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englischen SoldateSka an ihren Eltern und am eigenen Leibe gespürt hat. * Berlin, 4. August. (E i s e n b a h n b e am t e und Socialpolitik.) Die amtliche „Berl. Corresp." schreibt: „In dem vor Kurzem herausgekonnnenen neuesten Bande der Schriften des „Bereins für Social- Politik" befindet sich auch eine socialwissenschaftliche Studie „Zur socialen Lage der Eisenbahner in Preusten" von Waldemar Zimmermann. In der Presse wird bei dieser Gelegenheit vielfach bemängelt, das; der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten im Jahre 1898 einen Antrag des „Vereins für Soeialpolitik", cingehcndc Er hebungen über die Verhältnisse der unteren Beamten und Arbeiter der preußischen Staatscisenbahnverwallung anzustellen, abgclchnt habe, und zwar ohne Angabe von Gründen. Die letztere Behauptung ist insofern unzu treffend, als die Ablehnung lwie in der Einleitung der Schrift selbst bestätigt, übrigens auch in einigen Zeitnngen ausdrücklich vermerkt wird) damit begründet war, daß durch die alljährlichen Berichte über die Ergebnisse des Betriebes der vereinigten preußischen und hessischen Staatseisenbahnen und durch die Etats anssührliches Material über diese Verhältnisse bekannt gegeben wird. Daß derartigen Erhebungen, selbst wenn sic unter der Führung eines so angesehenen Vereins wie des „Vereins für Socialpolitik", dem auch hohe Beamte des Arbeits ministeriums und der Staatseiscnbahnverwaltnng an gehören, veranstaltet werden, mancherlei npüeliegcnde Bedenken cntgegenstehcn, wurde übrigens, wenn wir uns recht erinnern, auch damals schon von vielen Seiten an erkannt. Im Uebrigen ist der Minister stets darauf be dacht, die sociale Lage -er zahlreichen Beamten und Arbeiter seiner Verwaltung nach Möglichkeit zu ver bessern. Er wird zweifellos Anlaß nehmen, die weiteren Anregungen auf diesem Gebiete, die die Zimmcrmann'schc ebenso von ernstem Wohlwollen für die Eisenbahn bediensteten, als von aufrichtiger Anerkennung der Leistungen der Eisenbahnen gerade auch auf socialem Ge biete erfüllte Abhandlung schon bei flüchtiger Durchsicht bietet, auf das Eingehendste zu prüfen." Ton und Inhalt dieser freilich etwas verspäteten Erklärung bekunden einen so wohlwollenden, arbeiterfreundlichen Geist im Arbeits ministerium, daß dies Dvenment freundlicher Aufnahme bei allen Verständigen gewiß sein kann. * Berlin, 4. August. (Bayerns Klosterscge n.) Für Baden sowohl, dessen Negierung bekanntlich nicht abgeneigt ist, den klerikalen Wünschen nach Zulassung von Münnerklöstern zu entsprechen, als auch für Preußen, wo seit einigen Jahren in den oberen Regionen die Sehn sucht nach verstärktem Klosterscgen zur Erscheinung kommt, ist es lehrreich, daß es nach der neuesten Statistik vom Jahre 1901 in Bayer n 100 Münncrklöster mit 1850 In sassen und 1089 Niederlassungen von Frauenorden mit 11187 Mitgliedern bei einer katholischen Bevölkerung von 4 827 133 giebt. Von den Männcrorden haben die Fran ziskaner, die Capuziner, die barmherzigen Brüder, die Benedictincr und die Nedemptvristen die meisten Nieder lassungen und Mitglieder. Bon diesen beschäftigen sich die Benedictiner hauptsächlich mit Unterricht in höheren Schulen, Seelsorge und auch Landwirthschaft; die Eapu- zincr und Franziskaner mit aushclfender Seelsorge, be sonders an den Wallfahrtsorten Altötting und Vierzehn heiligen, die barmherzigen Brüder mit Krankenpflege und die Nedemptoristen, die Nächstverwandten der Jesuiten, mit Seelsorge, Vvlk-smission und Pricstcrcxercitien. Von den Frauenorden sind cs die Franziskanerinnen, die Armen Schulschwestcrn, die Englischen Fräulein und die Töchter vom Heiligen Erlöser, die die