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8«Iem Salsrn Oiolct A/e c/e/ Z>e/>/^O/,///ec^L^r / TV--. so so sc» ^L»L» so so so /oo Lor»«/i«nI00,Oaä>«>a//L6^»/«/e»» 2tV/?kv ligionöunterricht verachtet, Duldung; aber dafür, dah sie, wie der Deutsche Lehrcrvere!» will, die allgemeine Pslichlschule für alte Kinder des Volkes werde, hat sich keine einzige Stimme aus dein Lasier der bürgerlick'en Parteien eingesetzt. So welt fremd ist also die seil den RevoUllioiisIagen betriebene Schn'- poliiil eines Teiles der demsclen Lehrerschaft gewesen, das; sie jede Fühlung mit dem, was das deutsche Bürgertum in den Dingen von Bildung und Erziehung erstrebt, verloren hat. Man Hot sich verrannt und verrechnet, lat den Bogen überspannt und erkennt nun zu spät, wie man sich mit seinen ertremcn Forde rungen um alle Sympathien gebracht Ivit. Auf diese völlig ver fehlte Politik wies in aller Deutlichkeit dkr Vertreter der Deutschen VolkSpartei, Alg. Runkel, hin, indem er sagte: «Bedanierlicherweisi- e,>» vtz- er'chaft im si'ainpf um die Schule eine falsche Taktik verfolgt dadurch, das; sie sich einseitig gegen die Bekenntnisschule festtegte. Hätte sie die deutsche Welt- anschauiiiigsschnle verlangt, das ist nämlich die christliche Schule, dann halten 70 Prozent unseres Volkes hinter ihr gestanden." Wenn mit der ..deiitkchen Weltaiifchannngstchule", was nicht ganz klar ersichtlich ist, die alte Cimiiltanschule gemeint ist. dann mag diese Schätzung der Zahl ihrer Freunde wohl etwas zu hoch gegriffen sein; aber darin hat der Redner entschieden reckt, dost die Lehierlckast, wenn sie die Forderung der Sim»!- tanschnle auf ihr schnlpolitisches Programm gesetzt hätte, oder richtiger: wenn sie bei dieser seit Jahrzehnten von ihr vertre tenen Forderung siebe» aebiieben wäre, dann hätte sie im Volke ganz andere ß'efolgsit ast gefunden als sür ihr Ziel der rein weltliche» Schule, für das nicht einmal die gesamte sich zur Sozialemek>-<>tie bekennende Elternlckast M haben ist. Die schwierige Aufgabe, den Entwurf zu begründen lind gegen die Angriffe von links und rechts zu verteidiaen, lag dem Staatssekretär Schulz ob. Als sozialdemokratischer Partei- mann und Schulreformen hätte er. wie die Abiig. Dr. Meis; und Ado'f Hoffman» bemerkten, ganz anders sprechen müssen. Aber nachdem ibm als dem eiaentliche» Hanntbearbeitr des Ent wurfes die Auwobe znoelallen war, a"s der Unvereinbarkeit der entgegengesit'ten Fogt-ernnaen der Parteien praktische Ver- mittclnnasuarschläac herouszubofen, bat er einseben oesi-rnt, das; die weltanschaulich-religiösen Eeaeiisätze unseres Volkes eine lkniformierung des oesiimten Sch>'Iwese»s als unaufhebbares Hindernis tm Vene stehen. So bekannte er unumwunden, was durch keine Perwischnngs- und Verli'schiingsvädaaaaik binweg- diSpnticrt werden kann: ..Wir haben keine einheitliche Weltan schauung des deutschem Volkes. . . Wir brauchen Duldsamkeit... Der vorlieaende Eesetzentwiirf bat nur die bittere Ansaabe, einen gesesireberischen Ausdruck z„ finden für die unglückselige Zer splitterung dcS dei'tschen Volke« in religiöser und weltanschau licher Beziehung. Durch ein Schulgesetz können wir diese Zer klüftung unseres Volkes