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Sächsische Volkszeitung : 27.08.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190408275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19040827
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19040827
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-08
- Tag 1904-08-27
-
Monat
1904-08
-
Jahr
1904
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.08.1904
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schaft des Umkreises in Massen ein. Es war ein Herz- erhebender Anblick, wenn man jeden Morgen die wetter gebräunten Gesichter der Landbevölkerung ausrücken sah. Und sie kamen in Massen! Man mutz die einfachen Leute mit ihren begeisterten Gesichtern gesehen haben, um zu erkennen, welche Bedeutung ein Katholikentag für diese hat. Das Volk in Niederbayern und der Oberpfalz hat sich glänzend bewährt: vor 5 —lO Jahren wäre eine solche Riesenversammlung noch ausgeschlossen gewesen. Würdig an den großen Besuch reihten sich die Reden, die vollendet in der Horm und durch markigen Inhalt sich anszeichneten. Eine Anzahl Namen von gutem Klange «Eicher. Schüller, Gröber» verbürgten dies im voraus; die erstmals auf- tretenden Redner (Thaler, Barlh. Schnürer u. a.) erfüllten vollauf die auf sie geseylen Hoffnungen. Der Bonner Theologieprofessor Eschner gab in der ersten Rede den Grundton an: „Alles erneuern in EhristuS." Leine Aus führungen sind ein rhetorisches Meisterstück. Zwei Gesichtspunkte müsseii wir noch besonders hervor- heben, wiewohl wir schon darüber schrieben. Der starke Besuch deS Adels siel jedem Kenner auf; gewff; finden sich auf jeden: deutschen Katholikentage adelige Besucher ein. aber noch nie war der Adel so stark vertreten wie Heuer, selbst Köln konnte dies nicht von sich sagen. Die Ursache dieses Besuches kennen unsere Leser. Eine sehr große Anzahl adeliger Herren wäre wohl kaum erschienen, wenn nicht die bekannten Ereignisse sich abgespielt hätten. Zwei Grafen hatten je zwei ihrer jugendlichen Söhne mitgebracht mit der Begründung: „Damit sie bei der Stange bleiben!" Und die adelige Hungmaiinschaft hielt sich tapfer. Der hoch- verdiente greise Fürs: Löwenfiein wollte heuer ausruhen, aber er kam und erklärte, das; die bekannten Reden und Briefe auch ihn herbeigeführt hätten. Uebrigens können tvir niitteilen, das; Graf Arco -Zin ne berg bereits sein unkluges Borgeheu erkennt. Er sieht jetzt, wie er nütz- braucht worden ist, und hat bereits die ersten Schritte getan, um den Auschlus; wieder zu gewinnen. Wir wollen ihm diesen nicht erschweren; einen dummen Streich macht ja jeder einmal in seiner Zugend. Graf Arco-Zinucberg wird künftig stets treu zur katholischen Sache stehen. Das zweite hervorstechende Merkmal des Regensburger Katholikentages ist das .Kaisertelegramm. Der Kaiser hat Persönlich die Antwort auf daS Huldigungstelegramm unterzeichnet; noch nie ist dies in den 5l Katholikentagen zu verzeichnen gewesen. So wurde es aber auch besonders herzlich gehalten und ein angenehmer warmer Ton ange schlagen. Der Jubel und die Begeisterung, die nach dem Verlesen sich erhoben, waren großartig; Präsident Dr. Porsch konnte zum Ausdruck des Dankes und der Ergeben heit gar nicht erst zu einem Hoch ans den Kaiser auf fordern; die Bersammlnng brachte sofort dasselbe ans, und so oft man einen