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Zweites Blatt Sächsische Bolkszeitung vom 8. August 1911 Nr. 179 Aus Stadt und Land. k-ortsetzuag au« dem Hauptblatt.) —* Ein Kongreß für Rassen Hygiene, der von der Internationalen und der Deutsck)cn Gesellschaft für Rassenhygiene einberufen worden war, tagte am Sonnabend und Sonntag im Künstlcrhause zu Dresden. Im Mittel punkte der Verhandlungen standen drei bedeutungsvolle Vorträge, die überaus zahlreich von Aerzteu und namhaften Persönlichkeiten besucht waren. Vorgestern abend sprach zu nächst Herr Professor Mar v. (trüber- München über das Thema: Was lehrt die Ausstellung der Gruppe Nassen- hygiene für Staat und Gesellschaft. Er wies darauf hin, dah die höchste und zugleich schwierigste Aufgabe, die einem Kulturvolke gestellt sei, die Sicherstellung seines dauernden Gedeihens und die fortgesetzte Aufzucht eines zahlreichen, gesunden, tüchtigen und leistungssähige» nrb itsfrohen Nach wuchses sei. Tatsächlich mißrate in jeder Generation ein er heblicher Bruchteil. Deshalb schleppe jedes Volk beständig eine Masse von kränklichen, schwächlichen, unbrauchbaren, ja sogar gefährlichen und schädlichen Individuen als schwere Last und Hemmnis mit sich. Hierin habe der größte Teil der Mißstäude im Staats- und Gesellschnstsleben und eine Unsumme von Not und Qual seine tiefste Wurzel. Die Tatsaclze, daß fast alle .Kulturvölker nach kurzer Blüte zu grunde gegangen seien, sei eine furchtbare Mahnitng, die Produklionsbedingungen des Nachwuchses aus daÄ sorg lichste zu studieren und mit allen Mitteln aufs beste zu sichern. Wenn es gelänge, die Umwelt für jede» tadellos und günstig zu gestalten, dann würden sich voraussichtlich auch alle zu den besten Bürgern und Menschen entfalten. Daher unsere Anstrengungen für allgemeine Volksbildung und Hygiene, für humanitäre Bestrebungen, für Sozialge setzgebung und für eine immer tiefer greifende, immer um fassendere Sv'galresvrm. Der Nedner besprach dann die Vererbung von Eigenschaften und Krankheitsanlagen und hob hervor, daß durch Verbesserung des Milieus allein keine durchgreifend-' Verbesserung der menschlichen Gesellschaft möglich sei, sonder» eine weise Zuchtwahl müsse zener an d>" Seite treten. Die Vermehrung der Mi»de>M>e>'!igen müsse gehemmt, die der Hochwertigen gefördert werden, ebenso müßten Nur das Optimum der Keimprodnltio,'. zu ersor sclzen trachten. Ter Nedner gab dann eine Uebersicht über die Ursachen nerschlechterter Keiniproduktion und besprach den Einfluß des Alters der Erzeuger, der Geburtenzahl und Gebnrtennuwmer, der Naschbeil der Geburtrusolge, sowie die Wirkungen der Bleies, des Alkohols, der Tuberkulose und der Syphilis, sowie die Schädigung des Erwerbslebens durch die industrielle Erwerbsarbeii der Fron. Neben der arößeren Sterblichkeit eröffne auch die immer Wester grei sende willkürliche Einschränkung der Nachkvmiu'nschast, die bereits seht zu unterbrochenem Aussterben der Hochbegabten führe und auch im Deutschen Neiche die Volksverniehruug in naher Frist völlig zu hemmen drohe, eine noch viel düstere Aussicht in die Zukunft. In der Sonntags- sitzuug sprach Herr Professor Dr. Fahlbeck Lund über: Der Neomalthusiauismns in seinen Beziehungen zn Nassenbio- logie und Nassenhygiene. Ter Nedner wandte sich in der Hauptsache gegen die Einschränkung der Kiuderzahl, West hierdurch handgreifliche und große Schäden ccm Lolkskörper wie dem einzelnen zugesügt würden-, unter diesen sei die ab nehmende Bevölkerungszahl besonders hervorzuheben, wo durch die herrschende Stellung der Weißen Rasse gefährdet werde. Der Neoinalthusianismus führe zu einem sowohl onantitativen wie qualitativen Rückgänge unserer Völker, der sie demselben Schicksal entgegenzuführcu drohe, dem einst Griechenland und Nom unterlagen. Zum Schlüsse sprach