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«r. SL. Donnerstag den LS. April 1V«8. 7. Jahrgang. Mchslsche DolksMng I Uo-bhil-Ms Tagtblatt für Wahrheit, Recht a. Freiheit I I^l äsii p- Kakao hantiert rein, leieiit löslich, pfunlt 35 pfgnnigv. höchster ßiährwert. Herling 8- stockstroh, vresclen. Verkaufsstellen ln allen 5tasiteilen. Nochmals die katholischen Krankenschwestern in Sachsen. Herr Landtagsabgeordneter Dr. Vogel sendet uns folgendes Schreiben: Dresden, 21. April 1908. An die Redaktion der „Sächsischen Volkszeitung", Dresden, Pillnitzer Straße 43. Dkm übersendet mir soeben von auswärts Nr. 81 Ihres Blattes vom 8. April 1908, die an der Spitze einen Leitartikel „Die katholischen Krankenschwestern in Sachsen" enthalt. Ohne mich im übrigen auf eine Auseinandersetzung über Ihre Ausführungen einlassen zu wollen, muß ich Sie doch auf Grund von § 11 des Preßgesetzes um die folgende Richtigstellung ersuchen: Sie schreiben in diesem! Leitartikel Absatz 3 wörtlich wie folgt: „Aber Herr Abgeordneter Vogel hat, wie es scheint, aus Unkenntnis der betreffenden gesetzlichen Bestim- mungen, den Absatz 2 des angezogenen 8 30 anzuführen vergessen. Dieser lautet: Nur reichsangehörige Mit glieder solcher Frauenkongregationcn, welche innerhalb des Deutschen Reiches ihre Niederlassung haben und sich aus- schließlich der Kranken- und Kinderpflege widmen, dürfen auch ferner als einzelne mit Genehmigung und unter Auf sicht der Staatsregierung ihre Ordenstätigkeit im Lande ausüben. Die Genehmigung ist jederzeit widerruflich. — Diese von dem Abgeordneten Vogel ausgelassene Anführung der Ausnahmen vom Gesetze läßt die Inter pellation in ganz anderem Lichte erscheinen ufw. usw." Dieser Darstellung gegenüber stelle ich fest, daß ich, wie sich aus dem offiziellen stenographischen Landtagsbe richte Nr. 94, Seite 2575, ergibt, 1. den von mir angeblich vergessenen oder ausgelassenen Absatz 2 von 8 30 des Landesgesetzes vom 23. August 1876 während meiner Rede vonr 6. April im Landtage selb st wörtlich verlesen habe, und daß ich 2. meine weiteren rechtlichen Ausführungen ge- rade auf die in diesem Absatz 2 enthaltene Bedingung, die in den Worten „als einzelne" liegt, begründet habe. Damit fallen Ihre iveiteren Schlußfolgerungen, die sich auf diese mir vorgeworfene angebliche Unterlassung stützen, in sich selbst zusammen. Hochachtungsvoll Dr. Vogel, Mitglied der Zweiten Kammer der Ständsversanrmlung im Königreiche Sachsen. ?lls wir die Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel und die dadurch hervorgerufene Debatte in der Zweiten Kammer des Landtages vom 6. April zum Gegenstände einer Besprechung am nächsten Tage, am 7. April, machten, geschah Lies auf Grund von Berichten der Dresdner Zei tungen. Der „Dresdner Anzeiger berichtete (Nr. 97 vom 7. April): „Abq. Dr. Vogel (natl.): Ich möchte hier eine Angeliken- beit zur Sprache bringen, an der weite Kreise unseres evangelischen Volkes em großes Interesse haben. § 66 Absatz 2 unserer Ver fassung lautet: ,ES dürfen weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten oder irgendein anderer geistlicher Orden jemals im Lande ausgenommen werden.' Ich verweise ferner auf das Gesetz vom 28. August 1876, da? das staatliche Aufilchtsrecht über die katholische Kirche betrifft und dessen 8 30 bestimmt, daß Mit glieder von geistlichen Orden auch einzeln ihre Tätigkeit im König reich nicht ansüben dürfen. Nun geht aber durch weite Kreise unseres evangelischen Volkes die Besorgnis, daß Wese Be stimmungen nicht mehr mit der Strenge gehandhabl werden usw.« Die „Dresdener Nachrichten" (Nr. 97 voin 7. April) aber berichten sogar: ,Abg. Dr. Vogel-Dresden (natl): Auf Grund der Ver fassung und zufolge landesgesetzlichcr Bestimmungen dürften in Sachsen weder neue Klöster errichtet, noch jemals irgendwelche geistliche Orden zugelassen werden: Mitglieder von Orden oder ordensmäßigen Kongregationen dürften auch als Einzelmit glieder ihre OrdcnStätigkcit nicht au Süden. In unserem evangelischen Volke herrsche nun die Auffassung, daß die angezogenen Bestimmungen nicht mehr mit der Gründlichkeit ge handhabl werden, um den evangelischen Charakter unseres Volkes zu erhalten.