meisten Nieder lassungen haben: sic beschäftigen sich mit allerlei Unter weisungen der weiblichen Jugend, sind in der Armen- nnd Krankenpflege thätig, die Earmeliterinncn beten zumeist, die Josefsschwestern treiben auch etwas Laudwirthschaft. Charakteristisch für die ultramoutane Taktik ist es, daß in den Veröffentlichungen von kirchlich katholischer Seite immer wohlweislich unterlassen wird, das Vermögen der Klöster anzugeben, damit der Staat nnd die Bevölkerung über die dem Verkehr zum größten Theil entzogenen und zur„todten Hand" aufgehänften Schätze nicht in Aufregung gcräth und das Gespenst der Bolksaussaugung und Volks verarmung durch kirchliche Institutionen nicht auftaucht. Wie groß das Gesammtvcrmögen in Bayern jetzt sein muß, kann man daraus ermessen, daß nach amtlichen Er öffnungen in der Abgeordnetenkammer das Cultus- vermögen in Oberbayern allein 21 Millionen Gulden L 1,70 betrug, wovon der größte Procentsatz nicht für öffentliche Wohlfahrtszwecke, sondern für Cultus- zwecke verwendet wurde. Die Stiftungen mit rentirenden Vermögen betrugen nach den Erklärungen des Finanz ministers v. Niedel 1894 schon für Oberbayern allein 41266 367 Gulden, für ganz Bayern schon damals 113 3öö000 4proccntige vinkulirtc Werthpapiere. Von Jahr zu Jahr nahmen die Stiftungen zu. Im ganzen Lande beliefen sich 1897 schon 9811 Fundationcn auf 169 Millionen, die jährliche Zunahme also 7 Proc. Mit Recht kann man da sagen: „Die Religion gebiert Ncichthum, aber die Tochter zehrt die Mutter auf". Die wirthschaftliche Lage der katholischen Bevölkerung ist, wie anderwärts, gegenüber der protestantischen eine durchweg schlechtere, und die Katholiken befinden sich, besonders in den großen Städten des Landes in fortwährender Minderung, die Evangelischen in der Zunahme. — Der Kaiser wird dem „Hamb. Corresp." zufolge vermuthlich am 12. August in Swinemllnde eintrefsen und sich von dort zum Stapellauf deö neuen Schnelldampfer? „Kaiser Wilhelm II." nach Bredow begeben. — Ein Be such des Kaisers in Altona ist im September zu er warten. Wie verlautet, wird er bei dein Herbstmanöver deS 9. ArmeecorpS am Sonnabend, den 20. September, statt finden. Der mit der Leitung deS im Lockstedter Lager ab schließenden Manövers betraute Große Gencralstab wird sein Standquartier in Altona haben. — Das osficielle Blatt der Weltausstellung in St. Louis vom 19. Juli bespricht einen dort eingegangenen Bericht des AuöstellungS-ComuiistarS Joseph Brücker in in Berlin. Dieser Herr ist der Meinung, daß der deutsche Kronprinz die Ausstellung in St. Louis gern besuchen möchte und daß der Kaiser ihm Wohl dies erlauben würde. Herr Brücker meint, daß bei diesem Besuch die im Jahre 1904 stattfindcnde Präsidenten-Wahlcampagne sehr lehrreich für den Kronprinzen sein würde. — Wir meinen vorläufig nur, daß Herr Brücker ein sehr smarter Geschäftsmann ist. — Die „Nordd.Allz. Ztg." schreibt in einer Besprechung des Berichts über die parlamentarische Thätigkeit der social demokratischen Reichstagsfraction: Es dürfte dem „Vorwärts" schwer fallen, nachzuweisen, wann und wo die die Negierung die „Frage" betreffs der Dauer der Legislaturperioden des Reichstages auf geworfen hat. — Zn der Absicht des Herrn v. Wangenheim, aus dem parlamentarischen Leben auszuscheiden, bemerkt heute die „Deutsche Agrar. Eorr.": Herr Freiherr v. Wangenheim hat schon bei der Uebernahme seiner politischen Aemter ausdrücklich erklärt, daß seine wirthschastlichen Verhältnisse ihm die dauernde Ausübung dieser Functionen nicht ge statten; er wolle und könne die damit verknüpften Opfer nur in zeitlicher Begrenzung, und zwar nur bis zur Entscheidung der schwebenden wirthschastspolitischen Hauptfragen