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Nummer 106 — 23. Jahraang »mal wöchentl.ve»Ulirvrkl!r kül Mat S R.-M. ausschlirßl. Bestellgeld, vercchnung lier rinueigen nach Rrnt.-Mark Preise: Die eingespaltene Petitzeile 2v«j. s. Familien- u. PereiiiSanzeigen, Gesuche 15^. Die Petit-Neklnmezeile 8vmn> breit, Osteiiengrbühr iür Selbstabholer Ib^j. be Uebeiieudung durck> die Post außerdem Portozuschlag. kreir silr Ule cinreluummer »o ktenten-riennig. GeschüstUcher Teil: Jose» Fovmann, Dresden SLÄMe Mittwoch, den 7. Mai 1924 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung von Anzeinen-Aukträaen und Leistung von Schadenersatz, Für undeutlich und durchftern« Sprecher übermittelte Anzeigen Übernehmen nur keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte «nd mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrts Sprechstunde der Redaktion 8 bi» tt Uhr nachmittag». Hauptschristleite,:: Dr. Josef Albert. Dre«de» Tageszeitung für christliche Politik nnd Kultur weschüflsstill« der Lächstschen VolkSrel», ug »»d !kr»g und Verlag, Suxonta-Bnwdnnkerei Kn,VH-, M DreSbe»-A. >», r-olbe>nstratze 4«. genirnl 827«, Post- schekflouwDreSde» 14797 M BW - Ak Bell Her Ns»» Isz neue Weil» Das Fiasko der Durlei-Griiudtt Lehren an« dem Kampf Zwischen a ch t Parteien hat sich der Wahlkampf vollzogen. Wenn auch auf der Reichstagsliste nicht weniger als 23 Parteien erschienen und ivenn sich unter Hinzuzählung der kleinen Grup pen und Griippchen im Lande tatsächlich das Vorhandensein von - sage und schreibe — 78 — in Worten fünfundsiebzig — Par teien ergeben hat, so konnten als ernsthafte Bewerber tatsächlich nur die bisherigen großen Parteien des Reichstages in Frage kommen und zwar die Deutschnationalen, die Deutsche Volkspar tei, das Zentrum, die Demokraten, die Sozialdemokraten, die Kommunisten und die Bayrische Volkspartei, zu denen als neuer beachtlicher politischer Faktor die Völkischen traten. Alle aiiderey Parteien haben eine restlose Niederlage erlitten. Man könnte ihnen das gönnen, wenn man nicht lebhaftes Bedauern empfin de» müßte mit dem Verlust so vieler und ziveifellos sehr wert voller Stimmen, die solchen Gruppen zugesührt wurden und die fast durchweg den bürgerlichen Partein verloren gingen. Das grauenhafte Partei-Elend in Deutschland, die unaus rottbare Sucht zu Parteibildungen, wo immer sich Unzufrieden heit zusammenfindct, ist durch dieses Wahlergebnis gründlich ge brandmarkt. Nicht mehr Parteien tun uns not, sondern weniger! Innerhalb der bestehenden Parteien müssen die Interessen-Vertretungen oder diejenigen, die glauben, ihre Rechte besonders m,melden und verteidigen zu müssen, ihre Wirksamkeit suchen und sie müßten alles daran sehen, um durch möglichst starke Ver tretung innerhalb solcher Parteien auf die Berücksichtigung ihrer Wünsche und Forderungen hinzuwirken. Spricht schon diese entsetzliche parteiische Zersplitterung, die uns schon zum Gespött des Auslandes macht, für die poli tische Naivität der Deutschen, die selbst durch die gewaltige Er schütterung des Weltkrieges und seine Folgen nichts gelernt zu haben scheinen, so fast noch mehr der Umstand, unter welchen kleinlichen Interessen sich dieser Wahlkampf vollzog. Dn muß man doch die allergrößte Hochachtung haben vor dem besetzten Gebiet, wo dieser Wahlkampf wirklich unter überragend hochpolitischen Gesichtspunkten, unter denen der Befreiung deutschen Landes und deutscher Volksgenossen von gegnerischem Druck geführt wurde In sonstigen Teilen des deutschen Landes hat man sich viel fach von engherzigen Gesichtspunkten, von Rückwirkungen be stimmter Verärgerungen, von Auswirkungen einer Unzufrieden heit, die ja notwendigerweise durch di« scharfen Eingriffe in un sere ganze Wirtschaft zur Rettung der Währung mifkommen mußte, leiten lassen, und der „Erfolg" ist, daß tausend und abertausende, ja hunderttausende von Wählern sich im Effekt von der politischen Mitbestimmung der Ge schichte des deutschen