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Sächsische Volkszeitung : 27.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192405276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240527
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240527
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-05
- Tag 1924-05-27
-
Monat
1924-05
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.05.1924
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Dienstag, den 27. Mai 1924 "kr. 123. Seite S. Die Reform des Zivilprozeffes Gcrichtsaffcffor Dr. Paul Mayer, Baude». Die NxtweiidiBeit -er stiialsbiirgkrlilhk« Erßehmis Von Fritz Günther, Leutersdorf (O.-L.) Der Ausfall der letzten Reichstagswahlen, die Vorbereitung der Wahlen und die Ausstellung der vielen Partrilisten zeigt mit nicht zu überbietender Deutlichkeit, wie not unserem Volke die staatsbürgerliche Erziehung tut. Jeder Vaterlandsfreund wird zugestehen müssen, datz nichts so klar die Sachlage beleuch tet hat als gerade die Reichstagswahl. Wohin sollen wir kom men, wenn da nicht bald eine Aenderung im Fühlen und Han deln der Volksseele eintrittl Nicht so, als wir etwa meinten, daß man früher nicht staatsbürgerlich denken konnte. Wer der Meinung ist, der mag nur den Krieg psychologisch auf sich noch einmal einwirken lassen. Aber der Zusammenbruch stellt uns vor vollständig neue Tatsachen und erfordert eine Umstellung !unsres staatsbürgerlichen Denkens. Man hat ja geglaubt in der Reichsversassung die Staatsbürgerkunde in Art. 148 ver ankern zu müssen. Wer aber vielleicht von diesem neuen Un terrichtsfachs etwa eine nachhaltige Wirkung erwartet, der ist damit bestimmt auf falschem Wege. Nicht das neue Lehrfach, sondern die Gesinnung schasst Aenderung. Diese Voraus setzung ist aber nicht allerwegen Gemeingut. Wir hatten früher kein besonders im Stundenplan verzeichnetes Lehrfach Staats bürgerkunde und haben sehr wohl gute Staatsbürger erzogen, während heute der Büchermarkt großartige ..Leitfäden", „Anlei tungen" und „Einführungen" zur Staatsbürgerkunde in Masse hervorbringt und doch fehlt es bei vielen an der Gesinnung und praktischen Betätigung. Die so viel verlästert» alte „Lernschule" war eben doch nicht so schlecht, wie sie heute hingestellt wird. Wenn wir heute ein mangelndes Siaatsgesuhl in vielen Kreisen feststellen, so sei hier ausdrücklich beton«, daß die Einstellung auf tue Republik gleichzusetzen ist der Einstellung aus die Monarchie, wenn beiden nur die Präambel voranleucktet: Das Wohl des Vaterlandes. Das muß Ursprung und Ziel jeder staatsbürgerlichen Betätigung sein und findet ihren Unterbau in der Reichsversassung. Leider Gottes stehen heute noch weite Kreise ihr feindlich gegenüber. Viele können sich nicht zu einem vorurteilslosen, geschweige wohlwollenden Studium der Ncichs- verfassung aufraffen. Man mag über den Zusammenbruch trauern, die Reichsverfassung beseitigte den illegalen Zustand und gibt die Möglichkeit eines Aufbaues. Die Verfassung hat den Revolutionszustand weggeräumt. Sie stellt die Ueberwin- dung des Chaos dar. Wer ein Vaterlandsfreund sein will, der darf deshalb die Reichsverfassung nicht geringschätzen, sondern im Gegenteil, er muß sie hochschähen als Triumph der Autorität über die Zügellosigkeit. Wer mit helfen will, die Zustände in Deutschland zu festigen, der muß für die Anerkennung der Reichsverfassung eintreten, auch wenn sie in manchen Punkten