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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020809010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-08
- Tag 1902-08-09
-
Monat
1902-08
-
Jahr
1902
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Bezugs «Preis in der Hauptexpedition oder den tm Stadt bezirk und den Vororten errichtete» Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich — zweimaliger täglicher Zustellung tu» Haus 5.50. Durch di» Post bezog«» für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich S» für die übrigen Läuder laut ZeitungSpretSlist«. »» Ledartion und Erve-Mo»; JohanntSgaff« 8. Fernsprecher 15» »ud LLL. FUiat»»P»dtti»««» r Alfred Hahn, vuchhaudlg., U»iv«rMtSstr.S, L. Lösche, Kathariueustr. Ich u. Königspl. 7. Haupt-Filiale Vre-de«: Strehlenerstraßr S. Fernsprecher Amt I Ar. 1718. Haupt-Filiale Lerliu: Küntggrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. S3SS. Morgen-Ausgabe. UchMcr.TllgMlck Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes un- Polizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzelle 25 H. Reclamen unter demRrdactionSstrich (ä gespaUea) 78 vor de« Familieuuach- rtchten (S gespalte») bv L». Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend Häher. — giebllhrea für Nachweisungen und Osferteuaunohm« US (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgad«, ohne Poftbesörderung 60.—, mit Postbesürderuag ^l 70.—» Äuuahmeschluß fir Auzeigeu: A beud-AuSgab«: vormittag« IS Uhr. Morgen-AaSgaber Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« sind siet» an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 4Ü1. Sonnabend den 9. August 1902. 96. Jahrgang. Deutsches Reich. -i- Berlin, 8. August. (Die „C e n t r u m S f r a g e" aufdemsocialdemokrattschen Parteitage.) Der „Vorwärts" hatte den Vorschlag gemacht, die Stell ungnahmegegendaSCentrum auf dem diesjährigen socialdemokratischen Parteitage in München zum offictellen Berhandlungsgegenstande zu machen. Eine Anzahl soctalistischer Parteiorgane stimmt diesem Vor schläge zu, anderen aber, und zwar gerade solchen in großen socialistischen Centrcn, wie Leipzig, Nürnberg, wo e» eben lediglich zu reprLsentiren galt. Und auch militärisch ist er nie hervoraetretrn. Die von der deutschen so sehr verschieden« Entwickrlung»p«riod«, in der Großbritannien zur Kronprinzenzeit Albert Eduard'» sich sortbewegt«, mag diese Unthätigkeit zum größeren Theil be dingt Haven. England war zwar, seit der älteste Sohn de» Coburger» Albert ein Mann geworden, weit häufiger in kriegerische Unternehmungen verwickelt als Preußen und Deutschland, aber e» sind in weit« Entfernungen führende, mehr zur Vergrößerung des heimischen Goldreicbthum», als zur Befestigung und Ehre de» Reichs geführt« Expeditionen gewesen, di« die Regierung der Königin Victoria al» die viel leicht waffenklirrendste aller Leiten kennzeichnet. Zweck, Ort, Schauplätze und Art dieser Züge versprachen einem künftigen Weltmonarchen keine Lorbeeren. Dem vorletzten Prinzen von Wales mag auch di« Neigung zu kriegerischen Verrichtungen und Strapazen gefehlt haben. Er ist «ine bequem« Natur und hat, wir un« Allen bekannt, al» Jüngling und Mann den süßen Schaum in der Schale d«» Leben» gern in vollen Zügen geschlürft. Dabei aber war er in seinem Vaterlande eine an Bolksthümlichkeit kaum übertroffene Persönlichkeit, und die» hauptsächlich aus einem Grunde, der ihn wir sein« Untertbanen gleichmäßig ehrt. Mütterlicherseits