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Sächsische Volkszeitung : 19.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190501195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19050119
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19050119
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-19
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.01.1905
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er dem Reichstage eine eingehende Denkschrift hierüber: ferner terlte ec mit, das; die neuen SO Pfennig-Stücke, welche die Bezeich nung .V, Mark" tragen, in den nächsten Tagen in den Berkehr kommen werden. Derselbe «jenlrum»e>t>ge«rdnele begründete dann eingehend d»e Resolution, welche eine Erhöhung der WohnungS- geldzuschüsse und Berücksichtigung der Kinderzahl fordert. Aus den Antworten des Staatssekretärs war zu entnehmen, daß im Jahre 1806 ein solcher Entwurf kommt, der aber nur die Unter« beamten umfaßt. Da war eS der Abg. Hug (Feutr). der sehr entschieden auch für die mittleren Beamten eintrat. Die Wohnung«- gelder der badischen Unterbeamten seien niehr als doppelt so hoch wie jene der Reichsbeamten. Wenn man etwa einwenden wollte, daß die Erhalter der badischen Unterbeamte» geringer seien als jene der llaterbeamien des Reichs, so sei dieser Einwand nicht zu treffend. Lach bei den Sudallernbeainten. z. B. Postassistenten, erreichen die Äohaungszetdznschüsse entfernt nicht den talsächkichen Aufwand für die Wohnung. Die Prinzipien, auf denen das badische Wohnnngsgeldgeseh beruht, empfehlen sich auch zur Anwendung bei der Ausarbeitung der Wohnuugsgeldvorlage des Reichs. Wenn Preu gen das Borbild für die Gesetzgebung des Reichs sein soll, so steht eine Fürsorge für die Beamten auf dem Gebiet der Wohnungsgeldzuschüsse ii» dem Mas; zu erhoffen, ivie sie Berlin seinen Beamten zugewandt hat: denn die preußischen Finanzen gestatten sehr wohl ein solches Maß der Fürsorge. — Die Abgg. Arendt (Np ). Patzig (Null.). Frhc. v. Nichthofen (Kons ), Singer (Sozd.) schlossen sich mehr oder weniger diesen Aus führungen an. Die Resolution fand nahezu einstimmige Annahme. Der Zenlrmnsabgeo»dnete Jlschert wünschte eine einheitliche Regelung der Zumessnn« der Nriegsberhilfe von IR) Mark und klagte, daß diese jetzt so selten gegeben wird. Ruch hierbei schlossen sich die genannten Abgeordneten ihm an. Morgen steht der Etat es ReichseisenbahnamteS zur Debatte; am Donnerstag wird die Interpellation über den vergarbeiterstreik besprochen. POlieischo SkirrdschRU. Dresden, den ltt. Januar lSl)5. Einer Meldung der Abendblätter auS Detmold zufolge erklärte der Grasregent Leopol» durch einen Erlaß, dag er bis gur schiedsgerichtlichen Entscheidung die Regent schaft weiterführeii werde in treuer Erfüllung der von ihm geleisteten eiblichen Gelöbnisse. Zugleich wird die Ein berufung des Lanalages sofort nach ber Beisetzung des Fürsten ailgekündigl. — Mit dieser Selbstverständlichkeit ist man in Bertnl einverstanden Der „Reichs- anzeigrr" schreibt nämlich: Fürst Aierauder zur Lippe ist gestern nachmittag in St. Gilgcnberg bei Boyrent sanft entschlafen. Ein schweres Leiben bat den Heimgegangenen v«n der Regierung ferngehalten und verhindert, daß er der Bevölkerung seines Lande? näher treten konnte. Sein Hinscheiden bewegt zu Empfindungen der menschlichen Teil nahme an dem schweren Lose, das ihm