verbesserungsbedürftig erscheint. Wer sich abseits der Reichs- verfassung stellt, der gefährdet das Staatsleben. Bedenken wir doch immer, daß die Jugend ein Beispiel treuer Staatsgesinnung braucht. Die Zugend soll sich fest einwurzeln in dem feinen Or ganismus des Staates, und Beispiele reißen hin und überzeugen. Wir Klagen über dir Autoritätslosigkeit der Jugend und über sehen, daß so viele, ach so viele Erwachsene, die den nötigen Einfluß haben, ihr so schlechte Beispiele geben. Wie will man Autorität großziehen, wenn zwar schön geschrieben und gesprochen wird darüber, wenn aber dann unbedachte Hand lungen alles wieder niederreißen. Das bedeutet keine Festi gung, sondern setzt das Staatsgefüge immer neuen Zuckungen aus. Auch der überzeugteste Monarchist darf nicht zurückstehen, sondern er muß sich auf den festen Rechtsboden der Verfassung stellen. Das gilt auch für den Christlichgesinnten. Denken wir doch daran, daß die Reichsversassung in vielen Stellen christliche Grundsätze anerkennt, inehr als irgend eine andre moderne Verfassung. Wir meinen, daß gerade diese Kreise besonders verpflichtet sind, die Reichsverfassung hochzuhalten. Denken wir daran, daß die deutschen Bischöfe zwar gegen die Eingriffe in unveräußerliche Rechte der Kirche eine Nechtsverwahrung ein- lcgten ssiehe Schreiben der Fuldaer Bischofskonferenz vom 12. November 1919), daß sie aber deshalb nicht die ganze Rcichs- verfassung ablehnen, sondern auf eine friedliche Verständigung zwischen den leitenden Stellen in Staat und Kirche hoffen. Da mit ist auch unsre Bahn vorgezeichnet: nicht gewaltsamen Um sturz, sondern friedliche Auseinandersetzung auf rechtlichem Wege Vor allem erwächst uns die Pflicht, ein gewisses Maß von Verstehen und Mitarbeit aufzubringen. Das Schiff des Staates ist in Not. Wenn nicht alle mittun, dann ist Schiff und Mann schaft gefährdet. Nein, in Einigkeit und Treue heißt es zu sammenstehen, um die Freiheit zu erringen. Noch ist ja der Versailler Vertrag die schärfste Fessel der Reichsversassung. Wenn wir einig sind, die Freiheit als höchstes Gut schätzen, dann kommt auch das Recht zu seiner Geltung, denn „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Darnach laßt uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand." Dieser Glaube muß uns alle beseelen, damit die Nacht dem Lichte weicht, das Unrecht dem Rechte, denn es gilt den kostbaren Preis, das Wohl des Vaterlandes. Wir selbst sind unsres Glückes Schmied. Iküringsr IVsIct 8onvip;vs Hoim, Vvrsnäoo, Balkons, Oartov mit XVivi-o, ssbr rubigs I-s^o, vuks sm >Valcks, biotot ungovobmou Sommee-ttutentkstr «z o Die Regierung hat im Februar deS Jahres auf Grund des Ermächtigungsgesetzes eine Verordnung über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten erlassen, durch die wichtige Be stimmungen der einschlägigen Prozeßgesetze abgeändert oder außer Kraft gesetzt werden. In der Fach- wie in der Tagespreise sind erhebliche Bedenken gegen die Verordnung laut geworden. Man kann über den Inhalt der Verordnung im einzelnen zweifellos verschiedener Meinung sein, man kann auch Bedenken dagegen haben, daß derartige einschneidende Bestimmungen von der mit diktatorischen Befugnissen ausgestattetsn Neichsregierung unter Ausschaltung der zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufenen Organe erlaffen worden sind, das eine muß jedenfalls auf das Lebhafteste begrüßt werden, daß die Reichsregierung den Mut