Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. Bezugspreis: Vierteljahr!. 1 Mk. 5« Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnuinmer 8858. Bei außerdeutschcn Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucbilrliclttrel. ^rüalMon unü SercdSNrrtelle: Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die «gespaltene Pctitzcile oder deren Nauni mit 15 Pf- berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. RedaltionS-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1588. Nr. 50. Freitag, den 6. Februar 1903. 2. Jahrgang. tz 2 öes Jesuitengesetzes. Nach der vorgestrigen Erklärung des Reichskanzlers dürfte die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes wohl nicht mehr lange ans sich warten lassen. Es wird damit ein altes Unrecht teilweise beseitigt. Sticht einmal staats- ungehörige Anarchisten weist man ans Deutschland mir deshalb ans, weil sie sich zu dieser Partei bekennen; warum also Männer, die in Deutschland das Staatsbürgerrecht besitzen, gebildet sind und denen man nicht den geringsten Verstoß gegen irgend ein Polizei- oder Staatsgesetz znm Vorwurf machen kann? Mit der Ausmerzung jenes Un rechtes gegen unbescholtene Männer wird das Wort des Staatssekretärs Posadowsky eingelöst, das er vor mehr als Jahresfrist im Reichstage abgab, der Bnndesrat werde noch im Laufe der gegenwärtigen Session entweder das ganze Jesnitengesetz oder doch wenigstens 2 desselben ansheben; man wird also den zweiten Weg einschlagen, offenbar, um die ängstlichen Gemüter in Deutschland zu beruhigen. Wegen der großen Bedeutung wollen wir die Erklärung des Grafen v. Bülow hier wörtlich wicdergeben; sie lautet: „Was mm, meine Herren, die Anträge des Herrn Ab geordneten Grafen von Hompesch und Geirossen und Grafen zn Limburg Stirmn und Genossen angeht, so habe ich bas Nachstehende zn sagen: Die Zulassung von Nieder- lassnngen des Ordens der Gesellschaft Jesu dürfte ans den Grunde», welche den Erlas; des Gesetzes vom 4. Juli 1872 berbeigeführt haben, die Zustimmung der verbündeten Negierungen nicht finden. Dagegen bin ich der Ansicht, das; die konfessionellen Verhältnisse innerhalb des Deutschen Reiches es nicht länger nothwendig erscheinen lassen, einzelne deutsche Staatsangehörige deshalb, weil sie dem Orden Jesu augehöreu, unter die Bestimmungen eines Aus nahmegesetzes zu stellen oder dem Reiche gegenüber aus ländischen Angehörigen dieses Ordens eitle besondere Ans- weisnngsbefugnis zu belassen. Ich glaube vielmehr, das; die allgemeinen Reichs- und Staatsgesetze ge nügen werden, um den kirchlichen Frieden zwischen den beiden christlichen Bekenntnissen zn sichern. In diesem Sinne werde ich, soweit ich Einflns; auf die In struktion der preußischen Stimmen im Bundesrat habe, zu den vorliegenden Initiativanträgen des Reichstags Stellung nehmen." i Aus dieser Erklärung e^ibt sich klipp und klar, daß es Ansicht des Reichskanzlers se», die Neichsgesetze genügen doch vollkommen, um den konfessionellen Frieden zn sichern; Ausnahmegesetze gegen die Jesuiten seien deshalb überflüssig. Die Angstmeier in Sachsen freilich befällt bereits eine unsägliche Furcht. Der Schrecken hat sich kaum ge legt, welchen die alarmierenden Nachrichten der einzelnen Blätter hervorgerufen hat und worin den ängstlichen Ge mütern allen Ernstes mitgeteilt wurde, die Jesuiten Herr- scheu am Dresdener Hofe. Nachdem sich die ganze Ge schichte als eine plumpe Erfindung heransgestellt hatte, atmete man beruhigt ans. Und nun kommt wieder den Schreckensbotschaft aus Berlin! Nicht einmal das Bewußt sein vermag die Herren zn beruhigen, das; doch