bringen. An dieser nun ja be vorstehende» Entscheidung wird Freiherr von Wangenheim, trotz seiner den früheren Erklärungen nur eonformen, jetzt erneut be kannt gegebenen Absicht des späteren Rücktritts, genau so thatkräftig Mitwirken, als wenn jene Absicht niemals bestanden hätte! Dessen kann Freund und Feind sich versichert balten, von einer Gegensätzlichkeit der „Tendenz" zwischen Bund und Bundes- führcru kann nur sprechen, wer die Verhältnisse im Bunde nicht kennt. Genau so einheitlich, wie in der bisherigen Tendenz, die Erfüllung der sachlichen Forderungen des Bundes auf dem Wege einer gütlichen Verständigung mit den Negierenden zu erwirken, genau so einheitlich werden Bund und Bundesführer auch zusammen stehen, wenn es sich als nölhig erweist, zur Erreichung des gesteckten sachlichen Zieles einen anderen Weg zu nehmen. — Im Reiseverkehr zwischen der Delagoa-Bay und Transvaal sind seit dem Friedensschluß noch keine Er leichterungen eingetreten. Vor Allem kann auf die Erthei- lung einer Reiseerlaubniß (xermit) nach Transvaal und den übrigen britischen Gebieten Südafrikas durch den britischen Consul in Laurents MarqueS nicht gerechnet werden. Auch die portugiesische Regierung hat, um dem Zuströmen ver mögensloser Personen nach Louren^o Marques Einhalt zu thun, die Landung in diesem Hafen von dem Nachweise ge nügender Unterhaltsmittel und derHinterlegung eines, gegebenen Falles zur Heimschasfung zu verwendenden Betrages von 20 Pfund Sterling abhängig gemacht. — TaS abermalige Scheitern der Mission deS Frei herrn v. Hertling in Nom betreffend Errichtung einer katholischen Faeultät in Straßburg soll, wie ein Münchner Eorrespondent deS „Berl. Tagebl." von den Frei herrn v. Hertling nahestehenden Personen gehört haben will, hauptsächlich darin zu suchen sein, daß die deutsche Reichs regierung die Bedingung Nampolla'S ab gelehnt habe, nach welcher der Vatican Einfluß auf die Ernennung der Professoren der Faeultät haben wollte und diese einem Orden sollten angchören lönnen. — Es war die Frage aufgetaucht, ob durch die Beurlau bung deS Regierungsraths vr. Lotz als Docent der in Münster i. W. neuerrichteten juristisch-staatswissenschaftlichen Faeultät sein Mandat zum Abgeordnetenhaus für Leer-Weener erlösche. Nach der „Post" ist eine Besoldung mit diesem Lehrauftrag nicht verbunden. Es liegt somit kein Moment vor, an das sich ein Mandatöverlust knüpfen könnte. — Wie noch erinnerlich sein wird, ereignete sich zwischen Münster und Osnabrück am 29. Juni ein Eisenbahn-Unfall, bei dem daö Leben der Prinzessin Heinrich von Preußen in Gefahr schwebte. Wie der „Nhein.-Westf. Ztg." ge schrieben wird, ist jetzt die Angelegenheit zum Austrag ge kommen und hat für eine Anzahl Betheiligter ernste Folgen gehabt, zumal Minister Budde eine besonders sorgfältige Prüfung der Angelegenheit angcordnet hatte. Der Salon wagen, in dem die Prinzessin Heinrich nebst Gefolge gerade ein Essen einnahm, entgleiste in der Nähe von Kattenvenne, eine Thatsacke, die sich durch anhaltendes donnerähnlicheS Geräusch bemerkbar machte. Man zog die Bremse (Nothbremse), diese versagte indessen trotz eifrigster Bemühungen des Kammerherrn Frhr. v. d. Knese beck. Dazu kam, daß der betreffende Wagenwärter — entgegen seiner Instruction — seinen Posten verlassen hatte. Nachdem der Train eine Strecke von über 2 Kilo metern durchrast hatte, wurde man auf die äußerst gefahr drohende Lage, welche die Insassen deS Wagens in großen Schrecken versetzt hatte, aufmerksam und setzte die Bremse deS nächsten Wagens in Thätigkeit. Nach weiteren etwa 700 Metern gelang eS, den Zug zum Stehen zu bringen. Bor Allem ist der Wagcnwärter bestraft worden. Der Minister