« Das „Dresdener Journal" und die „Dr. Neuesten Nachr." gehen auf diese Begründung der Interpellation des Herrn Abg. Dr. Vogel überhaupt nicht näher ein. Aus diesen uns am 7. d. M. vorliegenden Berichten über die betreffende Landtagsvcrhandlung schien cs unzwei- felhaft, daß Herr Abgeordneter Vogel den Absatz 2 des 8 30 des Oberaufsichtsgesetzes über die katholische Kirche vom 23. August 1876 nicht zitiert habe, und auf Grund dieser Quellen und unter der Voraussetzung ihrer Richtig keit schrieben wir: „Wer diese Begründung der Beschwerde des Abgeordneten gelesen hat, müßte ihm recht geben, und wir würden dann die Aufregung des Evangelischen Bundes über den ungesetzlichen Zustand wohl begreiflich finden. Aber Herr Abgeordneter Vogel hat, wie es scheint aus Un kenntnis der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen, den Abs. 2 des angezogenen 8 30 anzuführen vergessen." Auf den offiziellen Veehandlungsbericht, der am 10. April erschien, konnten tvir denn doch nicht warten, nachdem eine Ange legenheit von solchem Interesse für Katholiken und Probe- stauten in der Kammer besprochen worden lvar. (Anm. Wir würden dem Herrn Abgeordneten empfehlen, eine Kor rektur dieses offiziellen Berichtes zu verlangen, da er bei Wiedergabe seiner Rede (Seite 2575) ihn sagen läßt: „daß sich in Sachsen zur Zeit weit über 1000 katholische Schwestern befanden," — während Redner doch nur von „lveit über 100" sprach.) Auch müssen wir hier konstatie ren, daß Sir. 81 unserer Zeitung noch am Tage ihres Er scheinens per Post an die Adresse des Herrn Abgeordneten (Landtagsgebäude) abgesandt wurde. Da die Angelegenheit durch die Berichtigung nochmals zur Sprache gebracht worden ist, so wollen wir nickst er mangeln, noch einige Gedanken an die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel in der Kammer anzu- knüpfen. Den Schoerpunkt seiner Interpellation legt der Herr Abgeordnete auf die Worte des Gesetzesparagrapl)en, nach denen „reichsangehörige Mitglieder solcher Frauenkongre- gationen, Nnstch innerlialb des Deutschen Reiches ihre Nie derlassung haben und sich ausschließlich der Kranken- und Kinderpflege widmen, auch ferner alseinzelne mit Ge nehmigung und unter Aufsicht der Staatsregierung ihre Ordenstätigkeit im Lande ausüben dürfen". Er folgert daraus: Wohl sei einzelnen Schwestern die Ausübung der Ordenstäligkeit gestattet, aber sie dürfen k.ine „Nieder lassung" bilden; denn 8 26 des Gesetzes vom -1. Sept. 1831 verbietet die Errichtung neuer Klöster in Sachsen, auch die Aufnahme der Jesuiten oder Kgend eines anderen geist lichen Ordens im Lande. Es ist zunächst nicht richtig, wenn der Herr Abgeordnete von „Niederlassungen" spricht, statt korrekt den Ausdruck „Klöster" zu gebrauchen, wie es im Gesetze heißt. Tenn in dem Worte „Niederlassung" liegt noch nickst dasjenige, was das Gesetz verbieten wollte. Wenn die in derselben Stadt in der Krankenpflege tätigen Schwestern dasselbe Haus mieten, um zusammeiNvohnen zu tonnen, so ist das ein gemeinschaftliches Wohnen, aber noch keine „Niederlassung" oder gar ein Kloster im Sinne des Gesetzes. Und wenn einer Oberschwester die Ordnung und Leitung der zeitlichen und geistlichen Angelegenheiten der übrigen Schwestern übertragen wird, wenn diese über die Tätigkeit der Schwestern disponiert, sie einteilt und regelt, so ist das etwas Selbstverständliches, weil ohne Ordnung keine gedeihliche Tätigkeit sein kann und die Scklwestern neben ihrer Tätigkeit bei den Kranken, neben ihren Tag- und Nachtwachen nickst ihr Essen selbst kochen, ihre Wäsche ivaschen und plätten und ihre übrigen häuslichen Verrichtungen besorgen können. Eine solche häus liche „Niederlassung" ist