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«r. L7V — L«. Jahrgang Freitag den L8. Juli 1VII EOcheint «Sgllch nachm. mit Ausnahme der Sonn- und Festlage. «»Saab» 1 mit .Die Zeit in Wort und Bild" viertestäbrlich S,10 In Dresden durch Boten 2.40 In oaiu Deutschland ^ei HauS S.8L in Oesterreich 4,48 L vn»»ab« « ohne illustrierte Beilage vierteljährlich I.NO In Dresden durch Boten »,1V X. In ganz Deutschland sret Hau» S,»« in Oesterreich 4,0? L — ikinzel Nr. 10 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die »gespaltene Petitzeile ober deren Banir mit 48 Rellamcn mit 80 ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt Bachdrnikrrei, Redaktion and SlcschästSstelle: Dresden, Ptllnltzer Strafte 48. — Fernsprecher IltOA Für Rüikgabe „»verlangt. Schrtftftilike keine Perbiudltchkel« RedaktionS.Sprechstunde: 11 bi» I!i Uhr, Für die Monate August u. September abonniert man auf die „Sächsische Volks« zeitung" mit der täglichen Romanbetlage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 12« Mk. lohne Bestellgeld), durch den Boten ins HauS 1.4V Mk. Der Bezugspreis auf die Ausgabe ^ mit der illustrierten Unter haltungsbeilage „Die Zeit in Wort und Bild" erhöht sich monatlich um 10 Pfennig. Kolonialunruhen. Der Neichstagsabgcordnete M. Erzberger schreibt uns: Aus Ostafrika und Südwestafrika kouuueu Meldungen über Anfälle und Niedermetzelungen von .Karawanen und Streifexpeditionen. So sehr die hierbei gebrachten Lgser zu beklagen sind, so liegt doch kein Anlaß zu einer allge meinen Beunruhigung vor. Mit der Kolonialpolitik sind und bleiben solche Opfer unzertrennlich verbunden. Mord taten kommen selbst in Berlin vor, wo man genug Schutz leute hat; man findet darin kein Zeichen der allgemeinen Unsicherheit, sondern nur eine Entartung des Menschen geschlechtes. Jedenfalls kommt man auf Grund solcher häßlichen Taten nicht zn dem Schlüsse, daß nun eine große Vermehrung der Polizei unabweisbar sei. Dasselbe ruhige Blut muß man auch bei Ucberfällen in den Kolonien haben. Man kann sie bei dem größten Aufgebot von Schntztruppen nicht ganz vermeiden: man muß nur frage», ob diese Uebeltaten Anzeichen eines allgemeinen Aufstandes sind, und dies darf bei beiden Schutzgebieten verneint werden. Südwestafrika wird immer Neibnngsflächen im Nor den geben: das Neuland des Eaprivizipfcls, in dem sich auch eine katholische Missionsstation befindet, wird noch manche Nasenstüber uns geben, bis es ganz in die geordnete Ver waltung einbezogen wird. In dieser Gegend war die euro päische Herrschaft noch nie begründet: die Grenzverhält»isse sind im höchsten Grade unsicher und der nächste deutsche Posten recht weit entfernt. Ob sich durch eine Eisenbahn, die Fortsetzung der Tsumcbbahn, dies ändern läßt, ist doch noch ungewiß: diese Linie hätte ans lange Zeit hinaus nur strategische Bedeutung. So notwendig der koloniale Bahn- bau ist, so muß er doch in erster Linie »ü'-tschaftlichen Gründen dienen: es gibt heute schon inanche Kreise, welche die Frage anfwerfen, ob sich Südwestafrika an Eisenbahnen nicht etwas übernommen hat. Wen» Schreiber dieses auch nicht zn denselben gehört, so steht doch so viel fest, daß diese Bahnkanten in de» nächsten Jahren nicht oime Defizit ans- koinmen werden. Sobald der Transport der Van- materialien anfhört und die Truppe, wie zngesagt, ver ringert wird, machen sich erheblich? Ausfälle geltend. Ob man in einem solchen Zeiträume dem Lande »och eine neue Schuldenlast auferlegen kann, muß sehr cmgehend geprüft werde!:, wenn man auch gar nicht in Abrede stellen kann, daß eine Bahn von Okawango viel für sich hat. Es kommt hier alles auf den richtigen Zeitpunkt an, der Ueberfall einer Expedition darf diesen nicht fünstlich früher stellen, als er