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Freitag den 13. Mai 1SL1 TSHsksH« Generalstreik in Oppeln Oppeln, 12. Mai. Der dentsche Bevollmächllzte 1» vp» Pein teilt mit: Infolge der Gerüchte über den WasenstiUttand und die Festsetzung einer Abgrenzungslinie »wische» Ser Inter, alliierten Kommission und den Aufständische« ist in Oppeln der Generalstreik auSgebrochen. General Lerond hat dem Brr- tretr» des deutschen Bevollmächtigten erklärt, daß die Warschauer Angaben über Waffenstillstand und Abgrenzung«!»»» nicht den Tatsachen entsprechen. Tie Erklärung ist vom deutschen Bevoll mächtigte» i» Oppeln durch Anschlag bekanntgrgeben worden, um die stark erregte Bevölkerung »« beruhigen. Dir drutsche Re- gicrung wird mit aller Schärfe ans klare Regeln», der Ange- lcgcnheit dringen. O Oppeln, 12. Mai. Infolge der Haltung der Iiiteralliierlen Kommission ist die Erreg»»« der Bevölkerung in Oppeln ans da« höchste oestiegen- Heule mittag wnrde der Gene raIst reik erklärt, der sofort mit aller Schärte einseb'e und der auch die Wasser-, Ga«. ,i»d Elektrizilnirweike um'akte Sämtliche Beamte haben sich der Streikbewegung analschlossen. Am Nachmittag fand vor dem Regier»na«gebä»de eine Versammlung unter freiem Himmel statt. Im Anschluß daran begaben sich dann die Vertreter der deutschen politischen Parteien Oberichlenenl »um GeneralLeroud, um von diesem »nzwlideulig Anskunst »u eihalt.». Ueblr da« Ergebnis der Verhandlungen liegen bi« zur Stunde noch kein« Mitteilungen vor. Trotzdem General Ler o n d heute dem Graten Praschma erklärt hat. daß die Warschauer Angaben über den Abschluß eine« Waffenstillstandes-»icht den Tatsachen entsprechen, ist heute wiederum ein von einer amtlichen polnischen Fimlstatwn onfaepebcner Funk» spruch ausgefange» worden dcS Inhalt«, daß ei» Abkommen »wische» der Interalliierten Kommission und den Polen getroffen wäre, wonach die interalliierten Truppen stillschweigend «brücken und durch Hallerlrnt'p.n er'etzt werden sollen- Von dem Führer der Ansständische» der Gruppe Ost Ist über da« Nnlruhrgebnt der Bclageriiiig«»ustciud verhängt worden Nach dieser Verordnung de« AusständischensUhrer« wird »eben Mord, Raub, Sabotage und Diebstahl auch die Verständi gung mit dem Feinde mit dem Tode bestraft. Sämtliche Waffen sind binnen 12 Stunden beim nächste» Stabssominaudo abz»geben. Sämtliche Zeitungen stehen unter Zensur. Der Fernsprech- und Telegiaphenverkebr unter liegt der Uedenvachung der von den Anilührerii ei»gcsktzten Behörde. Die Aii'sländiichen n»teriiah»ien heute ciimi Vorstoß aus der Gegend von Rosenberg. ES gelang ihnen, den Bahnlios Kudowa »» besetze». Zn der Stadt Nosenberg wurden etwa 80 Häuser vo» de» Polen fest besetzt. Mehrere Güter wurden geplündert, darunler die staatliche Domäne Panlsdorf. Zahl reiche Ortsvorsteher der Landgemeinden sind verhaftet morde». Im Kreise Beuthen weide» Listen der deiitschgesinntc» Oberschlcsier aiitzcstcllt, die sofort das Gebiet »u verlasse» haben. Zn dcm nicht von den Ausrührer» befehle» Gebiet wird der Eiscubuhnverkehr aus den Strecken Krenzburg—Costan. Kreinbueg-Oppeln, Wanelnu—Iellowa, Oppeln—Malapane, Oppclii- Nerßc, Neiße—Twardama <voc KoicU, Deut ch.Rasselwitz—Naiibor auf recht erkrrlle». stdcht fahrbar sind die Strecken Oppeln—Gogolin und