em Sproß de» deutschen Hauses Hannover, dem Vater nach unmittelbar deutscher Abstammung, ist König Eduard in Empfindung wie in Lebensführung, in allen Fasern seines Seins ei» Engländer. Die alt«, für un» so traurig« Er- fahrung, daß der Deutsch« meist «rst «in wirklicher Nationaler wird, wenn er ia einer fremden Nation aufgegangen ist, be währt sich auch au diesem Halbwelfen. Der Mann, der sein Haupt auf Minuten mit einer Krone ziert, wird sich kaum als Gegenstand menschlichen Neides fühlen, der König aber darf sich beglückwünschen. DaS schlimme Stück in der Hinterlassenschaft der Mutter, der südafrikanische Krieg, ist auSgemerzt. Da» ist nicht sein, noch seiner, übrigen» von der Vorgängerin übernommenen, Bc- rather Verdienst. Dir britischen Waffen haben auch unter König Eduard'» Regiment entscheidende Erfolge nicht er rungen, wohl aber hat er die Erschöpfung der Boerrn erlebt und deshalb der großen und stolzen Reihe der Würve- und Machtbezeichnungen der englischen Herrscher den Titel eine» Herrn von Tran-vaal al» einen politisch sehr inhaltsreichen hinzufügen dürfen. Die Anerkennung aber, daß er den FriedenSschkuß nach Kräften gefördert, verdient der König. Sie wird ibm auch in Deutschland gezollt, dem Lande, bei dem die Briten, mehr um ein eigene» ungerechtes Uebrlwollen vor sich selbst zu rechtfertigen, al» auf Grund von Wahrnehmungen, vor allem Abneigung gegen Eduard und sein Volk wittern. Ermangelt der König noch in Deutschland wärmerer Sym pathien, so ist die Ursache, daß er als der Vertreter einer Nation angesehen werden muß, die unser Vaterland fast durch die Gesammtheit ihrer Organe stet» herau«zufordern sich nicht scheute, die mit hochmüthiger Geringschätzung auf un» herabzublicken sich wenigsten» den Anschein gab und selbst unsere reinsten, heiligsten nationalen Ueberlieferungen anzu tasten wagte. Wird sich eia Wandel in dem Betragen der Briten gegen ein ebenbürtige» Volk bemerkbar machen, an deutschem Widerhall soll e» dann nicht fehlen. Wie aber auch die Engländer sich entschließen mögen: in Deutschland regt sich menschliche Geaugthuung darüber, daß eS König Eduard vergönnt ist, den gefährdet gewesenen Act der Krönung an sich vollziehen zu lassen. Die britische Königskrönung. K Heute läßt sich Eduard VII. die Krone auf» Haupt setzen. Er bekleidet da» Amt und di« Würd« de» Königs von Großbritannien und Irland und die de» Kaiser» von Indien schon seit dem 24. Januar lüül, dem Gterbitatze seiner Mutter. Und wie in Deutschland ist auch tn England der Vollzug de» KrönungSacteS k«ine»w«a» «i»« Vor bedingung für die Erlangung der vollen monarchischen Macht- und Rechtsfülle. Allein di« in der W«rthschätzuug über lieferter Förmlichkeiten erstaunlich conservativ gebliebene britische Nation erblickt, hirrin dem kulturell alter ver- gangruheit weit näher stehenden und unvergleichlich phantasievolleren Russenthume gleichend, nur in dem gekrönten Herrscher das echte und rechte Staat-oberhaupt. So wird eS erklärlich, daß sich ein wenn auch wohl nicht mehr todkranker, so doch schwer leidender Mann vor den Altar in Westminster führen, vielleicht fahr«» läßt, um von geistlich«! Hand gesalbt und mit der Kron« berührt zu werden. Es schwebt ein eigene» Verhängniß über dieser Feierlich keit. Fast anderthalb Jahre verschob sie König Eduard, um durch die Glockenklänge und Freudenschlisse nicht Bot schaften von Kamps und Blut und Tod schrillen zu lasten. Er wollte im Frieden die Krone «mpfange». Al» aber in Südafrika die Waffen zum Schweigen gebracht waren, da streckte eine schwere Krankheit die Hand nach ihm au» und eine geraume Weile verzweifelte da» englische Volk, den Sohn der Königin Victoria jemals mit den Emblemen seiner Würde bekleidet zu sehen. Die Gefahr verzog sich und heute wird Eduard gekrönt. E» ist aber ein andere» Bild al» da» im Juni erwartete, da» sich in London entrollen wird. Der König ist noch nicht gesund und die Umrahmung de» Bilde» spiegelt die seit dem Frühsommer eingetretene Veränderung wid«r. Im Iu»i waren zu Loudon Abgesandte aller der schier unzähligen Völkerschaften versammelt, die Eduard ihren Könia oder Kaiser nennen. Ueber die Meere gezogene Weiße, Männer der braunen, der gelben, der schwarzen Raste, darunter Nach kommen von Geschlechtern, die einst weite, reiche Gebiete selbstständig beherrschte» und nun al» Schatteakönige dem Willen Brrtannien» gehorchen. .Dazu Vertreter der freien Staaten der ganzen Welt. Sie alle hatten sich eingefunden, um dem Oberherrn zu huldigen oder den mächtigen Gleich berechtigten zu beglückwünschen zu einer KrönungSfeier, d«e den Britenkönig im Glanze eine» weltumspannenden Gebieters zeigen sollte, wie er niemals einen römischen Imperator um strahlt hat. Die Vertreter der Souveräne sind, als da» Mester de» Chirurgen sich in den Leib deS König- senkte, nach Hause gereist und kehren heute nicht oder nur vornehmlich in ihrer Eigenschaft al» Verwandte wieder; viel« der zur Huldigung Berufenen find gefolgt und die bleibenden handelten aus Zwang und — wa» bezeichnend ist — auf Kosten der ent- lendenden, vielfach, wie namentlich Indien, nothleidenden Länder. Verdrießliche Streitigkeiten um Geld und Gut zogen den Aufschub der so großartig gedachten Feier nach sich und wenn heut« in der Riesenstadt viel Volk sich umher wälzen wird und die Hochrufe kein Ende finden werden: e» ist nicht da» Freuden- und Siegesfest eine» WeltvolkeS, nur ein herkömmliches Accompagnement einer herkömmlichen StaatSactiou. Aber Eduard wird nun doch nach britischer Vorstellung „ganz und voll" König sein im 61. Lebensjahre. Zwar ist er jünger noch, als unser Wilhelm I., da er sich krönte, aber ohne Anwartschaft auf den Ruhm, mit dem der betagte deutsche Thronbesteiger sich bedecken sollte. Der Unterschied kann dem Briten-König nicht zum Vorwurfe gereichen — England ist und ist groß, Deutschland mußte e» erst werden, als Wilhelm König von Preußen wurde, und der Unterschied würde dem Ge krönten Britanniens auch wohl dann nicht Unbehagen ver ursachen, wenn er im Vollbesitze männlicher Kraft wäre. Eduard bat einundvierzig Jahre al» großjähriger Thron folger gelebt und e» bereitete ihm wenig Kummer, daß er von den StaatSgeschaften eifersüchtig durch seine Mutter fernaehalten wurde. Er vertrat diese zwar im Inland und im Ausland als Repräsentant, aber nur bei Gelegenheiten, München, Köln und Kiel, ist er ersichtlich unbequem, und in den verschiedensten Formen wird die Meinung ausge sprochen, daß die Sache noch nicht „spruchreif" sei und daß man sie lieber auf einem der nächsten Parteitage erörtern möge. So sagt die „Münchener Post", deren Ansicht ja schon um deswillen besonders wichtig ist, weil der Partei« tag in München stattfindet, ein ersprießliches Referat über das Eentrum laste sich nicht aus dem Aermel schütteln; die Schwierigkeiten schreckten -mar nicht ab, sondern reizten zur Ueberwindung an, obstch ba-aberheuernoch ermöglichen lasse, sei ein« offene