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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020807014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-08
- Tag 1902-08-07
-
Monat
1902-08
-
Jahr
1902
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DaS Mintstcrium wollte oder konnte nicht genügend Farbe bekennen, da sein extrem -> radikaler Anhang einer Einschränkung der Wahlsitze mißtrauisch gegenüber» stand, und ist in Folge gestürzt worden. Das neue Cabtnet hat sich verpflichtet, das Programm der Reform partei unter gewissen Modifikationen zu accepttren, und verspricht die Einbringung eines Gesetzentwurfes, auf Grund dessen die Zahl der Parlamentsmitglieder um ein Drittel, d. h. auf 50, die der Minister von 9 auf 7 herab gesetzt werben soll. Ob es hiermit ein Ende haben, ober ob die Ersparniß sich auf eine Beschneidung des ganz un- verhältnißmäßig starken und übcrhoch besoldeten Beamten heeres erstrecken wird, bleibt abzuwarten) keinesfalls ist die Aufgabe eine leichte und wirb sich selbst im günstigsten Falle nur schrittweise durchführen lasten. Eine weit billigere Regierungsverwaltung der Einzel staaten ist unzweifelhaft eine Lebensfrage geworden, umso- mehr, als gegenüber den stärker und stärker auftretendcn Forderungen der Bundesregierung die Steuerkraft des Landes ihre Elastizitätsgrenze erreicht zu haben scheint und aus den Schatzkammern sämmtlichcr Colonien, aus genommen Wcstaustralien, das Schrcckwort Deficit in un heimlichem Chor erschallt. Die Verzinsung der enormen Schuldenlast von nahezu fünf Milliarden Mark durch nur vier Millionen Einwohner, die Überaus schweren Verluste, herbcigeführt durch jahrelange Dürre, welche allein im Schafreichthum einen Ausfall von circa 40 Millionen Stück herbeigeführt hat, die stationär verharrende Goldpro- duction, die Unsicherheit in Handel und Industrie, ver ursacht durch die seit fast einem Jahre währende Um» modellirung deS von der Bundesregierung eingebrachten ZolltarifgcsctzcS, die socialistische Experimental-Polttik, welche neben manchen wichtigen Reformen viel Unheil ver ursacht: all' diese störenden Factoren mahnen zur Vorsicht und sollten unseren Staatsmännern — wenn wir solche hätten — die Augen offnen. Die hohe Productionskraft des Landes unter einigermaßen günstigen Wetterbe dingungen darf gern zugegeben werden; ein kräftiger Regen wirkt hier zu Lande, wie vielleicht nirgends anders» wo, Wunder und verwandelt Mangel in Ucberflnß; aber trotzdem bleibt die Situation eine ernste. Statt einer Zunahme der so überaus schwachen Bevölke» rung erleben wir seit Monaten das Schauspiel einer stetig wachsenden Auswanderung nach Südafrika; statt AllcS aufzubietcn, aus allen Theilen der Erde kräftige Arme steranzulockcn zur Mitarbeit an der Hebung des natür lichen Reichthumes, beginnt der Bund seine legislatorische Thätigkcit mit einem Einwanderungsgefctz, welches den ureigenen Zweck verfolgt, durch geradezu kindische Prüfung in der Kenntniß der englischen Sprache jedem Nichtbriten die Rteberlassung zu erschweren, wenn nicht un möglich zit machen. Wurden doch kürzlich eine Anzahl ver mögender griechischer Familien, welche nach Australien kamen, um Ländereien zu erwerben und zu bebauen, wie gemeine Verbrecher tagelang eingepfercht gehalten und, um ein weiteres Beispiel herauSzugreifen, zwei deutsche — „blinde Passagiere", aus Indien kommend, während der Zett -es Schiffsaufenkhaltes in Frecmantle, und dann wieder in Adelaide, an einen SchtffSpsosten gebunden, um eine heimlich« Landung, welche dem Capitän eine schwere Geldstrafe zugezogcn hätte, zu verhindern. DcrGcneral-Gouverneur, Earl ofHopetoun, dem vor wenigen Tagen der Titel eines Marquis verliehen worben, verläßt morgen Melbourne, um nach kurzem Aufenthalte in Sydney seine Heimreise anzutretcn,' seine Gemahlin ist ihm bereits vorausgefahren. Der Schluß akt seiner Thätigkcit gab der Presse Anlaß zü stark ab fälliger