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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020728018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902072801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-07
- Tag 1902-07-28
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Monat
1902-07
-
Jahr
1902
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Literatur der Kunst widmen wollen. Die Leitung dieser Elaste ist Louis Ellson, dem Musikredacteur deS „Boston Daily Advertiser", übertragen worden. Die Schüler, die in diele Elaste einlreten wollen, müssen sich vorher einem Examen in der Musiktheorie und Len Anfangsgründen der Orchestration unterziehen, (Hoffentlich macht diese Schule nicht Schule in deutsche» Landen. Die Sied.) Wissenschaft. * Einer vom „Reichsanzeiger" veröffentlichten Bekanntmachung des preußischen CultuSministerS zufolge schrieb der Magistrat der Stadt Barcelona einen Preis von 20000 Pesetas für da beste Originalwerk über spanische Archäologie aus. Zugelassen werden handschristliche oder gedruckte Arbeiten spanischer wie aus ländischer Autoren in lateinischer, kastilianischer, katatonischer, sran- zösischer, italienischer oder portugiesischer Sprache. Die Bewerbungs arbeiten sind bis zum 23. October 1906 auf dem Sekretariat des Magistrats von Barcelona abzugeben. Näheres theilt der CultuS- Ulinlster auf schriftliche Anfrage mit. Bildende Künste. Tel Becchio'S Kunstausstellung. Der bekannte Landschafter Otto Leu, der eine Reihe von Jahren auch der hiesigen Künstlergemeinde angehörte und jetzt sein Domicil in München aufgeschlagen hat, bietet zur Zeit bei Del Vecchio eine Collecttv - Ausstellung von Oelgemäl- den und Aquarellen, deren Motive italienischen Ursprungs, zumeist von Nervi und dessen Umgebung entnommen sind. Leu's Arbeiten, die er jetzt ausgestellt hat, sind unmittelbar von der Natur entstanden uud obgleich man ihnen den Studiencharakler ansieht, fällt eS Loch angenehm ins Auge, daß bei jeder einzelnen Darstellung das in sich abgeschloffene Bild aus dem gewählten Naturmotiv klar herauS- gelöst ist. Hat Leu von vornherein fein Augenmerk auf eine sein abgewogene Bertheilung der Massen und möglichst prägnante und abgerundete Linienführung gelegt, so hat er es andererseits nicht verabsäumt, auch den Stimmungsgehalt zu wirk samer uud in farbenfrischer Wiedergabe zur Geltung zu bringen. Sein sicheres malerisches Erfassen, daS jede seiner Darstellungen interessant zu gestalten weist, tritt besonders stark hervor in der „Mvrgenstilnmung bei Nervi", wo die Sonne noch unter dem Horizont steht und über der düsteren Meeresfläche nur einzelne Licht- streifen die übereinander gcthürmten Wolkengebilde durchbrechen. Ferner erscheinen in kräftiger farbenreicher Wiedergabe eine „Wellen- sludie bei Nervi", „Sonnenglanz aus dem Meere bei Nervi", „Ge- witterstimmung bei Nervi", „San Ampeglio bei Bordighera", San Frutuoso", „Capoluugo", „Bia Roma in Bordighera" und „Eamogli bei Genua". Adalbert Wex-Münchrn ist mit einem schönen poesievollen „Abend im Chiemjeemoor bei Uebersee" vertreten, deren weiche elegische Stimmung den dortigen Naturcharakter treffend wider spiegelt. Ansprechende Naturschilderungen bieten weiter noch N. von Astudin-München mit Motiven aus Rothenburg und Capri und N. Tvkcz-Müuchen mit einer „Bauernhütte an der Oder". Ernst Kiesling. Vermischtes. — Schlösser i» Frankreich. Sehr interessant ist, nach der „Bvssischen Zeitung", das jetzt zum fünfzehnten Male erschienene Jahrbuch der Schlösser s^nnuairo cko? ObL- ttzawx), ein Verzeichnis; der 40 000 Schlösser Frank reichs nach den Namen ihrer Besitzer in alphabetischer Reihe, dann nach den Ortschaften und Departements. Bei 4—5000 Schlössern sind geschichtliche Angaben zugefügt, 250 Schlösser sind in guten Stichen dargestellt. Aus diesem Buche erfahren wir, daß es mehrere Hundert altadeliger Familien gicbt, die noch immer