durch die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes angezeigt ist, Tie 12 000 Weißen i» Südwest haben einst weilen genug Staatsschulden zn verzinsen und zu amortisieren. Die Mordtat im Caprivizipfel ist eine ernste Mah nung, in der Ausdehnung der deutschen Verwaltung in den Kolonien nicht weiter und nicht rascher zu gehen, als die vorhandenen Macht- und Schntzinittel reichen; die alte Idee des Schntzgürtels hat noch immer ihre guten Seiten, Man sollte auch das Ovambo- und Eaprivizipfel-Problem nicht gleichzeitig ansassen, sondern eins nach dein anderen er ledigen, wie eS die Engländer auch tun. Ernste Gefahren drohen der Kolonie aus dein Vorkommnis nicht; denn die Zahl der Schwarzen, die sich empöre» könnten, ist zu klein und die Lehre des Aufstandes noch nirgends vergessen. Aehnlich ruhig darf man die Lage in Ostafrika betrachten. Es darf ganz offen gesagt werden, daß in dem Lande relativ große Sicherheit herrscht; man denke an die Niesen- entfernungen und die kleine deutsche Schntzmacht, die im Kerne nur eine von weißen Offizieren und Unteroffizieren befehligte „schwarze Armee" ist. Es zeigt sich auch hier, daß die gerechte, nicht sentimental weichherzige Behänd- lnng der Neger die richtige Erziehungsmethode darstellt und daß sich dieser an h einer harten Faust beugt, wenn er nur sieht, daß ihm Ger> chtigk-ül zuteil wird. Dadurch beugt inan Unruhen am besten vor und befestigt die deutsche Herrschaft für olle Zeiten, ohne Aufgebot großer militärischer Machtmittel. Daß diese erste Lehre der Kolonialpolitik uns immer wieder vor Augen gehalten wird, dazu bieten die jüngsten Unruhen wiederum Veranlassung; damit soll nicht gesagt sein, daß ungerechte Behandlung diese erzeugt haben. Man kennt ja die näheren Ursachen und Umstände noch nicht; es soll nur der Ansicht begegnet werde», daß verstärkte Truppen uns vor solche» Unannehmlichkeiten bewahren und behüten könnten. 20 Generalversammlung des Allgemeinen Cäcilienvereins. sEiu kirchenmusikalischer Kongreß in Innsbruck.) Innsbruck, den 2k>. Juli INI!. Nachdem am Sonntag der kirchenmnsikalische Kurs mit den äußerst instruktive > Vorträgen des Msgr. Mitte rer über Aesthetik in der Kirchenmusik, die Ehoralübungen des Professors Springer nnd des Professors Wagner-Wie» über daS „Elementare de.- Gesangsnnterrichtcs" beendet »raren, wurde Montag abend im großen Stadtsaale vor einem vielhnndertköpsigen, musikalisch seingebildeten Publi kum die 20. Generalversammlung des Allgemeinen Cäcilien vereins mit einem Begrüßungsabend eröffnet. Ans vielen Ländern sind sie herbeigeciU, unsere berühmtesten Kirchen- mnsiker. Männer mit klangvollen Namen, ans der Schweiz, Dentschland, Italien, ja selbst ans Holland, um den Beratungen nnd Festveranstaltungen bciznwohnen. Teil Vorsitz führte der Ehrenpräsident Laiideshanptmann Baron Kathrein. Unter den Erschienenen bemerkte man n. a.: Generalpräses des Allgemeinen Cäcilienvereins Pro- fessor Dr. Hermann Müller aus Paderborn; Tomkapell meister Geistlichen Rat Klemens Bachstefel aus Passau, Mnsikpräfekt I. Geiger ans Brixen-Viiizentinnm, G. Feichter-Borromänm, Salzburg, I'. Ugolino O. D. ans Laibach, Professor Schmalzhofer ans Wien, Domkapellmei- sler Stockhansen ans Trier; Toinchordirektor Cvrtner von Münster i. W,, Herrn Ernst v. Werra-Veuron, Herrn Rev. H. Bewerunge Mahnooth, Cotege (Holland), Herrn Hofrat Dlabac, Wie», I'. Michael Horn, Graz, Dr. Karl Wein- man», Negensburg, Herrn Eng. Greutling, Diözesanpräses, Pfalz usw. »sw. Der Abend war reich an glänzenden Reden aller Vertreter obengenannter Länder, aber auch leich an musikalischen Genüssen, die vom Innsbrucker Stadtorchester geboten wurden. Es herrschte echt musika lische Harmonie. Der Sängerchvr der hiesigen