nicht nnfbeben." ES ist sehr lehrreich, jf» feben, wie der sck>usnolitische Führer der Sozialdemokratie, van einseitigen Parleifordernnaen, wie er sie in seiner Schrift: „Die Schulreform der Sozialdemokratie" 1011 verkündete, als Reglervnakfachmavm für Billdiinasfrage» !m Neichsmiiiisterium des Innern sich zu der Erkenntnis der Wahrheit durchgerungen hat, daß die Differenz der Wektanschauungsstaudpiiukte in ihrer Anwendi'na auf die Erziehung der Fugend als unabänderliche Tatsache binaenommen und mit der Bereitwilligkeit zu geaen- feitiaer D»ld>'ng anerkannt werden müsse. Eine andere Mög lichkeit, de» Erziehi'nasbcrechtigten die ihnen verfassungsmässig gewährleistete Gewissens- und Erziebnnassreiheit sicherznstellen, gibt eS sür den Staat nicht. Wenn alle Parteigenossen und eben so die ehemalige» StaiideSaenasien des Staatssekretärs Schulz sich ans diesen im sreien Volksstaate einzig möglichen Stand punkt erheben wölkten, dann wäre der Weg zur Lösung der Cchulsrage jrei. Aber die erste Lesung bereits hat gezeigt, daß SoziaHemotcatie und Lehrerschaft zur Anerkennung dieser Not. Wendigkeit noch nicht fortgeschritten find, sie allein fordern dir sür atle Kinder verbiiidliche rein weltliche Schule. Aber unter dem Eindruck der ersten Reichstagsberatungen, die jeden Einsichtigen doch wirklich für immer von dem Glau» den an die Möglichkeit einer weltlichen Zwcmgseinheiisschule kuriert haben sollten, scheinen nun doch auch allmählich selbst die Ilneniwegtesten ihre Sicherheit zu verliere». Noch klammert man sich an allerlei Hoffnungen, so, wenn z. B. die „Sächsische Schulzeitung" (Nr. 4, S. 66) schreibt: »Jetzt jedenfalls muh ein« neue Auskläruiigs- und Werbearbeit einsetzen für die Einheit der Schule. ES gilt, den Appell an das Volk vorzubereiten." Trügerisch« Hoffnung! Als ob es nicht schon längst deutlich ge worden wäre, dah dos Volk in seiner Mehrheit von der reli gionstosen weltlichen Schule nichts wissen will. Man glaubt im Grunde auch seinen Seibstbesck'wicbtiguiigeu nicht mehr. Wie würde man sonst auf einmal so bescheiden sein und schreiben: «lind zum ander» gilt cs nun zu überlegen, wie Sie Einhc't der Schule nach Möglichkeit w e n i g st e s für Sachsen zu er. halten ist, wenn das Zertrümmerung?,wies) wirtlich dem Volke und der Lehrerschaft ausgezwunge» werd.'n solle." »a. a. O. Seite 65.) Das klingt schon viel weittier zniersichtlicki. Gleich zeitig aber kann eS uns als ernste Warnung dienen. Wenn schon das Neickisschiilgesetz die weltliche Einheitsschule nicht bringt, dann, so hosst man, wende wenigstens Sachsen sich ko fortschrittlich zeigen und die wahre wirkliche Einheitsschule durchsetzen, für die man auherhalb des eigenen Landes in unbe greiflicher und unverzeihlicher pädagogischer Rückständigkeit noch nicht reif ist. Da eröffnet sich uns den» schon ein erster Ausblick darauf, welche ernste Bedrohung der Bekenntnisschule in Sachsen bevorstcht, wen» ihre Zukunft nicht schon durch reichSgesetzüche Regelung auch für diejenigen Länder hinreichend gesichert wird, in denen von seber kulttirkämpferische Gelüste sich auszuwirkeu Gelegenheit gesunden haben. Hoffen wir, dah es gelingen wird, den Rahmen des Reichsgesetzes