimees nieder. Er küßte ihre Hände und rief sie mit den zärtlichsten Namen. „Aimee! Ich komm zu dir; sage es noch einmal, daß du mich nicht vergesse,: hast, daß du mich rufst, daß du mich liebst!" Sie öffnete die Augen und ein gerührter, entzückter, schwärmerischer Blick fiel auf den so plötzlich Erschienenen. Ihre Wangen röteten sich und sie ergriff gleichzeitig Rolls und des Vaters Hände. „Roll! Du bist hier? Wie kommt es?" Dann sank sie, getrieben durch ein unwiderstehliches Empfinden neben ihm auf die Kniee und rief: „Lieber Vater, segne deine beiden Kinder!" Herr Mariel betrachtete einen Moment schtveigend dieses junge Glück, das sein Werk war, dann blickte er zum Himmel und legte die Hand auf die gebeugten Stirnen: „Mein Gott," betete er mit umflorter Stimme, vereinige du in deiner Liebe diese Kinder, die du durch besondere Gnade in so vielen Gefahren be- hütet und beschirmt hast! Möge ihr Heim ein glückliches sein und rnögen sie selbst stets deinem Dienste treu bleiben!" Ehen,als hatte sie sich Regina zu Gefallen kopfüber in den Strudel der Ver gnügungen gestürzt, hatte die berauschenden und trügerischen Freuden ge kostet, nicht ohne den Fuß an Klippen zu stoßen und sich an den Dornen der anscheinend so blumigen Pfade zu verwunden. Heute hat sie inehr Er fahrung. ist von den Illusionen geheilt und bringt den sogenannten Eroberun gen und Triumphen nur ein niattes, geringschätzendes Lächeln entgegen. Sie geht vorüber und gibt nicht acht auf die schmeichelhaften ilkrden. deren Echo zu ihr dringt; sic dreht den Kopf, um die vielen bewundernden Blicke nicht zu sehen. Aber Herrn Mariel ergreift ein stolzes Gefühl angesichts der Erfolge seiner Tochter; weiß er doch, daß Aimee nicht nur gut und schön, sondern auch die reichste Erbin weit und breit ist. Er hat aber keine Eile, sie zu verheiraten, die verschiedenen, ehrenhaften Anträge, die ihn, zngegangen sind, wurden Aimee mehr der Form wcgcn vorgelegt, als mit den, Wunsche, sie angenommen zu sehen. Sie küßte dann ihren Vater und beruhigte seine eifersüchtige Zärt lichkeit. „Sind wir denn nicht glücklich, wir Zwei in unser,,, Heim?" fragte sie dann fröhlich. „Laß uns immer znsammenbleiben, Väterchen!" „Ja, liebes Kind, ich werde alt. Sieh einmal, wie grau mein Haar wird. Ich inöchte dich später nicht allein in der Welt lassen ohne Schutz und Halt . . ." Er sah sie aufmerksam an mit schlecht verhehlter Unrnl>e. Sie aber legte ihm den weißen Finger auf die Lippen nnd antivortetc halb im Ernst, halb scherzend: „Du weißt doch, Vater, daß mein Grundsatz lautet, nicht an der Zukunft zu zweifeln." Dann sprach man von gleichgültigen Dingen, nnd dem jungen Mädchen blieb die Ratlosigkeit und die stumme Ergebung, dem Vater Zweifel, Mut maßung nnd uneingeftandcne Absichten. Als beide eines Tages von einem längeren Spaziergange heimkehrten und die Lcnzcssckwnheiten der Natur beobachteten, fragte Herr Mariel ganz unvermittelt: „Aimee, denkst du denn gar nicht inehr an Roll? Ich meine doch, er hätte zngesagt, uns um diese Zeit zu besuchen? Wir müssen ihn tvohl an sein Versprechen erinnern?" Aimee stand sprachlos; sie fühlte ihr Herz luftig klopfen und ihre Hand zitterte auf dem Arm des Vaters. Herr Mariel betrachtete sie verstohlen. Es entging ihm nicht, wie sie sich Mühe geben mußte, anscheinend ruhig zu erwidern: „Das wird nicht nötig sein, er hat mich vergessen!" „Bist du dessen sicher?" Sie zögerte einen Augenblick, dann schüttelte sie den Kopf: „Nein, ich glaube es doch nicht!" „dkun, dann können wir uns leicht davon überzeugen," plauderte Herr Mariel ungezwungen weiter, ohne die Erregung seiner Tochter zu beachten; „sobald wir zu Hause find, werde ich selbst unfern, Freunde schreiben, und du kannst dein Wort hinzufügen." „AuSgestoßen. 26