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Beilage z« Nr. üS der „Sächsischen Bolkdzeitung" vom 7. März «in»7 Pater Wasmann 8. ^ über das Entwiikelungsproblem. 2. Vortrag, gehalten am Donnerstag den 14. Februar in der PHUhaimonie (Berlin). (S. Fortsetzung und Schluß dsS 2. Vortroges.) Man muß übrigens stets die verschiedenen Entwicke lung sprinzipen zujainmennchmen, und von diesen ist nur eines die Darwinistische Selektion. Sie ist ferner nur ein Hilfsfaktor, der seinem Wesen nach negativen Charakter trägt. Sie rnerzt nur aus. Dabei mag allerdings, wie Professor Plate richtig hervorhebt in einer gediegenen Ab handlung über das Darwinistische Selektionsprinzip, der Erfolg dieser negativen Auslese manchmal ein positiver sein: es werden nämlich oft durch sie bestimmte Entwicke- lungsrichtnngen konsequent gefördert werden (Orthoselek tion); dadurch kommt aber etwas Positives heraus. Die Wirksamkeit der Naturauslese selber ist ihren: Wesen nach trotzdem stets eine negative; es ist das „Ueberleben des Passendsten". Der innere Grund, warum das betreffende Passendste da ist, ist anderswo zu suchen und zivar an letzter Stelle in den inneren Entwickelungsgesetzen der Organis men selbst. Ta vermag allerdings auch die direkte An- Passungstheorie von Lamarck und Nägeli viel zu erklären; diese ist indessen nur ein anderer Ausdruck für die ztveck- mäßige Reaktionsfähigkeit der Organisnien gegenüber äußeren Reizen. Ich glaube, daß ohne innere Entwicke lungsgesetze als Hauptursache nicht auszukommen ist. Aller dings gebe ich gern zu: mit unbekannten Ursachen operiert man schlver. Die äußeren Direktiven der Entwickelung, die namentlich in der Darwinschen Selektionstheorie durch an schaulich Beispiele vor Augen geführt werden, sind für die Phantasie Packend. Es lassen sich über die äußeren Ent- wickelungsbediuguugen viele hübsche Beispiele vorführen, wie ich es ja gestern bezüglich der Ameisen und Termiten gäste gezeigt liabe. Tie äußeren Faktoren könnten aber nicht wirksam sein, wem: sie nicht mir den inneren Faktoren zusammenwirkteu. Das Zusammenwirken -er inneren und äußeren Faktoren ist für zwecknmßigc Anpassung unbedingt iwtwendig. Wenn wir die inneren Faktoren der Entwicke lung gegeittvärtig noch nicht kennen, ist das ein Mangel unserer unvollkommenen Wissenschaft. Wir sind in Bezug auf die Kenntnis der Ursachen der organischen Entwickelung erst in den beschidensten Anfangsstadien. Ter Entwicke lungstheorie kann das niemand übel nehmen, weil sie noch so jung ist. Vielleicht ist nach hundert Jahren eine neue Theorie erfunden, nach welcher in der Organisation des Keimplasmas — nicht nach Art der Determinantentheorie WeismannS — durch bestimmte Umänderungen der Chro mosomen in den Keimzellen auch entsprechende Umände rungen des Entwickelungsprozesses erklärt werden können. Dann wären wir einen bedeutenden Schritt weiter. So stelle ich mir die inneren Entwickelungsursachen vor, nicht aber als mystische Engclchen, die über den Wassern schwe ben, wie mir von monistischer Seite entgcgengehalten wurde. Derartige Erklärungen gab ich nie; sie wurden mir nur untergeschoben, um die inneren Entwickelungsgesetze leichter beseitigen zu können. Ich komme noch mit einigen Worten auf die Weis- mannschen Ansichten über die Naturzüchtung. Vor einer Reih von Jahren hat Weismann, ein sehr geistreick>er Zoo loge. die Allmacht der Naturzüchtung in den Vordergrund gestellt. Er glaubte damals durch Naturzüchtung, durch die Darwinsche Selektionstheorie, alles erklären zu können. Aber neuerdings ist Weismann von diesem Extrem zurück gekommen. Er stellt nicht mehr die Naturzüchtung in den Vordergrund. Er hat seit 1895 die Keimesauslese oder Germinalselektion in geistreiche Weise ausgedacht. Wenn man aber schließlich dem Sinne der dunklen Worte von „vitalen Affinitäten" der Biophoren usw. nacheht, daun entdeckt man schließlich die versteckte Zielstrebigkeit, die An passungsfähigkeit und die Reaktionsfähigkeit gegen äußere Reize, kurzum die inneren Entwickelungsgesetze, die