ko eng zu fasten, dah von reichs- weaen auch in Sachsen wahre Duldsamkeit Eingang finden und mich hier die christliche Bekenntnisschule das Feld behaupten kann. Wir bosien auf die Duldsamkeit des Reiches, lasten wir die anderen ihre Hoffnung auf die Unduldsamkeit eines Lan des setzen. Al WM M MMmI (Von »nserni parlamentarischen Vertreter) Die Aussprache über den Beamte,istrei! gestaltete sich zu einer fast einmütigen Kundgebung der deutschen. Volksvertreter gegen die Aktion, die soeben von einem Teile der Eisenbahnve- amte» unternvmmen worden war. Mit Ausnahme der äußersten Linken war sich das ganze Parlament einig über die Beurteilung und über die Ablehnung eines Streikrechts sür die Beamten. Ter NeichsverkehrSmiiiister Grüner verbreitete sich insbe sondere über die Strasmahnahmen. Zu gewaltigen Entrüstungs- knndgebungen kam es, als er bestimmt Sabotageakte schilderte. Handgranateunngrtfie und Maschinenbeschcidtgungen. Er erwähnte, eine anderweitige Regelung der Arbeitszeit sei notwendig, inso fern, als die Arbeitsbereitschast nicht mehr als Arbeit gelten solle, tuen» gleich am Achtstundentag nicht gerüttelt werden würde. Der Sozialdemokrat Wels polemisierte gegen Einzelheiten der NelchSkanzlerredc. Der Zentrumsredner Dr. Hösle erklärte offi ziell für die Zcntrilinssraktion, daß ihre Auffassung sich voll ständig mit dem vom Reichskanzler eingenommenen Standpunkt decke. Das oberste Ziel sieht er darin, die Beamten zu einer Anerkennung der Staatsautorität zu bringe». Dem Dank der Nothilse schliche er sich sehr bewegt an. Wild geht es während der Rede des deutschnationalen Abg. Bernd zu, gegen den die Kommunisten grimmig wüten. Es folgt eine neue Erklärung des Reichskanzlers Dr. Wirth. Berlin. l0. Februar. Im Verlaufe der Verhandlungen im Reichstage erklärt RcichSverlehrsminister Gröner: Die Auf fassung, das; mit der Aushebung der Verordnung auch die Straf barkeit der während ihrer Geltung begangenen Vergehen beseitigt sei, ist irrig. Wie Herr Reichskanzler gestern schon ausgesührt, sind die Richtlinien über die Strafmahiiahmen vom gesamten Kabinett einmütig ausgestellt worden. Wenn die Negierung darauf ver zichtet, Masscndisziplinieruiigen vorznnehmen, so tut sie das tu der Erkenntnis, das; die übcr^rolw Mehrheit der Beamten tm Glauben an die Richtigkeit der Angaben ihrer Führer in den Streik gegangen ist. In einzelnen Bezirken sind bedauerlicher weise schwere Angriffe erfolgt, es wurde auf im Dienste be findliche Beamte geschossen. (Hört, hört.) Es wurden Handgranaten gelegt (lebhaftes: hört, hört), Schienen auseinandergeschraubt, Teile heraiisgenommen, Hemmschuhe auf die Gleise gesetzt, um Personenzüge zur Entgleisung zu bringe». Leider hat in mehreren Bezirken das streikende Personal das Versprechen der Nusrechterhaltung eines NotbetrieüeL gegeben, es aber nicht gehalten,.um den Einsatz der Nothilfe zu verhindern. Auch einige Länder haben den Einsatz der Technstchen Nothilfe nicht zugelasse». Der volle Einsatz der Technischen Nothilse er folgte erst am 7. Februar. Ausserdem wurden 12 000 HiljSkräste darunter 1200 Lokomotivführer eingesetzt. Ter Verkchrsminister appellierte zum Schluß an die Pflichttreue und Hingabe