Frage. Wenn ein Minister sich in dieser Sprache ausdrückte, würde da» baye rische focialistische Hauptorgan sicherlich von „diploma tischen Vei-schlcppungskünsten" sprechen. Der „Vorwärts" erklärt denn auch mit gerechter Entrüstung: „Wenn man die Frage für noch nicht reif hält, so wüßten wir nicht, wann sie reif werden soll, wenn sie es jetzt noch nicht ist. . . . Gerade der Umstand, daß seit 1898 da» Eentrum seinercactivnäreEntwickelungvollendet hat, .... beweist, daß die Frage genau in diesem Augen blicke reif und unaufschiebbar geworden ist." Der „Vorwärts" hätte noch hinzufügen können, daß eine Verschiebung aus das nächste Jahr thatsächlich eine Verschiebung auf 5 Iahre bedeutet, denn der nächstjährige socialdemokratische Parteitag findet erst nach den RelchStagswahlen statt, ein etwaiger Beschluß also, bet politischen Wahlen geschlossen gegen daS Eentrum vorzugchcn, um die Uebermacht dieser Partei zu brechen oder wenigstens herabzumindern, würde, was Reichs tagswahlen anlangt, für fast ein halbes Jahrzehnt lediglich aus dem Papiere stehen. Es ist aber sehr erklär lich, warum Insonderheit -er „Münchener Post" eine prtn- cipielle Erörterung über die Stellungnahme zum Centrum sehr unbequem war. Bor noch nicht zwei Jahren gingen in München bei den bayerischen Landtag-Wahlen di« Schwarzen und die Rothen einträchtig zusammen. Wenn also gerade in dieser Stadt nach einem verhältnißmäßig so kurzem Zeiträume ein Beschluß zu Stande käme, das Een- trlpm grundsätzlich zu bekämpfen, so würde ein solcher Beschluß doch im schärfsten Eontrast zu dem damals be liebten Verfahren stehen. L. Berlin, 8. August. (DtePoleninPreußen und die Romanen in Graubünden.) Die Een- trumsprcsse ist unausgesetzt auf der Suche, um den Nach weis zu führen, daß die Polen in Preußen schlechter be handelt werden, als andere in der Minorität befindlichen VolkSstämmc in anderen Ländern. Bald werden die Polen in Rußland und Oesterreich als Beispiele angeführt, bald die Deutschen in Rußland und Ungarn. Jetzt ist man auf dieser Suche schon bet den Romanen im Engadin angelangt. Die „Köln. Bolköztg." läßt sich auS dem Engadin die übrigens längst bekannteThatsache vermelden, daß die Schulkinder romanischer Abstaunnung in den ersten Jahren in romanischer, später in romanischer und deutscher Sprache unterrichtet werden. Das Blatt fügt Hinz«: „Die Romanen sind durchweg protestantisch und bilden nur eine kleine Zahl. Wie wäre es, wenn man in Preußen den Polen gegenüber verführe, wie man hier den Romanen gegenüber verfährt?" Zunächst ist eS nicht richtig, daß die Romanen im Engadin nur eine kleine Zahl auSmachcn; im Mittelalter wurde doch überhaupt nur romanisch gesprochen und noch gegenwärtig kommt die Be völkerung romanischer Mundart mit 38 000 Seelen gan- nahe an diejenige mit germanischer Sprache mit 44 000 heran und steht weit über dem italienischen Sprachstamme mit 14 000. Vor Allem aber ist eS vollkommen unangäng- lich, die Romanen im Engadin irgendwie mit den Polen in Deutschland zu vevgleichen. Den Romanen kann ihre sprachliche Eigenart schon darum gewahrt bleiben, weil sie auch nicht die mindeste Neigung dazu besitzen, ihr Sprach gebiet von dem Kanton Graubünden oder gar von der Schweiz loszureiben. Des Ferneren — und dies ist die Hauptsache — erlernen die Romanen in der Schule die deutsche Sprache so gut, daß sie sie auch späterhin völlig be herrschen nnd daß sie nie auf den Gedanken kommen, die Kenntniß der deutschen Sprache