Herr Rechtsanwalt Dr. Breymann, Vorsitzender der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeichichtr in Leipzig über: Tie Notwendigkeit eines Zusammengehens von Genealogen und Medizinern in der Familienforschuug. Er wünschte Einheitlichkeit in der graphischen Darstellung der Verwandtschafts-Verhältnisse, Statistiken über Todesnr- sach-.m, Krankheiten, Operationen, sowie über totgeboreno und schwächliche Kinder usw. Bauden, 6. August. Bei der Haltestelle Luttowih wurde ein Geschirr der Frausteinstlfeu Mühle überfahren und zer trümmert. Auch wurden beide Pferde sofort getötet. Ter Kutscher konnte sich noch rechtzeitig durch Abspringen retten. Biirenstkin, 0. August. Ter Bau einer W. sstrwstung, deren K .sten l75,000 Mk. betragen, ist vom Gemeiudc- rnte beschlossen worden. Ehkmnih, 0. August. Infolge der Trockenheit ist der Wussei spiegel in der Neunzehnhalner Talsperre i in 7,00,» gefallen, svdaß die Sperre nur noch bis zuin -1. Teile gefüllt ist. Freiberg, 0. August. Ter in der Eisen- und Metall- gleßerei Münzner L Schönherr ausgebrocheue Streik von 07 Kornern, .Kernmachern und Arbciteni ist nach sechs- tägiger Dauer ausgegeben worden, indem 'ämtliche Streiken de» unter den bereits vor der Arbeitsniederlegung von der Firma zugestandenen Bedingungen die Aibeit wieder aus genommen haben. Planen, 0 August. Durch ein großes Schadenfeuer mü den in Lieb n wün fünf Bc uernhöse vollständig zerstört. Auch zahlreiches Vieh ist mit verbrannt. TtriegüU, 0. August. Ter t» der Akiieng-sellschaft für Bürsteniiidnstrie ausgebrocheue Streck ist diuch Ver ls nidluugen zwischen einem Beamten des Deutsch»» Iadustrie- schuhverbandeS lSitz Dresden) und den Bei treten, von 5, beteiligte» Arbeiterorganisationen nach NOäg'ger Domr lnifeligt wmdni diO Streikende haben die Aibest wieder ausgenommen Tie übrigen Ol) können bet späterem Bedarf nur zur» Teil für die Wiederaufnahme tu Frage kamnieu. Landwirtschaftliches. l Tie Aussichten der diesjährige» Wclteriitr. Folgeu- dos, das insbesondere sür unsere ländliche» Leser von Wich tigkeit ist. gab unser landwirtschaftlicher Mitarbeiter uns bekannt. ES lautet: Tie EinheitSz'sser der Weizenproduk. tion in der nördlichen Erdhälste beträgt 105.1 Prozent der vorjährige» Produktion. Diese Ziffer bezieht sich aus eine Gesniiitprodnktion von -Ist» Millionen Doppelzentnern. Ter Stand im allgemeinen ist in Rußland befriedigend, ausge nommen im östlichen und europäischen Rußland, dagegen ist derselbe in Kanada, Aegypten, Irland und Meriko gut, in Tenlschland, Oesterreich und Schweden ist der Stand zwi- scheu gnt und mittel. Tie EinheitSzisfer der Noggenproduk- tion stellt sich auf 100,1 Prozent der porjährigen Produktion und bezieht sich ans eine Gesamtprodnktion von 00 Millio nen Doppelzentnern. Ter Stand beträgt l>5 Prozent in Rumänien und 00.6 Prozent in Nordamerika und ist zwi schen gnt und mittel in Deutschland, Oesterreich und Schwe de». Die Einheitszisser der Gersteprodiiktion ergibt 107,7 Prozent der porjährigen Produktion bei einer Gesamtpro duktion non 58 Millionen Doppelzentnern. Ter Stand ist gut in Kanada und zwischen gut und mittel in Deutschland, Oesterreich und Ungarn. Tie Eiuheitsziffer der Haferpro di,ktiou beträgt stll,0 Prozent der vorjährigen Produktion und bezieht sich auf eine Gesauitproduktion von 15 Millio nen Doppelzentnern. Ter Stand ist gut in Kanada und zwischen gut und mittel in Deutschland, Oesterreich. Ungarn, Kroatien und Tlaponien. I Eine interessante Feststellung Hai man in einem Torfe gewacht. D e Maul- »nd Klauenseuche ging von eiuem Gebösle znni benachbarten, obwohl die piößten Vorsichtsmaßregeln beobachtet und alle möglich»n Des- insekiiouöiusttcl angeweidet Warden. Bei dem stillsten Gehöft machte sie j-dach, Halt. Ter B> scher halte vor sämtitcheii Fenstern »na Lnsllöchern seiner Tlölle söge, annte Fliegeugaze befestigt, die wohl die Luft, aber kein - Fliegen dmchiäßt. Auch hielt er die Türen der Ställe nach Möglichkeit geschlossen. Da nun die Seuche gerade vor diesem Gehöft Halt inachte, so ist anzmiehmen, daß die Fliege als Sencheutröger in Betracht kämmt. Jedenfalls tollte man auch nach dieser Richtung hin VeusichtLmaßregelir lressen. Vermischtes. vZahl der Esperanto gruppen in der ganzen Welt: lOOl >8. 