a» die. schwierigen Aufgaben des Betriebes, die sür die Eifenbahnbeamtnr bisher selbstverständliche Eigenschaft gewesen sei (Zuruf links: Und wenn der Magen »och so knurrt!) Abg. Wels (Soz.). Es handelte sich bei diesem Streik um den Anfang einer Bewegung, die aus der Beamtenrevolte leicht eine revolutionäre Bewegung machen könnte. Der Streik dient uns nie zur Erregung von Unzufriedenheit, denn er ist ein zwei schneidiges Schwert und darf nur in den äußersten Fällen ange wandt werden. Ein russischer Arbeiter, der es wagen würos seine Kameraden zum Streik aufzuforder», hätte nichts zu lachen. (Lärm bei den Kommunisten.) Redner zitierte eine Ausführung des sächsischen Ministers Lipinski, der ausdrücklich feststellt, daß der festangestellte, von der Konjunktur des Arbeits marktes unabhängige Beamte dem Streik gegenüber nicht in der Lage ist wie der Arbeiter. Abg. Hösle (Zentr.) erklärt die einmütige Zustimmung zu der Auffassung des Herrn Reichskanzlers, die sür den Streik Verantwortlichen müssen die Konsequenzen tragen. Abg. Acren dt (Deuttchu.) schildert die Leiden namentlich der Berliner Bevölkerung, die Hilferufe der Aerztevereinigungeu und Krankenhäuser. lZuruf der Kommunisten: Reißen Sie ihr fresches Maul nicht so weit aufl) Im Kapputjch habe die damalige Regierung direkt zum Beamtensireik aufgesordert und dadurch Verwirrung in den Köpfen der Beamten geschaffen. Man könne die Erbitterung der Beamten verstehen, wenn sie sehen, daß die Arbeiter- Tausende mehr verdienen als sie, die erst »ach vielen Jahren der Vorbereitung angestellt werden. Das Ungeheuer lichste was geschehen, sei das. daß die Regierung schon wenige Tage nach Beginn des Streiks mit der Neichsgewerischast ver handelt habe, sie sei also glatt umgefallen. Der Reichskanzler bringe sich um jedes Vertrauen. Vizepräsident Dittrich: Es ist vorher der Ausdruck ge fallen: reißen Sie ihr freches Maul nicht so weit auf, ich rusck den Sprecher zur Ordnung. Abg. Dr. Scholz (D. Vp.) fordert eine starke Revision der Besoldungssrage unter Wahrung des Existcnzminimums auch der unteren Beamten und Inangriffnahme des Problems der gleitenden Gehaltsskala. Reichskanzler Dr. Wirth erörtert die Verhandlungen mit dem Vertreter der Neichspostgewcrkschast Herrn Lenz, der sich im Laufe der Verhandluugeu mit einem besouderen Mandat der Reichsgewerkschast ausgewiesen habe. Die politische Ausgabe war nicht die des sachlichen Zieles, sondern die der Beendigung des Streiks. Der Reichskanzler erklärte noch, wenn Masscn- disziplinlerungcn hier nnd dort vorgekommen sind, dann werde er mit dem Herrn Verkchrsminister darüber sprechen und befür wortet den weiteren Ausbau der Technischen Nothilfe. Als letzter Redner nahm Abg. Dittniann (ttiiabh.) das Wort, dessen Ausfälle gegen den Minister Grüner einen solchen! Lärm hervorriefen, daß sich der Vizepräsident genötigt sah, die Sitzung zu schließen und die Weilerberatung auf Sonnabends 1 Uhr zu vertagen. Schluß 7 Uhr. Deutsches Reich Vorbereitungen sür Genua Aus Anlaß der bevorstehende» Konferenz von Genua hat die Reichsielegraphenverwaltung Maßnahmen getroffen, um den betreffenden Cchnelluachrichtenverkehr zwischen Deutschland nnd Italien in