zitgefallen war. Die Regentschaft des Grafen Leopold im Fürstentum Lippe und die zur Entsch-ldnng des Tbronsolgerechtes getroffenen Abmachungen werden durch dielen Todesfall nickt berührt. Dem Reichstage ging eine vom Großen Generalstabe a»?gea> beitete Denkschrift über den Verlaus des Aufstandes in Südivestafrika zu. Sie betont unter anderem die Schwierigkeiten für die Kricgsopercttioneu infolge der mangelhaften Landniigsverhältnisse in Swatopimmd und der geringen Leistiingsfähigteit der Bahn Swakopmuiid— Windhuk. Die vollste Anerkennung wird den Leistungen der Truppen, der Offiziere wie der Mannschaften, ge.zollt. Den Heldentod fanden bisher 32 Offiziere und 236 Mann, dem Typhus erlagen 1.6 Offiziere und 237 Mann. In der letzten Zeit sind die Typhnsfälle znrückgegangen. Im Schutz gebiet befinden sich jetzt rund 10 300 Mann, darunter 700 Verwundete und kranke. Von diesen sind 373 Typlmskrnnke, 273«» Mann sind noch auf der Ausreise oder gehen in nächster Zeit ab. Nach dem Eintreffen der letzten Trans porte wird der Rest des Marine Erpeditionskorps mit rund 360 Man» zurückgezogen. — Den Pfarrer ft Fischer nimmt die ..Voss. Ztg." gegen die Berniguiig de» preußischen Landeskonsistoriums in Schutz: Sie spielt die protestantisch? Forschungsfreiheit ans w-d schreibt: Wir halten es für undenkbar, daß ein wahrhaft religiöses Gefickt dadurch verletzt wird, »aß ein anderer mir tiefem Ernste die Wahrheit nicht and das. was r-r als Wahrheit gefunden hat, ausspricht. Wir haben der»;leichen niemals erlebt, vielmehr haben wir stets aenmden, daß derjenige, der eine feste und starke Neber- zengimg hat. Achtung vor demjenigen empfindet, der gleichfalls eine lie-e und ernste, wenn auch abweichende lleberzeugimg hat. In solch'» Fällen gilt das Wort: »Gehe du linkswärrs, la« mich rechtswärts gehen." Aber jeder der beiden bleibt in seine» Einpstndunaen »»verletzt. Wir hege» einen ernsthafte» Zweifel an der gesellige» religiös'» EiiivNiidungen, die sich dadurch verletzt nihlen, das; ei» anderer die Gewissenspflicht erfüllt, die Wahrheit zu suchen. Daraus antwvrlet die .. Hrenzzeitimg": Ja ihrer Allgemeinheit treffen diese Säße sicherlich zu. Aber auf den hier vorliegende» Fall und ne uaanwendbar. Denn Geschenke zu überreichen. Diese bestehen in Wachskerzen, Brot, Wein und Wasser in Füßchen von Gold und Silber, Vögelchen und Turteltauben in vergoldeten .Käfigen. Die Darbringung dieser symbolischen Opsergeiben datiert ans den ältesten Zeiten der Kirche. Kurz vor I Uhr mittags erreichte die Zeremonie ihr Ende. Von Verwandten des heiligen Majelle, war der Bnchdrnckereibesitzer Gerhard Majella ans Tivoli mit zwei seiner Kinder anwesend, fer ner sah man den Margnis Ambrosins Sanli mit seiner Familie. Nach den anstrengenden Zeremonien kehrte Pins X. im feierlichen Zuge zum Vatikan zurück. Er war sichtlich ermüdet." Der heilige Alerander Sanli, von vornehmer Ab kunft, gehörte dem Barnabitenorden an und war Bi schof ans Korsika. Der heilige Gerhard Majella war armer Leute Kind und trat erst drei Iabre vor seinem Tode in den Redemptoi istenorden als Laienbruder. Zuvor batte er als armer Schneidergeselle sein Brot verdient. Mit vielen interessanten Mitteilungen znm Beispiel über die Meiiw des Bischofs von Briren durch den Kardi nalstaatssekretär Mery del Val, über seine Studien, über kleine, neben diesen Hochfesten berlanfende