das Schloß bewohnen, dessen Namen sic tragen. Familien, die ihr angestammtes Schlvßgut bewohnen, zahlen nach Tausenden. Wohl die Hälfte der Schlvßbcsitzer gehört dem Adel an. Aber noch lange nicht die Hälfte hat zugleich ein Haus oder ein Palais in Paris. Andernfalls müßte „T'out - l?aris" nicht 35 000, sondern doppelt so viel Namen aufweisen. Manche Schloß besitzer, selbst sehr reiche, halten noch stark an ihrer Heimaly fest und haben eine zweite Wohnung in der Hauptstadt der Provinz oder des Departements. Das Schloßlcbcn ist sehr conservativ. Giebt es doch noch Schlösser, selbst in der Um gegend von Paris, deren innere Einrichtung so erhalten geblieben ist, wie sie vor der Revolution gewesen war. Die kunstvollen, alten Möbel, Spiegel, Bilder, Kunstsachen, Teppiche, Vorhänge haben Stand gehalten, trotz den zahl, losen Händlern, die fortwährend das ganze Land ablaufen und sehr hohe Preise für dergleichen bieten. Es giebt Schlößer, die auf römischer Grundlage erbaut sind, andere, die nachweislich in der Karolingerzeit schon bestanden haben. Schlösser aus der Blüthezcit der Gothil fehlen auch nicht. Selbst alte Burgen gicbt es noch, auch wenn sie meist im Innern verjüngt und durch neuere Arbeiten erweitert wurden. Tie wegen ihrer Schönheit und Größe berühmten alten Schlösser gehören meist dem l6. und 17. Jahrhundert an. Gerade von diesen sind mehrere der berühmtesten (Chambord, Amboise, Blois, Chenonceaux u. s. w.) gar nicht bewohnt, haben überhaupt seit ihrem Baue die meiste Zeit leer gestanden. Besondere Eigenthumsverhültnisse sind gewöhnlich daran schuld, dann sind viele dieser Schlösser auch zu groß nnd entsprechen den heutigen Anforderungen zu wenig. Im Allgemeinen werden „geschichtliche Schlösser" sehr von Käufern gesucht, welche ihren Reichthum in alte Erinnerungen einfasscn wollen. Große Landgüter gehören nicht immer zu einem Schloß, da der Besitzer sich ja Jagden in der Umgegend pachten kann. Die Jagd ist immer ein Anreiz, sich ein Schlvßgut anzuschaffcn. Zur Jagdzeit kommen auch die meisten Gäste, für die manche Schlösser bis 40, selbst 60 Schlafzimmer bercithalten. Der Jagd halber werden auch die Wälder sehr gepflegt, die Schloß- güter mit Hecken, Holz- oder Drahtzäuncn, selbst Mauern umgeben. Frankreich ist ja nicht umsonst in doppeltem Sinne ein steinreiches Land. Der Reichthum an Steinen hat nicht wenig zur hohen Ausbildung der französischen Baukunst bcigctragen. Viele Schlösser, besonders im Westen, sind das ganze Jahr bewohnt, die Besitzer halten sich keine Wohnnug in der Stabt. Das eigentliche Schloß- keven, mit zahlreichen Gästen, allen möglichen geselligen Unterhaltungen, künstlerischen Genüssen, beginnt sonst ge wöhnlich nicht vor Juli. Der Juni bringt den großen Rennprets, den Gipfelpunkt des weltstädtischen Lebens, nach welchem ein zu „iout-karis" gehöriger Pariser auf sein Schloß oder wenigstens Landhäuöchen ziehen muß. Die wenigsten Schlößer finden sich tm Norden und Osten, die meisten tm Westen von Pari-. In der Bretagne stnden sich gewöhnlich mehrere, selbst 15 und 20 Schlößer in einer Gemeinde, während in der Champagne etwa 100 auf ein Departement kommen. — Ei« gefahrvoller Honigmond. Eine neue Methode, die Flitterwochen zu verbringen, haben Mr. und MrS. Bradley aus Neuschottland gewählt. Sie fuhren in einem kleinen, mit einem Deck versehenen Segelboot über den Atlantischen Ocean und kamen dieser Tage wohlbehalten in Plymouth an. Während eines Theiles der Reise hatten sie schlechtes Wetter, aber das kleine Schiff hat sich trefflich bewährt, wie Mr. Bradley bei seiner Landung versicherte. Das kühne Segler-Ehepaar begab sich weiter nach Ant werpen. — Ueber daS Brigavtenthum i« der Türkei gicbt fol- gendcs Vorkvmmniß wieder ein böses Bild: In oer Nähe der türkischen Grenzstadt Jantna sind mehrere Kinder rumänischer Ellern von bulgarisch-makedonischen Brigan- ten geraubt und in die Berge geschleppt