zum Erlaß einer Verordnung gefunden hat, die in erster Lniie eine wesentliche Beschleunigung deS Verfahrens Vorsicht. Vor einigen Hundert Jahren war es keine Seltenheit, daß sich vor bürgerlichen Gerichten Nechtsstreitigkeiten mehrere Lebensalter durchschleppten, deren Ausgang daher erst die Enkel der ursprünglichen Parteien erleben konnten. Goethe erzählt im 12. Buch seiner „Dichtung und Wahrheit", daß er bei seinem Dienstantritt beim Kammergericht in Wetzlar einen ungeheuren Wust aufgeschwollener Akten von 20 000 Prozessen vorfand, von denen di« 17 Assessoren jährlich nur 60 abtun konnten, während das Doppelte hinzukam. Wenn man sich angesichts dieser un geheuerlichen Verschleppung vor Augen hält, daß heute die über wiegende Mehrzahl der Prozesse in einigen Monaten erledigt ist, und eine längere Dauer die Ausnahme bildet, so kann man ge radezu von einem Siegeslauf des deutschen Prozeßrechts sprechen. Wenn gegen die erwähnte Verordnung der Neichs- regierung von verschiedenen Seiten scharfe Kritik erhoben worden ist, so mag manchem Kritiker ein gewisses Beharrungsvermögen und die Abneigung, von den gewohnten Gleisen abzuweichen, die Feder in die Hand gedrückt haben. Der Wert oder Unwert vieler dieser Urteile wird dadurch gekennzeichnet, daß gegen jedes der Gesetze und Verordnungen, die aus den zopfigen Verfahrens- Vorschriften der Zeit Goethes zu unserem neuzeitlichen Prozeß verfahren führten, vorher mehr oder weniger schwere Bedenken geäußert worden sind. Es ist unbedingt erforderlich, daß die Rechtspflege volks tümlich ist. Der nicht juristisch Vorgebildete muß vor der An sicht bewahrt werde», daß die Vorschriften, die den Gang des Ver fahrens vor talarten Richtern in ehrwürdigen Sitzungssälen regeln, ein zwar kunstvolles, aber für ihn verschlossenes Gebäude dar- stellcn, dessen Eingang nur den Berufenen erschlossen ist. Er muß erkennen, daß die Verfahreirsvorschriften nur aus dein Gedanken heraus geboren worden sind, den Nechtssuchenden gegen unsach gemäße Handhabung des Rechts seitens des Richters und gegen Ränke des Gegners zu schützen. Die neue Verordnung trit am 1. Juni 1924 in Kraft. Es ist notwendig, daß nicht nur Juristen ihr Augenmerk ihr zuwcnden. Sie stellt ein weiteres Glied in der Kette der gesetzgeberischen Maßnahmen dar, die zum Aufbau des deutschen Zivilprozeßrechts dienen. Die Kenntnis ihres Inhalts erscheint daher bei der Be deutung, die das Prozeßrecht für Nechtssuchende hat, für weite Kreise der Bevölkerung erforderlich. Es sei zunächst bemerkt, daß für Streitigkeiten über An sprüche, deren GeldcHwcrt 600 Goldmark nicht übersteigt, das Amtsgericht in der Besetzung von einem Richter zuständig ist. Uebersteigt der Wert diese Summe, so hat das Landgericht in der Besetzung von 3 Richtern zu entscheiden. Neuerdings hat im land gerichtlichen Verfahren über Streitigkeiten vermögensrcchtlicher Natur — also nicht über Ehestrcitigkeiten — auch der Einzel richter — für die Erörterung zu sorgen und kann, falls die Par teien einverstanden sind, die Entscheidung allein treffen. Während bisher im landgerichtliche» Verfahren daS Gericht in der Sache selbst erst vom Beginne der erste,, streitigen Ver handlung, also dem Zeitpunkte, in dem beide Parteien zur Ver handlung erscheinen, die widersprechende» Anträge stell?» und ver handeln, tätig werden konnte, hat nach der neuen Verordnung der Vorsitzende oder ein von ihn, zu bestimmendes Mitglied des