Twardatva—Kofel. Die letztere liegt unter dem Feuer der Aufständischen. Ler FlüchtlingSoerkehr von Oberschlesien nach Breslau ist ütcrau? groß. Während deS Verlaufs der zweistündigen Verhandlungen der Vertreter aller deutschen Parteien einschließlich der Deut schnati arr nlen und der Ko in in uni st en mit der Inter alliierten Kominissiail hat General Lcrond nochmals versichert, daß leiuerlci Verhandlungen mit den polnischen Ausstündischen slaitgesuudeii hätten. Es hätte sich höchstens um örtliche Besprechungen zum Schutze verdeutschen Bevölkerung und des deutschen Eigentums handcl» können. General Lerond versicherte auch erneut, daß er Truppen»erstärkuugen ange- sorderl habe. Mich ihm sei cS am liebsten, wenn englische und itniicinschc Truppen entsandt würden. Obwohl die Erklärungen General Lerauds nicht, in allen Punk.en besriediglen, glaubten die Führer der deutschen Parteien doch, von einer Fortstihrung des Generalstreiks Abstand nehmen zu sollen. Demgemäß wurde d i e Arbeit um 7 Uhr abends wieder ausgenommen. Bcuthen. 12, Mai. Die Kohlenbestände der Gasanstalt sind so gering geworden, daß von morgen Freitag an Gassperrstnnden and zwar von vormittag 11 bi« iiachmcktag 0 Uhr eiugcsilhrt werden. Zn den heutigen Bormitlagslnttdeii ist der Straßenbahnverlehr aus allen vier eiumündeudeii Linien wieder ausgenommen worden. Während weibliche Perwnen ohne Ausweis reisen dürfen, tvird jeder- männliche Fahrgast, der le.nen polnischen AirsweiS vorzeige» kann, von der Wcitersahrt ausgeschlossen. Eine neue polnische Bluttat Kaltowiy, 12. Mai. Der 20jährige Arbeiter Schmah- loch in Zalenze hatte in einem Gespräch am 11. Mai mit einem Arbeitsgenosse» die Bemerkung gemacht: Jetzt triumphieren die Holen, später werden wir triumphieren. Diese Bemerkung wurde de» Insurgenten hinterbracht, die Schinahloch auf dem Wege in sein Dorf umstellten, gesangennahinen und in das Polizeigefäng- mis schleppten. Dort wurde Schmahloch so gepeinigt, daß 'Passanten, die sich vor den, Gebäude angcsammelt hatten, seine SchmerzenSrnfe vernehme» konnten. Auf Kommando mutzten sich die Aiigesainmelte» umdrehen, als Schmahloch, in eine Decke gehüllt, ans eine» bereilstchcnden Wagen gebracht wurde. Ans dem Wege in das Spital verstarb der Unglückliche. Die Leiche weist eine von einem Schlage herrührcnde Wund«, über dem Sächsische VolkSzeilnng — Nr. 100 — 19. Mai 1021 Der Gänsebub Fränkischer Torfcoman von Di na Ernstberger (Nachdruck verboten.) ,11. Fortsetzung.) Wenige Tage nach diesen, Gespräch ging die Flickschusterin «um Dorsbader, um seine» ärztlichen Nat wegen ihres Aellesten zu erbitten. Bedenklich schüttelte er sein duftendes, gelocktes Haupt: „Immer Kopsweh?" Das ist nicht fo einfach, Schusterin. Das Kopfweh ist der Anfang vo» die grössten Krankheiten" „Er denkt a bijstc, mei Joseph; vielleicht könnts a davon herkvmma." „Von, Denke»? Kopfweh! Seid ihr denn gescheit, Schuster!», Das wär der erste Fall in meiner langen Praxis, datz man Kopfweb vom Denken bekam. Was mützt da .