worden. Nach den an die rumänische Regierung gelangten Berichten wurden fünf Zöglinge der rumänischen Handels schule von Janina auf der Rückkehr auS der Schule in ihr Heimathsdvrs Lamarina von 25 bewaffneten bulga rischen Banditen überfallen und behufs Erpressung eines Lösegeldes als Geiseln fortgeschleppt. Nachdem sich die Räuber überzeugt hatten, daß einer unter ihren kleinen Gefangenen der Sohn armer Eltern sei, wurde er wieder fretgelasien, während von den Eltern der übrigen vier Gefangenen ein Lösegeld von 50 000 Frcs. verlangt wird. Da cS sich in diesem Falle um die Kinder türkischer Staats angehöriger handelt, so kann, nach dem „Pester Lloyd", die rumänische Regierung in dieser Angelegenheit nichts thun. Zwar wurde der Kinderraub sofort zur Kenntniß der türkischen Behörden gebracht, und hat auch der Vali von Janina militärische Streifungen behufs Ausfindigmachung deS Schlupfwinkels der Banditen angcordnet; doch werden letztere aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso erfolglos bleiben, wie die anläßlich der Entführung der Missionärin Miß Stone seitens der türkischen Civtl- und Militärbehör den eingelcitcten Recherchen. Gleichzeitig mit dem in Rede stehenden Kinderraub wird auch das Verschwinden eines Lehrers und zweier Schüler der rumänischen Volksschule zu Janina gemeldet, und die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, daß auch diese Vermißten in die Hände der vorläufig nur Räubereien, Morde, Brandlegungen und Erpressungen verübenden bulgarisch-makedonischen Freiheitskämpfer gefallen sind. Nm einer Wiederkehr der für die beiden Nachbarstaaten gleich unangenehmen und gewöhnlich blutig verlaufenden Conflicte an der rumä nisch-bulgarischen Dobrudschagrenze nach Thunlichkeit vorzubeugen, ist eine Vereinbarung getroffen worden, der zufolge die nächste Umgebung der bisher vielfach durch waldiges Terrain führenden Grenze bis auf eine Breite von zwei Kilometern abgeholzt und die inmitten dieser waldlosen Zone sich hinziehende Gemarkungslinie der beiden Nachbarstaaten durch eine Reihe schon aus weiter Entfernung sichtbarer Erdhügel kenntlich gemacht werden soll. Um zu verhindern, daß die Bewohner der Grenz dörfer eine und dieselbe theilweise über rumänisches, theil- iveise über bulgarisches Gebiet führende Straße benutzen müssen, wird sowohl auf rumänischem wie auch auf bul garischem Territorium je eine längs der Grenze sich dahin ziehende Straße angelegt werben. — Die Bevölkerung von Formosa scheint unter der neuen, japanischen Negierung allmählich abendlichen Sitten und Gebrltuchen zugänglich werden zu wollen. Dahin gehört z. B. die Abschaffung deö Zopfes, der sich während dreier Jahrhunderte auf der Insel erhalten hatte. Die Verbreitung der neuen Sitte scheint gerade darum ge sichert zu sein, weil die besten Kreise sich ihr unterwerfen und so das Beispiel zur Nachahmung geben. Wie sehr es noth thut, der Civtlifation auf Formosa breitere Bahnen zu schaffen, mag auch aus einem in der dortigen Hosan- Provinz vorgekommcnen Mordfalle ersichtlich sein. Zwei Eingeborene waren angeklagt, einen Polizisten erstochen zu haben. Die Mörder gestanden ihre Thar zu, entschul digten sich aber damit, „nicht aus schlechter Absicht, sondern aus reinem Spaße gehandelt zu haben". Während sie auf der Landstraße einer Rast pflegten, sahen sie den Polizisten auf sich zukommen, nnd cs reifte in ihnen nach kurzer Ueberlegung der Entschluß, den Mann zu tödten. Nicht, daß sie ihn berauben wollten, nur auf sein Leben hatten sie es abgesehen. Während der chinesischen Herr schaft auf der Insel habe es als eine gute That gegolten, einen „Hakka" (Polizisten) zu ermorden, und es war ihnen unbegreiflich, daß die japanischen Beamten anderer An sicht sein könnten. Befragt, ob sie ihre That bedauerten, antworteten die beiden Angeklagten, daß dies nicht der Fall sei, daß sie sich eher glücklich darüber fühlten. Der Richter