Kritik. Er übersandte dem Führer der extrem- tvcialistischen Partei, einem Manne, der erst kürzlich an der Spitze seiner Gesinnungsgenossen mit der rotben Fahne in der Hand durch di« Straße« der Stadt zog, eine beträchtliche Geldsumme behufs Vertheiluna an die Ar beitslosen. Dagegen hätte Niemand einWort sagen können. Er schickte aber zu gleicher Zett und zu gleichem Zwecke 85 Dutzend Flaschen b«S feinsten Champagners aus seinem Privatkeller. Die BacchuSgabe gelangte in der Schuster werkstätte des Vertrauensmannes Seiner Excellenz zur Vertheilung an die Armen und soll eS dabei bunt her gegangen sein. Leute, die darben und deren Kinder bar fuß umherlaufen müssen, mit ausgesuchten Jahrgängen von Cliguot und Pommery zu tvactiren, ist in der That neu «nd kaum geeignet, in den Augen des großen Publi cum- -en Respect vor dem Taktgefühle des Gebers zu stärken. Gelegentlich der Debatte im Bunbesparlament Über die geforderte Erhöhung der Repräsentationsgelder für den Gouverneur — eine Forderung, welche bekanntlich abgelehnt wurde und zur Demission des Earl of Hopetoun führte —, wurde mehrfach davauf hingewtesen, daß die Gastfreundschaft im Palais des königlichen Vertreters nur den wohlhabenden Clafsen zu Gute komme. Sollte diese Sectgabe als ironische Antwort dienen? Die Polen als Herren — beleuchtet von einem Eentrumsblatte. Es ist nur zu bekannt, wie die deutsche klerikale Presse bet jeder Gelegenheit sich der Polen anntmmt und sie als Unterdrückte und mißhandelte Opferlämmer hin- stellt. Der „Elsässische Volksbote" macht von diesem löb lichen Brauche der klerikalen Presse um so weniger eine Ausnahme, als bet ihm noch der protestlerische Haß gegen das Preutzenthum hinzutritt. Da ist es denn von beson derem Interesse, die Auslassungen dieses Blattes über den Lau darbeiter st retk in Galizien festzunagcln. Das elsässische Organ constattrt zunächst in vollkommen zu treffender Weise, daß es sich bei diesem Streik, der schon beinahe den Eharaktcr einer Revolution angenommen hat, nicht ausschließlich um eine Magenfrage handelt, son dern mindestens ebenso sehr um einen politischen Streit mit anttpolntscher Spitze. Das Blatt fährt dann fort: „Leider ist es eine nicht wcgzuleugnende Thatsachc, daß die ruthenischc Nation eines der bedrücktesten Völker Europasist . . . Von dem Augenblicke an, tvo West-Ruthenien an das Königreich Polen gefallen war, hatten die ruthcnischen Bauern unter dem Drucke des pol nischen Adels, der Schlacht«, zu leiden, zu dem sich auch der sich polonisirendc ruthenischc Adel schlug . . . Als das Königreich Polen zerfiel, ist die Schlacht« gleichwohl geblieben, übte von Galizien einen weitgehenden Einfluß auf Oesterreich aus, indem sie sich alle Behörden Galiziens in die Hände spielte und auf Kosten Oesterreichs eine weitgehende Autonomie des „Königreiches Galizien" eroberte. Mit Unrecht wird heute vielfach das polnische Volk mit der Schlacht« idcntifictrt, während cS von dieser ebenso unterdrückt wird, wie das ruthe- nische Volk." Das Mitleid deS elsässischen Blattes ist sehr lobens- werth, aber wenn das Blatt ein wenig nachzudcnlen ver möchte, so würde es zu der Erkcnntniß gelangen müssen, daß es selbst und seine Gesinnungsge nossen Alles dazu thun, um die Bauern schaft der Ostmark — und zwar die deutsche ebcnsodiepolnische-demselbcnSchtcksalc zu überliefern. Oder glaubt die deutsche klerikale Presse, daß die polnische Schlacht« in Posen und West preußen, so lange sie an der Herrschaft war, gefühlvoller mit ihren Bauern und Landarbeitern umgcgangen sei, als die galizische? Das elsässische Blatt constattrt ja selbst, daß der galizische polnische Adel den Bauern genau so ausgesaugt hat, wie den ruthcnischen, weil nicht etwa nationale Voreingenommenheit diese AuSsaugungspolittk dtctirt, sondern Habgier und Verschwendungssucht. Wie mag eS wohl auf den galizischen Gütern des Grafen Potozkt auSsehen, der vor einigen Wochen in