der öffent lichen Arbeiten hat aus Anlaß dieses eclatanten Falles Ge legenheit genommen, besonders ernste Mahnungen zu aller größter Sorgfalt ergehen zu lasse». — Die schon gemeldete Begnadigung deS Oberleutnants Hildebrandt wird durch folgende Mittheilung deS „Militär- wochenbl." bestätigt: „Hildebrandt, Oberleutnant im Feld artillerieregiment Prinz August von Preußen (1. Lit.) Nr. 1, in das 2. Hannoversche Feldartillerieregiment Nr. 26 versetzt." — Gras Hugo Henckel von Donnersmarck, der Schloß- Herr von Polnisch-Kawarn, vollendete dieser Tage sein 70. Lebens- jahr. Nus diesem Anlasse sandten sowohl der Kaiser aus Kiel, wie die Kaiserin aus Cadinen in den herzlichsten Worten ge- haltene Glückwunsch-Telegramme an den Jubilar. — Angekommen sind der Director im Reichs-Schatzamt Twele vom Urlaub, der Ministerial-Director im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Ober - Baudirector Schroeder vom Urlaub auS Thüringen, der Ober-NechnungSkammer-Director Wirkliche Ge- Heime Ober-RegierungSrath Henning von seiner Urlaubsreise. Abgereist sind Professor Perris, Director des Verwaltungs departements des Rcichs-Marineamts, mit Urlaub, der Präsident des Preußischen Statistischen BurcauS Geheime Ober-Regierungsrath Bl ruck mit sechswöchigem Urlaub nach der Schweiz und Ober italien. — Ter Vorsteher der geheimen Kanzlei des Auswärtigen Amtes Hosrath v. Ziegler begeht am 1. September sein bOjähriges Dienstjubiläum. — Prinz Chira von Siam, Obercommandirender der siamesischen Armee, hat sich in Begleitung seines Adjutanten Capitün Saligudha und des Chefs des Civilcabinets deS König- von Siam, Phya Sri, gestern auf einige Tage nach Kopenhagen begeben. * A»S Westfalen. „Beim Ausbruch der sogenannten Reformation" — so liest man mit berechtigtem Erstaunen nicht etwa in einem Werke des bekannten katholischen Ge schichtsforschers Jansen, sondern in einem illustrirten Pracht werke: „Die Bau- und Kunstdenkmäler in Westfalen. HerauSgegeben vom Provinzialverbande der Provinz Westfalen", und zwar in dem jüngst erschienenen Bande: „Die Bau- und Kunstdenkmäler deS Kreises Minden. Im Auftrage des Provinzialverbandes bearbeitet von A. Ludorff, Baurath und Provinzial-Conservator. Mit ge- schichllichen Einleitungen von Or. Wurm, Pfarrer zu Hauö- berge." Im Borwort heißt eS: „Der Kreis Minden hat die Veröffentlichung seiner Bau- und Kunstdenkmäler durch Ge währung eines Beitrages von 3500 unterstützt." Weiter liest man aus Seite 1 der „geschichtlichen" Einleitung, daß der Kreis Minden 100 500 Einwohner zählt, von denen ca. 4000 Katholiken sind. Letztere zählen also nur 4 vom Hundert der Bevölkerung. Die Stadt Minden zählt nach Seite 57 des Werkes 24 300 Einwohner, die katholische Domgemeinde daselbst (einschließlich einiger Katholiken der Umgegend) 3000 Seelen. Der Verfasser der „geschichtlichen" Einleitung, der katholische Pfarrer I)r. Wurm in Hausberge, ist Hirte über eine Gemeinde von 450 Seelen (Seite 2) und darf es wagen, 5 Kilometer vor den Thoren der evangelischen Stadt Minden bei der Geschichte der Stadt und ihrer Kirchen auf Seile 63 des Werkes „vom Ausbruch der sogenannten Reformation" zu schreiben, in einem Werke, das von der Provinz herausgegeben und von dem zu 96 Procent evangelischen Kreise Minden mit 3500 -E unterstützt ist! (Hann. Cour.) * AuS Bayern. Bei den gemäß H 12 der Heerordnung geprüften Necrulen der JahrcSclasse 190l, welche in Bayern schulpflichtig waren, ergaben sich unter 25 396 Fällen nur zwei Fälle von mangelhafter Schulbildung; der Grund in diesen Fällen war mangelhafte geistige Veranlagung bezw. Aufenthalt in Amerika vom 2. bis 14. Lebensjahre. Oesterreich - Ungarn. Vom Hofe. * Ischl, 4. August. Heute