ließ die beiden Mörder, ungeachtet der vorge brachten Einwände, streng bestrafen, um für die Bevölke rung ein Exempel zu statuiren. — Amerikanisch. Ein Correspondcnt der „Westminster Gazette" schickt folgende amüsante Momentaufnahme aus dem amerikanischen Cvngreß: Sowie die Vertagung -es Hauses ausgesprochen war, begann Mr. Tawney auS Minnesota zu singen: Oountr^, 'tis ok Uwe", und alle anderen Abgeordneten fielen ein. Als der Blick des selben Chorführers auf den „Sprecher" fiel, lief er durch den Saal auf ihn zu und sang dabei: „lor üe's a z'oU^ tsoock kellov". Auch dieser einfache Gesang fand ein herz liches Echo, und jeder Abgeordnete inarschirte am „Sprecher" vorbei und schüttelte ihm zu dieser Musik die Hand. Die nächsten Nummern des Jmpromptü-Pro- grammeS waren: „Olci Llacic ^os", ,,'1'üvro'» a ilolo in tim vottom ok tks 8oa", „Xulä I^ang L^ne", „Eocni- -lizkt, I^aciies". Dann rief man die übliche Formel: Was ist mit Henderson (Name des Sprechers) los? Er ist all ritlüt". In diesem Augenblicke sprangen die Journa listen auf und sangen: „Preiset Gott, von dem aller Segen kommt." Das wurde auSgelegt als ein Ausdruck der Dankbarkeit über den Schluß der Session und von den Abgeordneten warm applaudtrt, die mit ihren Händen zur Tribüne htnaufwinkten und riefen: „Adieu Jungens." Ein baumlanger Texas-Journalist lehnte sich über die Ballustrade und rief seinen Freunden im Saale drunten zu: „Nun aber hinaus." Der Rath wurde befolgt, und so schloß die erste Session des 57. Cvngresses der Vereinigten Staaten, Lücherbesprechungen. Bei der hervorragenden Stellung, welche Deutschland im Welt handel errungen hat und deren fortgesetzter Bedrohung durch Eng- land, Amerika und andere, ist eS für jeden Deutschen von besonderem Interesse, sich über Wesen, Ausdehnung und Rechtsverhältnisse des Handels und seine vielfachen Einflüsse auf daS Leben unseres Volkes zu unterrichten. Dazu bietet die Neue Revidirte Jubiläums- Ausgabe von Brockhaus' Converfations-Lexikon, von der uns soeben der achte Band zugeht, die beste Gelegenheit. Dem Artikel „Handel" und den sich darau anschließenden Stichworten sind nicht weniger als 30 Seiten gewidmet. Natürlich kommen dabei auch die Handelsverträge zur Sprache, und der neue Brockhaus giebt eine bankenSwerthe Ucbersicht über den gegenwärtigen Stand der Ver- tragsbeziehungen des deutschen Reiches. Auch mit diesem neuen Bunde, der wie seine Vorgänger mit künstlerischen farbenreichen Tafeln, genauen, übersichtlichen bunten Karten und Plänen und mit instructiven Holzschnitttaseln auSgestattet ist, legt der neue BrockhauS alle Ehre ein. Das neckische Alphabet würfelt natürlich wieder eine Menge von Artikeln zusammen, die untereinander nur durch den gleichen Anfangsbuchstaben verwandt sind, die aber beweisen, daß das Werk auf allen Gebieten seinen Vorrang behauptet. Bis in die neueste Gegenwart sortgesührt sind die großen Artikel Großbritannien, Griechenland u. s. w. Ihnen reiht sich ein ausführlicher Artikel über unseren stolzen Seehafen, den größten Les Continents, Hamburg, an, ausgestattet mit einem ganz neuen, großen Stadtplan und einer Karte der Umgebung. Ueberhaupt kann der Apparat an Karten und Plänen als unübertrefflich be zeichnet werden. Ausgezeichnete biographische Artikel sind die über Goethe, Gustav Adolf, Habsburg mit vier Stammbaum-Tafeln, in denen die ganze Entwickelung des weitverzweigten Geschlechts über sichtlich Largestellt wird. Auch finden sich Artikel über Persönlich keiten, die man in anderen Werken dieser Art vergeblich gesucht haben dürste, wie den Socialpolitiker Göhre, den russischen Dichter Gorkij, den Maler Otto Greiner u. s. w. Vorzüglich sind dann die technischen Artikel, z. B. über Heizung, Heizmaterialien, oder über Heißlustmaschinen, Hemmräder u. s. w. Ein besonderes Interesse beansprucht der Artikel über Heerwesen, dem eine treffliche Karte beigegeben ist» welche die