-in Stu dierter, wie zum Beispiel — wollen wir sagen wie — wie — wie zum Beispiel ich für Kopfweh haben, wenn das vom Denken käme. Dann müssten ja ich und meine Kollegen alle mit Kopf- bunden hernmlaafen. Da mutz ich halt den Joseph einmal näher untersuchen. So einfach ist dem seine Krankheit nicht, das kann ich euch heut schon sagen." Wenige Stunden nachher — Joseph saß wieder bei seiner Arbeit — klopfte der Herr Dorfbader an die Stubentür des Flick, schnstcrs. Er hatte stets im Leben sehr viel auf Anstand und Bis-ung gehalten: geduldig wartete er deshalb vor der Tür auf die einladende Aufforderung, einzutreterkT' Er mutzt« zwei mal klopfen. „Luder, übermütig«! Bleib drautze». Arbeit was, dann Vergeht dir die Dummheit," Hörle er drinnen Joseph einladend »use». Er prallte »»erst vvr Schreck zurück. Wie roh und unge bildet doch diese Mcnschenklasse ist! „Man hat sicki bier offenbar in meiner Persönlichkeit ge- srrt," sprach er mit Pathos im reinsten Hochdeutsch, während er in die Sinke trat. Joseph sprang erschrocken auf. „Jehl der Herr Bad«r. Ich Hab denkt, der Peter is. Des Anklopsen i» halt bei «m» net Modi. Nehmen Sie» nur net übel. Was verschafft nn» denn die Ehr?" .Ich komme als Arzt zu Ihnen, Joseph," sprach d« Bader. Anken Auge auf, das ausgelaufen ist, ferner einen Brustschutz und eine lange Schnittwunde am Banch. Korfanlys Ultimatum an die Warschauer Regierung Berti«, 12 Mai. Korfanty und die leitenden PersSnItchkettc» des Polen« Teilgebiete», denen sich auch General Joseph Holler angeschlossen haben soll, haben d-r Warschauer R-gterung ein Ülti. matum gestellt ln dem ste fordern, daß die Regierung nunmehr au» threr obwartsnden Stellung heran«!»-»« und sich unter dem angeblich«» Druck der BolkSfttmmung auch offiziell mit den Auf ständischen solidarisch «klären soll; andernfalls droben ste mit der LoSIösung der «hrmallgen preutztschen Teilgebiet« und der «ntrukung einer unabhängigen oberschlesischenVolks. republik, di« mit jenen vereint, »u einem politischen, in Warschau angelegten, wirtschaftlich und verwoltungStechnisch gän,lich »nab. hängigen Staate zusammengefapt werden soll. Die Houvttkägec dieser Idee sind die polnischen Nationaldemokraten tn PoKn und Westpreußen mit dem früheren Präsidenten des Parlier polnischen Nationalkomilees Adam Dmowski, dcm Führer der großpolnikchcn Truppen General Musniki, sowie Domherrn Adamskt aus Posen an der Stütze. Diese drei Heiren find geschworene Feind- des Stoa schcfs Pilkudlki und seiner Regierung; in gleicher Weise aber auch fanatische Deutschenhasser, Korfanty und Gayda sollen an die Spitze der neu z„ bildenden PoicnerRcgierung treten. Unter den Pasenec Truvpe» wird neuerding« eine lebhafrePro« vaganda für den Posencr Autonomiegedankcn entfaltet. Dle Franzoien sollen diesem Plan nicht abgeneigt gegenüberstehe» Sie haben Abschrift des Ultimatums erhalten und find daher über die weiteren Pläne und Absichten Ko fantys unterrichtet. Die Illoyalität der polnischen Regierung Warschau, 12. Mai, Bei der polnischen Regierung ist eine Anzahl von Protestnote» eingelausen, in denen die zwei deutige Haltung der polnischen Negierung gerügt wird Den deutschen Einspruch überreichte der deutsche Geschäftsträger v. Diiksen. Die Houptnote wurde vo» de» alliierten Regierungen überreicht, die der polnischen Regierung eine sine »zielte Sckia d enersa tzp s li chl andiohe» und ausdrücklich erklären, daß sie keine vollzogene Tatsache aneikennen. Am schärsstc» im Tone war die Protestnote der britischen Resteiung, die ausdrücklich von der Illoyalität