beiden Richtungen nach Möglichkeit sicherzustellen. Hinsichtlich des Telegraphen Verkehrs wird dies durch Bereitstellung betriebssicherer Leitungsverbindungen zwischen Deutschland und Italien und deren Ausrüstung mit neuzeit lichen Apparaten geschehen. Für de» Fernsprechverkehr! ist in Aussicht genommen, die bestehende Leitung Berlin-Frank furt (Main)-Moilaud in erweitertem Umfange nutzbar zn machen. Auch wird beabsichtigt, die deutsch-schweizerischen Fern sprechleitungen in erster Linie sür den Verkehr mit Italien zur Verfügung zu stellen; ferner wird der Bau der in der Aus führung begriffenen Fern.sprcch'lcituugen Berlin—Basel und Berlin-Freiburg zu diesem Zwecke mit möglichster Beschleuni gung durchgesührt werden. Ta die zwischen Nauen und Ita lien (San Paolo) bestehende Funkverbindung bereits hinreichend in Anspruch gencmmcn ist, ist der italienischen Tele» graphcnvcrwaltung vorgeschlagen worden, sür die Dauer der Konferenz auch einen 24slü»digen Duplex-Funkverkehr (gleich. zeigiligcS Senden und Emvsaugeii) auf einer besonderen Funk verbindung «inzarichten. und zwar möglichst mit einer italieni schen Funkstation, die gute Verbindung mit dem Kvnfercnzorte Genua selbst bat; die dazu nötigen Funkanlagen i» Deutschland sind zur Versügung gestellt. Das Bekenntnis eines Kapp-Putsch-Fiihrers Bei dem Prozeß gegen Hie Führer des Kapp-PutscheS hatte sich auch Dr. Schiele zu verantworten, der aber fret- gesprochen wurde. Schiele veröfsenilicht nun in der Zeitschrttt des deutschnattoualcn Grafen Reventlow, im „NeichSwart, als Entgegnung auf eine Aeußeruug Reventlows, der das Auf. treten der Angeklagten in Leipzig geradezu als feige bezeichnet Halle, Ausführungen, die nach mehrfacher Richtung hin von großen; Jniercsse sind. Er gibt nämlich in diesen Mitteilungen nichts geringeres zu, als daß er tatsächlich Führer beim Kapp, Das Kapellknabeninstitut der Hoskirche Dresden früher und heute Einige Worte zu dessen Förderung von Karl Pcmbaur*) I» der Kantorciordnung des Kurfürsten Moritz (1618) lesen wir folgende, diese Einrichtung betreffende Bestimmun gen: »Erst wollen wir in unsere Kantorei, das unter eilff große Personen zum Baß, Alt und Tenor, und den nciuu Knaben zum Diskant nicht sein sollen, und soll allezeit einer unter den großen Personen, der von den andere» suiiderüch gelahret und geschigkt sein werde, vor einen Pracceptor der Knaben gebraucht werde». . . . Damit die neu» Knaben zur Kunst und Tugend ge halten und gezogen werden möchten, so wollen wir, daß obge- nanntcr Magister Johannes Caugcrbailseii, neben unserem Kovellmcister Ihr pracceptor und Mchtmcister sein soll, welcher aus sie leide i» der Zucht und lehr gutte Achtung haben und geben soll insunderheit aber soll er sie treulich und fleißig z« Gottes Wort und Furcht hatten, sie den EalechismnS und Gram» mattem», auch daneben die andere arteS dicendi lernen, sie oft epistolas schreiben und i» der musica übe» lassen, damit sie in der Jugeut au ihren studnis nicht versäumet werden möchten... Es soll auch den Knaben ei» ehrlich Hossklerd gegeben werden — sie trugen graue Anzüge, weiße Verrücken, Hüte mit einer silbernen Schnur eingefaßt — nnd alle Tage auf den abendt