besei tigt werden sollten. Ich glaube daher, daß gerade der Weis- mannsche Neodarwinismus einen Beweis dafür geliefert ht, daß die Darwinsche Selektionstheorie, wenn sie zu sehr verallgemeinert wird, unhaltbar ist. Kürzlich habe ich die letzte neue Auslage einer Schrift über das Darwinsch Selektionsprinzip wieder eingehend durchtudiert, die Professor Plate veröffentlicht hat. Sie hat mir außerordentlich gut gefallen. Ich glaube, es ist das gediegendste, tvas auf dem Gebiete geliefert ist. Das aller- interessanteste Uxrr mir bei der Lektüre derselben, zu sehen, wie jetzt die treuesten, auch die allerbesten Anhänger des Darwinistischen Selektionsprinzips auch anerkennen, uxrs dieses Prinzip nickt zu leisten vermag. Piofeswr Plate legt dies ganz ruhig und objektiv dar; andererseits beton: er auch — und zwar nach meiner Ansicht etuxrs zu sehr im Vordergründe — was dies Prinzip zu leisten vermag, manchen Punkten, wie in den inneren. Entwickeliiugsgesetz? bin ich nickt mit ihm einverstanden, aber für die gute Kritik des Tar-winistischn Selektionsprinzips sind wir Professor Plate ohne Zweifel zu großem Danke ixupslichtet. h komme zur Kritik der sogenannten Darwinistischen Weltanschauung. Darüber brauche ich weiter kein Wort zu verlieren, weil sie identisch ist mit jener realistisch-monisti schen Wcltaussassung, auf welche ich bereits im eichen Teile des heutigen Vortrages näher eingegangcn bin. Was spe ziell die Anwendung der Darwinistischen Selektioustheorie auf den Menschen angeht, so habe ich mich heute in diesen: Vortrage damit nicht zu befassen; denn die Anwendung der Entwickeluugstheorie auf den Menschen ist Gegenstand mei nes dritten Vortrages. Ich fasse kurz das Resultat der Untersuchung über die verschiedene Bedeuniuq des Wortes Dorwiniemn-' .awimmk-ü Die Selektionstheorie Darwins ist als Hilsssaktor auch beute noch in der Entwickelungstheorie unentbehrlich; ihre Bedeutung ist aber eine untergeordnete und zuxir eine sehr verschiedene, je nach den Erscheinungsgebieten, um die es sich handelt. Nur ein Beispiel dafür: Bei den Ameisen- und Termitengästen haben wir gestern den Trutztypus gesehen, der auf Unangreifbarkeit berechnet ist, den Mimikrytypus, der auf Täuschung der Wirte durch die Gäste aufgeht, und drittens iahen wir den Typus der echten Gälte. Für diese drei Typen gilt die Selektionstheorie in ganz verschiedener Weise. An: meisten Vedeutuig) ht sie hi hm Trutztypus, eine schn etwas geringere beim Mimikrytypus, und die geringste beim Typus der echten Gäste (Symphilentypus). Hier finden wir als Hauptfaktor die Amikalselektion, lvelche von der Naturzüchtung nicht bloß verscheden ist, sondern von einer bestimmten Entwickelungsstuse an sogar ihr ent- gegemvirkt und sie besiegt. Ein Beispiel wird dies zeigen. Die blutrote Naubameise erzieht in ihrem echten Gast Lomechusa ihren schlimmsten Feind vermöge eines eigenen Instinktes, der zun« Verderben ihrer eigenen Art gereicht. (Wurde vom Redner näher ansgeführt.) Wir sehen hier eine Jnstinktsausbildung, die durch Naturzüchtung unmöglich entstanden sein kann; denn der (Hst ist sehdlich von dein Augenblicke an, wo er seine Larve in den: Ameisenuest erziehen läßt. Ich sage, in diesem Falle ht die Amikalselektion den Sieg über die Naturzüchtung davougetragen, bin aber uait davon entfernt, auf allen anderen Gebieten die Selektioustheorie für eben so schvach zu erklären. Man kann viele Beispiele bringen zu gunsten dieser Theorie, sie kommt aber nur dort zum Ausdruck, wo als Voraussetzung die iunere Anpassungsfähigkeit der Or ganismen da ist. Ohne diese kommt man nicht aus. Ich hbe im ersten Teile des Vortrages die christlich- theistische Weltaussassung gegenübergestellt der monistisch n, welche von einen: hrsönlichn Gott und Schpser nichts mehr Nüssen will. Es ist geradezu eine gewisse Lheophobie, eine Schöpfer scheu eingerissen in gewissen Kreisen. Ich kann das nur bedauern, Uxül ich glaube, daß dies zum allergröß ten Teile nur auf mangelhafter Kenntnis der christlichen