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Nr. *48 L8. Jahrg. »»» «etzaktl»«, W»»»!« -«. 1«, L»lbei»ftr«ch« 4« M-»tag,27.Oktok"-s Ei Ter»sprecher L4S8S Postscheckkonto Leipzig Sir. 147»? >t!» volOze «rrteythrltch in d«r «elchSfwstrlle oder von »er »oft a»,e»olt AuSo-l.« I -t.«S *. «uSgnbe » 8.78 SI. I» »«*»»«« m>» ,»nj DeutIchlanL ftei HauS A«»gat» I 4.08 Ausgabe » 4 «S — Die Süchsilche «cktzetut «N «leu Wochentagen nachmittag». — Sprechstunde »er Redaktion: II bis IS Uhr vormittag«. Sin,eigen, knnahnie von Selchiifir-inzelgen »IS 10 Uhr. von ffamilicnanreigcn bi« I I Uhr vorm. — PretS für »K Pcltt-Lpattzctle SO im ReNameteii I -tk. Familie».Sin,eigen 4t) ^ — Fii> „»deutlich getchriebene. sowie durch gerr» spreche! ausgegcbeue Anzeigen lSnne» wir die Leraniwoiilichleit für die Richliglcti de« Lexte» nicht Ii»»«I«hm»N Pariser Anschlußmarterel AuS Wien wird uns unter dieser Spitzmarke fol gendes geschrieben: Die Warnungen Nenners vor einem „Anschluß durch Ueberrumpelung" lenken die Aufmerksamkeit der Oeittnt- lichkeit neuerdings auf die Vorgänge, die sich ans Anlaß des den Anschluß Deutschösterreichs behandelnden Paragra phen der deutschen Reichsverfassung zwischen der öerlincr Regierung und den in Paris schaltenden Machthabern der Entente abgespielt haben. Nachdem nunmehr der Fall durch die Note der deutschen Regierung, die unter nack> drücklicher Verwahrung gegen den von der Entente ange schlagenen Ton in der Sache nachgibt, erledigt ist, hat die deutschösterreichische Oeffentlichkeit allen Grund, sich rück schauend den Verlauf dieser Angelegenheit noch einmal im Geiste vorzuführen, um ,ich die Ei.ijsth vten des von un seren Gegnern r».liebten Verfahrens dauernd einzuprägen und daran zu ermessen, was nir bei etwügen größeren Verwicklungen im Zusammen!) nag mit dev Erfüllung des Friedensvertrages erst zu gewärtigen hätten, wenn schon in einer nebensächlick^n juristischen Formfroge so großes Geschütz aufgefahren wird. Den Ausgangspunkt der Affäre bildete Artikel 61, Ab satz 2 der deutschen Reichsverfassung, der l > .tet „Deutsch österreich erhält nach seinem Anschluß an das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat mtt der seiner Be völkerung entsprechenden Stimmenzahl. Bis dahin haben die Vertreter Deutschösterreichs beratende Stinmc" Die Ententejuristen witterten in dieser Bestimmung einen Vor stoß gegen Artikel 80 des Friedensvertrages, mann es heißt: „Deutschland anerkennt die Unabhängigkeit Deutsch österreichs und wird sie streng in den von dem gegenwär tigen Vertrage festgesetzten Grenzen als unveräußerlich be achten, es sei denn mit Zustimmung des Völkerbundes, um für den in Zukunst möglichen Fall des Anschlusses Deutsch- österreichs an das Deutsche Reich gleich eine verfassungs mäßige Handhabe zur Regelung der Angelegenheit zu be sitzen und nicht erst des umständlichen parlamentarischen Apparates einer Abänderung der Verfassung zu bedürfen. Dabei ist es ihr aber gar nicht in den Sinn gekommen, einen Widerspruch zu dem Art. 80 des Friedensvertrages schaffen zu wollen. Eine solche Vernmtung ist schon deshalb hinfällig, weil der Art. 178 Abs. 2 der deutschen Verfassung ausdrücklich verschreibt: „Die Bestimmungen des am 28. Juni 1919 in Versailles Unterzeichneten Friedensvertrages werden durch die Verfassung nicht berührt." Hieraus geht für jeden, der den einigermaßen guten Willen einer ver nünftigen Auslegung hat, klar hervor, daß die im Frie densvertrage