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Nr. L8S — V. Etiwsch de» 14 Dezember 1V 1v MchslslheUolksMum Mchrtiü »glich »ach», mit Ausnahme der «mm- und Festtage. Inserate Weeden die «gespaltene PetttzeUc oder deren Rau« mit »8 ^.Reklamen mit 80 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. "KT.WM-WL-'N-'Lr Unabhängiges Tageblatt — . ^ ^ -- . . . ^ vuchdruikerei, Redaktiou und tSrschSstSftell«, b.. Ohne Ulustcierte BeUage diertel«, ».80 I» < e L < S »reSden. iptlluitzer «traft» 4». - Fernsprecher 1»« INWA^land^j^E M<rhvyeit^ Recht und Freiheit Für Rückgabe unverlangt, «chrtstftücke keine Brr Redaktion!-Sprechstunde: lI—IS Uhr. « keine Berbindltchket« l-I0l-H6»_IDdl^6^l VNL8OLdi-z :: s-8/tSL6 81'6^888 30 ^esillolift- uncl ^iollsi>-^uknst»mon Vsnkeöüseutizsn iOnUsebllcssn 8poni ° so s>roiss mLgig 1».-^nm«i<tung10S7 Vokrügliclier ^^i-irwaum-^oniekt ^tun4 von so Pf. »n. l.ebkuc!ien, Vi-^kiei- üncj llümbei-ger l»»ut«n 51« ln bekanntest guten Qualitäten bat ^ekling L s^ockrii-Oli. ttterierlagen ln allen 5ts<ttteil«n. Vierzig Zahre Deutsche Zentrumspartei. Dresden, den 13. Dezember 1S1V. Der religionsfeindliche Liberalismus hatte 1870 in den gesetzgebenden Körperschaften die Herrschaft erlangt und sehnte sich nach dein Augenblicke, wo er seine Kulturkampf- gelüste betätigen konnte. In dieser Not hatte der große Parlamentarier Peter Reichensperger am 11. Juni 1870 anläßlich der preußischen Landtagswahlen in der „Köln. Volkszeitg." ein Programm aufgestellt, das Freiheit der Kirche und ihrer Organe, konfessionelle Schulen, Selbstver waltung in Gemeinde, Kreis und Provinz, bundesstaatliche Einheit unter Wahrung der freien Selbstbestimmung der Bundesländer, Arbeiterschutz und soziale Fürsorge für den Bürger-, Bauern- und Arbeiterstand forderte. Die aus Grund dieses Programms gewählten Mitglieder des preu ßischen Abgeordnetenhauses vereinigten sich am Die ns- tag den 13. Dezember 1870 im Hotel zum Eng- ! lischen Hof, Mohrenstraße 49, zu Berlin und gründeten nach ' dem Vorschläge der Abgeordneten Reichensperger und von Savigny die „Zentrumsfraktion (Verfassungspartei)". Aus diesen Beratungen ging das Programm hervor, das noch heute das Programm der preußischen Zentrums fraktion ist. Am 11. Januar 1871 erließ sie einen Aufruf zu den Reichstagswahlen. Am 3. März wurden daraufhin 67 Abgeordnete gewählt, die sich am Tage der Reichstags eröffnung, am 21. März, zu der Zentrumsfraktion des Reichstages zusammenschlossen. Das Programm lautet: „cku8titia kunckamentum regnorum. Die Zentrumsfraktion des deutschen Reichstages hat folgende Grundsätze für ihre Tätigkeit aufgestellt: 1. Der Grundcharakter des Reiches als eines Bundes staates soll gewahrt, demgemäß den Bestrebungen, welche auf eine Aenderung des föderativen Charakters der Reichsverfassung abzielen, entgegengewirkt und von der Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit der einzelnen Staaten und allen inneren Angelegenheiten nicht mehr geopfert werden, als die Interessen des Ganzen es unabweislich fordern. 2. Das moralische und materielle Wohl aller Volksklassen ist nach Kräften zu fördern: für die bürgerliche und religiöse Freiheit aller Angehörigen des Reiches ist die verfassungsmäßige Feststellung von Garantien zu erstreben und insbesondere das Recht der Religions gesellschaften gegen Eingriffe der Gesetzgebung zu schützen. 