der polnischen Regierung sprich,. Die britische Note wird in der Warschauer Presst' mit offenem Holm beantwortet. Der kleine Dovid (gemeinr ist Lioyd George) ivird nichts gegen den vberschlesischen Goliath vermögen. Die Warschauer- Negierung hat sich bis jetzt zu den Noten noch nicht geäußert. Die Annahme des Ultimatums durch Deutschland bat die polnische Presse äußerst verstimmt, weil dadurch die Hoffnung aus eine nachträgliche Scheinbegründung der polnischen Mililäraktion durch Beteiligung an SanNione» g schivunden ist. Das oberschlestschc Industriegebiet polnisch? Paris, 12. Mai. Wie „Petit Parisien" aus angeblich offiziöser Quelle meldet, Heide die Interalliierte Kommission sich die Schlußfolgerungen zu eigen gemacht, die die amerikanischen Sachverständigen aus dem französischen Standpunkt zogen und die daraus hinausliefcn, daß Polen das ganze Industriegebiet von Oberschlesten erhalten solle, und zwar di« zu einer Demarka tionslinie, oie der Korsanty-Linie sehr nahe kämmt. Diese Entscheidung, die im Einvernehmen milden Insurgenten getroffen sein soll, sei zwar osftziell noch nicht bestätigt worden, werde aber bald reale Wirklichkeit sein. Kättowitz, 12, Mai. In einem großen Teil des ober schlesischen AusruhrgcdietS haben die Polen am Dienstag nachmittag die Nachricht verbreitet, daß der Oberste Rat die sogenannte Korsanty-Linie als künilige Grenze Obcrschlesiens festgesetzt habe. Italien gegen den Imperialismus Frankreichs (Eigener Droht bericht der „S ä chs. V o I k s z e i l g,") Rom, 13. Mai. Trotzdem die Wahlagitation alles Inter esse sür sich in Anspruch niinmi, widmen die Blätter der deut schen Entscheidung viel Raum, die sie als Erleichterung der Lage begrüßen. Die Frage, ob Deutschland fähig ist, die Be dingungen zu erfüllen, wird überhaupt nicht besprochen. Mau hofft, daß der französische Imperialismus nun mehr e > n g e d ä in in l und etwaige Versuche Frankreichs, seine Nuhrpläne doch noch zu erfüllen, auf den Widerspruch Englands und Amerikas stoße» würde und Italien sich jedenfalls an- schiietzen würde. Hier und da wird die Ansicht geäußert, daß später eine gewisse Milderung der Lasten Deutschlands möglich sein könnte. Die neue deutsche Regierung wird in den Be sprechungen der italienischen Presse gut ausgenommen, da ihre Entscheidung den italienische» Wünschen entspricht. Mailand, 19. Mai. Nach dem Corriere della Sera ist eine Entsendung von italienischen Truppen nach Oberschlesten so gut wie ausgeschlossen. Es bleibe das Mittel, Korfanth kategorisch aufzufordern, seine Banden anfzulösen und den Zustand vom 1. Mai wieder herzustellen. Es sei die Wirk samkeit einer solchen Aufforderung fraglich. Die Mittel zur Ausübung eines wirksamen Druckes fehlten nicht gänzlich. Von der Beachtung der Befehle der Alliierten müsse die endgültige Zuteilung der- oberschlestschc» Gebiete abhängig gemacht werden. Wenn alle Mittel erfolglos wären, bleibe nur übrig, Deutschland zu ermächtigen, mit eiserne» Kräfte» die Ordnung in den Ge bieten wieder herzustellen, die ihm endgültig zugctcilt werden. ocr. 100, Seite 2 „Giornale d'Jtalia" verlangt die sofortige Ent fernung der »ranzösischen Truppen »r Oberschlesten, weil ste sich zu Mitschuldigen des Anschlages der polnischen Aufständischen gegenüber italienischen