abzulehnen, wo sie von ihnen erfordert wird. Wer je Graubünden bereist hat, weiß, daß die Bevölkerung sogar ein viel reineres und dem Reichsdeutschen ein viel verständlicheres Deutsch spricht, als die übrige schweizerische Bevölkerung. Und wenn man einem Graubündener dies Compliment macht, ist er stolz daraus. Der Pole aber wird von -en Agitatoren darauf dresstrt, die in der Schule erlangte» deutschen Dprachkenntnisse so schnell wie möglichst, verlernen, bezw. zu verleugnen. Wenn die „Köln. Volksztg." dafür sorgen will, daß die Polen in Posen und Westpreußen ebenso gut und bereitwillig deutsch sprechen, wie die romanischen Eu- gadiner, dann können sie auch in der Schule soviel polnisch lernen, wie sie nur mögen. D Perlt», 8. August. (Telegramm.) Die „Nord- deutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: „Seine Majestät der König Eduard wird morgen in der ehrwürdigen Abtei von Westminster feierlich gekrönt. Wir beglückwünschen an diesen, Ehrentage Seine Majestät herzlich zu seiner stetig fortschreitende» Wiederherstellung von dem schweren, standhaft ertragenen Leiden und freuen un-, daß «S der britischen Nation vergönnt ist, nach tieser Lekümmer- niß um da» Leben des Souveräns nunmehr ohne ernste Sorge daS KrönungSfest begehen zu können. Während seiner Erkrankung erhielt der König vielfache Beweise der Liebe seiner Unterthanen und der Theilnahme des Auslandes. Möge «S Seiner Majestät beschiede» sein, bald völlige Ge nesung zu fioden und an der Seite seiner hohen Gemahlin sich einer langen und glücklichen Regierung zu «rsreur»." — Der antisemitisch« Abgeordnete Liebermann von Sonnenberg hat bekanntlich di« Nachricht von seinem eventuell«» Erutritt in den Vorstand de» Bunde» der Landwirth« demrntirt. Demgegenüber schreibt die „Deutsche Hochwacht", daS Organ des antisemitischen deutschen BolksbundeS, der Abg. Liebermann von Sonnenberg trage sich vnt dem Gedanken de» baldigen Rücktritt» von der Führung der deutsch-sociale» Partei. Sein Parteigenosse Graf Reventlow solle die Führung übernehmen; dann würde der Abg. Liebermann von Sonnenberg in die Leitung deö Bunde» der Landwirthe eintrete». D Bremerhaven, 8. August. (Telegramm.) Der König der Belgier traf au» Brem«n hier wird«» ein und begab sich heute früh an Bord des Lloyddampfer» »Kronprinz Wilhelm", wo er vom Generaldirector de» Norddeutschen Lloyd Wiegand empfangen wurde. Zur Begrüßung d«S Königs spielte die SchiffScapelle die belgische Nationalhymne. Die Besichtigung de» Dampfer» durch den König dauerte nahezu zwei Stunden. Während derselben wurde em kleiner Imbiß eingeaommen. Darauf besichtigte der König noch die Modell- verjuchöstation deS Lloyd. Als der König den Daifipfcr ver ließ, marfchirten gerade die heute zurückgekehrten Truppen de» Ostasiatischen ExprvitonScorpö vorüber. Ter Führer des Eorps, Major v. Schönberg, wurde vom König aufs Herz lichste gegrüßt. rü. Hannover, 7. August. Mehrere englisch« Zeitungen brachten vor einigen Tagen die Mittheilung, daß General feldmarschall Graf Watversee abermals nach London komme, um ein Handschreiben Kaiser Withelm'S zur Krönung de» Königs Eduard zu überbringen. Wir können aus bester Quelle mittheilen, daß Graf Waldersee nicht nach London fährt und also auch kein Handschreiben de- Kaisers dort über reicht. Der Feldmarschall weilt zur Zeil in der Sommer frische und wird erst am 22. August nach Hannover zurück kehren. * Hannovcr, 8. August. Ueber da» Ableben Rudolf's v. Beuuigsrn und tue