Garnisonen der Infanterie, Artillerie, Cavallerie u. f. w. aller europäischen Staaten zeigt und dadurch rin Bild deS bewaffneten Friedens giebt. Die gewaltigen Rüstungen der Hauptstaaten werden dadurch erst recht verständlich. Daneben ist der Artikel „Handfeuerwaffen" zu erwähnen, welcher eine vorzügliche Uebersicht über die Bestrebungen der Großmächte bietet, sich die beste Handfeuerwaffe zu sichern. Alles in Allem ist der achte Band in jeder Hinficht so trefflich gerathen, wie seine Vorgänger, und ist eine besondere Freude zu constatiren, daß nun schon die Hälfte dieses Monumentalwerkes, welches in keiner deutschen Familie fehlen sollte, vorliegt. * * * Viktor Blüthgen: Gedichte. Neue, vermehrte Ausgabe. Berlin, G. Grote'iche Verlagsbuchhandlung 1901. Victor Blüthgen ist ein gewandter Poet, der die verschiedensten dichterischen Formen beherrscht. Die neue vermehrte Ausgabe seiner Gedichte beweist dies zur Genüge; der freie Fluß und Guß seiner Gedichte wird nirgends durch Schwierigkeiten gehemmt und getrübt. Die Samm lung enthält Liebesgedichte und Stimmungsbilder, die oft sehr an- muthend sind: Durch den Tanz der Nbendschatten Treib' ich meinen Kahn zu Lande, Wo die weißen Wasserlilien Wachsen an des Teiches Rande. AuS des Schilfes grünen Netzen Weiße Arme schüchtern blinken, In das weiße Netz der Arme Darf der frohe Schiffer sinken. Worte stocken, Herzen beben, Schmachtend senken Blick in Blick sich, In dem regungslosen Wasser Spiegelt stumm ein junges Glück sich. In den ersten Abschnitten: „Um Liebe", „Luise", „Kläre", „Jahreslrben", herrscht die gefällige Form der leichten Lieder dichtung vor; man kann vielen Liedern eine gelungene Stimmungs malerei nachrühmen. In dem großen Abschnitt: „Bilder und Klänge" werden die verschiedensten Tonarten der Lyrik angeschlagen. Fürst Bismarck wird in Terzinen gefeiert; die Schlußverje lauten: Wie jetzt der Himmel wechselt trüb und klar, ES treibt, es blüht und alle Kräfte weben. Erbab'ner Fürst, nimm unfern Glückwunsch dar, Unsterblichster von Allen, welche leben! DaS Gedicht „Psalm" hat biblischen Schwung; in gleichen reim losen freien Rhythmen ist die „Sylvesterphantasie" gehalten; das größere Gedicht „Lilith", das die Schicksale des furchtbaren, un- leligen Nachtweibes verkündet, ist das einzige Gedicht der Samm lung, das einen mehr epischen Zug hat. Eigentliche Balladen fehlen; auch der liebenswürdige Kinderfreund und Märchenerzähler ergreift nur selten das Wort. Dafür enthält die Samnilung einige wohl gelungene Humoresken „Der Fürst von Jlili" erinnert rin wenig an Brranger, würde sich auch für jedes Ueberbrettl eignen. „Back- fischchen" ist ein ganz niedliches Gedicht; „Der bekannte Schelm" feiert den Amor ohne ollen mythologischen Brleuchtungsapparat. Tas beste humoristische Gedicht ist „Ausverkauf", die zwei ersten Strophen lauten: Kleiner mit dem Schelmengrübchen Und den Flüglein weiß wie Schnee! Zeit zur Trennung ist'S, mein Liebchen, Und wir sagen uns Ade! Akter schickt mir schon Gespenster, Tas Geschäft, ich geb' es auf, Häng' den Zettel noch an's Fenster Mit der Meldung: Ausverkauf! Fest entschlossen, um zu räumen. Geb' den Ramsch ich billigst fort, Diesen Rest von süßen Träumen Und die Hochgefühle dort. Malte Bltcke, heiße Schwüre, Das erlebte Ungemach. Tausend Schmerzen — bei der Thüre Stehn zwei Ballen Weh und Ach! DaS Gedicht schließt mit der neueren Wendung: Wir sind jetzt getrennt, mein Lieber, Dabei bleibt's: ich biu kein Thor. Aber kommst Du just vorüber, Weißt Du — sprich doch manchmal vor! s Neuheiten aus dem Verlage von Ern st Keil'- Nach- foger in Leipzig. Tie Gewitter-Tante, eine amüsante Hciralhsgeschichtc von Heinz von Hcmskcrk, illuslrirt von F. v o n R e z n i c e k, Preis 1 Amüsant ist diese Ge schichte wirklich, obtvohl die ins Rohe carrikirte Titelfigur einen nur peinlichen Eindruck erweckt. Um so lustiger sind aber die Anderen gestaltet; insbesondere