Truppen gemacht hätten. Wenn dieses nicht gelänge, solle die italienische Regierung alle Truppen »ud Beamten ans Obcrschlesie» zurückzichcn und Frankreich bleibe die Beräntworlung sür die künftigen Ereignisse und die schweren Folgen zum Schaden des Friedens in Europa überlassen. Die Gewalttaten der polnische!, Truppen bewiesen den Alliier- ten nur die Unrichtigkeit des polnischen Anspruches. Die nationale Presse wirft dem italienischen Minister de» Aeutzere» wegen des Vorfalles in Oberschlesten Energielosigkeit vor. Die „Jdea Nationale" schreibt: Die Absicht sei lächerlich und undurchführbar, durch die Vermittlung des Bot- schafterrales von Polen für die Tötung des italienischen Mili tärs Genugtuung zu verlangen. Völkerrechtswidrige Rrqu«ftt>»«»mabnahm«n im Ruhrgcbirl Berlin. 12. Mai, Wegen der Regnierierling deutscher Auw- mobile und ihrer Führer sür den beabsichtigten Vormarsch in das Ruhrrevwr ist den Reg crungen in Paris, London und Brüssel von den dortigen deutschen Vertretungen am 10. Mai eine entschiedene Protestnote übergeben worden. Darin heißt es n a: Alle diese Negnisitionsmaßnnhmen sind Vertrags- und völkerrechts widrig Sie dienen nicht de» Zwecken derBesatznngsariiiee selbst, sondern dem beabsichtigten Vormarsch in ein Gebiet, auf dessen Besetzung den Alliierten weder durch den FricdenSverirag noch durch das Rheinlnndabkommeu ein Recht eingeräiimt ist Die zwangs weise Heranziehung Deutscher zur Unterstützung diese« Vormarsches stellt eine unerhörte Vergewaltigung dar. Sie steht in schroffstem Widerspruch zu Artikel 52 der Haager Lcmd- kriegsordnnng Die Heranziehung einer Bevölkerung zu Unter nehmungen gegen ihr eigenes Vaterland ist dort strengstens Verboten. Die deutsche Negierung hat zur» Schluß schärssien Protest gegen das Vorgehen der Bcstivungsbehörden erhoben und verlangt, daß d-e> verantwortliche» Stelle» angewiesen werden ihre rechts widrigen Maßnahmen rückgängig zu mache». Aufhebung d r Zollgrenze am Rhein Paris, 12. Mai. Rach einer vom Tenips veröffentlich!en Nachricht aus London soll der Vertreter Englands in der Rhein» landkommission in London angekommen sein, um die Nufbe- bnug der Zollgrenze am Rhein, sowie die R ä n m n n g von Düsseldorf, Duisburg und Nnhrort zu be sprechen. Auch soll dahin gewirkt werden, daß die deutsche Re gierung den verbündeten Geschäftsleuten, die sich in den besetz ten Städten niedergelassen haben, die von der Interalliierten Kommission bewilligte» Lizenzen sichern. Die deutsche Regie- rung werden ausgefordert werden, durch Ucbergangsuiaßuahmen der Gültigkeit von Verträgen und die Ausfuhrerlaubnis sicher, zustcllcn. Weitere Auslassungen der französischen Presse zum Ultimatum Paris, 12. Mai. Ein Teil der Pariser Presse beschäftigt sich , auch heute noch mit der Annahme des Mtiinorums durch Deutschland. So sagt der „Hamme libre": Am 13. Mai wir« Deutschland nicht die Hand ani Halskragcn haben. Aber wir Franzose» haben von Lloyd George graziös einen Fußtritt irgend wohin bekommen. Man soll sich darüber nicht allzusehr beklagen, denn cS ist nicht das erstemal. ES ist dies die Art, mit der Lloyd George seit drei Jahren seine Nerven zu entspan nen sucht, die durch die Forderungen der Arbeiter und die Be- fehle der deutschfreundlichen City gereizt find, Gustave