Ge richts schon vor diesem Zeitpunkte von sich ans alle Anordnungen zu treffen, die zu einer Beschleunigung des Verfahrens erforder lich sind. Er kann de» Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze und die Vorlegung von Urkunden aufgcben und ihr persönliches Erscheinen znm Verhandlungs termine anordnen. Er kann Auskunft von Behörden oder Zeugen beiziehe» oder die Zeugen bereits laden, ferner die Einnahme eines Augenscheins oder die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Treten die Parteien im ersten Termine auf, so sind entweder die Beweismittel schon vorhanden oder die Erhebung der Beweise findet in diese m Termine statt, so daß trotz Erhebung von Beweisen der Rechtsstreit bereits »ach der ersten mündlichen Verhandlung entscheidungsreis sein kan». Erscheinen in dem ersten oder einem späteren Termine beide Parteien nicht oder stellt bei», Ansbleibe» einer Partei die erschienene Partei, ohne daß es zur Vertagung kommt, keinen An trag zur Sache, so kann das Gericht bereits, ohne daß es zu der bisher erforderlichen Schlußverhandlung kommt, in der Tacke selbst nach Lage der Akte» entscheiden. Es ist daher denkbar, Laß ein Urteil erlasse» wird, ohne daß die eine oder beide Parteien gehört worden ist. Das Urteil stützt sick dann lediglich anf den In halt der vorbereitenden Schriftsätze. Allerdings- kan» die nicht er schienene Partei die Verkündung verhindern, wenn sie vor dem VerkündignngStermin eine» entsprechenden Antrag stellt. Sie muß aber zur Begründung dieses Antrags glaubhaft machen, daß sie ohne ihr Verschulden im Verhandlungstermine auSgeblie- be» ist. Wenn daS Gericht nunmehr entscheiden kan», ohne baß eine oder beide Parteien gehört worden sind, so liegt darin ein grund legender Unterschied zu dem bis jetzt geltenden Prozeßrecht. Bis her konnten für die Entscheidung nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die in der Verhandlung vorgetragen wurden. Wenn da her eine Partei Wert anf Verschleppung des Rechtsstreits legte, so hatte das Gericht von sich keine Möglichkeit, das zu unter binden, weil er die Parteien nicht zwingen konnte, sich zu dem Streitstoff zu äußern. D«r Gegner der Partei, die verschleppen wollte, konnte allerdings gegen diese, wenn sie nicht erschien oder nicht verhandelte, den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragen. Diesem Anträge hatte das Gericht, wenn nicht besondere, vom Ge setz einzeln aufgcführte Umstände Vorlage», stattzugeben. Jedoch hatte die säumige Partei das Recht, gegen dieses Urteil Einspruch zu erheben, der, rechtzeitig eingelegt, den Prozeß in die Lage zu rückversetzte, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand, so daß der Nachteil für die säumige Partei im allgemeinen nicht er heblich war. Es ist keine Seltenheit, daß sich eine Partei, die den geg nerischen Anspruch gar nicht bestritt, nur deshalb verklagen ließ, um Zeit zu gewinnen. Bei Prozessen, die Geldausprüche zum Gegenstand hatten, war in der Inflationszeit ein solches Verhalten außerordentlich lohnend, weil durch die Länge der Zeit der Wert des Anspruchs zusammenschrumpfte. Heute liegt der Grund der Prozcßverschleppnng überwiegend in der Zahlungsunfähigkeit der beklagten Partei, die sich die in Anbetracht der katastrophalen Geldknappheit besonders drückende» Verpflichtungen möglichst lange vom Halse halten möchte. Diesem Treiben, dem die Gerichte bis jetzt wirksam nicht entgcgcntreten