Feierlichkeiten, schließt der lebendig und unter frischen Eindrücken geschrio- lxmo Derickt unseres Gewäbrsmannes. Die Sehnsucht nach der ewigen Stadt erwacht da in »ns und das Auge begehrt zu schauen, was das Herz in katholischer Begeisterung ahnend fühlt. Das alte Iabr ist so durch zwei herrliche Akte der katholischen Kirck>e noch in seinem Sckxnden gelwiligl worden. Möge die Kirche auch im neuen Jahre mit dem Lichte ibrcr Größe und Herrlichkeit die Zeit bestrahlen und neuen Glanz zu früherem fügen. stehrtr. I). Fischer hat Gttstkicher die Verpflichtung, auf der Kanzel und im Konfirwandmunterrich» den Glauben an unseren Herrn und Heiland Jesus Christu», den eingeborenen Sohn Gottes. zu predigen. Wenn er in einer öffentlichen Versammlung sich einer Redewendung bedient, aus der man entnehmen mutz, daß er diesen Glauben für eitel Torbeit kält, so muß er die Angehörigen seiner Gemeinde, »er er seine Arbeit in erster Linie widmen soll, empfindlich verlegen: er muß aber auch — was vielleicht noch schlimmer ist — zu der Ueberzeugung kommen, daß er. wenn er vor dem Altar jenen wahren Glauben bekennt, sich mit seiner wahren Gesinnung in Widerspruch setzt — das heißt also mit anderen Worten, daß er ein Heuchler ist. — Der Generalstreik im Ruhrrevier. Wir stehen den Forderungen der Arbeiter sehr sympathisch gegenüber. Aber wir können uns nicht überzeugen, daß der General streik znc Erreichung derselben ein geeignetes Mittel ist. Wir befürchten die baldige Erschöpfung der Kassen und damit ein Abbröckeln des Streiks. Dann haben die Arbeiter ans Jahre hinaus keine Aussicht auf Erfolg. Ob das zögernde Eingreifen der Regierung von Erfolg ist. er- scheint sehr fraglich. Das Verhalten der Grubenbesitzer wird allgemein verurteilt, die Profitgier derselben ist zu groß. Die Sozialdemokratie ihrerseits sticht bereits die Sache agitatorisch ausznnütze». Ihr Parteivorstand hat einen Aufruf zur Summlung von Geldern erlassen. Hier gegen ist gewiß nicht» zu sagen. Aber in dein genannten Aufruf finden sich auch folgende Sätze: .Wohl ist es Pflicht der Regierung und der Parlamente, im öffentlichen Interesse einzugreifen. Der Bergbau und das Wohl und Wehe nicht nur der Hunderttausende Bergarbeiter, die zu Millionen anschwcllcn mit ihren Familien, sondern auch das Wohl und Wehe der weiteren Millionen, die vom Bergbau abhängig sin», das sollte nicht der privaten Laune einiger Milliardäre und Millionäre überlassen bleiben. Doch unsere Regierungen sind silvpitalistenregierungen und unsere Parlamente sind Kapitalisten- parlamente. Sie handeln nicht im Boiksinteresse, sondern im Interesse deö Kapitals, und deshalb hoben »ie Bergarbeiter von den Bemühungen der Kommissare des Herrn Möller richts zu erworton." Darin zeigt sich der alte Kampf der Verdächtigungen gehen jeden Schritt des Staates und der bürgerlichen Partei zu gunsten der Arbeiter. Namentlich die unteren Führer der Sozialdemokratie arbeiten systematisch auf den Streik hin. Sie hoffen au? der hierdurch entstehenden Unzufriedenheit Gewinn für die sozialdemokratische Partei. Ie eher deshalb Frieden einkehrt, desto besser, aber ein annehmbarer Frieden für die Bergarbeiter! — Tic Blidgetkvmmisiioii des Reichstages fuhr am Dienstag fort in der Beratung des Ngchtragsetats für Snd- westafrika. Es handelt sich um die Forderung von 62 Mill. für die Ausrüstung und Unterhaltung