Mittag fand in der kaiser lichen Villa Tafel statt, an der Kaiser Franz Joseph, der König von N umünien, Prinzessin Gisela und Prinz Georg von Bayern und die Erzherzogin MarieValcrie thcilnahmen. Am Nach mittag unternahmen der Kaiser und der König in Be gleitung ihrer Gefolge einen Ausflug nach dem Attersee und dem Mondsee, von wo sie mit Svndcrzug nach Ischl zurückkehrten. Auf der ganzen Fahrt wurden die Maje stäten vom Publicum lebhaft begrüßt. * Wien, 4. August. Die Königin-Mutter von Spanien ist mit ihrer Tochter, der Infantin Maria Theresia, heute Nachmittag aus München hier ein getroffen und wurde am Bahnhofe vom spanischen Bot schafter empfangen. Die Königin reiste alsbald nach Vaden weiter. * Lemberg, 4. August. Die LageimAüsstands- ge biete ist ziemlich unverändert, doch läßt sich in einigen Bezirken ein beruhigender Eindruck der Bekanntmachung des Statthalters feststellcn. In einer Gemeinde ist die Arbeit wieder ausgenommen, In mehreren anderen Gemeinden dagegen ntedergelegt worden. Nach letzteren wurde militärische Hilfe entsandt, ebenso nach zwei anderen Gemeinden, in denen die Bauern gedroht haben, fremde Arbeiter nicht zuzulassen. In einer Gemeinde sind allen arbeitenden Bauern die Fensterscheiben eingeschlagen. In Bazezany ist der Sohn eines griechischen Pfarrers wegen Aufwiegelei verhaftet. Frankreich. Bon de« Kongregationen. * Chambery fDept. Savoyen) 4. August. Aehnliche Zwischenfälle, wie in Lamotte-Servolex ereigneten sich bei der Schließung geistlicher Sch»,len auch in Saint- Pierre und Albigny. Die von den behördlichen Maß nahmen betroffenen Schnlschwestern treffen jetzt aus den verschiedenen Orten des Bezirkes hier ein, wo sie von (ihren Anhängern lebhaft begrüßt werden. Bei diesen Kundgebungen ist es mehrfach zu Schlägereien gekommen. * Chambery, 4. August. Da die Schulschwestern von Harnothe-Scrvolex sich weigerten, die Thür der Anstalt zu öffnen, ließ die Polizei die Umgebungs maner niederreiben. Der Regierungscommissar drang hierauf in die Schule ein und ließ die Schwestern aus derselben entfernen. Diese wurden beim Verlassen der Anstalt von etwa 300 Personen mit beifälligen Zu rufen begrüßt. t Castelnaudary, 4. August. Als heute der Polizei- comniissar die Schule der Schwestern von Saint Vincent Paul schloß, erhob Marquis Caslelet Einspruch und zerbrach die Siegel. Großbritannien. * London, ?. August. Der König ist heute ohne Hilfe die Treppen an Bord seiner Nacht abgcstiegen. Spanien. » Madrid, 8. August. Sagasta ist leicht er krankt. * Madrid, 8. August. Nach Meldungen aus Gijon hat die Geheimpolizei während des dortigen Aufenthalts des Königs zwei verdächtige Personen ver haftet, welche sich geweigert haben, ihren Wohnsitz an zugeben. Amerika. Cubanische Anleihe. * Wie aus Habana gemeldet wird, hat die cuba nische Kammer eine Gesetzesvorlage an genommen, durch welche die Regierung zur Aufnahme einer Anleihe von 35 Millionen Dollars er mächtigt wird. Die Anleihe, welche nicht unter 90 Procent zur Ausgabe gelangen soll, soll höchstens mit 5 Proceut verzinst werden und innerhalb 40 Jahren rückzahlbar sein. * Der „Morning Post" wird vom 1'. d. M. aus New Nork berichtet, daß die Ausständigen in Sh en an do ah in Pennsylvanien durch die An wesenheit der Truppen eingeschüchtert worden seien. Die Ausländer, die man für den Zusammenstoß zwischen den Bergleuten und den Behörden verantwortlich macht, werden besonders überwacht. Die Truppen würden bal- zurückgezogen werden können. Die Bergleute verfügen über etwa 100 000 Stimmen bei den kommenden Wahlen und drohen, diese Stimmen gegen die Regierung ab- zngeben, wenn die Soldaten nicht daran verhindert würden, in dem Kampfe