aufgestellte Voraussetzung eines Anschlusses Deutschösterreichs an Deutschland, nämlich die Zustimmung des Bölkerbundsmtes auch für Art. 61 der Neichsverfassung unbedingt Geltung hat. Die Ententejuristen dachten aber anders. Uneingedcnr der feststehenden Regel, daß Widersprüche in Gesetzen erst dann als vorhanden angenommen werden dürfen, wenn eine sinngemäße Ergänzung und Vereinigung der Vor schriften nicht möglich ist, erklärten sie, daß man falsches Spiel getrieben und absichtlich eine Verletzung des Frie- dsnsvertrages in die Verfassung Deutschlands hincingebrachr hätte und in Gemäßheit des nach Clemenceauschen Muster üblichen Verkehrstones wurde sofort ein Ultimatum nach Berlin vom Stapel gelassen. Die deutsche Negierung setzte darauf den Pariser Splitterrichtern in aller Ruhe und Höflichkeit auseinander, daß -sie sich irrten und daß Art. 61 der Reichsverfassung ganz selbstverständlich nur in Verbindung mit Art. 80 des Frie- densvertrages zu verstehen sei. Gleichzeitig erklärte die Negierung, sie wolle zum Beweise ihrer völligen Loyalität die Vorschrift über die Anteilnahme deutschösterreichischer Vertreter Ost den Verhandlungen des Reichsrates so lange außer Kraft setzen, als nicht der Völkerbundsrat seine Zu stimmung zum Anschluß erteilt habe: demnach würde sie auch auf die zunächst bloß beratende Mitwirkung von Deutschösterreichern verzichten. Das war ein Entgegen- kommen gegen den Pariser Standpunkt nach jeder Rich tung: die beanstandete Bestimmung wurde trotz ihrer sach- lichen Unverfänglichkeit der empfinglichen juristischen Auf- fassung der Entente zuliebe ausdrücklich für kraftlos er klärt, solange nicht die Voraussetzung des Art. 80 des Ver sailler Vertrages erfüllt sei. Mehr, sollte man meinen» hätte selbst die übelwollendste Gesinnung uns gegenüber nicht verlangen können. Die Pariser Machthaber aber bestanden eigensinnig und hartnäckig darauf, Deutschland noch eine besondere De mütigung znzufügen. Daß die deutsche Regierung ihnen alles, was sie wollten, in ihrer vorerwähnten Note vom 1. September bereits schriftlich gegeben hätte, genügte ihnen nicht. Sie wollten es durchaus noch schriftlich haben und forderten daher noch ein von der Nationalversammlung zu ratifizierendes Zusatzprotokoll zum Friedensvertrage, das inhaltlich genau dasselbe besagt, was bereits im Artikel 178 der Neichsverfassung und in der deutschen Note vom 4. September steht. Das diplomatisch)« Aktenstück, worin dies Verlangen nach Berlin gerichtet wurde, zeichnete sich durch einen ganz besonders grobschlägigen Ton aus. an gesichts dessen das deutsche Empfinden es nicht begreift, daß seine Urheber sich nicht nickst im Interesse ihrer eigenen Würde scheuen, etwas derartiges im internationalen Ver kehr zu veröffentlichen. Die Note nannte n. a. den Artikel 178 der Verfassung einen „sinnreichen Kunstgriff" mit dessen Hilfe die deutsche Verfassung jederzeit so geändert werden könnte, daß ihr Wortlaut jeder Bestimmung des Friedensvertrages widerspräche. Gegen die unerhörte Art der beweislosen Unterstellung hinterhältiger Absichten und gegen den gesamten Ton der Pariser-Note hat die deutsche Regierung in ihrer Antwort mit Reckst schärfsten Protest er hoben, im übrigen aber getan, was sie notgedrungen unter dem Zwang der Verhältnisse tun mußte; sie hat ihre Be reitwilligkeit ausgesprochen, das von der Entente verlangte Zusatzprotokoll zu vollziehen. Wenn die Pariser General- gewaltigen in dieser erneuten Nachgiebigkeit