3. Die Fraktion verhandelt und beschließt nach diesen Grundsätzen über alle in dem Reichstage zur Be ratung kommenden Gegenstände, ohne daß übrigens den einzelnen Mitgliedern der Fraktion verwehrt wäre, im Reichstage ihre Stimme abweichend von dem Fraktionsbeschlusse abzugeben." Es kann nickst Aufgabe dieser Zeilen sein, ein Bild der segensreichen Tätigkeit zu entrollen, die die Zentrumspartei in diesen vier Dezennien geleistet hat. Sie ist mit der Ge schichte des Deutschen Reiches innig verflochten. Nur drei Punkte seien genannt, die den Ruhm des Zentrums aus machen und ihm jene im Volke fest wurzelnde Kraft verleihen: Vorab die mannhafte Verteidigung der bedräng ten Rechte des katholischen Volksteiles, so wie die Vertretung des christlichen Gedan ke n s in unserem ganzen Staatswesen. Die Hoch Haltung der bürgerlichen Frei heiten, das eigene, wie das fremde Recht achtend, die Pflichten auch nie verkennend gegen Vaterland und Herrscherhaus. Endlich sein Bahnbrechen für den großen sozialen Gedanken, mit dem Schutze des Schtvachen auf allen Gebieten und dem Ausgleich nach den Grund sätzen der christlichen Gerechtigkeit. Keine Partei kann sich rühmen, in diesen Punkten auch nur annähernd Gleichwertiges geleistet zu haben. Einig und geschlossen ist das Zentrum bei allen Kämpfen stets dagestanden. Nicht um die Gunst der Mächtigen und Reichen hat es gebuhlt und ihnen zuliebe auch nur einen Augenblick sein Programm eingerollt. Stolz wehte die Fahne stets an der Spitze der Partei. Sie hat dem Vater lande treu und ehrlich in schlimmen wie in guten Tagen gedient, nie dem Hasse, nie dem Neide, nie der Vergeltung des erlittenen Bösen nachgehend, sondern einzig wandelnd den Weg des Rechtes und der Wahrheit! So sehen heute die Anhänger der deutschen Zentrums partei mit berechtigtem Stolze zu ihrer unbefleckten Fahne, zu ihren opferfreudigen Führern auf, geeint mit ihnen durch die alten Prinzipien, die das Fundament des uner schütterlichen Turmes bilde», -er aller Stände Wohl, aller kulturellen Interessen Fortschritt, des Vaterlandes E^rS und Größe schirmt und schützt. Durch die ganze vierzigjährige Geschichte deS Zentrums zieht sich als eine von allen, hoch und niedrig mit eifersüch tiger Herzensliebe gehegte Grundforderung, das Gebot absoluter Einigkeit. Mit heiliger Erbitterung hat das katholische Volk stets alle Bestrebungen zurückgewiesen, die versuchten, die Einigkeit zu lockern. Seid einig! so lautete es, als die ersten Zentrums leute zusammentraten. Seid einig! lvar das Testament des großen Windthorst. Seid einig! so klingt es dreifach ernst in diesen Tagen an unser Ohr, wo wir, nach außen die stärkste Partei im Reiche, alle von Bassermann bis Bebel zum Kampfe gegen uns anstürmen sehen. Wehe, wer es wagt, diese Einigkeit zu zerstören! Er vergreift sich an dem heiligsten Erbe aus großer Zeit: er ist ein größerer Feind als alle äußeren zusammen, seine Zerstörungsarbeit müßte rücksichtslos mit allen Mitteln zum Stillstände ge- bracht werden. Heute, wo wir in froher Feststimmung den vierzig jährigen Grllnbungstag des Zentrums begehen, da erheben sich alle Herzen in heiliger Begeisterung, da finden sich alle Hände brüderlich zusammen und jeder Mund, der spricht des Herzens innerste Ueberzeugung aus in den Worten: In unerschütterlicher Treue einig bis zum letzten Atem zuge dem Zentrum, voran zum Siege: Mit Gott, Für Wahrheit, Recht und Freiheit! Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft. (Nachdruck verboten., Berlin, den 12. Dezember 1S10. Am Sonntag beging die Deutsche Landwirtschaftsge sellschaft einen Festakt, der dem Andenken einiger verstor bener Mitglieder geweiht war. Auf denr Hofe des Ge schäftsgebäudes der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, lvo sich das Standbild eines Max Eyth befindet, dem Be gründer der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, wurden die Marmormedaillons von Heinrich Nathusius, Dr. Schultz-Lupitz und Berthold Wölbling enthüllt. Zu der Feier hatten sich zahlreiche Mitglieder der Deutschen Land wirtschaftsgesellschaft eingefunden. Abends fand im Landesaussiellungsparke aus Anlaß des silbernen Jubiläums der Deutschen Landwirtschafts- gesellschast ein Festbankett statt, das von etwa 1000 Perso- nen besucht war. Von Ministern waren Delbrück und Schorlemer-Lieser erschienen. Den Tag feierte in einer Festrede Dr. Stockhausen. Am Montagvormittag fanden wieder zwei öffentliche Versammlungen statt. Nach Erledigung geschäftlicher An gelegenheiten referierte Dr. Tack-Bremen über die Ver wendung künstlicher Düngemittel in Moor. Heide und Marsch. Das zweite Referat betraf speziell die Entwickelung der Düngerlehre. In der Gerätcabteilung sprach Ober- ingenieur Vietze-Halle über die Erfahrungen mit aus- geführten landwirtschaftlichen Elektrizitätszentralen. Pro fessor Dr. Fischer-Berlin sprach über die Prüfung, die in den letzten Monaten mit den Untergrnndlockerern angestellt wurden. Nachmittags fand die Hauptversammlung der Deut- sck,en Landwirtschaftsgesellschaft im preußischen Abgeord- netenhause statt. Die Kunde, daß der Kaiser zu der Ver sammlung kommen werde, hatte eine derartige Uebersüllung des Saales, der Tribünen und der Korridore veranlaßt, wis sie noch bei keiner Veranstaltung im Abgeordnetenhaus« ge- Die Lür ins Weite! „Was stehst du denn da so lange an der Tür, Max; mach sie doch zu und komm herein." — „Nun ja, Max, so geh zum Vater und sage ihm, was du auf dem Herzen hast." — „So, der Junge hat also etwas auf dem Herzen, da bin ich doch wirklich neugierig." — „Lieber Vater, ich möchte etwas werden." — „Nun, was denn?" — „Etwas Tüchti ges." — „Na, wie willst du denn das Wohl anfangen?" — „Müllers Kurt geht schon das zweite Jahr aufs Gymna sium, und er erzählt mir immerfort, was sie dort Großes lernen. Wenn er redet, staunen alle Jungen auf der gan zen Straße. Er will auch später ein großer Doktor werden. Ich beneide ihn, denn in der Schule war ich doch weit besser als er, und ich würde gewiß noch alles besser bringen als der Kurt." „Du bist wohl närrisch, Junge, wo sollen wir denn das viele Geld hernehmen. Das ist nichts für uns, wo es immer ein bißchen knapp hergeht. Bedenke doch die vielen Jahre, da mußt du ja eine Ewigkeit lernen. Das schlage dir nur aus dem Kopfe." „Ach, Vater, wenn ich nur den Anfang hätte, dann kann ich mir schon selbst weiterhelfen. Du kennst doch noch Zim- mermannS Otto. Der war auch nur mehrere Jahre auf dem Gymnasium und dann hat er selbst tüchtig gelernt und doch das Examen der Einjährig-Freiwilligen bestanden. Jetzt hat er schon eine feine Stellung und lernt immer noch tüchtig weiter." „Ja. Max. mein Junge, ich wollte ja wohl gern dir helfen und dich vorwärts bringen; aber selbst der Anfang fällt uns schon -u schwer, und wo solltest denn du den An fang machen? ES ist freilich etwa- schönes, wenn man dann selbst weiter studieren kann und einem sozusagen die Tür zur ganzen Welt offensteht: aber wo solltest du den An fang machen?" „Nun, weißt du, Vater, Zimmermanns Otto ist auf das Progymnasium gegangen. Da hat er eine Menge ge lernt, und wie er fertig war, hat er noch manches Buch ge liehen bekommen, und mancher Rat und mancher Wink wurde ihm gegeben, so daß er es endlich so weit gebracht hat. Dort kostet