Umstände, unter denen es erfolgte, sind hier noch keine Nachrichten eiugetroffen. Man harte, als die Todesnachricht eintrifft, nichts vou einer Erkrankung deS verehrten, seit dem tragischen Tode seines SohneS mehr und mehr die Einsamkeit suchenden MauneS gehört. Um so erschütteruder wirkte die Trauerkuude. Siudots v. Bennigsen, geboren am 10. Juli 1824 zu Lüneburg, wo fein Later als Aeneralmajor in Sarnijon stand, stubirt, die Rechte zn Göttingen und Heidelberg und trat dann tn den hannoverschen Staatsdienst. Al» ihm al» Richter am Ober gericht zn Göttingen 1855 der Urlaub zur Ausübung elnes Abgeordneten-MandatcS verweigert wurde, nahm er seinen Ab- Dtese neun Flaschen bekommen Armuth und Edelsinn — die trägst Du fort. Die zehnte können wir allenfalls noch am :10. trinken, gewissermaßen am Sylvester der guten Zeit für Sectverttlger. Warum besteuert der Staat nicht lieber Kaffceorgien und Weiberschleppen?" „Ja, Papa", antwortet die kurzröckige Else. ' „Außerdem sind unsere Nachbarn leichtsinniges Volk." „Volk und Wendehals ist ein schauderhafter Name." Else schwieg. Sie war nicht seiner Meinung, neuer dings nicht einmal mehr in Bezug auf den Namen Wende hals, aber, wenn Vater s o auSsah, widersprach man ihm bester nicht. Leider sah er eigentlich immer so aus, wenn von den Nachbarn die Rede war. Und diese Nachbarn waren doch so prächtige Menschen. Auch Leute vom Bau — daS hatte schon so was heimisches für Else; zwei Brüder mit einem älteren Tantchen — alle drei allweil fidel und gutmüthtg und mit Händen begabt, die von dem autmüthigen Herzen geleitet überall -»griffen, wo es zu helfen und zu schenken gab. Ob sie dem Vater »u „fidel" waren? Ein wenig laut ging es manchmal zu drüben unterm Ltnüenbaum — junge» Boll sang da zu MttternachtSzeiten den Mond au. Der eine Bruder blies die Trompet« und der andere hielt aus dem Stegreif ge- reimte Reden. Dann schalt der Papa oben hinter seinem Reißbrett, Else ab«r kauerte unter der GaiSblatthecke und lauschte. Lange konnte sie nicht mit sich einig werden, ob ihr die Verse oder bas Trompetenblasen bester gefalle. Ar aber Paul, der dichtende Wenbeihal», sie ein paarmal reinnvei» über den Gartenzaun angeneckt hatte, kam sic zu der Ueberzeugnng, daß die Poesie der Musik über sei. und PctcrS Trompetentvn« fanden nur noch den Weg -n ihren Ohren, da» Herz hörte nicht mehr zu. Wie konnte nur ein Baumeister und wenn er zehnmal schon Rath geworden war, die Schwesterkünste verachten? Vater Reinhardt aber redete'schlecht vom Blasen und noch schlechter vom Reimen. Hatte er sich über die Brüder geärgert, als sie ihm den Nachbarschaftsbesuch machten? , Während Else damals mit Fräulein Hannchen weib liche Unterhaltung pflog, entpuppten sich die Herren gegen- seitig als Vertreter verschiedener Stilrichtungen: Hie alt, hie jung — hie Renaissance, hie Secession — hie Autori- tätsnachsolge, hie PersönlichkeitScultus! Aber verfeinden sich kluge Männer um verschiedener Geschmacksrichtungen willen? Am Nachmittag hatte Else keine Zeit -um Grübeln, sie mußte Schaiunweinfee spielen und Abends im Bette dachte sic: Schade, daß man 30 Flaschen behalten darf, 30 ist eigentlich sehr viel — ich trüge gern mehr fort; wer meine Flasche sah, wurde allemal so vergnügt, als hätte er sie jchon ausgctrunken — o wie vergnügt werden sie erst morgen unter Wendehalsens Linde sein! Am anderen Tage hatte Fräulein Reinhardt sehr viel im Garten zu thun. Als der Vater endlich mißtrauisch nach ihrem