Philosophie und Theologie beruht. Das Studium eines einzigen gründlichen Lehrbuchs, wie zum Beispiel der Theo- diecv von Gutberiet, würde hinreichen, aufzuklären über die Bedeutung und Hs tvahre Wesen des christlichen Gottes begriffes. Zun: Schlüsse möchte ich noch) einen Zeugen für die theistische Weltanschauung ansühren, der nicht im Verdachte steht, Jesuit zu sein. Eharles Darwin htte nicht jene krank- hfte Schpserscheu, die viele seiner Nachfolger vollkommen eingenommen bat. Am Schlüsse seines Hauptwerkes über die Entstehung der Arten hat er folgende schöne Stelle ge schrieben — es steht noch in der siebenten hutschen Auslage, die nach seinen: Tode erschienen ist, und ich zitiere nach der deutschen Ueberselzung: „Es ist wahrlich eine großartige Ansicht, daß der Schilp- fer den Kein, alles Lebens, das uns umgibt, nur weniger', oder nur einer einzigen Form eingehaucht ht, und daß, während unser Planet den st:-engsten Gesetzen der Schlver- krast folgend, sich im Kreise geschwungen, aus so einfachem Anfänge sich eine endlose Reihe der schönsten und wunder vollsten Formen entwickelt hat und noch immer entwickelt." Ich glaube, nach diesen Worten brauche ich als Natur forscher keine Entschuldigung, daß ich selbst zur tHeistischm Weltaufsassung mich bekenne. (Lebhfter Beifall.) lieber das neue Präsidium des Neichstags geht nns von einem Abgeordneten folgendes Urteil zu: Volle acht Tage ht das neue Präsidium „regirrt". — 104 — mich auch sogleich in die nächste Barbierstube begeben, und nur Haar und Bart kräuseln und salben lassen, daß ich der Jungfer bei meinen: Kommen hsser gefalle als jetzt." Lochend reckte er die kräftigen Glieder, stülpte den Helm ans Hs Haupt und schickte sich zun: Gehen an. „Sorgt mir gut für meinen Schwertge- uossenl" sprach er ernst, „er mag Euch selbst seine Mär erzählen, wenn er Lust dazu verspürt. Gehabt euch wohl beisammen; aber ich rate dir. Walter, schau nur nicht zu tief in der Jungfer lachnde Augen: es sitzt ein Schalk darinnen, und ich möchte nicht haben, daß du hin Herz in der adelsfeindlicheu Reichsstadt zurücklässest." Klirrenden Schrittes ging Ritter Horn zur Türe, einen letzten Blick auf Kätchen werfend, die ctn>as verlegen am Schranke stand; aber ihre lustige Fröhlichkeit brach sich schnell durch den kleinen Unmut, den ihr des Ritters spitze Reden verursacht hotten, freie Bahn. „Er ist ein guter Herr," sagte sie wie entschuldigend zu dem Gaste, „aber das Zerren und Sticheln kann er nun einmal nicht lassen. Und nieistens muß ich darunter leiden." „O," versetzte der Ritter lächelnd, „cs scheint mir dieses Leiden nicht so gefährlich. Ein alter Spruch sagt: Was sich liebt — Hs neckt sich!" „Aber nein!" rief hlberzllrnt Kätchen, „Ihr scheint mir so schlimm wie Euer Freund zu sein. Doch verzeiht, ich muß nun in der Küche nach den: Rechten sehen, und Ihr werdet wohl von: weiten Ritte müh sein. Die Muhme wird Euch Euer Gemach zeigen, in den: Ihr es Euch bequem machen könnt." Sie schlüpfte leise ans dem Zimmer und schickte eine ältere Frau mit freundlichen Zügen, die dem Junker eine saubere Stube mit dunklen Möbeln, die einen behaglich:: Eindruck Hervorriesen, zeigte und sich ebenso still, wie sie gekommen, zurückzog. Walter von Staufcncck, den der Leser in dem jungen Ritter schon längst erkannt haben wird, war froh, mit seinen Gedanken allein zu sein. Er legte die schwere Rüstung ab und warf sich auf Hs bequeme Ruhebett; ein tiefer Schlaf umfing nach kurzer Zeit den Müden, der seit Wochen schon Hs Land durchstreifte, ohne daß es ihn: glücken zu wollen schien, für den Grafen Zollern etwas Günstiges zu erwirken. Mit seinem guten Freunde, dem Ritter von Hon:, den er zufällig ans -er Heerstraße getroffen, war er als dessen Knappe in Ulm eingeritten, denn er hätte es nie »vagen dürfen, in der gegen den Grasen von Zollen: erbitter ten Stadt seinen Namen und seine Beziehung zum Oettinger zu lwnnen — um daselbst mit verschiedenen Grafen u:ü) Rittern, die er auf ihren Burgen nicht getroffen htte, heimliche Zwiegespräche