vier Kandel» Bier aus unserni Keller zum Schlaftrungk." Nach der Verordnung des Kurfürsten August, 1568—1686, wohnte» die Knaben nicht mehr bei dem Kapellmeister, sondern bei jhrem Pracceptor. Bald sehe» wir die Zahl der Knaben auf 18 gestiegen, den Schlasirungk jedoch abgcschafft. Zur Zeit deö Kapellmeisters Schütz gina der Musikunterricht auf den Vizc- kapellnieisler Magister HestiuS über, der vorher Kmitor an der LandeSschnle in Meißen war. Wenn nun die Zahl der Kapcll- knaben wieder verringert wnrde, müssen wir bedenken, daß da mals d>c Altstimme, oft auch die Sopranstimme von Falsettistcn glfiinoc» wurde, die Knaben also nur den DiScant sangen und die späteren Sali den Kcrstrate» übergeben wurden. Das In stitut ist dann infolge des schwedischen Krieges in mißliche Ber» *) Siehe mich: Drei Jahrhunderte Kirchenmusik am säch- Kschen Lose. Ein Veiirag zur Kunstgeschichte Sachsens. (Mit Bildern.) Von Karl Pcml>aur. Erhältlich bei Trümpcr, Dres den, Schössergasse 25. - hältnisse geraten und Schütz, der in seiner Jugend ja auch Ka- pellknabe gewesen war, bat darum in einem Memorial an Johaii» Georg I. (1611—1666), daß „der bevorstehende augen scheinliche Untergang verhüttet und nur glcichsamb ein Saamen von der Musik au Ew. Kurf. Durch!. Hofe erhalten werden möge" und trat dafür ein, daß wenigstens vier Sängerknabc» und vier Jiistrilmeiitistcnknabcn heraugezogen werden möchten. So rettete Schütz das Bestehen des Institutes. Als im Jahre t699 infolge des Nrli'gionSwechselS des Könü'V eine Teilung der Dienste ein- trat, hatte sich die Zahl der Knaben wieder soweit vermehrt, das; je sechs Knabe» dem protestantischen und dein katholischen Gottesdienste zngeteilt werden konnte». Unter den namhaften Lehrern der Kapellknaben erscheint 1801 Johannes Miksch, der sich dann seit der Gründung des deutschen Opernchores durch Weber ein so großes Verdienst um dessen Erziehung erwarb, das; von einem „stets vorzüglich geschütten Lingechor unter Meister Mikschö Leitung" gesprochen wurde. Als das Kastraten- unwesen, das sich in Dresden am längsten hielt, endlich sitt lichen Anschauungen weichen mnßte, wnrden die Soli in der Kirche, soweit sie nicht nur ans die Virtuosität dieser gekünstel ten Stimme» angeschnitten waren, von Knaben gesungen, Da die Knaben sür den katholischen Kirchcndienst aus katholischem Haiise sein mußten und infolgedessen vielfach ans Böhmen ge- holt wurden, nmr es immer schwer, gute Stimmen zu bekommen nnd es wird unter anderem von Franz Benda erzählt, daß er. der einen niiSnehmend schönen Sopran sang, förmlich nach Dres den entführt wnrde und als er nach 1)L Jahren fort wollte» seine Heimat nur durch Fluch! erreichen könnt«. Jedem Besuche» der »i.usikatischcn Aufführungen in der Hofiirche Dresdens sind sie belnunt, die kleinen Kapeklsänger in ihrem JnstttutSgewande. den langen PantalonS, Mänteln mit kurzen Pelerine» und kleidsamen Mützen, wie sie paarweise vom geistliche» Hanse eifrig zur .Kirche schreiten. Als wüßten sie, daß ihre Vorgänger sür das Mnsikwesen früherer Zeiten von größter Bedeutung waren, so wichtig kommen sie sich vor. Ja. ani Ende deö 1?s Jahrhunderts sagt eine Verordnung: der ltnlerricht solle so