konnten, wird durch die neue Verordnung Einhalt geboten, da das Gericht eine Entscheidung auch dann verkünden kann, wenn die Parteien im vorhergehenden Termine nicht erschienen waren. Häufig kommt eS aber im Termine nur deshalb nicht zur Verhandlung, weil eine Partei nicht so rechtzeitig vom gegneri schen Vorbringen Mitteilung erhalten hat, daß sie sich im Termins dazu erklären kann. Um eine weitere Vertagung zu umgehen, kann das Gericht dieser Partei auf deren Antrag eine Frist be stimmen, innerhalb deren sie die erforderliche Erklärung in einen« Schriftsätze nachbringcn kann, und gleichzeitig Termin zur Ver kündung einer Entscheidung auberaumcn. Wird der Schriftsatz fristgerecht dem Gegner zugestellt und dem Gericht eingcreicht, so ist sein Inhalt bei der zu treffenden Entscheidung zu berücksichti gen. Geht er nicht rechtzeitig ein, so gilt das Vorbringen des Gegners als nicht bestritten. Der Verschleppung wird weiter dadurch begegnet, daß eins abgesonderte, der Sachverhandlung voransgehcnde Verhandlung über die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, der Unzulässig keit des Rechtsweges und anderer vrozeßhindernder Einreden nicht mehr in« Belieben der beklagten Partei steht, sondern daß ihre Anordnung nnSschließlich vom Ermesse» des Gerichts obbänzi. — Um ferner bei Streitigkeiten über Vermögensrechte, die >'», Grunde »ach feststehcn und nur der Höhe nach bestritten sind, schwierige und zeitraubende Ermittlungen, deren Höhe in keinem Verhältnis znm Streitgegenstand stehen würde, zu vermeiden, bat das Gericht darüber'» a ch freiem Ermessen zn entscheiden. Es kann anordnen, daß der Beweissührer den Schaden eidlich schätze. In« landgerichtlichen Verfahren hat grundsätzlich da? Gericht in der Besetzung von drei Richtern zu entscheiden. Eine Rätselraten vor dem Reichstag Bon Generalsekretär Dr. Desczyk. „Laterne, Kaserne, Sonne, Mond und Sterne, Achtung, Richtung, Vordermann, Du bist dran!" so singen in diesen schönen Maientagen die Berliner Kinder, wenn sie „Alle Bäume wechseln sich" oder „Dritten-Abschlagen" spielen. „Alle Bäume wechseln sich" — das Spiel machten in Berlin auch manche der würdigen Herren spielen, die das deutsche Valk am 4. Mal in den Reichstag gewählt hat. Deutschland bleibt In Ewigkeit die politische Kinderstube; ivas uns die Gunst der Umstände schenkt, wird durch Mangel an Klugheit verscherzt. „Du bist dran!" denken die Deutschnationalen. Und wenn schon einmal, daun aber auch ganz. Zuerst forderten sie den Rücktritt der Regierung: als aber Marx und Strese- mann nicht sofort die Zylinderschachtel suchten, hallten die deut schen Laude wider vom Wehgeschrei der Rechten. Es ist sehr hübsch, daß die Nationalisten, von denen wir jahrelang Bortrüge über den Unwert des parlamentarischen Systems anhören mutz ten, nun der Regierung unparlamentarisches Verhalten vor warfen. Selbst Poincare ivurde Marx gegenüber als Muster parlamentrischer Korrektheit hingestellt, weil der französische Ministerpräsident sofort nach den Wahlen zurückgetreten ist. Man sollte meinen, die Frankenkatastrophe der letzten Tage und die darauffolgende Teuerung in Frankreich beweisen, welche Gefahren eine solche Zwischenzeit birgt, in der nur ein geschäfts führendes Ministerium vorhanden ist. Ein Land, auf dem die Not so schwer lastet, wie auf dem deutschen Reich, braucht eine Negierung, di« voll und aanz verantwortlich ist. Welck)« Regierung soll zustande