Volkes und Landes für die nächste Wahlepoche ausgeschaltet haben. Ob man nicht endlich einsieht, wie zwecklos, ja wie tö richt, und mehr, wie verderblich im Hinblick auf das Wohl der Gesamtheit ein derartiges ganz und gar unpolitisches Vorgehen ist? Das Fiasko der Parteigriinder und der Parteigründungen kst ein warnendes Signal. Möchten doch diejenigen, die ln un begreiflicher Einsichtslosigkeit durch ihr jetziges eigenbrötlerisches Verhalten nicht nur dem Lande, sondern ihren eigenen Volksge nossen so schweren Schaden zugefügt haben, erkennen, was di« Stunde gebietet: Energischen Zusammenschluß aller positiven Kräfte zu gemeinsamer Arbeit und damit zu größtmöglichem Erfolg! Die aus den Neichstagswahlen sich ergebende künftige po- Mische und parlamentarische Situation läßt sich in diesem -Augenblick noch nicht vollständig übersehen. Fest steht aller dings, daß die bürgerliche Mitte durch die überraschende Ein buße der Deutschen Volkspartei, die förmlich einer Niederlage gleichkommt, sehr erheblich beeinträchtigt ist. Zum mindesten ist die Basis der bisherigen Regierung Marx-Stresemann ganz bedeutend eingeengt. Die Absplitterung der national-liberalen Vereinigung von der Deutschen Volkspartei hat sich empfindlich für den Stand der gesamten Parteien ausgcwirkt. Zwar hat die national-liberale Vereinigung keinen nennenswerten Erfolg zu verzeichnen. Die von der Deutschen Volkspartei abgesplittcr- ten Stimmen sind fast restlos den Deutschnationalen zugute ge kommen. Diese sind daher nächst den Kommunisten die Sieger des Wahlkampfes. Die Kommunisten haben fast sämtliche der sozialdemokratischen Stimmen gegen die letzte ReichsMswahl verlorenen Stimmen gewonnen. Doch dürften sie ebenso wie die Völkischen sich in Ihren Erwartungen getäuscht sehen. Den schwersten Verlust haben die Sozialdemokraten in Oberschlesien erlitten, während diese allerdings in einigen anderen, nament lich westlichen Gebieten einen kleinen Stimmenzuwachs zu ver zeichnen haben. Fest und unberührt blieb das Zentrum. Sehr interessant ist die Feststellung, daß die Rechtsradikalen in jenen Gebietsteilen, in denen sie in letzter Zelt an verantwort licher Stelle arbeiten mußten, teilweise ganz empfindliche Ver- lüfte davontrugen. Ebenso bemerkenswert ist, daß die Völkischen in Bayern nur etwa knapp dreiviertel der von den vor vier Wo chen vollzogenen bayrischen Landtagswahlen erzielten Stimmen hu verzeichnen haben. Nach alledem ist «in Urteil über die kommende parteipoli tische Situation im Reichstag noch nicht möglich. Aber das Lr- Das Zentrum nach der Wahlschlacht Der ruhende Pol Meder einmal hat sich daS Zentvum als der „ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht" bewährt. Dieser Erfolg, den wir ohne alle vorlaute Freude festzustellen vermögen, ist der Zen trumspartei beschieden gewesen, obwohl gerade sie im Kanipf- getümniel, ja, inan denke nur an die besetzten Gebiete! — im vor dersten Schützengraben stand. Wie ist das Zentrum als der feste Kern der bisherigen Negierungsmehrheit das Ziel der allerschärf sten Angriffe, ja selbst von Verdächtigungen und sogar Verleum dungen gewesen. Und nun ist dieses selbe Zentrum, während rings herum förmliche AuslvsungSstimmung zu beobachte» war, de r a l t e f e st e u n d s o l i d e T u r m geblieben, als der er sich seit sechs Dezennien immer wieder erwiesen hat. Dieses Ergebnis wuh um deswillen mit besonderem Nach druck festgestellt werden, weil noch jedesmal seit den unter dem parlamentarischen System herrschenden Wahlen die Regie rungs-Parteien die hauptsächlichsten Kosten des Wahlkampfes zu tragen haben. Aber daS Zentrum steht auch heute gefestigt da, obwohl in seiner Hand die Führung der Geschäfte, das RcichS- kanzleramt selber, und damit die Hauptverantwortung für die Politik lag. Wenn trotzdem das Zentrum unangefochten aus dem Ringen hervorgehen kann, so bedeuten diese Tatsachen einen glänzenden nicht ü b e r b i c t b a r e n Vertrauens beweis, eine