erfolgen, das; sie „in der Capelle, als bei der Tafsel und Oper» Diensle leisten könne», zu welchem Ende sie auch die italienischen Arien lernen solle», in solcher Sprache beb der Tasfel nnd Opern sich hören zn lassen". Man glaubt plötzlich in die Vmweli aller hentigen musikalischen Kunstbetäti- gnng versetzt z» sein, so klar beleuchtet dieses Deseript die da malige Epoche. Knabe» sangen nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Oper, zur Tafel Solopartien, und mit Staunen lesen wir bei Fürstenau, daß die erste Sängerin Margarita Sali- cola. die in Italien bella Margherita hieß, erst im Jahre 1686 nach Dresden kam. Diese Tatsache läßt n»s auch begreifen, daß die Kapellknaben mit großem Eifer gesucht wurde». Da nun auch für ihre Erziehung nnd nach ihrer Mutation für ihre Zu kunft gesort wurde, kamen auch Jahre, in welchen der Zulauf zur Ausnahme in das Institut ein besonders reger war. Heute gilt der Dienst der Kapellknaben den Aufführungen in der Kirche, und dem Opernhaus. Der Krieg und die Teuerung haben auch das Kapellknabeninstitut nicht verschont. Die Mittel, die der Staat bisher zur Versügung stellte, sind nur geringe. Die Zahl der Knaben mnßte deshalb von 16 auf 12 herabgesetzt werden, »nd nun ist es doppelt schwer, in dem Institut Aufnahme zu finden. Möge es eifriger Bemühung der zuständigen Kreise gelingen, werkiäiig einzugreisen »nd dafür zn sorge», das; die alte Zahl 16 wieder erreicht werden kann, und möge eS wie bisher sür die Eltern, die ihren Knaben den, Jnstitut zuführen, ein Gefühl der Beruh'gung, der Freude, des Stolzes bedeuten, ihr Kind in der Obhut guter Erzieher zu wissen. Die Pflege des KapellknabeniustitutS hat durch alle Zeiten ihren großen Nutzen für da« qanze Land erwiesen. Viele Knaben widmeten sich später dem Gesänge oder einem anderen M»sikfache. Aus der Zeit, in welcher Hoskapellmeister Edmuird Kretschmer In struktor war. find uns viele anerkannte Künstler erwachsen, und wenn auch der Großteil der Knaben im späleren Leben den Gesang nur als Liebhaberei beirieb, so war es sicher auch von größtem Vorteil, wenn die von Kindheit auf anerzogene gute Art deö MiisizierenS durch sic ins Volk getragen wurde. Der Knabengesang ist aber, rein künstlerisch betrachtet, für die Aus führung der Gesänge ans der Blütezeit der polhpho.iischen Kunst bis Anfang des 19. Jahrhunderts, namentlich der rein vokalen Musik unentbehrlich. Der Ton des mehr objektiven naiven Mu» sizierens vergangener Jahrhunderte liegt der Fra>lenst!n»ne viel ferner, und die helle Farbe der Knabenstimme charakterisiert den Vokalchor ebenso wie die Oboe, die lange Zeit die herrschend« Oberstimme der Bläser war. So ist die Heranziehung von Knaben zur Kirchenmusik ältere!, Stiss künstlerisch ebenso wich tig wie dir Erhaltung eines solchen Instituts, das Knaben aul ärmeren Kreisen des Volkes Gelegenheit gibt, in frühester I» gend den Grnn-d zn legen, später in irgend einer Form der Kunst dienen zu können. Beneidenswerte Knabcnl Ein stolze» Erinnern ist euer Gewinn für die Jahre eure» ganzen Leben», die Musik adelt und segnet eure jungen Herzen, ist sie do>H^ wie Beethoven sagt, die Vermittlerin zwischen Gott »nid des Menschen.