der deutschen Regierung einen abermaligen „Triumph" erblicken, so ent- spricht das ihrer besonderen Sinnesart, die von jeder ritter lichen nnd großmütigen Regung gegenüber dem Besiegten weit entfernt ist: es ist der „Triumph" des kleinlichsten Mißtrauens und der willkürlichen Unduldsamkeit, in dem sie sich gefallen. Mögen sie ihn haben! Die Maßnahmen gegen Vie Steuerflucht Die nunmehr von dem Ausschuß der Nationalversamm lung verabschiedete Verordnung des Reichs- f i n a n z m i n i ste r s Erzberger über Maßnahmen gegen die Kapitalflucht vom 24. Oktober dieses Jahres zeigt einen völlig neuen Weg zur steuerlichen Erfassung eines erheblichen Teiles deS geflüchteten oder versteckten Ver mögens, soweit dieses aus inländischen, verzinslichen Wert papieren besteht. Weitere Maßnahmen, welche auch 'dir steuerliche Erfassung des in anderen Werten angelegten, geflüchteten oder versteckten Vermögens bezwecken, werden diesem ersten Schritte- folgen. Die Verordnung stellt, wie amtlich mitgeteilt wird, den Grundsatz auf, daß Zins- oder Gewinnanteilscheine, sowie ausgeloste, gekündigte oder zur Rückzahlung fällige Stücke inländischer Wertpapiere nur Banken, nnd zwar nur solchen Banken zur Einlösung, Beleihung oder Gutschrift über geben und nur von solchen Banken zu diesen Zwecken an genommen werden dürfen, bei denen das ganze Wertpapier oder der Zins- oder Gewinnanteilscheinbogen mit dem Er- nenernngsschein hinterlegt sind. Befindet sich das Wert papier im Auslande oder im Gewahrsam eines Dritten im Inland«, so muß die einlösende inländische Bank im Besitz eines mit einem Stückeverzeichnis versehenen urkundlichen Nachweises über die anderweitige Aufbelvahrung des Wert- pvpieres sein. Diese Notwendigkeit zur Hinterlegung der Wertpapiere bei einer Bank zwecks Einlösung der Zinsen- und Gewinn anteile tritt für den in Deutschland steuerpflichtigen Effet- tenbesitzer nickst ein, wenn er dem für ihn zuständigen Fi- nanzamt (Besitzsteueraint) ein Verzeichnis seines Besitzes an Wertpapieren in doppelter Ausfertigung einreicht. Er kann alsdann auf Grund des ihm mit dem Bestätigungs- vermerk des Finanzamtes zuriickgegebenen Verzeichnisses die Zinsen und Gewinnanteile der aufgeführten Stücke be, jeder Bank oder zu Einlösung oder Zahlung befugten Stelle erheben, ohne daß es einer Hinterlegung der Wertpapiere bedarf. Durch diese Vorschriften ist die Steuerbehörde in die Lage versetzt, sich mit Hilfe der A u s ku n ft s p f l i ch t der Banken die Kenntnis zu verschaffen, welche inlä Lischen Wertpapiere eine in Deutschland steuerpflichtige Person besitzt. Ausnahmen mußten vorgesehen werden für den Effektenbesih solcher Personen, die im Auslande ihren! Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben und für das! Einkommen ans den Wertpapieren in Deutschland nichö steuerpflichtig sind. Der ausländische Effektenbesitzer kann die Zinsen und Gewinnanteile seiner deutschen Wertpapiere bei jeder ausländischen Bank oder Zahlstelle unter Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung (Affidavit) erheben, welche dahin lautet, daß die zu bezeichnenden Papiere sein Eigen* tum sind, daß er in Deutschland nicht steuerpflichtig ist und weder mittelbar noch unmittelbar im Aufträge oder für, Rechnung einer dritten Person handelt, die einer Bestens* rung in Deutschland unterliegt. Die Einführung eines solchen Affidavits bedeutet für den ausländischen Besitzer deutscher Wertpapiere keine besondere Erschwernis, zurua, eine