es auch nur halb so viel, wie an anderen Gymnasien." „Na," sagte der Vater, „da kenne ich mich nicht genug aus, da muß ich wohl einmal mit dem Direktor deiner Schule reden." Bald machte sich denn der Vater Lorenz auf zum Schul direktor Ernst und trug ihm die Gedanken seines Soh nes vor. Direktor Ernst konnte den Max in jeder Beziehung loben. Er meinte, wenn der Junge ein so lebhaftes Ver- langen nach Weiterbildung habe, solle der Vater alles, was er nur immer könne, daransetzen, ihn vorwärts zu bringen. Ein Bedenken hatte freilich noch immer Vater Lorenz. Er meinte: „Ich habe jetzt so viel davon gehört, daß der Sprachunterricht im Latein, im Französischen, im Griechi schen, wie er am Gymnasium erteilt werde, nicht so sehr praktisch wäre, weil er einen zu breiten Raum einnehme und dadurch die anderen Fächer Schaden leiden müßten." Darauf meinte Direktor Ernst, der noch zur alten Schule gehörte: „Nun, es wird doch nicht bloß Sprachunter- richt erteilt, sondern auch die Mathematik gepflegt und die anderen praktischen Fächer. Das Wichtigste aber im Leben ist die Ausbildung des Verstandes und des Willens nach allen Richtungen. Nun ist aber die Ausbildung des Verstandes, wie sie die Kultur eines Volkes in Jahrhunderten gezeitigt hat. niedergelegt in der Sprache dieses Volkes. So eignet sich der Schüler mit der fremden Sprache zugleich die Bildung deS Verstandes an, wenn der Sprachunterricht richtig be- trieben wird. Besonders lernt er folgerichtig denken, er gewinnt klare Begriffe, sein geistiges Leben klärt sich, sein Urteil schärst sich. Er bekommt die Sprache in Schrift und Rede in seine Gewalt. Die Sprache ist und bleibt aber das vornehmste Mittel, um wieder auf andere einzuwirken. Sie beeinflußt alle Handlungen beim Menschen. Wer folge richtig denken und sprechen kann, wird auch folgerichtig han deln. Die Aneignung der fremden Sprache aber erfordert eine solche Willenskraft, solche Selbstzucht, solche Genauig keit bis ins kleinste, solche Aufmerksamkeit, daß sie ein überaus wirksames Mittel der Erziehung bildet. Ein so erzogener Mensch wird nicht vor den Hindernissen zurück- schrecken, sondern wird sie überwinden lernen. Damit hat er aber solche Vorteile vor anderen erlangt, daß man ruhig sagen kann, er ist ihnen überlegen. Warum sich nun in dieser Weise ganz besonders die lateinische Sprache eignet, das werden Sie mir, lieber Herr Lorenz, wohl einfachhin glauben, wenn ich es Ihnen sage, denn mehr als eine tau« sendjährige Erfahrung hat es bestätigt. In unserer kurz lebigen Zeit muß ich wohl noch besonders bemerken, daß auch das Gedächtnis durch den rechten Sprachunterricht sehv gestärkt wird. Ein gutes Gedächtnis aber ist doch für jeden Menschen ein unabweisbares Bedürfnis. Aus meiner eige nen Erfahrung im Unterrichten, wie aus dem Urteile vieler anderer Sprachlehrer weiß ich, daß der rechte Sprachunter richt einen ruhigen, klaren, zielbewußten Geist heranbildet. Gewiß ist eine humanistische Anstalt nicht für alle Knaben; aber für Ihren Max paßt sie ausgezeichnet." So war das Schicksal des Jungen entschieden. Er Hai es nie bereut, tüchtig studiert zu haben auf dem Progymna sium. wenn er auch jetzt ganz andere Bahnen eingeschlagen hat und ein großer Künstler geworden ist. Er bekennt, daß er gerade dadurch einen großen Vorsprung vor anderen Mitarbeitern gewonnen hat. So finden wir überhaupt ehemalige Progymnasiasten in allen möglichen Lebensstel lungen, Geistliche, Professoren, Lehrer, Sekretäre, Kauf leute, Geometer, für sie alle war die Anstalt die Tür in» Weite.