zwischen Bergleuten und Unter nehmern Partei zu nehmen. Geheimpolizisten sind be müht, unter den Bergleuten ausfindig zu machen, wer die Schuldigen sind, durch die der Kampf veranlaßt wurde. * New Uork, 2. August. Nach der „Tribüne" ist man in Washington in Officierskrcisen der Ansicht, der Zweck der diesjährigen Manöver sei, den Congreß von der Noth- wcndigkeit einer F l o t t e n v er st ä rkn n g zn über zeugen. — Der Chef des NavigationSbnreaus, Contre- Admiral Taylor, prophezeit, es werde im Frühjahr 1907 eine ernste Krisis cintreten in den Beziehungen zwi schen Deutschland nnd Amerika. Der Zusammenstoß würde im Karaibischcn Meere stattfinden, nachdem Deutschland die Niederlande sich einvcrleibt und eine An zahl fauler Republiken in Südamerika pflückrcif gewor den seien. Interessant ist die für den Ausbruch des Con- fliktes angcsetzte Zeit. Taylor zweifelt nicht an der Auf richtigkeit der deutschen Freundschaft und der Achtung Deutschlands vor der Monroelehre. Er erwartet keinen Krieg, doch die unaufhörlich fortschreitende Machkcntwick- lung führe zu Verhältnissen», die unbedingt einen Krieg zur Folge haben müßten. Es sei daher nothwendig, sich bei Zeiten darauf vorzubereiten. (Wir wissen nicht, be merkt hierzu die „Köln, Ztg.", ob in den Vereinigten Staaten das Prophezeien zu den amtlichen Functionen eines Leiters des Navigationsbureaus gehört; wenn aber dieser Herr Taylor ein ebenso phantastischer Navigations- officier ist, wie er sich durch dieses Gewäsch als Prophet auswcist, so dürfte es mit -en amerikanischen Vorberei tungen auf den Krieg, de« er voraussagt, schlecht bestellt sein.) sam Lurch die engen Straßen. Die hübschen, un verschämten, jungen Mädchen, die man am Sonntage in den Straßen von Bourges sehen kann, musterten Antoinette vergebens mit ihrer gewohnten Zudringlich keit; keiner der geringschätzendcn Blicke wurde ihnen zu Theil, die ihnen die junge Dame sonst nicht erließ. Von einem plötzlichen Gedanken, der mit jeder Minute an Bedeutung gewann und greifbare Gestalt anzunchmcn begann, völlig in Anspruch genommen, sagte sie sich, daß die Vorsehung diesen jungen Dichter nur aus dem Grunde nach Bourges geschickt habe, damit er daselbst der Gatte des Fräuleins Antoinette von Saint-Sauveur werde. DaS gesellschaftliche Treiben von Paris, Tout-Paris, die Theaterpremtercn, die Sonderausstcllnngen, die Künstler versammlungen, das Boulogncr Wäldchen und die Rück fahrt aus demselben — alle diese Dinge führten einen wahren Wirbeltanz auf iu dem Geiste der jungen Dame, nicht ohne eine gewisse Unordnung daselbst zn stiften. Als man die Stadt verlassen hatte und der Wagen durch eine schattige Allee rollte, hatte Antoinette kein Auge für die sie umgebenden landschaftlichen Schönheiten, weder siir das leise rauschende Laub der Bäume noch für den murmelnd zwischen seinen Ufern dahineilenden Bach. Ihr Vetter hatte Recht; sie war ein kleiner weiblicher „Snob". Drittes Capitel. Zwanzig Jahre lang hatte Frau von Tournelles das Hauswesen und den Vorrath an Weißwäsche des Herrn Destvurnellcs, Notars zu Poitiers, in der schönsten Ordnung gehalten. Nur spät hatte er sich entschlossen, sie zn hcirathen. Die schlaue Person erklärte, daß sie arbeits unfähig geworden sei, daß sie seinen Dienst verlassen müsse, nnd da hatte der wackere Notar mit einem Male die Wahrnehmung gemacht, daß er ohne sie nicht leben könne. . . . Ein Jahr später schenkte ihnen der liebe Gott eine Tochter, Adele oder Nolande geheißen, wie es beliebt; der letztere Name war aber im Register des Matrikel amtes nicht eingetragen. In seiner Freude vermachte der überglückliche Vater — vielleicht auch von einer Schadenfreude in Bezug auf seine