1002 08 in den folgenden Iab'en 188, 000, 182. 75,0. >152. 1025 im Jahre l!»lO 1710. In Deut chlanc. >000 I. dann 8. IO. 21. II. 80. 212. Ende >!)lO bestand der Denstche Esperanlobund ms 102 Gruppen, im Inlt lOll 20!) mit üb»r 0000 Mitglieds:» Ter Deiitsche Arbeiter - Esp raustsl» nbrind zählt gegenwärtig 07 Gruppen, außerdem bcstehea 00 weitere Esperanlogroppen, die keinem Bunde angeschlosse» sind. v Ei's lehr interessante Eiilscheidnug fällte das Reichsgericht. Zwei Männer hatten iw WirlShouse eine Wette ab,zcschlossen, wonach der eine von ihnen einen halben Liter Schnaps iiiurrhalb einer halben Stunde Iriuken sollte. Iufol,c diele« Genusses starb der Schnops- tr'uker, und der andere wurde nun wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und verurteilt. Die beim Reichsgericht eingelegte Revision wurde verworfen. Dis Begünstigung einer so ekelhasten Völlerci wurde der fahrlässige-i Tötung gleichgestht. c S t i f t >i n g. Ans Anlaß der Hundertjahrfeier der Breslauer Universität haben die schlesischen Landwirte lOOG»0 Mark -uw Neu- und Ausbau der landwirtschaft- lickzcn nstilut-- der Universität gestiftet. c H e > l i g e r V u r e a >.' k r a t i s m u s ! Man schreibt der ..Franks Zta." Mein kleiw'r Enkel ist ein Schlingel, der vor Geldeswert und selbst vor dem Bildnis der Germania 80 — , c „Ziehen Sie sich nicht vo» ihi zurück, Nora. Sie ist edel, aber an glücklich!" Bald war auch schon die Eisrinde um Noras Herz geschmolzen. Sie batte sa so wenig Liebe kennen gelernt und sie sühlte, daß sie die einsaim lraurige Fra» würde lieben könne». Noch an demselben Abend trat Georg Mesner die Rückreise an. »in 'einem Onkel das Bermiichlnis Walter von Minkwitz z» überbringe». 17. Der Freiherr war »ach seiner Unterredung mit Juan Valesquez, von einer qualvollen Unruhe getruchen, nochmals nach Gr Nürburg znrückgekehrt, um in Erfahrung zu bringen, ob irgend ein neuer Anhaltspunkt mit Bezug auf Noras rätselhaftes Verschwinden gesunden worden sei. Aber nichts neues wurde ihm gemeldet. Aber nicht allein aus diesem Grunds hatte Gr Freiherr sinne Schritte wieder nach der Rotburg gelenkt Bald nach seiner Ankunft zog er sich in das Bibliothekszimmer zurück, das sein verstorbener Bruder gleichzeitig als Arbeitszimmer benützt hatte. Er war eitrig damit besihästigt. nielsticht schon zum hundertste» Male, die Schubfäch-er eines Schreibtstclres zu durchsuchen. Aus Walters eigenem Munde wußte er, daß ein Testament gemacht, auch ein richtiger Traui'clzeiii vorhanden war. er hatte beides niemals rinden können. Vielleicht war diele Aussage Walters überhaupt nur aus dem Grunde ge macht worden, um den Freiherrn zur vollen Ausfüyrung 'eines letzten Wil lens zu tcranlasten. Während der Freiherr noch estrig war dein Durchstöbern ,ller alten Pa piere beschäftigt war. die er 'chen wiederholt drirchgesehen, horte ,-r plötzlich den schnellen.Hiifichlaq eines Psttdes und unmittelbar darauf ante Stimmen im Hofe. Neugierig trat Herr von Minkwitz an das Fenster und durste er seinen Augen trauen? Vor dem Portale hielt ein 'chauiiibcdecktes Pferd, das Doktor Jules so eben v.