Pfarrkirche erntete reichen Beifall. Baron Kathrein begrüßte in herz lichen Worte» die Festgäste. Außerdem begann gestern die mit allseitigein Interesse erwartete innsikalische Festwoche Professor Springer, ein glänzender Orgelvirinos, spielte >» der Pfarrkirche, wo die Aufführungen stattsinden, den ersten Satz seiner Ehoralsonate Opus 10 i>a»>« .z»jxc-I<»riim, darnach setzte die herrliche B-Moll'Litanei für Chor nnd Orchester von K. Greith ein. Außerdem war Greith mit seinem überaus lieblichen Marienlied „Marin Viktoria" vertreten. Der berühmte Tiroler Komponist Vinz. Goller paradierte mit einem Dnntum Opus 67. t(>. Alle Teilnehmer sind voll Lobes über die großartigen Leisinngen des Innsbrucker Kirchenchores unter der tüchti gen Leitung deS Ehordirektors Herrn Streiter. Die Beratungen der Diözesanpräses, Referenten und Mitglieder der wissensck>aftlichen Kommission waren von außerordentlicher Güte nnd sehr fruchtbringend. Dienstag wurde um 7 Uhr früh ein Cboralamt ge balten, dem um 6 Uhr der Einzug des hochwürdigsten Wcih- bischofs Dr. Egger nnd ein Pontifikalamt in der Pfarr kirche folgte. Tausende von Andächtigen, die Spitzen der Behörden, Hunderte von Kirchenmnsikern, Ehordirektoren, Lehrern, Sängern füllten die prunkvolle Kirche. Professor Müller, der bekannte Tiroler Dichter, Bruder Willram, hielt eine formvollendete, tiefsinnige und voesiereiche Fest predigt, Unter Tags wnrdc» zwei geschlossene Mitglieder versammlungen nnd gestern abend eine Andacht mit musi kalischer Litanei, Marienlied nnd Segen gehalten. Politische Rundschau. Dresden, den 27. Juli l9II. — Die Meldung der Vossischen Zeitung, daß das Zarenvaar wieder nach Darmstadt kommen wird, dürfte sich nicht erfüllen. Der Zustand der Zarin erfordert ein warmes Klima, weshalb das Zarenpaar voraussichtlich den ganzen Winter im Süden Rußlands in Lioadia ver bringen wird. — Auch eine Zusammenlegung der kleinen Pfarreien. In Württemberg hatte die Regierung die Absicht, die kleinen katholischen Pfarreien unter 800 Seelen znsammen- zulegen, um dadurch Ersparnisse zu erzielen. Tie scharfe Opposition der katholischen Piesse, katholischer Mitglieder der Ersten Kammer und der hiervon betroffenen Gemeinden hat diesen Plan in den Hintergrund gestellt. Nun taucht ein ähnlicher Plan im protestantischen Braunschweig aus; Sozialdemokratische Rabulistik über die Einschränkung der Feiertage. Papst und Kirche könne» tun, ivas sie »vollen, es wird stets über nnd wider sie geschimpft werden. Lassen sie Feiertage feiern, so heißt es, die Kirche habe kein Verständ nis für den Wert der Arbeit, sie begünstige den Müßig gang, sei schuld an dem wirtschaftlichen Niedergange deS katholischen Volkstciles, ja ganzer katholischer Völker; die größten Schlauberger haben gar noch hcrausgebracht, daß die Kirche dann schuldig sei für etwaige Exzesse, Schläge reien und Raufereien. Das ist ja so ziemlich das stehende Lied in der roten Presse gewesen neben der dummen Phrase, daß die Kirche mit ihren Feiertagen den armen Mann zur Ruhe zwinge, ohne ihm Ersatz für den ausgefallenen Lohn zu geben. Schränkt dagegen der Papst die Feiertage ein, so ist es wieder nicht recht, nnd das Geschimpfe geht abermals los. Das erleben wir eben, da der Papst eine Enischränknng der Feiertage in die Wege geleitet hat. Znm dümmsten, was darüber geschrieben wurde, ge hört die Auslassung des „Vorwärts" (Nr. 168 vom 16. Juli) - aber wer hat auch jemals von der Sozialdemo kratie nnd gar deren Hanptorgan etwas Vernünftiges er wartet, wenn es um katholische Lehren nnd Einrichtnn- gen ging? Der „VvrmärtS" überschreibt sein Geschreibsel „Ein modernistischer Papst" nnd bestätigt gleich darin, daß er von dem. waS MaderniSinus ist, keinen blauen Dunst hat. Er sagt