Fran geleitet — sein ganzes Vermögen dieser Tochter, die dasselbe nach er langter Volljährigkeit selbstständig verwalten sollte. Bis dahin lag die Verwaltung in den Händen der Mutter. Die Erklärung für diese Maßregel ist in dem Umstande zn suchen, -atz Fran DestoMnelle» eine bewunderungs würdige Geschicklichkeit besaß, ein Hauswesen derart zu leiten, daß ihr Vortheil dabei stets gewahrt blieb, ferner in dem Gefühle eines gewissen Ingrimms ob dieser Frau, die ihn sozusagen gezwungen hatte, sie zu hcirathen. Im Alter von sieben oder acht Jahren verlor Adele ihren Vater; ihre Mutter taufte sie nnn Jolande, gab sie inS SacrL - Coeur - Institut zu Bourges, kaufte ein verwahr lostes Gut mit herrlichem Park, ließ daselbst ein präch tiges, mit allem „modernen Comfort" eingerichtetes Schloß erbauen und benannte dasselbe „Schloß Tvnrnclles". Der Anfang war gemacht und ös handelte sich fortan nur darum, Zutritt in der guten Gesellschaft zu erhalten, was nicht eben leicht war. Frau von Tournelles mar daher auch llng genug, nm zu warten, bis Jolande das Erziehungsinstitut verlassen hatte, worauf sie die jungen Freundinnen ihrer Tochter zn sich cinlud nnd diese bei den Besuchen begleitete, die sie in den Familien ihrer Pensionscolleginncn abstattcte. Nicht Alle leisteten den Einladungen Folge. Die Stadt thcilte sich in zwei Lager, wie das immer der Kall ist: ein Theil hatte vergessen der andere Theil erinnerte sich. Zu den Letzteren gehörten Herr von Saint-Sanvenr und dessen Tochter. Mehr Eklektiker in seinen Neigungen, vielleicht auch mit einer größeren Dosis Gleichgiltigkeit gewappnet, hatte sich Landry von Villorö, den an ihn ergangenen Einladungen entsprechend, zu den prunkvollen Soireen eingefunden, die die Damen im Winter in einem alten Palais veranstalteten, das sie im Mittelpunkte der Stadt selbst ausfindig zu machen verstanden hatten. Vielleicht war eS ihm sogar ganz recht, daß er Antoinette mit diesen Besuchen ein wenig ärgern konnte, da ihr dieselben miß fielen, wie er ganz gut wußte. Landry gehörte zn den Männern, die zn allen Concessioncn bereit sind, sich aber gleichwohl nicht beherrschen lassen wollen, nicht einmal von einer heiß geliebten Fran. Außerdem machte er, wie er wiederholt erklärte, Fräulein von Tournelles für die Jrrthiimcr und Fehler ihrer Eltern nicht vcranwortlich. Ob er sie für die eigenen verantwortlich machte, war un bekannt, nnd um über diesen Punct schlüssig z» werden, wollte er eine Gelegenheit abwartcn, die ihm ein Urtheil zn fällen gestatten würde. Der Besuch des Pariser Poeten schien ihm ein ungünstiges Vorzeichen zu sein; doch wollte er noch warten, bevor er ein endgtltiges Urtheil sprach. Frau von Tournelles zählte sechzig Jahre, schien aber noch älter zu sein. Sie war klein, mager, zusammen geschrumpft, hatte stechende, schwarze Angen, die ruhelos von einer Person zur anderen glitten und zur Ver zweiflung der Dienerschaft jedes Staubkörnchen unter den Möbeln entdeckten, und sprach nur wenig, da sie in der Grammatik nicht sehr sattelfest war und die mit aus nehmender Schärfe erfolgenden Zurechtweisungen ihrer Tochter fürchtete. Dabei war sie schlau und gerieben, so daß sie den Amtsnachfolger ihres Gatten nicht selten in Verlegenheit setzte, und da sie kein sonderliches Interesse daran hatte, ihre Tochter verheirathet zu sehen, so trachtete sie, ihr die Ehe in recht düsteren Farben zu schildern. Thatsächlich war das, was Frau von Tournelles zu Lebzeiten ihres Gatten und auch nach seinem Tode zu sammengescharrt hatte, herzlich wenig im Vergleich zn dem großen Vermögen, dao sie für ihre Tochter verwaltete, und Jolande, die faul, verwöhnt nnd frech war, wie ein weib licher Emporkömmling