Kundgebung der Zustimmung für seine bisherige Haltung und Tätigkeit, wie sie machtvoller nnd ein dringlicher garnicht gedacht werden kann. So wird das Zentrum auch im neuen Reichstag den Kern der positiven S cha f f e n s ge m e i n s ch a ft bilden müssen, wenn man sich die Verwirrung rechts und links ansieht, trenn man sich das Bild der geradezu grauenhaften Zersplitterung im bürger lichen Lager in der Unzahl von Parteien vergegenwärtigt, die noch nicht einmal einen einzigen Kandidaten durchzebracht haben, dann wird man erkennen, wie sich letzten Endes wieder olles an dev einzig festen Pol klammert. Um den ZentrumSpnnkt wird man sich zu kristallisieren und zu ordnen suche», lind man wird das tun müssen, wenn man den Weg zu einer gesunden, ruhigen und friedlichen Entwicklung nach innen und außen freimachen will. Als ein Element der Ruhe und Ordnung wird das Zentrum gerade im neuen Reichstag eine solche Mission zu erfüllen haben. Es wird sich sehr bald die Unentbehrlichkeit der Zentvumsarbeit auch im neuen Reichstag erweisen und es wird sich dann Heraus stellen, welches Glück für die deutsche Nation und für das ganze deutsche Volk cs bedeutet, daß wir inmitten der sonstigen Zer rüttung über einen Faktor verfügen, der geeignet ist, einen not wendigen Ausgleich der Gegensätze herbeizusühren zu dem einen großen Ziel: Der Rettung unseres Volkes und unseres Vaterlandes. Wenn in Betracht gezogen wird, daß die Zentrumspartei in Sachsen gerade in den letzten Jahren unter den schwierigsten Verhältnissen sich dnrchzusetzen hatte, und daß erst hart vor den Wahlen eine einigermaßen geordnete Wahlbewegung einsetzen konnte, so muß dennoch der Erfolg auch bei uns als durchaus gut bezeichnet werden. Der sächsische Spitzenkandidat des Zentrums Dr. Flügler hat seine Erfahrungen, seine rednerischen und organisatorischen Fähigkeiten in kritischer Zeit aufopfernd der Partei zur Verfügung gestellt. Die Möglichkeit, daß er auf der Reichsliste ein Mandat erhalten wird, ist nicht aus geschlossen. Natürlich hat eL auch in diesem Wahlkampf in viel größerem Dkaße als früher Wählermassen gegeben, die Phan- tasiegebildeu nachra unten und stch durch guttönende Wörter, wie christlich-sozial und national irreführen ließen. Die furchtbare Erkenntnis muß ihnen kommen, wenn sie jetzt erfahren, daß all ihre Stimmen für nichts und wieder nichts abgegeben wurden, daß sie keinen einzigen Kan didaten im ganzen Deutschen Reich haben durchbringen können. Wenn sie das ZentrnmSprogramm genau studiert hätten, würden sie sich nicht zu diesem Ttimmennnschrauch hergcgcbe» haben. Christlich, national, sozial und demokratisch sind ja die ersten Grundsätze der ZentrumSpartei. Die Verantwortung für diese Stimmenzersplitterung, für diese nutzlose Arbeit tragen naturgemäß die Führer dieser kleinen Opposilionsgrnppen. Die Wähler aber sind die Betrogenen. Es wäre gut, wenn in Zukunft die Zentrumspartei mit noch viel größerem Nachdruck für Aufklärung sorgte, damit diese jetzt abseits Stehenden nicht wieder durch „Wörter" iu Konfusion geraten. Das Ausland!»den Mahlt» London, 6. Mai. Die heutige Morgenpresse, die eingehend zu den deutschen Wahlen Stellung nimmt, interessiert besonders die Frage, welche Rückwirkung das Ergebnis auf die Annahme des Sachvcrständigenberichtes durch Deutschland haben werde. Während „Daily Mail" aus Grund eines Telegramms ihres Ber liner Berichterstatters das Wahlergebnis als eine Ohrfeige für die Alliierten bezeichnet, verkündet Daily Expreß im Sperr druck: Deutschland stimmt für die Reparationen. „Westminster Gazette" bezeichnet die Dcutschnationale» als den entscheidenden Faktor in der künftigen Politik Deutschlands. Wenn sie bei der Haltung verharren, die sic während der Wahlen angenommen hatten, so sei jede Aussicht auf eine Regelung aufzugeben. Die deutschuationale Partei könne die Lage retten, wenn sie wolle und es sei zu hoffen, daß sie in einer Lage, die voll wirklicher Gefahren