nämlich, diese Maßnahme greife tief in die bis herige Tradition der Kirche ein; deshalb al«o ist die Maß- nähme „modernistisch". O «»net» «ümplieita«! Der ein fältige Artikelschreiber verwechselt also wieder einmal mo- der» »nd modernistisch mit einander. Das ist zwar ein Unterschicd wie zwischen einem Bazillus nnd einem Ele fanten, aber wiche Unterschiede sieht sozialdemokratische Weisheit längst nicht mehr. Indes »vollen wir diese Verwecbslnng von modern und modernistisch auch gar nicht sonderlich hervorheben ange sichts der Tatsache, daß selbst Leute auf Universitätskathe- dern auch so dumm reden, sei cs ans wirklichem Mangel an Begriffsfähigkeit, sei es ans Bosheit. U>-ber die Gründe seiner Maßnahme hat Pins X. sich i» dem Köln i>rc>i>rio selbst verlantbare» lassen, nnd jeder, der die moderne Welt nnd wirtschaftliche Entwickelung kennt, wird ihm nicht un recht geben. Ganz anders der „Vorwärts". Er weiß na türlich ganz genau, weshalb Pins X. diese Anordnung ge troffen, nicht aus den von ihm selbst genannten Gründe», beileibe nicht' Nein, ans lauter Rücksicht auf den Geldsack der Kapitalisten! Und nachdem ihm dieses Licht aufge blitzt ist, schreibt er: „Und weshalb? Nur aus feiler Rechnuiigsträgcrei. um nämlich dem Verlangen des heurigen Kapitalismus nach bermehrter Gelegenheit zum Profitmachcn und zur Ausbeutung der Lohnsklaven entgegenznkvmmen nnd ihm weiteren Raum für seine Betätigung zn schaffen. Dadurch sollen die wohlhabenden Kreise der Großindustrie und des Großhandels, die in den letzten Jahrzehnte!» vielfach Rom den Rücken zngckehrt haben, bewogen werden, in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche znrückznkehn'n nnd in der römischen Kurie nicht nur die Vertreterin chrer seelischen, sondern auch ihrer leiblichen Interessen zu erkennen!! . . . Nicht ans theologischen oder irgendwelchen zwingenden kirchlichen Gründen, sondern lediglich aus Gefälligkeit gegen die Großkapitalistcn, deren Wohl der Kirche weit mehr gilt, als der nicht in gleichem Maße zahlungsfähigen Arbeiter klasse." Ja, was der Verstand der Verständigen »icbt sieht. a>U das kommt'gleich ein versimpelt Gemüt. Man hätte er warten sollen, daß dort, wo man sich rühmt, in der ökono misch-technischen Geschichtsauffassung den salomonischen Schlüssel zur ganzen Weltgeschichte zu haben, ein so großer Unsinn nicht mehr möglich sei. So Mollen wir dein Mon sieur einmal die Nase aus die veränderte Technik der Jetzt zeit und des vorvorigen Jahrhunderts stoßen oder ans den Unterschied zwischen Landwirtschift und Industriebetrieb bi »weisen. I» den Kreisen der Landwirtschast steht inan selbst- redend ganz anders den Feiertagen gegenüber als in der Industrie, ans dem einfachen Grunde, weU i» der Land- Wirtschaft die Feiertage lange nicht so in das Erwerbsleben einschneiden und einen solchen Wertausfall bedeuten als in der Industrie, nnd zwar nicht bloß für den Arbeitgeber, sondern ebenso für den Arbeiter selbst! Das kommt auf dem Lande gar nicht so in Betracht. Fallen die Feiertage dort in den Winter, so hat das überhaupt nichts zu be deuten, kritisch wird die Sache lediglich im Sommer nnd da nur zur Zeit der Ernte, wenn etwa die Wiesen abge mäht oder daS Korn geschnitten ist und die Sachen noch nicht eingefahren sind nnd ein anfsteigendes Gewitter droht. Aber jeder, der ans dem Lande gelebt hat, weiß, daß in die sem Falle alsbald mit der erforderlichen Dispens das Heim- fahren besorat wird. Kurz: von einem Wcrteverlnste wie i» der Industrie beim Festliegcn für einen Tag ist dort gar keine Rede. Das mag die pfiffige „Dortmunder Arbei terzeitung". die mit Rußland und dem heiligen Synod operiert, etwas überlegen; vielleicht dämmert ihr dann, daß zwischen Rußland und dem europäischen Westen iw