der Truppen in Süd- westafrikg. Hierbei entstund eine längere Debatte über die L i e f e iii n g e n. Seitens des Zentrums betonte der Ab geordnete Erzberger, daß, wenn man die Löhnung und Frachtkosten abziehe, immer noch 32 Millionen übrig bleiben, die in Deutschland ansgegcbcn worden seien; er frage an, wie. viel hiervon in Süddentschland bestellt worden sei, wie viel in Berlin und Hamburg, wie viele Firmen i'iberhgnvt berücksichtigt worden seien; ob Verträge für die Zukunft abgeschlossen seien, ob zu Ostinsten der Arbeiter Be stimmungen in diesen Verträgen ausgenommen sein und wie weit auch die Handwerker berücksichtigt wurden und kleine Firmen. Tie Redner der nationallibercilen Fraktion schlossen sich diesen Ausführungen an. Von der Kolonialverwaltnug wurde, obwohl sie von der Stellung dieser Frage unter richtet war, nur ungenügend Auskunft erteilt. Man ersah ans dieser, daß alles Geld in Berlin und Hamburg ansge geben worden ist. Dr. Arndt (Npt.) meinte, man sollte hier keine neue Mainlinie anfrichten, worauf der Abgeordnete Erzberger erwiderte, er wolle gerade die heutige Mainlinie abbrechen; jetzt erhalte Süddentschland, die dortige Land wirtschaft, Industrie und das Handwerk gar nichts von diesen Aufträge», obwohl dort sehr leistungsfähige Firmen vorhanden seien und recht gute Ware geliefert werde; er er innere nur an den Hafen ans der rauhen Alb und im Fichtel gebirge. Von freisinniger Seite wurde die Kolonialver- waltnng verteidigt »nd Tr. M ii l l e r - Sagau meinte, daß das Reich sich ruhig an einzelne Firmen halten könne. Der Sozialdemokrat Dr. S ii d e k n m meinte, daß seine Fraktion nie dafür eingetrcten sci, daß m an auch die kleineren und mittleren Be - trie b e der ii cksichti ge. Eine Reihe von Beschwerden gingen ans die Lieferungen von Wein, Arzneimittel nsw. Von freikonservativer Seite wurde gewünscht, daß man die Be stellungen der Lieferungen künftig dem Kriegsministerium übertrage. Dem wurde cntgcgengchglten, daß man jetzt an keine Orggnisationsänderung gehen sollte. Ein dahin- gebender Antrag wnrde abgelehnt mit allen gegen sechs Stimmen. Die Summe wnrde dann genehmigt. — Da« preußische Abgerrdneteuhaus führte heute die Generaldebatte zum Etat zu Ende. Die Debatte drehte sich fast durchweg um den Streik der Bergarbeiter. Der Zentrnmsabgrordnete Brust verwies hierbei auf die lang jährigen Bemühungen des Zentrums um Verbesserung der Lage der Bergarbeiter und legte deren Beschwerden aus- jährlich dar. namentlich forderte er von »er Regierung ein offenes Bekenntnis zu gunsten der Arbeiter. Minister Möller meinte, daß er diese Auffassung nicht als eine ge eignete für Verbandlungen anseben könne. Zuerst sollten die Arbeiter wieder zur Arbeit zurückkebreu! Der national- liberale Abgeordnete Hirsch zeigte sich als ein echter und rechter Scharfmacher, der nur van Hetzereien zu reden wußte. Uebertrumvft wurde er nur noch von dein Abg. Winkler Ikons.), der gegen Graf Posadowsky sehr scharf vorgiug. Auch die Abg. Kardorff (f-k.) und Scknniedig (nat.) stellten sich ganz ans die Seite der Grubenbesitzer. Dann wurde die erste Lesung zum Etat geschlossen. — Ter Fall Hüffener gestaltet sich immer ernster und doch will kein Mensch die Verantwortung hierfür über- nehmen. Nunmehr hat sich der Festnngskommandant Ehren- breitenstein durch eine Zeitung anshorchen lassen; er gibt zu, daß das