Besucher der Bersammlnng traf, konnte man die Freude ob dieser Antwort hören. Des Kaisers Wunsch, dem Frieden zu dienen, hat die Bersammlnng auch erfüllt. Diese Antwort fällt um so stärker ins Ge wicht. wenn man daneben eine andere Antwort hält. In: September 1903 tagte in Ulm der Evangelische Bund, der in seinem BegrüfinngStelegramm den Kaiser zu einer Kund gebung gegen den „UltramontaniSmuS" förmlich heran- ziehen wollte, aber die Herren kamen schlecht an. Ver gebens warteten sie ans die Antwort; schon hatten sie die Koffer gepackt und begaben sich ans den Bahnhof, da er hielten sie erst die Antwort durch Herrn v. LncanuH, und es gab recht enttäuschte Gesichter. Anders in Regensbnrg! Der Kaiser wünscht den konfessionellen Frieden, und er weiß, daß die Katholikentage diesem dienen, daß hier kein verletzendes Wort fällt. Er weiß dies zu würdigen und läßt sich schon gar nicht „drängeln". So verlief die Regensburger Tagung nach jeder Rich tung ausgezeichnet; sie bedeutet eine Bekräftigung und Be festigung des katholischen Volkslebens, und nun heißt es für nnö alle. anSznführen. was in Regensbnrg immer wieder gefordert wurde! Laßt uns arbeiten für dos Wohl des Volkes, der Kirche und des Vaterlandes! Politische Nundschau. Deutschland. Der Kaiser soll dem Könige von Rumänien dem nächst einen Besuch in Bukarest abstatten. Die verwandt schaftlichen Beziehungen beider lassen die Meldung als nicht unbegründet erscheinen, da es schon lange der Wunsch des Kaisers war. diesen Besuch zu ermöglichen. — Anläßlich der Jubelfeier deS Karolincums in Osna- brück sandte der Kaiser an den Direktor des GhnmasinmS folgendes Telegramm: „Möge auch in Zukunft derselbe deutsche Geist in dem Ghinnasium gepflegt werden zum wahren Glück für die Jugend, zmn Segen für Kaiser und Reich. Wilhelm." — Der Koiser hat für die am 31. März d. I. durch die Feuersbrnnst schwer geschädigten Einwohner des Dorfes Possessern l.KreiS Augerburg) ein Gnadengeschenk von lOOOO Mark ans seinem Dispositionsfonds mit der Maß gabe bewilligt, daß die Verteilung der Unterstützungen an die wirtschaftlich Schwächsten unter den Geschädigten durch den Regiernnaspräsidentcn in Gmnbinnen zu erfolgen hat. — Der Nachtrags-Etat für die Bekämpfung der HereriS, welcher im Herbste dem deutschen Reichstag abverlangt werden wird, soll die Summe von dreißig Millionen Mark übersteigen. Die Gesamtkoften für die Unterdrückung des Aufstandes seien mindestens auf fünfzig Millionen Mark zu beziffern. Ein teurer Feldzug! Eine teure Kolonie! — AuS Gegners Muud erhielt die Regensburger Katholikenversammlung folgendes Lob der freisinnigen „Voss. Ztg"; „Man kann der großen Parade von Regensbnrg die Anerkennung nicht versagen, daß sie eine imposante Veranstaltung ist. Die Sendboten des UltramontaniSmuS aus aller Welt sind Zeugen der glänzenden Erfolge, die die klerikale Partei in Bähen: und im Reiche errungen hat. Sie blickt auf Siege zurück und sie rüstet sich, wie immer sie in anderen Staaten bedrängt werde, ihren SiegeSzug wenigstens in dem Lande fortzusetzen, das einen Luther geboren bat." Warum solche Uebertreibnnaen? — Schreiben Piu» X. an den Vorsitzenden de» Re gensburgers Lokalkomitees, Kommerzienrat Pustet: Papst Piu» X. Geliebter Sohn, Gruß und Apostolischen Segen! Wir haben in Erfahrung gebracht, daß du zur Vorberei tung auf die diesjährige