sei, Staatskunst an den Tag legen werde. — „Daily Chronicle" schreibt: Die Antwort aus die wichtige Frage, ob Deutschland für die Annahme des Dawcsberichtes eintreten werde, bleibe für den Augenblick zweiseihast. Es sei keineswegs sicher, daß die Rechte ihn ablehnen werde. Aber wenn von ihrer Seite nicht bald eine Stellungnahme in dieser Richtung erfolge, so werde wahrscheinlich eine ausgesprochen ungünstige Wirkung auf die Abstimmung bei den nächsten Sonntag stattfindenden französischen Wahlen ausgeiibt werden. Ncwyork, 0. Mai. Die Newyorker Presse äußert sich bereits in Leitartikeln mit großen Ueberschristen zu dem Ausfall der deutschen Reichstags,vahlen. Sie ist allgemein befriedigt in der Meinung, daß die Annahme des Expertenplancs wohl gesichert sei. Nach Depeschen, die ans Washington eingelrosfen sind, hat man auch dort einen guten Eindruck von dem Verlauf und Er gebnis der Wahlen in Deutschland gewonnen, weil die Rechts parteien nicht die erwarteten großen Gewinne erzielt hätten. Paris, 6. Mai. Das endgültige Ergebnis von den deut schen Wahlen liegt noch nicht vor, daher sind die Kommentare noch sehr unvollkommen. Im allgemeinen betont die Abend messe, der Sieg der Nationalisten sei ausgeblieben und nur eine Verstärkung der Nechtsgruppen eingctreten. Einen starken Un sinn leistet sich die royalislische Action Francaise in einer Be hauchung, die deutschen Wahlresultate seien höchstwahrscheinlich gefälscht und der Sirg der Nationalisten vermutlich derart groß, daß sich Deutschland veranlaßt sieht, die Ergebnisse Frankreich gegenüber zu verheimlichen, um dadurch keinen ungünstigen Ein fluß auf die bevorstehenden französischen Wahlen auszuiiben. Basel, g. Mai. Ueber die deutschen Wahlen liegen in der Schweiz noch sehr wcnia Kommentare vor. Die Berliner Kor respondenten äußern sich zuvcrsichllich über die kämmende deutsche Außenpolitik. Die starke Zunahme der Kommunisten erregt in der Schweiz, wo inan eine ganz besondere Scheu vor dieser extremen Linken hat, Besorgnisse. Alan befürchtet von dieser Zunahme auch einen Zuwachs der Schweizer Kom munisten. Ikicklllllsk'lIMll bki dt« Mllhlkl! 1824 und 1820 Wahlkreis 1924 1920 1 OstlttkNZkll . . . 85 075 9l 439 2 Berlin 44 101 30 547 3 Potsdam II. . . 28 020 2-3 858 4 Potsdam I . . . 18 484 15 053 5 Frank,«rt a. O. . 50 710 41 501 0 Pommern . . . 7 587 0 291 7 Breslau .... 107 503 177 140 8 Liegnil; .... 52 9! >3 51 779 9 Obpeln .... 198 080 201 090 10 Magdeburg . . . 15 829 12 083 11 Merseburg . . . 8 770 0 534 12 Thüringen . . . 38 405 48 470 13 SckleSwig-Holstein 7 457 5 572 14 Weier-stms . . . 120 703 133 802 15 Hannover-Ost . . 5 441 5 298 10 Hannover-Süd. . 47 205 49 750 17 Westfalen-Nord 379 000 397 809 18 Westfalen--üd . . 320 029 327 237 19 Hessen-Nassau . . 178 000 192 808 20 Köln-Aachen . . 447 094 44.3 252 21 Koblenz-Trier . . 322 059 290 012 22 Düsseldors-Ost . . 210 710 139 070 23 Düsseldorf-West . 293 075 301 207 24 Oberboyen,-Schwaben 10087 — 25 Niederbayern . . 9 331 — 20 Franken .... 10 330 — 27 Pfalz 38 172 — 28 Dresden Bantzen . 11 794 14 583 29 Lei-;ia .... 3 320 2 584 30 tcyemnitz-Zwiltau. 3 070 2 390 31 Württemberg . . 205 184 20!» 477 32 Baden 825 880 341 023 33 Hessen-Darmstadt . 93 707 95 518 34 Hamburg.... 9 009 6 797 35 Mcitlenburg-Schweri» 2 032 1 591 rrwrii?',» rr?448Lo gebnia läßt doch schon erkennen, daß künftighin noch vielmehr, als das bisher der Fall war, man auf eine Koalitianspolitik, also auf den Zusammenschluß gleichgerichteter Parteien angewiesen ist. Die Arbeitsfähigkeit des kommenden Reichstages erscheint aber nach Lage der Dinge aus das schwerste gefährdet. Da man jetzt noch nicht übersehen kann, wie eine bürgerliche Koalition unter Zusammenschluß der Deutschnationalen, angesichts einer so starken Opposition von den Kommunisten einerseits und den Deutsch-Völkischen andererseits sich betätigen könnte. notc» ilrstenhos - nw?ig Mir »immer mlk «all« unü warmwasDer V Y-Mk Preise mMg nonlerenrm