Bild von Hüssener selbst ausgenommen worden; es ist in der Wiedergabe nur eine vierte Person wegge- blieben, dafür sind binzngckommen die Tapete und die leeren Flaschen; aber all das ändere an dem Skandal selbst nichts. Ter Festnngskommandant fügte wie zu seiner Ent schuldigung noch hinzu: Nach der Hausordnung dürfen die Fcstimgsstiibengefangenen kaum photographische Apparate in Besitz haben. Hüssener hat gegen diese Hausordnung > verstoßen und wird dafür disziplinarisch bestraft. Da» ein zige Strafmittel, welches dem Kommandanten zur Ver fügung steht, ist die Entziehung des Spazierganges. Me Militärbehörde hat mit Festungsstubengefängnis absolut nichts zu tun, der Kommandant hat lediglich die Aufsicht Ul führen. Wenn ein Gefangener seitens der Staatsanwalt schaft beurlaubt wird, so hat der Kommandant dagegen nichts einzuwenden. Was den Fähnrich Hüssener betrifft, so untersteht er der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Neuwied. Hüssener hat ein schweres Augenleiden, akute Entzündung des linken Sehnerves. Er war beurlaubt sei tens der Nenwieder Staatsanwaltschaft vom 30. November ab auf vier Wochen und hat, Nachurlaub erhalten. Als die Untersuchung wegen des Bildes angeordnet wnrde, ließ ihn der Kommandant Graf v. Schlicffen nach Koblenz kommen zur Vernehmung. Gegenwärtig befindet sich Hüssener im Lazarett zu Ehrenbreitenstein, er wird wahrscheinlich nicht niehr in Festungshaft znrückkehren, da er außer seinem Augenleiden auch sonst noch nervös leidend ist. Nunmehr will die Militärbehörde doch noch eine Aufklärung durch die Presse ergehen lassen. Aber man sieht, daß Militär- und Justizbehörden in die Angelegenheit verwickelt sind, und mit Recht wnrde deshalb der Fall Hüffener beim Etat des Neichsjustizaintes zur Sprache gebracht. Oeiterreich-Ungarr». — Eine Nekaustruktion »cs Kabinetts Gautsch soll bevorstehen. Die Beamtenminister sollen ansscheiben und ihre Portefeuilles an Parlamentarier vergeben werden. An Stelle des Dr. v. Härtel soll der Pole Bobrzynski Unterrichtsminister, an Stelle Kleins Dr. von Derschatta Justizminister werden. Hierbei würde ferner Rauda das Portefeuille des tschechischen Landsmarinministers an Dr. Kramarz abgeben. — Gegen »ie Cinstelluug der tschechische» Obstruktion macht sich bereits eine radikale Strömung geltend, die der Besorgung entspringt, daß in geordneten Verhältnissen der radikale Einfluß um ein bedeutendes sich verringern müßte. So melden die „Iihoceskö Listy": „Die Nachricht, daß die jnngtschechischen Abzeordncten Freiheirn v. Gautsch das Ver- sprechen gegeben haben, die Obstruktion einznstellcn. ruft in der tschechischen Oesfenttichkeit Erbitterung hervor. In den Kreisen der jnngtschechischen Abgeordneten wird erklärt, daß die jungtschechische Delegation solange in der Ob struktion verharren müsse, bis die bekannten Forderungen des tschechischen Volkes erfüllt sein werden. Das Verlassen der ObstruktionStaktik würde eine fertige Katastrophe für die jnngtschechische Partei bedeuten." So werden Partei rücksichten höher gestellt, als das Wohl und Wehe eines ganzen Reiches! — Ter Unwille der christlichen Bevölkerung Wiens, welche mit vollem Rechte in dem Ohornschen Tendenzstück „Tie Brüder von St. Bernhard" einen Angriff ans die In stitution der Orden und religiösen Gemeinschaften der katho lischen Kirche erblickt, kam am Sonntag in einer Demon