Anzahl ausländischer Staaten während des Krieges dazu übcrgegangen sind, für die Einlösung von Zinsen ausländischen Wertpapiere die Abgabe solcher Affidavits vorzuschreiben. Tie Auswertung des für die Steuerveranlagung wich* tigen Materials, welches sich bei den Banken durch die Vor schrift über die Hinterlegung der Wertpapiere ansammett. wird dadurch ermöglicht, daß den Banken die Verpflichtung auferlegt wird, den Finanzämtern bis zum 31. März 1920 Verzeichnisse ihrer Depotkunden nach dein Stande vom 30, Juni 1919 mitzuteilen und Zugänge solcher Kunden perio disch nachzutragen. Dabei ist hervorzuheben, daß unter Banken im Sinne dieser Verordnung auch Sparkassen und Kreditgenossenschasten, sowie weiter alle Personen nnd Un tcrnehmungen zu verstehen sind, die geschäftsmäßig Bank oder Bankiergeschäfte betreiben. Tie Finanzämter, welch auf Grund dieser Knndenverzeichnisse erfahren, bei welchen. Banken ein Steuerpflichtiger Wertpapiere hinterlegt hat, können alsdann, soweit erforderlich, weitere Auskunft über die Art und Höhe des Efsektenbesitzes bei den betreffenden: Banken einholen. Die wichtigen Aufgaben, welche hiernach den Banken bei der Bekämpfung der Kapitalflucht übertragen iverden, lassen es geboten erscheinen, die auf diesem Gebiete zac leistende Tätigkeit der Banken einer staat lichen Kontrolle zu unterwerfen. Zu diesem Zweck sind durch die Verordnung Prüfungen der Bank* betriebe durch besondere Beamte vorgeschrieben. Gleich* zeitig ist im Verfolg der Vorschrift im 8 7 Absatz 2 deS Gesetzes gegen die Kapitalflucht vom 8. September 1910 die Möglichkeit vorgesehen, solchen Banken, deren Geschäfts* betrieb zu einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Zuwider* Handlung gegen die Kapitalnbwandernngsgesehe geführt! hat, und denen gegenüber weitere Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß sie keine Gewähr für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben bieten, den Geschäftsbetrieb zu untersagen. Durch die Vorschrift, daß vor einer solchen Anordnung der Bank Gelcgenheu zu geben ist, sich zu rechtfertigen, daß ferner zuvor die zu* ständige amtliche Handelsvertretung zu hören ist, und durch das Rechtsmittel der Beschwerde an den Reichssinanzhof ist die Gewähr dafür geboten, daß von der zweifellos weit* gehenden Befugnis zur Schließung eines Bankbetriebes nur in Fällen Gebrauch gemacht werden wird, in denen zwin* gende Gründe hierfür vorliegen. ->»* Natiovalversa««l»ng Berlin, 25. Oktober. Am Regierungstisch :Dr. Belt. Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung 1s/t Uhr. Fortsetzung der zweiten Beratung des Haushaltes de- Reichseisenbahnamtes. Verwaltung der Reichs* eisenbahnen nnd Re i ch s v e rk e hr s in i n i st e * rium. , Reichsminister Dr. Bell: Neichsnot, WirtschnftSuie- dergang, Finanzelend. Geldentwertung, Arbeitsnnlust. Disziplinlosigkeit, Kohlenmangel und Verkehrsstockung sind die Taufpaten, die an der Wiege des neugeborenen Ver* kelu swinisteriums nicht gerade glückverheißend erscheinen, Ker meines Arbeitsprograwmes ist die tunlichste Zu- st-mmenschließung aller Verte!? e mittel. Die wichtigste! Ai fgabe des Reichsverkehrsministeriums ans dem Gebiets des Eisenbahnivesens ist die Ueberleitnng der! Staatsbahnen auf das Reich. Die Zeit bis z»m 1. April 1921, deni Uebernahmetermin, wird zn benutzest sein, daß die LandeseisenbahnveNvaltungen ihre Eisenbahn* llgrinoniiilns-»*-«--' ! Verkauf: 8okloS»t«'»K» 18 f«rn»pr. 1S4W