nur irgend sein kann, ließ ihre Mutter nur allzu oft und schwer dafür büßen, daß sie un entgeltlich an dem Genüsse der herrlichen Räume, der reich besetzten Tafel, der schonen Equipagen und herrlichen Gärten theilnahm. Doch die Notarwittwe war nicht feinfühlig; sie hatte ein biegsames Rückgrat und fürchtete nur eines in der Welt: daß sie ans dem irdischen Paradiese verscheucht werden könnte, daß sie sich mit ihren eigenen Händen gegründet hatte. Unter solchen Umständen hatte Jolande ihr 23. Jahr erreicht, ohne einen Bewerber nach ihrem, bester gesagt, nach dem Geschmack ihrer Mutter gefunden zu haben. So mancher junge Mann hatte bereits um die Hand der jungen Dame angehaltcn, ohne daß sie etwas davon wußte; diese Werbungen waren durchweg annehmbar ge wesen. Von den anderen, das heißt den unannehmbaren, war ihr ans der Stelle Mitthcilung gemacht worden, nnd cs hatte bei solchen Anlässen stets Nadelstiche für ihre Eigenliebe abgcsctzt. Sie sollte die Frau eines Kauf mannes, eines Notargehilfen, eines subalternen Officicrs werden! Konnte sie Derartiges «»nehmen? Gleich der Tochter des Herrn von Saint-Sauveirr, nnr mit weit weniger Geist, wollte auch Fräulein Jolande von Tonr- nclles eine Rolle spielen. Zn diesem Vchnfe hatte sic ihre Mutter gezwungen, im vergangenen Winter drei Monate in Nizza zu verbringen; denn dort sieht man Leute, dort kommt man zusammen, dort verkehrt man mit einer Leichtigkeit und Ungezwungenheit, die in den alten, ein fältigen Provinzen nicht denkbar ist. Und in der That hatte sich Jolande eines jungen Mannes bemächtigt. Dies war ein langer, magerer, junger Mensch mit schlotterigem Gange, nicht schön, aber von anspruchs vollem Auftreten, in seinen freien Stunden Poet und Musiker neudecadenter Richtung. Es war eigentlich natürlich, daß seine Steifheit und Zuversichtlichkeit, welcher sich von Zeit zu Zeit ein Anflug von Nachgiebigkeit zugesettte, die Neugierde Iolande's erregte. Er hatte — eine große Seltenheit bei ihm — ihr einige Schmeicheleien gesagt, und fortan nährte sie die geheime Hoffnung, die Gattin dieses Mannes zu werden, wobei sie eS sich so herr lich ausmalte, in einer Kirche zn Paris ihrem Dichter angetrant zu werden, mit einer langen Hermelinschleppe hinter sich, einem Diamantcndiadem im Haare und einer Menge neidischer Jngendfreundinnen um sich her. Jolande war, wie bereits erwähnt, 23 Jahre alt. Von Natur aus mit einem schwachen Magen begabt, dem die herbe Kost im Kloster auch nicht zuträglich gewesen, besaß sie eine grünliche Gesichtsfarbe, und ihre Gestalt war mager, was man im Nothfalle elegant nennen konnte. Sie ließ sich ihre Kleider auS Paris schicken; doch was hätte sie gesagt, wenn sie gewußt hätte, daß die erste Prvbirmamscll deö großen Modehauses, welches sie mit Toiletten versah, sie ihren „Marschallstah" nannte. Zum Glück sollte ihr das für alle Zett verborgen bleiben. Je tbcnrcr man zahlt, desto weniger erfährt man derlei Tinge. Ihre Gesellschaftsdame war nicht ganz un- bcthciligt an der scheinbaren Eleganz, die sie äußerlich errungen; denn Fräulein Gallois hatte thatsächlich eine ausgezeichnete Erziehung genossen nnd entstammte einer sehr angesehenen Familie. Dazn besaß sie eine herrliche Stimme und hohes musikalisches Talent. Obschon nicht schon, was in den Augen der Notarwittwe ihr größter Vorzug war, entbehrte sie nicht der persönlichen Anmiiih, und sie hätte wahrhaftig ein besseres Loos verdient, als in dieses zum Mindesten absonderlich zn nennende HauS zn gerathcn. Allein man kann nicht wählerisch sein, wenn man Gesellschaftsdame sein muß; zudem hatte Fran von Tournelles bet der Vereinbarung des Gehaltes nicht gefeilscht. (Fortsetzung folgt.)