stration vor den: „Deutschen Volkstheater" znm Ausdrncke. Unmittelbar vor Beginn der Vorstellung zogen mehrere Hundert Personen znm Theater und demonstrierten durch Pfnirnfe. Die Sicherheitswache zerstreute die Deinon- stranten. Schweiz. — Die Altkatholiken haben einen ungeheueren Skandal erlebt, der sie bis in die höchsten Spitzen ihrer „Hierarchie" verunziert, sofern überhaupt die Enthüllungen, die ein ano nymer Gewährsmann in der liberalen Pariser Zeitschrift „Etincelle" veröffentlicht hat, ans Wahrheit beruhen. Ein internationaler Altkatholikentag fand im September vorigen Jahres im solothnrnischen Städtchen Olten statt. Alle Größen der Sekten waren da vereint, mit ihnen Häupter anderer „romfreier" Kirchlein, so Gul ans Utrecht (Holland), Weber ans Bonn, Kozlowsky aus Chicago mit seinem Generalvikar, Czech aus Oesterreich, Brent, eng lisch-amerikanischer Bischof ans Manila, Nffvin von der bischöflich-amerikanischen Kirche in Nom, ein Pope aus Petersburg und andere niehr. Die Gesellschaft war bereits in der Sakristei versammelt, von der aus sie in den Chor zog, angetan mit ihren geistlichen Gewändern, wie die Ein- ladnng lautete. Nun fand sich auch der unabhängige italienische Bischof Miraglia hier ein, in der Schweiz übel berühmt wegen seiner Hetzereien in den schweizerischen Italiener-Kolonien. Ans diesen scheint nun der altkatholische schweizerische „Nationalbischof" einen Zahn gehabt zu haben, weil er sich statt von ihm von dem nordamerikanischen Bischof Vilatte, der seinerzeit von Herzog konsekricrt worden sei, habe als Biscliof weihen lassen. Herzog und die Jan- senisten hätten eben die Einsetzung von Priestern und Bischöfen als Monopol für sich allein in Anspruch genommen. Deshalb verweigerte nach der „Etincelle" Herr Herzog diesem italienischen Konknrrenzbischof das Betreten der Sa kristei, da er und seine Kollegen ihn nicht als Bischof aner kannten und jede geistliche Geineinschaft mit ihm ablehnten. Da scheint er aber an den Unrechten gekommen zu sein. Der feurige Sizilianer kapitelte ihn herunter, daß es eine Art hat, so daß schließlich Herzog, niedergedonnert wie er war. sich nicht anders glaubte helfen zu können, als indem er mit der — Polizei drohte. Nun erneutes und verstärktes Ge- voltcr Miraglias, der alle Register niedlicher Kosenamen für den altkatholischcn Episkopat zog, sagt: „erbärmliche Pharisäer", „Liliputpäpste", „zwerghafte Päpste", „Hans wurst", „Schmarotzer", „Simonisten" nsw., so daß schließ lich Herr Herzog, „schreckhaft eingeschüchtert und mit dein Kopfe wackelnd wie ein Truthahn in der Not", stotternd ge stammelt habe: „Monseig . . ., Mons . . ., mein Herr. Ruhe! Rubel Ich werde die Nächstenliebe haben und Sie in den Chor eintreten lassen!" So sei der tapfere Italiener Sieger geblieben und beim Bankett und in der öffentlichen Schlnßversammlung, dank seiner folgenden Reden, die inter- essanteste Persönlichkeit des Kongresses, wenn auch die er wähnten Bischöfe nicht den Mut zum Zuhören gefunden hätten; denn einer der beiden Assistenten Herzogs, ein deutscher Pfarrer, habe sich ganz entsetzt in die Sakristei der Priester geflüchtet, rufend: „Kommt schnell, kommt, die Bischöfe werden geprügelt!" — Wenn nur der hundertste Teil davon wahr ist, wird eine Reparatur der Ehre de» „Liliputkirchleins" vonnöten werden.
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