Hervö schreibt in der „Victoire": Wenn das neue deutsche Munstc rium, was nun nach allem z» hoffen ist, seine ersten Ver sprechungen hält, wenn cs die Entwaffnung bis zum 90, Mn, beendet, die erste Milliarde bezahlt und am 1. Juli die ersten Schuidobligatiouen im Betrage vo» 12 Milliarden übermitteii, dann wäre sS ehrenhaft nnd geschickt vo» Frankreich, die drei Kohlenhäfe», die man als Sanktionen seit zwei Monaten besetzt hält' zu räume», ahne daß man von den Alliicricn dazu an-ge- fordcr! würde — „Journal des Dcbats" schreibt, die Umstände unter denen die Reichstaasmebrheit zustandcgekommeu sei, die nur solange bestehen werde, wie mit der Besetzung des R gcbietes gedroht werde, schrieben den Alliierten ihre Handlungs weise vor. Sie müßten streng auf Erfüllung ihrer Bedingungen bestehen und zu Handlungen schreiten, d. b, zur Besetzung de« Nuhrgebietes, sobald das Reich sich unter irgend einem Vor wände seinen Verpflichtungen entziehen wollte. Das Berliner Kabinett könne nicht die materielle Unmöglichkeit Vorschüben, die vorgesehenen Reparationen zu bezahlen, denn cs habe nach keine einzige innere Anleihe aufgelegt. Die alliierten Minister sollten einmütig und entschlossen bleiben. Jedes Schwanken müsse als ein Verrat gegen das Bündnis und gegen ihr eigenes Land angeseben werden. Den» das würde die Deutschen in ihrem Widerstande nur bestärken. — „Intransigent" sagt, man dürfe nicht so naiv sein, auS den gestrigen Ereignissen ans den guten Willen der gesamien öffentlichen Meinung Deutschland^ zu schließen. Man müsse sich bemühen, Deutschland nicht nach dem zu beurteilen, waS cs tue, sondern nach dcm, was cs tun würde. — Jacgucs Baiuöille sagt in der „Liberi,';": Die An nahme des Ultimatums sei nur erfolgt, um größeres klebe! zu vermeiden, mit dem Hintergedanken, daß man Zeit gewinnen wolle. Er frage, was Frankreich dabei gewonnen habe. Daw sich in die Brust wcrscnd. „Sic sind krank, sehr krank, ärger als Sic denken." „Ich? Meincns mich? Da sinds falsch belehrt. Mir fehlt gar nix." „Ach was, falsch belehrt! Leute mit meiner Erfahrung brauchen keine Belehrung. Aus hundert Schritte sehe ich es den Leuten an, was ihnen fehlt. Oder wollen Sie es vielleicht leug nen, daß Sie immer Kopfweh habe». Ja, haha!" lachte er siegesbewußt, „jetzt wollen Sie mir wohl glauben, nicht wahr? Ich darf meinen Patienten nur in das Auge sehen, weiß ich gleich, woran ich halte." „Kopfweh soll ich haben? Ich Hab doch ka Kopfweh!" Bis jetzt war die Flickschuster!» lauschend hinter der Tür gestanden. Rasch trat sic nun in die Stube. „Lcuftens doch net, Joseph, daß du krank bist. Tu hast mirs ja zugcstanden, datz dir net gut is und du immer Kopf weh hast," „Kopfweh? — Ja, Kopfweh — Kopfweh — des Hab ich schon manchmal." entgcgnctc nun Joseph kleinlaut. „Na also! Da haben wirS ja," rief stolz im Bewußtsein seines ärztlichen Wissens der Bader. „Das Kopfweh ist immer der Anfang von jeder Krankheit. Wollen wir halt seht leben, vielleicht gelingt mir«, das; die Krankheit wieder zurückgeht. Gebens mir mal Ihre Hand." Willig streckte ibm Joseph die Hand hin. Mit ernster Miene prüfte der andere den Puls; immer bedenklicher wurde der Ausdruck seines Gesichtes. „Höchste Zeit! Höchste Zeit, daß ihr mich geholt habt, Schusterin; da scheint mir