Katholikenversammlung, die im kommenden August zu Regensburg tagen soll, eine ganz be deutende Tätigkeit entfaltest, und daß dir die ganze Stadt Regensburg, deren Glaubenseifer und Rührigkeit nicht minder als ihr leutseliges und gastliches Wesen rühmlichst bekannt sind, tatkräftige Beihilfe leistet. Deine rastlosen Bemühungen, sowie der Eifer des Vorbereitungskomitees und der vortrefflichen Bevölkerung erwecken die zuversicht liche Hoffnung auf einen glänzenden Verlauf der Versamm lung. Wenn katholische Männer Deutschlands zusammen- treten und dabei auch hochwichtige Interessen der Kirche in jenen Ländern behandeln, so haben Wir von vornherein die Gewißheit, daß diese Versammlung mit glücklicher Hand ihr Werk beginnen und einen erfreulichen Erfolg erzielen werde. Ist Uns doch von eueren Katholikentagen längst be kannt, wie sorgfältig und gewissenhaft sie vorbereitet, wie taktvoll und segensreich sie durcl>geführt werden. Nicht nach fremden Mustern also müßt ihr euch erst umsehen, nehmt euch nur euere bisherigen glanzvollen Versammlungen zum Borbilde, dam: wird sicherlich ein glänzender Erfolg an den anderen sich reihen. Im Bewußtsein der Unzulänglich keit menschlicher Kraft erfleht ihr mit Recht vor allen: die Hilfe Gottes und der durch ihre Fürbitte so mächtigen Hei ligen. Möge also die Mutter Gottes, selbst von der Erb- schnld unversehrt, euch reiche Gnaden vermitteln, gerade in: gegenwärtigen Jahre, da der 50. Gedächtnistag seit der feierlichen Erklärung ihrer makellosen Empfängnis einfällt! Hilfreich und gnädig mögen euch beistehen euere Patrone, der h. Bonisazius und der h. Wolsgang, denen Begrün dung und Fortbestand des Glaubens in euerer Heimat zu perdanken ist! So tretet denn heran an die Beratungen und Arbeite»:! Eine Erniunterung für euch und alle ein zelnen Mitglieder des Vorbereitungskomitees, ja ein Un terpfand unseres Wohlwollens möge der Apostolische Segei: sein, welchen wir allen, die überhaupt an der Versammlung teilnehnien, im Herr»: ans vollen: Herzen spenden. Ge geben zu Noni bei St. Peter am 25. Juli 1904, in: ersten Jahre Unseres Pontifikates. Pius X., Papst. Was fürchten wir von der Wiederkehr der Jesuiten? lautet der Inhalt einer Broschüre des bekannten Professors K o h l. dem »vir schon wiederholt seine Unkenntnis nach -»weisen uns genötigt sahen. Tie Schrift scheint zur Massen verbreitung bestimmt zu sein, bringt aber nur alten, anfge- wärmten Kohl und macht so ihren: Verfasser alle Ehre. Reichskanzler Graf Bnlow wird den: deutschen protestanti schen Bolke furchtbar angekreidet und in: schärfsten Gegensatz znn: Fürsten Bismarck gestellt, der nun nach Ansicht des , Professors Kohl den 2 des Jesuitengesetzes aufgehoben batte. Nun ist aber aller Welt bekannt, daß Fürst Bismarck im Jahre IK92, als er dein deutschen Reichstage als Abge ordneter angchörte, sich in privater Weise für die Aufhebung des gesamte» Jesnitcngesetzes ausgesprochen hatte, jetzt aber ist nur der t- 2 desselben aufgehoben worden. Auf den Fürstei: Bismarck sollte man sich in dieser Sache überhaupt nicht berufen, denn es steht unbestritten fest. daß. wein: er nur noch eine kurze Zeit lang Reichskanzler geblieben wäre, er das ganze Jesnitengesetz beseitigt hätte. Im ganzen ist diese Agitationsschrift nur eine der bekannten, der schon so oft dagewesenen VerleunidungSschriften