auch im Sinne des Gesetzes gestattet, sobald einzelne Schwestern zur Ausübung ihrer Ordens tätigkeit, die in der Kranken- und Kinderpflege besteht, in Sachsen zugelassen werden. Das Zusammenwohnen ist ihnen gesetzlich nickst verboten. Ein Beweis für den gesetzmäßigen Zustand ist die Tat sache, daß in Dresden seit dem Jahre 1865 ein solches Zu- sammenwohnen besteht, also 11 Jahre vor der Zeit, als das oben zitierte staatliche Oberaussickstsgesetz beschlossen wurde. Wenn cs im 8 36 heißt, Mitglieder solcher Frauenkongrega- tionen dürfen auch „ferner als einzelne mit Genehmigung und unter Aufsicht der Staatsregierung ihre Ordenstätig keit im Lande ausüben" — so heißt das, daß der damals bestehende Zustand als nickst gegen 8 26 der Verfassung be stehend angesehen wurde. Aber damals bestanden bereits solche „Niederlassungen" und das Wörtchen „ferner" wurde vom Gesetzgeber gebraucht, um diesen Zustand als nicht un gesetzlich zu billigen. Das Ministerium hat gewiß nickst ermangelt, genau , Rats zu erholen, ob cs sich auch bei der bisher gebräuchlichen Auslegung des Gesetzes nickst im Widerspruche mit demsel ben befindet. Herr Abgeordneter Dr. Vogel wird als Na tionalliberaler selbst bestätigen müssen, daß die Argusaugen welche die Handhabung der kirchenpolitischeu Gesetze über- Nxichen, in den Kreisen der evangelischen Geistlichkeit sitzen. Er wird wohl am besten wissen, daß die nationalliberale Partei schließlich in jeder Session so einen kleinen Husa renritt machen müßte, wenn cs nach den Wünschen so man cher Geistlichen gehen möchte. Die in avnngaliem beauf tragten Minister werden sich daher gewiß genau vergewissert, auch die Ansicht der Herren im evangelisch-lutherischen Lau- deskonsistoriuni gehört haben, bevor sie die jetzige Praxis als gesetzmäßig ansahcn. Daß das Ministerium sich vorher genau informierte, sagte unS.Herr Abgeordneter Dr. Vogel selbst. Es holte zum Beispiel ein Rechtsgulachten des be kannten Kirchcurechtslehrers Geh. Rates Dr. Friedberg ein; dieser liält die Zustände als nickst gesetzwidrig. Wenn es auch gegenteilige Ansichten gibt, so liegt ihr Grund in der Desinierung der Begriffe „Niederlassung", „Anstalt" usw. Ein gemeinschaftliches Zusammenwohnen ist noch keine „Niederlassung" und muß sich erst reckst keineswegs mit dem Worte „Kloster" decken, wie wir oben schon an deuteten. Es kann im weiteren und engeren Sinne ge nommen werden. Im engeren Sinne nimmt es der Gesetzesparagraph, wo er von Frauenkongregationcn spricht. die ihre „Niederlassungen im Deutschen Reiche" haben. Im weiteren Sinne möchten wir es nicht einmal auf die rn einen: Hause zu sammenwohnen den katholischen Schwestern anwenden. , . ^ , Eine Ordensniederlassung, wie sie m wachsen gejetzuch verboten wäre, muß unbedingt den Charakter einer juristi schen Person haben. Der Orden als solcher müßte zum Bei- spiel für das Haus in der Käusferstraße zivilrechtlich Häu ser und Grundstücke besitzen oder erwerben und alle Rechts- gefchäfte erledigen können. Ta das Haus aber zivilrechtlich nicht Eigentun: der Grauen Schwestern ist, sondern der St. Josephstiftung, deren Verwaltung der Bischof über hat, kann von: juristischen Standpunkte aus von kemer Ordens niederlassung gesprochen werden. — Aber der Abgeordnete Dr. Vogel stößt sich an die Worte „Filiale der Kongos- gation der heiligen Elisabeth", wie sie im Adreßbruhe der Stadt Dresden zu lesen sind. Was soll damit ausgedrückt tverden? Nichts anderes als, das Haus beherbergt bestimmte Schwestern, die über Ansuchen der katholischen geistlichen Behörden vom Kultusnrinisterium Person für Person zur Ausübung der Krankenpflege in Sachsen zuge- lassen sind, Schwestern, die der Kongrogation der heiligen Elisabeth zugehören: das und nichts anderes soll das Wort „Filiale" besagen. Seit 26 Jahren besteht bereits das Haus in der Käusferstraße, wo die Schvestern gemeinschaftlich wohnen. Wie viele Wohltaten gingen von dort aus