der dicke Onkel Florian wirkt zwingend auf das Zwerchfell des Lesers ein. Die komische Wirkung der Figurenzcichnnng wird noch verstärkt durch drollige Züge, die den mannigfachen Eigcnthümlichkeiten des Hollän dischen Lebens und der holländischen Sprache entnommen sind. Tie Oieschichte spielt im Haag und gicbt so dem Verfasser, dessen Name auf holländische Abkunft hindcutct, Gelegenheit, seine Kenntniß von Land und Leuten zu verlvcrthen. Bemerkens werth ist die Anschaulichkeit seiner Darstellung; man glaubt sie alle leibhaftig vor sich zu sehen, die anmuthigc Christine, die neckische Jo, die männcrjagende Kitty und ganz besonders den dicken „Floh", dieses Urbild seelischen und körperlichen Be hagens. Merkwürdiger Weise hat sich Hcmskcrk die Pointe der Geschichte, die Schilderung von Kitty's endlichem Sieg über ihren hcirathsunlustigen „Floh" entgehen lassen; das Ganze wirkt dadurch etwas abgehackt. Doch lustig immerhin und der Humor des Textes wird reizvoll durch die ergötzlichen Illustrationen ergänzt. — Margherita, Novelle von A n n a Ritter, illnsrrirt von NichardMahn, Preis 1 Die geniale Lyrikerin erweist sich auch auf dem Gebiete der Novelle als ein hervorragendes Talent. Ihre „Margherita" kann hin sichtlich des Reichthums an packenden Motiven als kleiner Roman betrachtet werden. Tic Schuld der Eltern, die sich furchtbar an dem Kinde rächt: die Untreue des leichtlebigen Künstlers, dessen schnell erwachende Leidenschaft für das schöne Mädchen ebenso schnell wieder verlöscht, während dieses in ihm ihr ganzes Leben sicht, und schließlich der heißblütige Bursche aus dem Volke, der die Geliebte eher in den Armen des Todes als in denen des Nebenbuhlers sehen will — das sind Alles Figuren und Gescheh nisse, die in breiter Ausführung wohl ein umfangreicheres Werk hätten füllen können. Doch Anna Ritter bevorzugt eine knappe, mit wenigen feinen Strichen nur charaktcrisirende Dar stellung. Mit feinster Oekonomic vermeidet sie grelle Farben und anatomische Zergliederung, dabei jedoch dem Colorit eine Wärme verleihend, die alles Geschilderte fühlbar werden läßt. Die lyrische Dichterin verleugnet sich eben auch nicht in der Novellistin, aber diese eigene Prägung ihrer Prosa ist gleich wohl nicht weichlich und marklos. — Tannhäuser, Novelle von Hans Olden, illnstrirt von E. Heilcmann. Preis 1 -/k. Der Verfasser hat sich's sehr leicht gemacht. Er übertrug ein fach das Tannhäuser-Libretto Wagncr's ins Moderne. Was er damit bezweckt, ist mir unerfindlich. Denn das einzige Motiv, das eine solche Anleihe erklärlich oder entschuldbar macht: die Erörterung der von dem Wechsel der Zeilen be dingten Veränderungen in den Anschauung n, hat Olden ganz außer Acht gelassen. Darum ist wohl die Frage berechtigt: was soll diese armselige Copic eines weltberühmten Meister werkes? HI. Sturm und Ruhe. Gedichte von Emmy Destinn. Berlin 1902. Verlag von Carl Duncker. Diese Gedichte sind meistens kurzathmig, sellen über zwei Strophen hinausgehend. Solche kurzen Gedichte müssen eine Pointe haben; bei vielen ist sie vorhanden, bei anderen kommt ein unklarer Gedankengang nicht zu vollem Austrag. Der erste Abschnitt „Verklungene Lieder" spielt in der Rococozeit: diese kulturhistorischen Genrebilder erinnern bisweilen an Gaudy's Gedichte, bisweilen an Capitel aus den Romanen von Wilhem Jensen. Tie Liebesabenteuer ungetreuer Marquisen werden besungen. Tas erste Gedicht „Mitternachtsspuk" drückt mit vieler Prägung die Grundstimniung dieser Rococoliebschaften aus: Nachts sah ich sie kommen, Wie in alten Sagen, Wenn die Glockenthurmuhr Zwölf hat ausgeschlagen. Junge Cavaliere, Schlank geziert die Schönen, Horch! ÄuS naher Laube Lockt'S in süßen Tönen. Tief im Parkesdunkel, Wo die Bäume schweigen, Grinst der kluge Satyr ' Zu dem selt'nen Reigen. Bei dem Gedicht „Biedermännerzeit": Süße Lotte, kleine Lotte, Weißt du's noch — steht die Jahreszahl 1840 als