gegen den Jesuiten orden. Professor Kohl spricht von „Loyolas Gift" und hat die Kühnheit, zu fragen: Wann hätte je ein Jesuit sich be dacht, die Wahrheit z» verschweigen, um den Nutzen der Kirche oder des Ordens zu fördern?" Professor Kohl scheint hier wohl ai: Dr. Martin Luther gedacht zu haben, der es erlaubt hielt, in gewissen Fällen eine „gut starke Lüge" zu tun. Die Schrift verfolgt den Zweck, dem pro testantischen Volke Wanwan vorznwachcn. Mai: lese nur folgende, für die politische Kinderstube berechneten Sätze: „Die Soldaten des Papsttums in diesen: Kriege gegei: die Protestantei: sind die Jesuiten, denen liebevoll das Deutsche Reich abermals seine Pforten geöffnet hat, damit sie ihre in: Sinne der römischen Kirche segensreiche, unserer protestanti schen Ansfassung nach verderbliche Tätigkeit wieder beginnen können, Mai: glaube doch nicht, daß sie andere geworden seien, und der Jesuitenorden des 20. Jabrlmnderts nichts mehr gemein habe mit den: des 16. und 17. Jahrhunderts, der den 30 jäbrigen Krieg entzündete, mit Folter und Sche:- terbanfeii gegei: die Ketzer wütete, und durch die Dragonaden der Seligniacher das protestantische Volk in den katho- schen Schafstalt znrückschrcckte." Professor Kohl scheint mit der geschichtlichen Wahrheit auf gespannten: Fuße zu stehen, warum verschweigt er dein:, daß in der Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts die Protestantischei: Fürsten gegei: die Ka tholiken gerade so schlimm, wem: nicht noch schlimmer vorge- gangen sind? Er erklärt auch die Jesuiten für vaterlands los und malt folgendes grauenerregende Bild an die Wand: „Bald wird es auch ans den: Boden des Reiches von Jesuiten fremder Herkunft wimmeln, die nie ein Hauch deutschen Geistes berührte, und man wird bald ihre heimliche zerstö rende Arbeit merken in den: Abfall der ihrem Einfluß aus gesetzten katholischen Jugend von den: nationalen Gedanken, in der Vertiefung des Spaltes, der schon jetzt infolge der Hetzarbeit streitbarer Kapläne zwischen Evangelischen und Katholiken zu klaffen beginnt, und in der entschiedenen Wei gerung. den: Staate über die Grenzen hinaus zu gehorchen, die das enge kirchliche Gesetz seinen: Wirken gezogen hat. Der protestantisch Staat bleibt nach wie vor für die Jesuiten der mit allen Mitteln zu bekämpfende Feind." In diesen: Tone ist die ganze Broschüre gehalten. Wir bedauern es tief, daß immer wieder solche Hetzbroschiiren erscheinen, die wahrlich nicht geeignet sind, dem konfessionellen Frieden zu dienen, sondern nur die fast 400 jährige Krankheit des deut schen Volkes, den konfessionellen Zwist und Hader, ver schärfen. — Kardinal Bincenzo Vannutelli, der -- wie die Presse schon berichtet hat — auf der Heimreise von Irland in Frei- bnrg im Bre)sgan einige Tage verweilte, hat die Druckerei der Herderschen Verlagshandlung besucht. Während Se. Eminenz die Arbeitsräume durchschritt, wurde ein lateini- schcs Erinnerungsblatt an den Besuch gesetzt und in drei- farbigem Druck ausgeführt, so daß es ihm beim Verlassen deS Geschäfts schon in einer von der Buchbinderei inzwischen gefertigten roten Rolle überreicht werden konnte. Zum Ab- schied versammelte sich das gesamte Personal im inneren Hose de» Hauses und begrüßte den Kardinal durch Vortrag zweier Lieder, eines Doppelquartetts und ein dreifache» be geistertes Hoch. Se. Eminenz