in die Familien ohne Unterschied der Konfession! Man fragt nicht, ob ein Christ oder ein Jude die Hilfe braucht, sondern pflegt den Kranken um Gottes Willen als einen Bruder, eine Schwester in Christo dein Herrn, der das große Wort gesprochen hat: „Was i,hr den Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan." Wir haben in unserem ersten Artikel (Nr. 81) die Frage nickst behandelt, wie verhalten sich die übrigen Bun desstaaten zu den Frauenkongregationen. M:t Ausnahme von Meckenburg-Schwerin und Braunschlveig sind sie überall zugelassen. Nur religiöser Fanatismus weist Wohltaten zu rück, weil sie aus der Hand eines Andersgläubigen kommen. Das ist auch der Grund, daß alle Petitionen der Katholiken um Zulassung barmherziger Schivestern in den beiden Bun desstaaten bisher abschlägig beschieden worden sind. Das Königreich Sachsen hat sich von dieser Engherzigkeit frei ge zeigt. Es läßt den 218 000 katholischen Einwohnern die Wohltat zukommen, in Krankheitsfällen katholische Kran kenschwestern zur Seite zu haben. Man hat ihnen bisher auch erlaubt, unter demselben Dache von den Beschwerden ihres hohen Berufes auszuruhen, zu wohnen und auch zu beten. Man hat ihnen gestattet, wenn sie den Strapazen erliegen, sich unter der Obhut ihrer Mitschivestern zu er holen und zu gesunden. Der Herr Kultusminister sagte in der Debatte: „Schließlich möchte ich als meinen Standpunkt in der Frage bemerken, daß die Königliche Staatsregierung, ins besondere das Kultusministerium, die ernste Pflicht hat, sorgsam darüber zu wachen, daß die Grenzlinien, die Ver fassung und Gesetze den Konfessionen gezogen haben, alle- zeit streng eingehakten werden. Daß dies natürlich in un- txwteiischer und gerechter Weise geschieht, indem man die Rechte auf der einen, wie auch der anderen Seite anerkennt, aber auch darauf hält, daß die Pflichten, die Gesetze und Verfassung jeder Konfession ziehen, eingehalten werden. Nur unter diesen streng umgrenzten Gesichtspunkten ist es möglich, den gewiß von allen Seiten gewünschten und — wie auch neulich hier von hervorragender Seite zum Aus drucke gekommen ist — bis jetzt erfreulicherweise bestande nen konfessionellen Frieden in unesrcn: Lande zu ivahreu natürlich nur unter Aufrecksterihaltung der Rechte und Pflichten einer jeden Konfession." Dieses schöne und treffende Wort des Herrn Kultus ministers ist stets die Richtschnur der katholisch-geistlichen Behörden gewesen und auch in der Frage der katholischen Krankenschwestern ist von dieser Seite nichts geschehen, Nvis im Widerspruche niit den: nun einmal vorhandenen gesetz lichen Bestimmungen steht. Wer will so grausam sein, daß den Schinestern für ihre Mülien und Opfer, die sie der Allgemeinheit, dem Vater land» und besonders den armen Kranken bringen, daß ihnen zun: Dank dafür auch das Heim geraubt wird, wo sie sich gleichsam zu Hause fühlen? Soll denn in Sachsen auf die katholischen Krankenschoestern Anwendung finden, :vas Christus von sich sagte: „Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat nickst, wo er sein -Haupt hinlegen kann"? Wenn der Etxmgelische Bund wachsam sein will, so möge er es gegen die vielen Sekten sein, die der Landeskirche Abbruch tun. er möge cs gegen die Christnsleugner sein, ivelche die Religion aus den: -Herzen des Volkes reißen, aber gegen unsere katho lischen Krankenschwestern bedarf es dieser Wachsamkeit nickst: denn nickst einmal den ArguSaugen des Evangelischen Bundes ist es nach eigenem Geständnis gelungen, eine Protestantische Familie ausfindig zu machen, in der sie Konvertierungsversuckx' angestellt ihaben und das seit 30 Jahren! Kultusminister Dr. Beck wird nach seinen Worten die armen Sckjwestern zu schützen wissen znm Segen der leidenden Menschen, denn sie atmen unter der Auflicht der Behörden nur jene Luft, betreiben nur jene „Ordens tätigkeit", auf die das Gesetz sie beschränkt. Herr Abge ordneter Dr. Vogel kann darüber beruhigt sein. W.