Sachsen noch eine Landesgesetzgebung besitzt, welche nicht nur die Jesuiten selbst wie allen männlichen Ordeusleuteu den Aufenthalt im Lande verbietet, sondern sogar solchen Priestern, welche ihre Vorbildung in Jesuitenanstalten ge nossen haben. Es fehlt nur noch, daß auch Bücher und Schriften, die von Jesuiten geschrieben sind, im sächsischen Buchhandel verboten werden. Aber das alles vermag die Angst nicht zu bannen. Tie „Dresdn. Nachr.", in deren Redaktion dieJesuiten eine „stille Station" haben, wie der„Tresdu.Anz." seinerzeit schrieb, warnt in der heutigen Nummer vor diesen Männern „wegen ihrer Vertrautheit mit Hintertreppen und Schleichwegen aller Art". Sie bezeichnen es als „empö rend und beschämend zugleich, daß im neuen Deutschen Reiche, der protestantischen Vormacht, eine unglückselige parteipolitische Entwickelung es soweit hat bringen können, daß die Negierung mit einer ultramontaueu Kette am Fuße dahin wandelt und auf Schritt und Tritt dem vom Zen trum ausgeübteu Drucke uachgebeu muß. Geschehene Dinge lassen sich indes nicht ändern, und Klagen über eine unlieb same Entwickelung halten diese in ihrem Gange nicht aus. WaS not tut, ist Handeln, und zwar eigenes Handeln der Eiuzelstaateu, nachdem darüber, daß das Reich gegenüber dem Nltramontanismns mehr und mehr in seiner Wider standskraft zn erlahmen beginnt, kein Zweifel mehr möglich ist." Wie will denn Sachsen noch „handeln"? Hat es doch den Artikel 7»0 der Verfassung, in dem es ausdrücklich heißt: „Es dürfen weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten oder ein anderer geistlicher Orden jemals im Lande ausgenommen wer den." Trotzdem schrieben aber die Zeitungen noch vor etlichen Wochen, das; die Jesuiten in Dresden herrschen. Jetzt sehen die „Tr. Nachr." ans einmal in dem Artikel ',0 einen „starken und zuverlässigen Schutz gegen jeden Versuch, die Herrschaft des Jesnilismus bei uns wieder eiuznschmuggeln". Jesintis nms? Ein Abgeordneter bezeichnete am Mittwoch alle Zentrumsleute für Jesuiten; auf einen mehr oder weniger komme es nicht darauf au. Wenn das wahr ist, so müßte Sachsen entweder den Answeisnngsparagraph ans alle Katholiken ansdehnen, oder aber als unnütz in die Rumpelkammer werfen. Was mm die Aufhebung des H 2 im Bundesrate be trifft, so wird dieselbe jedenfalls angenommen, da Preußen sich dafür erklärt. Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit, daß der Bnndesrat ,"»8 Stimmen von Bnndesbevollmächtigten zählt, wovon 17 auf Preußen, t! auf Bagern, je 4 auf Sachsen und Württemberg, je 2 auf Baden und Hessen, je 2 auf Mecklenburg-Schwerin und Brauuschweig und je I Stimme auf die übrigen Bundesstaaten und Hansestädte entfallen. Hier wollen »vir noch darauf Hinweisen, daß im Reichs tag für die Aufhebung des tz2 nicht nur ein Antrag des konser vativen Grafen Limburg Stirmn, sowie des freisinnigen Abg. Nickert eingebracht wurde, sondern auch der national- liberale Führer v. Bennigsen sehr warm eiiigetreten ist. Unsere Konservativen und Nationalliberaleu in Sachsen find freilich von ganz ander,» Holz geschnitzt; wir würden ihnen empfehlen, sich in eine „sächsische Skationalpartei" zu ver- schmelzen. Doch da fehlt ihnen ja wieder das richtige par- tiknlaristische Gefühl. Auch eine Jesurterigeschichte. Man schreibt uns: „Am 0. Januar 1870 am hohen Dreikönigsfeste war an der Schloßkirche zn Wechselbnrg folgender Anschlag zu lesen: „Der Gottesdienst ist durch die Amtshanptmannschaft untersagt." Diese Untersagnng des Gottesdienstes in der gräflichen Schloßkirche durch die Amtshanptmaimschast hatte in der Dresdener Presse verschiedene