-rlallen hakte. Der Freiherr inertste nicht, bis ihm Tokto, Ostes ge meldet wurde. Hastig ver'chloß er de» Schreibtisch und verließ das Biblio- itxekszimmer da trat ihm 'chou der Angekoiniyene entgegen. .Doktor Jules Tie?" rrxar alles, was der Freiherr hervorbringen konnte. Wie Sie sehen, Herr von Minkwitz. Sie sind überrascht und nicht ebne llc'acho. Ich bi» Bote wichtiger Nachrichten." .Sie haben sie gesunden?" Es lag kernes»r>egs ein freudiger Ausdruck :u dicien Worten. „Stillt" sagte Doktor Jules, 'sich stheu „ach eckten Zeiten umseheiic». Aber die Vor sicht ivar eine nutzlose es lre»; sich niemand sehen. Der Freiherr trat, gefolgt von Doktor Jules, in das Brbliothckvzilnmer zurück er war sichtlich er'chopst und angegriffen. .Die junge Dame ist gefunden," flüsterte Doktor Jules. „Wo?" „Kaum drei Stunden von hier - im Wirtshaus zur Sonne." Georg Hörle von allem nichts, sein Herz mar übervoll. Er wußte auch, »daß bst W» lt Ichö» war, Vielleich! wußte er es nie mehr als eben seht, aber an der»- Gedanlen bewegten ihn und nahmcn ihn in Anspruch. Nun lag das Wirtshaus vor ihnen. Tie Försterin hatte sie bestimmt, dorthin zu gehen, weil es abwärts bon der Landstraße lag. und dann auch sannst- sie die Wirtin als eine >echtschassene Frau. Eine Viertelstunde spater führt-- Georg Nora in das Hans. Mil höflicher Begrüßung trat ihnen die WirOn entgegenz sie kannte den Wage» des Först-'rs und war froh, etwas von ih-er guten Freundin, der Förster,», zu hören. „Leider kann ich Ihne» nur zwei lleine Zimmer oben im Hanse geben," sagte sie di« »steinig. „Es ist doch mirklich recht sonderbar, das annze Jahr hindurch kommt kein Gast in »User Hans, der ein Nachtlager begehrt, und gerade heute hat ei» fremder Herr unser bestes Zimmer in Anspruch ge nommen." Georg hatte die letzte» Warle der Wirtin kaum verstanden, als er sie bat. si-' möge Nora hmanssuhren und sür die Begnemljchkeit Einer Schwester sarge» während er die Rückbesorgnng des Wagens nnordnen wolle. Ge Wirts» sühne Nora hinaus und Georg kehlte vor die Haustür zu rück. staum war er fort, als hinter dem Borsprnnge einer Wand ein Manu hervor'ah. Scheu blickte» die unheimliche» Augen nach alle» Seiten, wäh rend ein höhnisches Lächeln seine Lippen umspielte. „Al,' So nahe habe ich mir denn doch die schöne Flüchtige nicht ge dacht' Sonderbarer Zufall, daß ich drei Tage hier bleiben und mich in dieses einsame Wirtshaus verirren muß, um im rechten Augenblicke mit ihr zu- sammeuzutresfen." Eiligst schlüpfte er über den Hausflur und verschwand durch die Türe, die leich: als diefenigc zu erkennen war, die zu dein besten Animier führte. Hier mgekommen, überlegte er. was zu !uu sei. W r war runochst der junge Mann? Daraus konnte chin melleicht der Freiherr Antwort aeben. Ein Bruder war es nicht, so viel stand fest, denn hätte Nora einen Bruder gehabt, so wären die Maßregeln gegen sie selber durchius nutzlos geworden. Wer war es denn? Auch von anderen Ver wandten halte der Freiherr nichts gesagt. Aber wie sich Doktor Jules auch besann, das Rätsel konnte er nicht losen. Dagegen fühlte er. daß er Handel» müsse. Aber wie - auf welche Weste? Persönlich gegen Noras Begleiter aufzutreteu, dazu sühlte er eigent lich keine Veranlassung. Ter junge Mann machte durchaus nicht den Ein druck. als sei er geeignet, seine Schutzbefohlene sich entführen zu lassen. Fm ersten Augeubltcke dachte Doktor Jules daran, rofoct zu dem Frei- Herrn von Minkwitz zurückzukehren »nd denselben mit den gemachten Ent deckungen bekannt zu machen: daun aber dünkte es ihm Torheit, und der Freiherr wurde es ihm nicht einmal Dank wissen, wenn er das Paar aus 'einen Augen ließe, ehe er irgend welchen Anhaltspunkt gewonnen. Er mußte wissen, wer der junge Mann war. und wohin sie sich zu wenden beabsichtigten. Daun hatte er auch den Vorteil, in einem, günstigen Falle für sich handeln zu können. Nachdem Doktor Jules diesen Entschluß gefaßt, hielt er sich bis zum Anbruch der Dämmerung in seinem Zimmer auf uird erst dann schlich er leise .Ein Kind des Südens? 20