einer Nacht wett über 1 Million im Spiele verlor? Der Unterschied zwischen einem Polenarafen in der Provinz Posen, der sein Geld verlumpt, und einem galizischen Standesge- nosscn besteht eben darin, daß der posenschc Graf betteln gehen kann oder sich erschießen mag, während der galizische einen neuen Aderlaß an seinen Bauern vornimmt. In Galizien sind diese Zustände möglich, weil, wie daS elsässische Blatt selbst zugiebt, der polnische Adel sich alle Behörden Galiziens in die Hände zu spielen gewußt hat, so daß das unterdrückte Volk keinen gerechten Richter findet. Wenn man den polnischen Adel in der Provinz Posen gewähren ließe, so würde er es ebenfalls verstehen, in kurzer Zeit alle Be hörden mit seinesgleichen zu besetzen, und dann würde die Bauernschaft, einerlei ob deutsch oder polnisch, ihr blaues Wunder erleben. Die Klerikalen weisen sonst gern darauf hin, wieviel größere Freiheiten die Polen in Galizien genießen, als in Deutschland. Den Vortheil von diesen Freiheiten hat einzig und allein die Adclskastc, und wenn unsere polnischen Bauern, die sich als Stimmvieh für polnischen Adel oder Geistliche benutzen lassen, wüßten. wie cs ihren StandeSgenossen in Galizien geht, so würden sic wohl mit ihrem gegenwärtigen Loose zufriedener sein, als sie cs sind. Deutsches Reich. f- Berlin, 0. August. (Diedcutsch-evangelische T e c ma n n s m is s i o n in Grvßbrttannie n.) Die deutsch-evangelische Diasporamission arbeitet seit den achtziger Jahren mit dankenswerthem Eifer auch auf dem Gebiete der deutsch-evangelischen Seemannömission. In Großbritannien hat diese Arbeit nach dem Bericht des Generalcvmitös, erstattet von Pfarrer Harms in Sunder land, im Jahre 1901 einen guten Fortgang gehabt unter dem Segen des Evangeliums und zur Förderung und Er haltung des deutschen Wesens. Seit 1806 ist die Zahl der Gäste in den Leemannsheimen jährlich im Durchschnitt um 200 gestiegen. Im Jahre 1001 betrug sie 2577. Ein sehr erfreuliches Resultat hat das Lohnsparsystem gehabt, das außer dem wirthschaftlichcn auch einen nicht zu unter schätzenden sittlichen Gewinn zeitigt. Durch die Ver waltung sind den Angehörigen der «eeleute dircct circa 90 000 übermittelt worden. 4200 wurden in Spar- cassen angelegt; 19 400 befanden sich vorübergehend in der Verwahrung eines Hausvaters des Tyne-Bezirkes. Auch dem deutschen Vaterlande kommt dieses Lohnspar- system im weiteren wirthschaftlichen Sinne zu Gute; es trägt zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes bet. Bor Allem aber werden die Seeleute dadurch vor der Aus plünderung durch die Wtrthe und Makler in den See häfen geschützt un- ihre Familien vor Noth und Elend bewahrt. Auch in religiös-sittlicher Beziehung hat die deutsch-evangelische Seemannsmission bisher sehr segens reich gewirkt. Der sittliche Ton der Seeleute hat sich ge hoben und durch den Verkehr in den Heimen werben sie vor der lockenden Verführung in den Seestädten bewahrt. Tie Zahl der Teilnehmer an den Gottesdiensten und Andachten am Lande ist um 1888 größer als im Jahre 1900 und betrug 1901 im Ganzen 12 611. Gewiß eine erfreu liche Thatsachc für den wachsenden religiösen Sinn der deutsch-evangelischen Seeleute. Als eine Wohlthat er weisen sich auch die Lesezimmer in den Heimen, die im ver gangenen Jahre von mehr als 24 000 Seeleuten besucht wurden. Hier finden diese geselligen Verkehr unter einander, bekommen durch die Zeitungen Kunde von dem Leben in der Heimath und erhalten in kleinen und großen Angelegenheiten und Anliegen Auskünfte und Bcrathung. Die Organisation der Seemannsheime in Groß britannien dehnt sich allmählich aus. Leider sind die Casscnverhältnisse immer noch ungünstig. Das in reli giöser und nationaler Hinsicht gleich verdienstliche und segensreiche Werk der deutsch - evangelischen Seemanns mission ist wohl der Unterstützung seitens des Mutter landes wcrth. * Berlin, 6. August. «Bündlerische Agi- tati onSweise.) Ucber