Beurteilung erfahren. Nachdem zuerst der „Dresd. Anzeiger" die Herausforderung des amtlichen Verbotes ohne weiteres den Ueberschreilnn- gen des betreffenden katholischen Geistlichen zur Last gelegt hatte, wurde den „Dresdener Nachrichten" von geschätzter Hand eine Epistel übersandt, welche das Vorgehen des Amtshanptmanns „eine Maßregel der Unduldsamkeit" nannte, wodurch das „intelligente Sachsen" beschimpft würde, und durch deren Verteidigung der Anzeiger als ein „beschränkt redigiertes Blatt" sich von Neuem bloßstelle. Diese für die Glaubensfreiheit eingelegte Lanze zog Tags darauf den „Dresd. Nachr." seitens des „Anzeigers" den Vorwurf zn.daß in den „Dresd.Nachr." die Jesuiten „eine stille Station" hätten. So zu lesen in Nr. 1 des Volksblattes vom 28. Jan. 1870. — Ob die Jesuiten nicht auch heute noch auf der Marienstraße ihre finsteren Pläne anshecken? Ja, es ist schon der Verdacht geäußert worden, daß sie. hinter listig. wie sie sind, noch eine Filiale unter der Firma „Dresdner Rundschau" gegründet hätten, denn, was dort für Ränke geschmiedet werden und für Unheil ansgebrütet wird, das riecht oft verteufelt nach „Jesuiten". Darum Vorsicht, Ihr guten, gläubigen Dresdener, laßt Euch nicht „vertobacken", denn die Jesuiten machen das Unmöglichste möglich. Meinen Sie nicht auch, Herr Redakteur?" -n. Die „Sächs. Volksztg." hat schon gestern in dem Ar tikel „Mehr Wahrheitsliebe" die Ansicht ausgesprochen, daß hinter den Redaktionen all jener Blätter,welche in den letzten sechs Wochen am meisten Radau machten, Jesuiten stecken. Wir freuen uns, daß unser Korrespondent diese Ansicht teilt. Und mm läßt man diese gefährlichen Leute auch noch nach Deutschland! Wo nur die Behüter des Deutschen Reiches ihr Gewissen gelassen haben? Eine solche bedenkliche Un vorsichtigkeit!! — Wir würden »ns sehr freuen, wenn auch die Führer des „Evangelischen Bundes" diese unsere Ansicht offen teilen würden, statt mit derselben immer hinter dem Berge zn halten. In» Golöfieber. Ein Roman aus dem Kapland. Von Erich Friese». (2!«. Fortsetzung.) (Nachdruck Verbote».) „Lieber gleich zwei, wenn Du mal dabei bist! Einen znm Guten und einen fürs Hans. Und auch ein Dutzend Hemden hast Du nötig und Strümpfe und Schuhe! Ver giß das ja nicht!" „Ich werde mir alles bestellen, was Du wünschest, Mathilde, wenn es Dir Freude macht!" Soviel Liebenswürdigkeit rührt die brave Frau fast bis zu Tränen. „Du bist doch ein lieber, guter Mann." schmeichelte sie, ihm die Wangen streichelnd. „Und Du wirst schon scheu: die Mehrausgaben tragen Früchte! Tie Kinder werden kräftiger, und gesünder und ich selbst — wahr hastig. ich glaube gar, ich selbst blühe noch einmal auf! Die letzten Tage fühle ich mich schon viel wohler! Meine Brustschmerzen sind fast ganz weg. Ha, dann wollen wir dach einmal unser Leben genießen, wie die anderen Leute! Nicht wahr. John?" Förster bekommt es nicht übers Herz, den Frcndcn- ansbruch seiner Frau zu unterbrechen. Zum erstenmal bemerkt er, daß eine gesunde Röte beginnt, sich auf ihren schmalen Wangen bemerkbar zu machen, daß sie eigentlich noch eine recht hübsche, jugendliche Frau ist. „Mein liebes Weib" — freundlich erwidert er ihre Liebkosungen — „gewiß, wir wollen glücklich und ver gnügt sein! . . . Apropos — hast Du noch etwas Wein im Hause?" „Gewiß. Aber wird er Dir auch nicht schaden? Du hast früher nie Wein getrunken!" „Unsinn! Wein her! Wir wollen unser Leben genießen! Ich bin erst zweiundfünfzig Jahre alt. wenn auch mein Haar gebleicht, mein Rücken gekrümmt ist! Morgen gehen wir auf acht Tage aufs Land — wir alle, auch die Kinder!" Frau