Beginnen fragte, antwortete sie ihm zum Fenster hinauf: „Es naschen zu viel Unholde an unseren Rosen herum!" Der Vater brummte etwas in den Bart — er allein wußte, daß es hieß: „an Rosen wird immer genascht". Peter und Paul Wendehals, die drüben ihre Picknick- Vorbereitungen betrieben, störte da» nicht. Der Trompeter schaute über den Zaun: „Fräulein Else, was bringen Sie uns heute Abend mit?" „Regenwetter", antwortete Llse schnippisch. ' Peter räumte den Platz. Prrrr! „O ElSlein, holdeS ElSlein mein, Wer wird so feucht und grausam sein!" flötete des Reimschmieds Stimme tn -en Schauder! keines Brn-ert dtnein« Foitilleton. Die EinunLLreißigste oder was eine Schanmweinstcuer mit sich bringen kann. Von Luise Glaß. Nachdruck v-rtotrn. Baurath Reinhardt kam mit einem derben Flaschen korb aus dem Keller. Zehn blanke Köpfe blitzten daraus hervor und sprachen von festfrühlicher Stimmung, aber deS Bauraths Gesicht sah verdrießlich in die Welt. „Da hat man nun einen famosen Gelcgenhettskauf ge macht, denkt, man ist für sein halbes Leben mit der nöthigenPrickelei versorgt, und dann kommt, schwapp, die Schanmweinsteucr und der ganze Vortheil ist zum Teufel. — Jetzt habe ich schleunigst alle meine geselligen Ver pflichtungen abgewickelt, habe jede alte Tante zum Ge burtstage mit Sect beschenkt und sitze doch noch mit 40 Flaschen da — ein Baurath hat eben nie Glück, wenn er sparen will." Reinhardt s Else aber rief fröhlich: „Wundervoll, nun können wir auch ein Steuer-Picknick geben, wie Wende halsens." „Wie wer?" kam es knurrig zurück. Else wiederholte ihre Rede und setzte hinzu: „am dreißigsten, Papa, unter der Linde, die einen bringen Kuchen mit, die andern Buntseuer, ich —" „Was gehn Dich die dummen Jungen an?" „Tante Hannchen hat uns eingeladen." „Tante Hannchen mag alte Jungfern einladen." „Aber Papa, wo Tante Hannchen gerade mich so gern hat." „Schweig! Mit der Schlemmerei ist» nun zu Ende. Else seufzte und erröthete, antwortete aber gemessen: ,Hch dachte, ich hieße Fräulein Reinhardt." „Nein! im Verse bringt man so etwas Steifes nicht, der Vers verklärt, streichelt, schmeichelt, kost — kurz nimmt sich alles -aS heraus, was sich das ungereimte Menschen volk verboten hat." Paul war bei jedem Wort näher gerückt, jetzt stand er dicht hinter dem GaiSblatt und wiederholte die Frage, auf die fein Bruder so schnöde Antwort erhalten hatte. Diesmal erwiderte Else ehrlich und wchmüthig: „Ich komme gar nicht, wir werden auch unsere Einunddrcißigsle umbringen." „Aber da bringen Sie doch lieber Papa, Fritz und die Einunddreißigste mit herüber. — Wo Tante Hannchen Sic doch so -ringend eingeladen hat!" ^Jch als höchst bescheidner Wicht, Wagte das natürlich nicht!" „Nein; aber Papa haben Sie gekränkt — ich möchte bloS wissen mit was!" „Ich auch", kams über die Hecke. „Ahnungslos, ich Unglücksrabe, Wann ich ihn getreten habe." „Sie sind gar nicht nett!" „Nett will ich ja auch gar nicht sein: Biel GrüßreS heischt der Ehrgeiz mein." Darauf kam keine Antwort mehr, nur ein Seufzer, und dem Seufzer folgten Töne, die beinah« wie Schluchzen klangen. „Fräulein Reinhardt! — Fräulein Else! — Elselcin!" DaS Gebüsch knackte, die Hecke stöhnte. Aber nur drüben auf der Wendchals'schcn Seite, bei Reinhardt's regte sich nichts. Auch lief Niemand davon, als eine Liebeserklärung über den Zaun flog, ohne jeden Reim und jeden Ueber- MNth. Sine ganz bescheidene, flehend«, zärtliche Ltebeö-
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