drückte in längerer Ansprache seine Freude über die Ovation, sowie seine Anerkennung für die Tätigkeit des Hauses aus, indem er das Personal dazu beglückwünschte, durch die Presse für die Verbreitung der Wahrheit wirken zu dürfen. Zum Schlüsse erteilte er alen Anwesenden den Segen und nahm mit freundlichen Warten von allen Versammelten Abschied. Nachdem Se. Eminenz noch eine Ausstellung der hervorragendsten Werke des Ver lags in deutscher, lateinischer, englischer und spanischer Spra che besichtigt und in der Wohnung des Herrn Herder mit seiner Begleitung ein Frühstück eingenommen hatte, verließ er mittags die Stadt, um über den Gotthard nach Rom zu rückzukehren. — „Religion ist Privatsache." Wie dieser Satz von sei nen Predigern, den Sozialdemokraten, verstanden wird, zei gen einige Vorgänge im sozialdemokratischen Maurerver band aus der jüngsten Zeit. Am 1. August d. I. stürzte der Maurer Karl Kleiner vom Neubau Katzbachstraße 15 in Berlin und blieb auf der Stelle tot. Die Frau des Verun glückten ging nach dem Büreau des sozialdemokratischen Maurerverbandes, dessen Mitglied ihr Mann gewesen war. Sogleich wurde ihr dort die Frage gestellt, ob an der Veer digung ein Geistlicher teilnimmt. Als die Frau diese Krage bejabte, erklärte man ihr, daß dann keine Deputation des Verbandes an der Beerdigung teilnehmen und auch der sonst übliche Kranz nicht gespendet wird. Alles Einreden der Frau, sie könne und wolle bei den Verwandten ihres Mannes, die streng religiös sind, kein Aergernis hervor rufen, balf nichts. Ohne Deputation und Kranz des 8er bandes wurde Kleiner zu Grabe getragen. Die „Leipziger Volkszeitung" bringt unter dem 19. August folgende No tiz: „Austritt aus der Landeskirche. Ji: Breslau faßte eine von über 1000 Personei:, auch Frauei:, besuchte Mau rerversaiiiniluiig nach einem Vortrag des freireligiösen Pre digers Tschiru nahezu einstimmig eine Resolution zur Be freiung von geistiger Vormundschaft für den Massenaustritt voi: Familien aus der Landeskirche und den Uebertritt zur freireligiösen Gemeinde sorgen zu wollen." Demnach hat der sozialdemokratische Maurerverband in Breslau, eigens zu den: Zwecke, um zum Austritt ans der Landeskircl-e agi tieren zu können, eine Versammlung einbernfen. Von sei ten dieses Verbandes wird den christlichen Maurern zuge- nmtet, sich ilun anzuschließen, ja sie werden gewaltsam dazu gezwungen (siehe Artikel ii: der heutigen Beilage). Wahrlich, es wird Zeit, daß sich die christlichen Arbeiter aufraffen, den christlichen Gewerkschaften anschließen und in diesen für ihre Uebcrzeugnng und gegei: die sozialdemokratischen Frechhei ten kämpfen. — Die Aeußerungen Bebels in Amsterdam über ein deutsches Sedan kommen denn doch selbst den: „Vorwärts", der sonst nach gar nichts fragt, recht bedenklich vor. Er gibt ihnen deshalb einen ganz anderen Sinn, als sie nach den Zeitungsberichten hatten. Er schreibt: Was hat Bebel in Amsterdam gesagt? Jaurö hatte davon gesprochen, das; das französische Volk sich das allgemeine Wahlrecht erkämpft, dagegen das deutsche Proletariat es geschenkt erhalten hätte. Dagegen bemerkte Bebel, auch die Franzosen hätten das Wahlrecht von Kaisers Gnaden, und nicht die revolnlionären Arbeiter hätten die politische Freiheit erobert, sondern die sei die Folge des Zusammenbruches des verlotterten Kaisertums, das nach Sedan