was Böses in, Anzug. Zeigen Sie mal Ihre Zunge," sprach er dann zu dem erstaunten Patienten. Mit einem Schrei fuhr er entsetzt zurück; die Zunge war ganz schwarz gefärbt. Joseph hätte ihn darüber beruhigen können — er hatte, kurz bevor der Baden kam, vom Schwarzbeersaft der Mutter gekostet, aber da« wollte er nicht vor der Mutter bekennen, er fürchtete Schelte. Ruhig lieh er deshalb des Bader»' Anord nungen über sich ergehen. Sofort zu Bett, tags dreimal kalte Wickel und danach lmmer eine Tasse Lindenblütentee — so lautete die ärztliche Ordination. Während nun Peter den kranken Joseph sogleich zu Bett brachte, warf der gelehrte Dorsbader der Flickschusterin eine solch« Mengg von Fremdwörtern über die Krankheit ihre» Soh nes an den Kopf, daß ihr der Verstand förmlich stille stand. St wußte von all den vielen Krankheiten, die möglicherweise bei Jo seph zum Ausbruch kommen könnten, nur das eine: datz er tod krank war. Weinend rang sie die Hände, was de» weichherzigen Manu sofort zu den bestimmtesten Versicherungen veranlatzte, datz er seine ganze Kraft daran setze» werde, den Kamps mit der Krankheit aufzunehmen. Zum Beweise seiner Opfcrw'lligtcit machte er selbst sofort den ordinierten kalten Wickel für Joseph. Gegen diese Prozedur protestierte Josepb energisch; mir keinen Preis wollte ex ein zweites Mal sich dieser Ordination fügen. Er -vergaß sich in der Hitze so weit, datz er sich schuld',; bekannte, vom Schwarzbeersaft getrunken zu haben; er schwor, niemals noch Kopfweh gehabt zu haben — alles vergebens. Der weise Doktor zuckte nur mitleidig die Achsel» als ec aber den kalten Wickel zum zweiten Male erneuern wollte, ver abreichte ihm Joseph, der sich wie ein Wütender dagegen wehrte, eine schallende Ohrfeige, die bewirkte, datz der Herr Bader eS nun gut fand, warme Wickel statt der kalte» zu verordnen. In das Dörfchen brachte die Nachricht von der plötzlichen Erkrank»»- des Flickschuster-Josephs große Aufregung, Jeder wollte wiffrn, was ihm denn eigentlich fehle, aber der Herr Bader als bchan- delnder Arzt hüllte sich in undurchdringliches Schweigen. Einmal hatte die Flickschusters» gemeint, ob man dockt nicht den Arzt von der Stadt kommen lassen sollte, aber da spwlie de» Herr Bader so sebr de» Beleidigten und sprach vo» Mangel >nr Vertrauen zu seiner Kunst, von llndankbarkcit nsw,, datz sie schnell wieder den Gedanken daran fallen ließ. Joseph tatte sich anfangs gewaltig gegen das Beitlieae» gesträubt, als dies aber vergebens war, ergab er sich in lein Schicksal, zumal er merkte, daß sich eS im Bett ganz brr> Rh von ZnknnftSplänen träumen lieh, besser wie auf dcm Schuster- stuhl — »nd so baute er den ganzen Tag Schlösser in die Lust. Er glaubte nach nnd nach selber daran, daß er krank sei Eines TagcS kam dann der Bader wieder — er besuchte seinen Patienten sebr fleißig —. untersuchte den Puls, besah recht eingebend dle Zunge und erklärte dann jede Gefahr be seitigt, Joseph durfte am nächsten Tage schon aufstehen. Für die Verbreitung seines Ruhmes bezüglich der bewun dernswürdigen Kunst seines ärztlichen Wirkens sorgte der Here Bader am meisten selbst. Das ganze Dorf sprach von de; wun derähnlichen schnellen Genesung Josephs und brachte damit baH yrohe Wissen des Baders in Verbindung. (Fortsetzung folgt.)