Förster sinkt auf einen Sessel vor Ueberrnschimg. Sie weiß nicht recht, ob sie sich freuen oder ärgern soll. „Morgen aufs Land?" Und das neue Hans?" „Das neue Hans kann warten. Alle Leute gehen aufs Land. Warum sollen wir es nicht Inn? Wir wollen unser Leben genießen. Noch eine Flasche Wein her. Alte!" Als die kleine Marh bald darnach frisch gewaschen und gekämmt znm Abendessen kommt, glaubt sie nicht mehr, daß der liebe Gott auf ihren Papa böse sei. So lustig hat sie den Vater noch nie gesehen. Seine Augen funkeln förmlich. Nach dem Essen versammelt Förster die ganze Kinder schar um sich und erzählt den verwundert Anfhorchenden herrliche Geschichten von der morgigen Reise, von dem ! große» Hanse, in welches sie nächstens ziehen werden, von den schönen Kleidern, die Mama ihnen allen kaufen wird, von den Delikatessen, die sie fortan zn essen bekommen. Die Kinder lachen und jubeln. Und die Eltern lachen und jubeln . . . Die Försters beginnen, sich in den trügerischen Strahlen des Reichtums zn sonnen . . . Das Goldfieber hat die ganze Familie erfaßt. X. An demselben Tage, an welchem Paul van Gülpen die heiß-ersehnten Diamantminen-Aktien sein eigen nennt — überglücklich in dem Gedanken, daß er seine Braut nun bald wird heimführcn können — an demselben Tage trägt ein Dampfer Lord Roberts, Ladh Elisabeth und Irene Morrison gen Port Elizabeth. Durch das tagclange Fernbleiben ihres Bräutigams zuerst beunruhigt, später beinahe vorletzt, wurde Irene stiller und immer stiller. Selbst Lord Roberts angestrengtesten Bemühungen gelang es nicht, sie ihrer trüben Stimmung zn entreißen. Da verfällt sein erfinderischer Kopf ans eine geradezu großartige Idee. Wie wär's, wenn er mit Irene aus Reisen ginge — in Begleitung seiner Schwester als clnrno tl'stonnour? Nicht nur, daß Irenes trübe Stimmung durch neue' Ein drücke schwinden würde — er hätte auch durch d"s be ständige Beisammensein mit ihr mehr Ehancen, rasch ihr Herz zn gewinnen. Einen Plan fassen und ihn zur Ausführung bringen, ist für Lord Roberts stets so ziemlich eins. Zuerst opponiert Irene ein wenig. Es erscheint ihr undenkbar, den Ort zn verlassen, an welchem der Geliebte dieselbe Lnft mit ihr atmet. Doch Lord Roberts weiß ihr die ganze Sache so ge schickt vorznstellen — schließlich giebt sie selbst zn. daß eine kleine Abwechselung ihr ganz gut tun und daß vor allem diese Reise eine kleine Strafe für Pauls unbegreifliches ! Fernbleiben sein würde. So schreibt sie ihm am Abend vor ihrer Abreise einige freundliche Zeilen und fügt hinzu, sie bosfe, in etwa vierzehn Tagen wieder von Port Elizabeth zurück zu sein. Die Fahrt nach Port Elizabeth, emer wunderhübschen, mehr und mehr anfblühenden, indnstriereichen Hafenstadt, östlich von Kapstadt, verläuft aufs angenehmste. Irenes leicht empfänglicher Geist erfreut sich an allem, was ihm geboten wird. Und Lord Roberts ist ein solch ansmerksamer Kavalier, ein solch überlegen gewandter Weltmann — Irene beginnt bald sich unter seiner beständigen Obhut überaus behaglich zu fühlen. Nach wenigen Tagen schon ist ihre frühere Heiterkeit znrückgekchrt' Sonnig erstrahlt wieder das gewohnte Grübchenlächeln von ihrem frischen Antlitz. Lord Roberts selbst gibt sich mit vollem Eifer der anziehenden Gesellschaft seines liebreizenden Mündels hin. Seine Charaktereigentümlichkeiten sind derart, daß er. ohne mit einer Wimper zu zucken, einem Mitmenschen das Lebenslicht ansblasen könnte; aber er vermag es. sich in schwunghaften und gefühlvollen Tiraden zn ergehen über irgend eine süßduftende Blume oder einen buntschillernden Vogel. iFortsetzung folgt.)