die Art, wie im Reichstags wahlkreise St. Goarshausen-Montabaur Agitatoren des Bundes der Landwirthe für den bündlerischcn Can- didaten Brand wirkten, der, nachdem er anfänglich Fsrrilletsir. Von der deutschen Südpolar-Erpedition. Die letzten Nachrichten von der deutschen Südpolar- Expedition sind etngetroffen, und es können jetzt ein bi- §wet Jahre vergehen, ehe man wieder etwas von den muthigen Forschungsreisenden hört, die ausgefahren sind, um in nie betretenen Ländern und nie durchschifften Meeren die Fahne der deutschen Wissenschaft zu entfalten. Wie die zuerst eingelaufenen Berichte, werden auch die jetzigen in den „Veröffentlichungen des Institutes ssir Meereskunde" durch dessen Direktor Freiherrn v. Richt hofen hcrausgegebcn. Das in diesen Tagen erscheinende zweite Heft der Veröffentlichungen enthält wiederum Bei träge von allen Mitgliedern der Expedition, einschließlich des Capitänd. Der Leiter, Professor v. Dryaalski, berichtet zunächst über den Verlauf der Reise von Capstadt bis zu den Kcrgnclen-Jnseln, außerdem noch über die während dieses Theiles der Fahrt vorgenommenen Lo- thungen. Der Capitän der „Gauß", Hans Ruser, giebt den nautischen Reisebericht, ferner bringt das stattliche Heft über die bisher noch unerforscht gewesenen Crozet- Inseln, richtiger die Possessions-Jnsel dieser Gruppe, geologische Beobachtungen von vr. Philippi und bota nische von vr. Werth ; sodann biologische Beobachtungen von Capstadt bis zu den Kerguelen von Professor Ban- Höffen, eine Besprechung der meteorologischen Beob achtungen während der ganzen bisherigen Fahrt von vr. Bidling maier nebst den von dem zweiten Officier des Schiffes ausgearbeiteten Tabellen, einen Gesundheits bericht von dem begleitenden Arzt vr. Gazcrt und endlich einen Bericht von vr. Werth über den Stand der Arbeiten an der Station, die mindesten- bis zum 1. März nächsten Jahres an der Observatory-Bay auf den Kerguelen- Inseln bleiben wird. Ucber den Aufenthalt der Expedition in Capstadt ist schon Verschiedenes durch Briefe bekannt geworden, so daß aus dem eingehenden Berichte von DrygalSki's nur noch Einiges nachzutragen ist. Außer einer Ergänzung der Ausrüstung und der Aufnahme von Kohlen erwies eS sich auch als nöthig, im Hafen von Capstadt den Schiffs körper der „Clauß" einer Revision zu unterziehen, da sich Wasser im Schiffsräume gesammelt hatte- ES wurden undichte Stellen ermittelt und abgedichtet. Aller dings haben diese Arbeiten keinen vollständigen Erfolg er reicht, aber doch einen hinreichenden, so daß wettere Sorgen in dieser Hinsicht überflüssig sind. Der LuferC-alt in Capstadt, der vom 28. November bt- -um 7. December porigen Jahres währte, ist auch zu mancherlei wisscn- schaftlichen Arbeiten au-genützt worden. Die Aufnahme der ErpedttionSmttglieder war eine überaus freundliche und ehrenvolle, sowohl seitens der deutschen Colonte, al ber englischen Bevölkerung der Stadt. Für die Fahrt von Capstadt nach den Kerguelen war als Sonderzweck eine Landung auf den Crozet-Inseln in Aussicht genommen, die seit 1772 entdeckt, aber zu wissen- jschaftltcher Untersuchung noch niemals betreten worden sind, da verschiedene Forschungsreisen durch böse- Wetter an einer Landung verhindert wurden. Wissenschaftliche Arbeiten während der Fahrt waren jetzt wegen der ständig bewegten See, des starken Sturmes und des heftigen Rollens und Stampfens deS Schiffes viel schwieriger, al- zuvor, jedoch konnten im Ganzen 18 Lothungen vor genommen werben, die den Nachweis geliefert haben, daß zwischen den Crozet-Inseln, die auf einer weit nach Norden ausgedehnten Bodenschwelle liegen, und den Ker guelen eine tiefe Rinne besteht, wo das Loth bis auf 4890 Meter hinabgtng. Die größte Tiefe zwischen Capstadt und den Crozet-Jnseln wurde zu 5089 Metern gelothet. Selbst, verständlich wurden auch Untersuchungen des MeerwasscrS mit Bezug auf seine physikalische und chemische Beschaffen heit, sowie