zu halten und sie zur Hilfe leistung für den Grafen Friedrich zu bewegen. Der Ritter von Horn, der in guter Freundschaft mit den Ulmern stand und schn manchen reichen Waren zug der Ulurer Kaufleute von Augsburg und München oder gar von Inns bruck her mit seinen tapferen Gesellen geleitet htte, wofür mancher Gold- guldcn in ferne stets leere Tasche wanderte, versprach, er wolle alles daran setzen, hß er sicher in Ulm Herbergen könne. Auch mit den von Walter ge- suchten adeligen Herren versprach er eine Zusammenkunft herbei führen zu wollen. — I0l - Den Karren der Landleute folgte eine Reihe großer Frachtnvigen, deren Inhalt, wertvolles Kaufmannsgut, durch mächtige Lei nlvandd ecken verborgen Nmrde. Eine Cchr bewaffneter Reiter zog mit ein; sie hatten Hs wertvolle Gut beschützt und freuten sich des Lohnes, den ihnen der reiche Kaufherr auf dem Weinhof in Aussicht gestellt htte. Ans hm Plaster der Straße ertönte lauter Hnftritt, der sich rasch nährte; ein stattlicher Patrizier, von etlichn: Knechten begleitet, sprengte hran und grüßte den Führer der Karawane. „Glückauf!" rief ihn: dieser zu und schlug kräftig in die hrgebotene Rechte. „Wir bringen Euch die ganze Ladung unversehrt an die Stadtnrark; Euer Säckel wird einen schnei: Z:»:>achs erhalten und hoffentlich laßt Ihr auch für uns etlich Gulden in die leeren Ta'chen rollen." „Daran soll's Unehrlich nicht fehle», Uvrlester .Herr Ritter," sprach der .Kaufherr lächelnd, ihhrend er prüfenden Auges die riesige Cchr betrachtete. „Ans eii: Fäßchi: Würzburger soll es nickt ankommen. Ich lade Erich samt und sonders ans diesen Abend zu einem fröhlich» Trunk in den „Wildcm Mann". Aber Ums hbt Ihr da für einen sremden Junker bei Euch?" fragte er hlblant, „sein Gesicht schint mir bekannt, aber er paßt nicht recht unter Eure wilden Knappen. Er scheint mir ans einem besseren Holze geschnitzt." „Stille. -Herr! cs ist Schinngglerumre. aber vortrefflich- Ich bitte Euch, nehmt ihn mit nur in Euer stattliches Hans ans, das wohl Platz haben Nur- für zwei tapfere T-egen. Zn Hanse sollt Ihr Bescheid über ihn erfahren, so lange bitte ich, Euch zu gedulden." „Wenn Ihr, Herr Ritter, für ihn bürgt, mcinetumgen, obwohl es in gegenwärtiger Zeit besser ist, wenn man genau Umiß, mit Umm man den Dechr leert znin Willkomm." „Nun aber zur Natsumge und dann nach Hanse!" gebot Hans Wild, der Kaufherr. Freunde und Bekannte grüßten und beglückwünschte» ihn, als er am Ende des Zuges zwischen dem Ritter von Horn und hm Unbekannten durch die Straßen ritt. Denn das glückliche Einbringen einer Uxntvollen Ladung in die Stadttore Umr für die Stadt ein ebenso freudiges Ereignis, wie fiir die Stadtbewohner die Heimkehr eines Schisses von dem Nordmeere. Und die Ladung, die hier eingebracht wurde, Umr besonders wertvoll; unter den mäch tigen Ballen lagen sorglich von Stroh umhüllte Dutzende von größeren und kleineren Fassen:; in zahlreichen gutverpackten Flasch» perlten außer den edelsten deutschen Weinen von: Rhin, von der Ndosel, vom Neckar und Main auch die köstlichen Ausländer! Der Reifall von Nivoglio, der französisch MuS- catek und Malvasin, der Osterwein ans Ungarn, die dunklen Weine von Ancona und Tarent und sogar der limltberühmte Eyperwein. Denn Ulm trmr zu jener Zeit der große Weinmarkt und von hier ans gingen die Fässer bis hinauf in das Ordensland Preußen und zu den fernsten Handelsstationen der Oststm. Ter Nebel beginnt allmählich zu iveichen rmd hie und da fällt ein Sonnenstrahl in die Gassen und spiegelt sich in den blanken Fenster sch iben oder auf hm glänzenden Harnisch eines Reisigen, der genessen und stolz das Gewinrmel der Marktleute sieht. Kräftige Mägde in sckA>eren Holzschnhen, die bcstm Lausen entsetzlich klappern, in kurzen Hemdärmeln, welch die gebräunten, muskulösen Arme freilassen, schreiten zum Brunnen und bleiben plcuckernd bei Bekannten und Freundinnen stehen, die die barsche Stimnre der Hauswirtin aus den: Fenster mahnt, daß es Zeit sei, das Morgengcspräch zu unterbrechen. »Vvauenhaß.* s«