Zeitbestimmung angegeben. Das ist aber ein chronologischer Jrrthum — damals war die Biedermännerzeit längst vorüber. Darauf folgt der Abschnitt: „Frauenliebe"; der fahrende Sänger singt uns dreißig Lieder vor. Warum die Dichterinnen ihre Muse zum Sprachrohr für die Liebesgesühle der Männer machen, ist uns unerfindlich: die Männer besorgen dies schon selbst und sie verstehen sich besser darauf. Die andern Ab- fchnitte: „Sommernächte", „Lieder", „Worte" enthalten einige Ueberietzungen musikalischer Compositionen ins Poetische, Liebes lieder, Stimmungsbilder, humoristisch eingekleidete Gedichte mit bitterer Heine'icher Pointe; „ein Ringelblasen": Oft in des AbenddunkelS weichen Ketten, Wenn niedersinkt die Nacht so mild und lau, Da rauchen sie wohl zwanzig Cigaretten Bei Ihrer schlanken, blonden, hübschen Frau. lebigen jungen Mann Verdacht gehabt; doch er hatte schnell sein Alibi Nachweisen können, denn er war von »1/2 Uhr Abends bis spät in die Nacht hinein im Victoria- Clüb zu Chicago gewesen. Da er der Hauptzeuge war, so schenkte ihm das Publicum große Aufmerksamkeit. An einen der Gerichts-Documcntcnschränkc gelehnt, war er gerade im Begriff, einem sich eifrig Notizen machenden Journalisten einige neue Aufklärungen zu geben. Zuletzt wurde der Mörder von zwei Polizisten herein geführt. Es ging das Gerücht, daß er mit größter Energie sich für unschuldig erklärt, und als man seine von Sorgen gebeugte Gestalt und sein leidendes Gesicht sah, konnte man ihm auch nur schwer ein so furchtbares Verbrechen zutraucn. Nun erhob sich der Richter und eröffnete die Verhand lung mit den gewöhnlichen einleitenden Bemerkungen, «vorauf der öffentliche Ankläger das Wort ergriff. Aktor — so heißt der Vertreter der Anklage — war ein junger Mann, der klar und zuversichtlich sprach und von der Schuld des Angeklagten völlig überzeugt war. Er zeigte, wie der Angeklagte zu dem Postdtrector ge- kommen mar, um ihn für seinen Sohn um ein Darlehen von 4000 Dollars zu bitten. Uebrigens hatte der An geklagte kein Gcständniß abgelegt, sondern erklärt, das Pvstburcau nm 8A Uhr verlassen zu haben, was doch Niemand beweisen könnte. Dagegen war er — wie fest, gestellt worden — mehrere Stunden später nach Hause gekommen. Man konnte sich deshalb den Verlauf der Sache recht wohl denken. Aktor vermuthcte, der Post- director hätte sich geweigert, das Darlehen herzugeben, und Morray, der nun das letzte Mittel schwinden sah, hatte beschlossen, den Postdirectvr zu ermorden und sich den Inhalt des Geldschrankes anzueignen. Er hatte seinem Opfer den Dolch in die Schläfe gejagt, gerade als Thompson das Schlußsignal nach Chicago gegeben, hatte sich darauf kaltblütig entfernt und seine Beute bis auf die 4000 Dollars, die bei seiner Verhaftung in seinem Besitz vorgefunden wurden, versteckt. Aktor schloß mit -er Auf forderung an die Geschworenen, den Angeklagten für schuldig zu erklären. Darauf begann das Zeugenverhör. Tie erste Zeugin war Mrs. Fuller, welche erklärte, Morray wäre am Mordabend sehr spät nach Hause gekommen und hätte am nächsten Morgen zu ihr gesagt, der Postdtrector hätte ihm 4000 Dollars geliehen. Uebrigens erklärte die Zeugin, sie glaube nicht an die Schuld des Angeklagten. Darauf kam der Hauptzeuge Williams, welcher be hauptete, der Postdtrector wäre, als er das Bureau ver lassen, mit Herrn Morray allein geblieben. Der Mord, meinte er, könne sich nur so abgespielt haben, wie Aktor es geschildert hatte. Auf der Hauptstatton zu Chicago hatte man ja das Schlußzeichen wie gewöhnlich bekommen, also mußte die Unthat zwischen 0 und Z/zIO Uhr begangen worden sein; denn später pflegte der Postdtrector das Bureau nie zu verlassen. Der Vertheidtger erhebt sich und bittet den Präsi denten, er möchte dem Zeugen gestatten, doch einmal zu zeigen, wie das Schlußzeichen gegeben werbe. Es werden zu diesem Zweck zwei mit einem Telegraphendraht ver- bundene Apparate