kommen? Auch dafür hatten die Deuischnationalen eine Antwort bereit: Tirpitz wurde als Kandidat für den Reichskanzler präsentiert. Gewiß haben wir vor der Person des Großadmirals menschlich eine Achtung. Seine Zustimmung zu dein letzten Vorschläge seiner Fraktion freilich verrät keinen Weitblick. Daß der Ver fechter des uneingeschränkten U-Boot-Krieges nickt der Manu ist, heute mit Amerika, England und Frankreich als Sachwalter des deutschen Volkes zu verhandeln, sollte eigentlich klar sein. Würde nicht sofort durch die Presse des Auslandes der Nus laufen: „Deutschland wird wieder von den Zerstörern der „Lu- sitania" regiert!" (Schon geschehen. D. Red.) Hier würde ein deutschuationaier Leser empört das Blatt wegmerfen und rufen: „Was hat denn das Ausland bei unsern innerdeutschen Verhältnissen mitzurcden? Sind wir nicht mal mehr Herr im eigenen Hause?" — Nein, Verehrter, nein, das sind wir eben nicht. Leugnen mit stolzer Gebärde nützt uns nichts. Nüchtern sichs eingcstehen und auf Aenderung sinnen; das nützt, das allein kann helfen. Wir müssen bei allen Maß nahmen bedenken, daß wir den Feind im Lande haben. Müssen die Gesinnung dieses Feindes in Betracht ziehen, ins besondere bei der Bildung der Regierung, deren erste und letzte Aufgabe heute Verhandeln mit dem Feinde ist. Mit den gegebenen politischen Tatsachen rechnen muß jede Negierung, welcher Art sie auch immer sein mag. Daran können Ludendorsf und Knüppel-Kunze ebenso wenig etwas ändern, wie Katz und Eichhorn. Wirtschaftliche Gesundung Deutschlands aus der Grundlage einer sicheren Wäh rung, das wollten doch angeblich alle Parteien. Dieses Auf blühen der Wirtschaft aber ist nur möglich, wenn Friede auch nach außen herrscht. Diesen Frieden zu erlangen, ist heute nicht mehr so schwer, als in den letzten Jahren. Selbst Frankreich hat «ingesehen — die Kammerwahlen vom 11. Mai beweisen das — wie zwecklos alle .Anwendung von Gewalt ist. Und mehr und mehr wächst in Europa die Erkenntnis, dass ein Zn- sainincnbrechei« Deutschlands nur de» Weg für die Gedanke» und die Macht Moskaus frcimachen würde. Radel«, der große Rcklamechcs der 3. Internationale, hat ja kürzlich einmal lächelnd gesagt: „Die curapäischen Regierungen sind so unklng, daß die Leitung der vereinigten Sowjet-Republiken gar nicht sehr klug zu sein braucht." — In der Tat. wenn die Sowjet- Männer überall so gutgläubige und für eigene Rechnung arbei tende Helfer finden, wie die deutschen Nationalisten, dann brauchen sie wirklich nicht viel Mühe ausznivcnden. Das Gutachten der Sachverständigen gilt heute für alle, die in Europa ehrlich den Frieden wollen, als Grundlage aller weiteren Verhandlungen. Auch Deutschland wird sich auf de» Boden dieses Gutachtens stellen müssen, wenn es nicht wieder, wie nach dem Kriege, von allen zwischenstaatlichen Ver handlungen ausgeschlossen sein will. Bei solchen Verhandlungen werden ohne Zweifel diejenigen Vertreter Deutschlands, die stets für eine Verständigung eingetreten sind, mehr Vertrauen er warten dürfen als jene, die das Heil stets nur vom aktiven oder passiven Widerstand erwarteten. Die R e i g c r u n g s b i l d u n g im neuen Reiclistag kann keine Ueberraschnng bringen. Sie ist nur nach einem Grundsatz möglich: für oder gegen das Gutachten der Sach verständigen. Nom ürftenhot ° mprig Mir »immer mit «alt- unü Warmwasser « VLüer krelte MWlg «ovlerenrflle
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