führte. Und Bebel sägte hinzu: „Wenn unter ähnlichen Voraus setzungen an ähnlichen: Gegensatz zwischen Volks- und Kultnrinteressen einerseits und dhuastischeii Interessen andererseits wir das Kaisertim: verlieren würde», so wäre das kein Schade für das deutsche Volk und seine Kullnrinteresicn. Bebel hat mit dieser Äeußerung keine kühnere Bemerkung gemacht, als sie selbst der zahmste konservative Historiker jeden Tag wagt. Es ist eine der festesten geschichtlichen Erfahrungen, das; gerade Niederlagen zur Erhebung aus tiefster Korruption führen. Jedes patriotische Schulbuch nennt die Zeit nach dem Zusammenbrnch von Jena „die Wiedcrgebnri Prenhens". . . Vaterlandslos, ein Vaterlandsvcrräter wäre nur, wer unter der Voraussetzung, das; das deutsche Kaisertum je zu der Fäulnis der Zeit Napoleons IO. entarten könnte, gegen dieses Verhängnis sich nicht auflehnen würde." Ans diese Weise würde allerdings die Aeußeruug Be bels wesentlich harmloser. Wenn sie aber so gemeint war und gelautet hat, wie der „Vorwärts" jetzt behauptet, wie kommt cs denn, daß man sie in dem eigenen Bericht des „Vorwärts" selbst vergeblich sucht? Ist sie vielleicht nachträglich zurechtgestutzt worden? Im übrigen legen wir ihr an und für sich gar keine Bedeutung bei, ob sie so «der so gelautet haben mag. Der Vielsprecher Bebel redet, wie gerade das Bedürfnis des Augenblicks cs von ihm zu fordern scheint, ohne daß man alles für ein Evangelium hockten darf. Es hat gleichviel zu bedeuten, ob er im Deutschen Reichstage erklärt, die deutschen sozialdemokratischen Ar beiter würden Mann für Mann für das angegriffene Va terland eintreten, oder ob er in Amsterdam den: Reiche ein Sedan wünscht, um zur Republik zu kommen. Worte, Worte, Worte! Herr Bebel kann jeden Augenblick anders — reden. Oesterreich-Ungarn. — Der Kaiser hat verfügt, daß größere Manöver in Böhmen unterbleiben sollen und die Hebungen in den ver schiedenen Korpsbereichen mit dem 3 l. August abzuschließen seien ; die Truppen sollen nach Weisung der Korpskomman danten aus den kürzesten Wegen in ihre Garnisonen zurück kehren und die Urlauber und Reservisten baldmöglichst ent lassen werden. — Im Magnatenhause machte Graf Emcrich Szechenyi neue bemerkenswerte Gründe gegen die Errichtung eines selbständigen ungarischen Zollgebietes geltend, und zwar vom streng magyarischen Standpunkte aus. Im Falle der Errichtung eines selbständigen ungarischen Zollgebietes wür den nach seiner Meinung jene fremden Fabrikanten, die für Ungarn arbeiten, mit all ihren Arbeitern nach Ungarn kom men. Tie Deutschen würden sich von Oedcnburg bis Peeß- burg, die Tschechen von Preßburg bis Marmaros in den von Nichtmagyaren bewohnten Gegenden ansässig machen. Hn Oberungarn seien die alten magyarischen Kurien ohnedies bereits von fremden (jüdischen) Elementen besetzt. Wie Graf Szechenyi versicherte, würde in Ungarn die Superiori- tät des magyarischen Element» infolge der Zolltrennung ver loren gehen. Zunächst müßten sich die Magyaren mehr der gewerblichen Beschäftigung widmen, sonst würden sie nur den Juden, sowie deutschen und tschechischen Industriellen au»»e- liefert werden. Dagegen meinte freilich Baron Desider Pro- nay, e» dürfe der Erwerb von Grundbesitz und die Grün-- düng von Fabriken den Fremden nur unter so schwere« Be-
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