im GerichtSsaal aufgestellt. Williams tritt an den einen und schreibt das Schlußzeichen. Gleich, zeitig hört man den Anker des anderen Apparates schnarrend die Worte niederschreibcn. Nachdem noch mehrere andere Zeugen ihre Aussagen abgegeben haben, erhält der Vertheidtger, der berühmte Advocat Mr. Conning, das Wort. Er ist ein echter Uankeetypus mit .Kinnbart und buschigem Haar. Er spricht laut und deutlich, und nicht ein Wort entgeht der gespannten Aufmerksamkeit der Zuhörer, denn er wendet sich mit überzeugender Kraft an die Jury und zeigt, wie das ganze Vorleben des Angeklagten für seine Unschuld spricht. Der Vertheidtger hat selbst einige Nach forschungen angestelit, thcils unter dem Personal des Post bureaus, thetls in Betreff der Telegraphenschrift, die zwischen Chicago und Hedsom City zur Verwendung ge langt. Er ist hinsichtlich der letzteren zu dem Resultat gelangt, daß die Telegraphisten höchst verschieden schreiben. So war Director Thompson wegen seiner großen nnd langsamen Schrift bekannt. Die Telegraphen schrift besteht bekanntlich auS Strichen und Punkten in verschiedenen Zusammenstellungen. Mit den nöthigen Messungen hatte er fcstgestellt, daß die Striche in der Schrift des Postdirectorö 9,26 Millimeter betrugen und die Puncte 3,54. Im Schlußzeichen des Mordabcnds da. gegen hatten die Striche nur 4,31 Millimeter gemessen und die Puncte nur 1,74, was darauf schließen ließ, daß Thompson daS Schlußzeichen nicht selbst gegeben hatte. Es war schwer, durch Vergleichung der verschiedenen Schrift festzustellen, wer das Zeichen gegeben hatte, da eine so eigenthümltche Schrift wie die des Directors nur selten vorkam. Er hatte indessen den anwesenden Mathe- matiker Mr. Sheaps gebeten, eine Messung der Zeichen vorzunchmen, die Mr. Williams eben niedergcschrieben. Mr. Sheaps war zu dem merkwürdigen Resultat ge- kommen, daß die Striche in Mr. Williams' Schrift genau . . . In diesem Augenblick entstand ein heftiger Lärm am Ausgang des Saales. Williams war mit einem Latz über die Zeugenschranke gesprungen und nach der Flurthür im Hintergründe gestürzt. Auf der zum Gerichtssaal führenden Treppe waren indessen zwei andere Polizisten posttrt. Sie warfen sich auf ihn und Überwältigten ihn nach heftigem Kampf. Als Williams von Neuem in den Saal geführt wurde, bekam sein Gesicht einen Ausdruck grenzenloser Angst, als er die Erregung der Zuhörer wahruahm. Alle hatten sich erhoben, die Spannung hatte ihren Höhepunkt erreicht. Nur der Vertheidtger ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ter wirkliche Mörder hat ein unzweideutiges Gc- ständniß abgelegt" fuhr er fort. „Williams' Schrift paßt genau zu dem Schlußzeichen des Mordabends. Er und kein Anderer hat das grauenhafte Verbrechen begangen, dessen Mr. Morray bezichtigt wird. Williams' Alibi ist falsch. Es ist möglich, mit der größten Schnelligkeit um 8 Uhr 15 Minuten sich aus Hedsom zu entfernen, eine Partie im Victoria-Club in Chicago zu spielen, nach Hedsom zurückzufahrcn, um 8 Uhr 55 Minuten einen Mord zu begehen und, ehe die Abwesenheit noch bemerkt wird, wieder im Club zu sein. Der Postdirector ist kurz vor 9 Uhr ermordet worden, doch damit der Telegraphist in Chicago nichts merken sollte, hat Williams, bevor er das Bureau verlieb, das Schlußsignal gegeben. Er hat den Schuldschein vernichtet, damit Mr. Morray um so leichter verdächtigt werden konnte. Seine Beweggründe waren Geldmangel und Furcht vor Strafe. Zwei Tage später deckte er nämlich einen Wechsel über 7000 Dollars, der zweifellos gefälscht war." Der Vertheidtger schloß mit der Aufforderung an die Geschworenen, dem Angeklagten Ehre und Freiheit wiederzugeben. Fünf Minuten später wurde Mr. Morray einstimmig für „nichtschuldig" erklärt, der unter dem lauten Beifall der Zuhörer seinen, trefflichen, scharfsinnigen Ver- theidiger gerührt die Hand drückte.
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