sein Gehalt an Lebewesen regelmäßig vor genommen. Mit dem Verlassen der warmen Agulhas- Strömung fiel die Temperatur des Wasser- sofort von I8V2 auf 15 Grad. Gleichzeitig erschienen ganze Schaaren von Eisvögeln. Die Mannschaft auf dem Schiff legte eilends die Tropenkleidung ab und suchte sich trotz der Zeit des südlichen Sommers täglich etwa- mehr von ihren Wollkleidern heraus. Die Temperatur des MeerwaffcrS fiel weiter und betrug in der Nähe der Crozet-Jnseln nur noch 8,8 Grad; hier wurden auch zwei mächtige Eisberge gesichtet, die ersten und einzigen, denen die Expedition bis- ber auf ihrer Fahrt begegnet ist. Weiterhin blieb die Meerestemperatur zwischen S und 4 Grad. Magnetische und meteorologische Arbeiten mürben ebenfalls stetig auf dem Schiffe vorgenommen, magnetische Beobachtungen auf ber PofsefsionS-Jnsel zum ersten Male au-geführt. Der Beschaffenheit dieser Insel, wo die Expedition am ersten WethnachtSfeiertage landete, wirbietneauSftthrlichereSchtl, derung gewidmet. Die PossessionS-Jnsel steigt in einer all. Fettig steilen, bis zu 200 Meter hohen Mauer au- dem Meere auf. Auf der nach Südosten gerichteten. Küsten strecke schneiden zehn Buchten in das Land ein, in deren vierte, von der Südwestecke gerechnet, die „Gauß" einfuhr; sie ist durch die Expedition auf den Namen „Weihnach». bucht" getauft worden. Als die ersten menschlichen Wesen betraten die Reifenden bas Land, nur empfangen von einer Unzahl schwerfälliger Seeelefanten und den in langen Reihen aufmarschirten Pinguinen, außerdem von den furchtlos umberflatternden Sturmvögeln und Sormo, ranen. In die Weihnachtsbucht mündet ein Verhältnis mäßig gut entwickeltes Thal, dessen Gewässer sich in schönen Fällen über die Küstenmauer ins Meer stürzt. Die Küste selbst hat eine Beschaffenheit, die man als typische Brandungsküste bezeichnet, weil sie in ihrer gegen wärtigen Ausbildung durch die Brandungswellen ge schaffen ist. Die Landung in den Buchten ist schwierig, weil das Wasser selbst an den schmälsten Einschnitten durch Fallwinde vom Lande her stark beunruhigt wird. , Auf den Kerguelen-Inseln wurde die Station an dem zunächst aufgesuchten Äoyal-Sound nicht gefunden, da gegen verwies -er Inhalt einer Flaschenpost, die neben einem mit deutscher Flagge gekrönten Mast aufbewahrt war, auf die Observatory-Bay hin, wo schon 1874 eine englische Expedition zur Beobachtung des damaliges Venus-Durchganges sich niedergelassen hatte. Am 20. Januar wurde die Bucht erreicht. Der Lloydbampfer „Tanglin", mit dem die Briefe eigentlich mitgegebcn wer den sollten, war leider bereits abgefahren, doch waren für die Expedition der Abmachung gemäß die für den Auf enthalt im Polarigebiet nothwcndigen Hunde abgcsetzt worden. Die Aufnahme der für den „Gauß" bcstinnntcn Ladung wurde durch diesen unerwarteten Umstand freilich verzögert, ebenso der Ausbau der Kerguelen-Station. Die chinesische Bemannung des Dampfers „Tanglin" hatte sich auch als äußerst unbrauchbar erwiesen. Glücklicherweise hat ber Dampfer „Essen", dessen Anwesenheit am 2. April nur durch Zufall von Leuten der Station in einer anderen Bucht entdeckt wurde, die letzten Berichte der Expedition nach ber Heimath bringen können, eben die, von denen hier die Rebe ist. Die Mitglieder der Hauptexpedition haben auch auf den Kerguelen, wo sich der Aufenthalt über 4 Wochen htnzog, möglichst umfangreiche wissenschaftliche Beobachtungen und Sammlungen ausgeführt. Der Zu stand des Schiffes und aller Mitglieder wird von dem Leiter als vorzüglich und hoffnungsreich geschildert. Am 81. Januar gegen 9 Uhr Vormittags lichtete die „Gauß" den Anker und steuerte südwärts der unbekannten Meer- und Eiswüste entgegen. Von den Sonderberichten über die Fahrt von Capstadt nach den Kerguelen ist einiges Wichtige stervorzustcben. Nach den Lothungen hält Professor von DrygalSki das Vorhandensein einer tiefen Mulde (Kcrguclenmulde) im Meeresboden für erwiesen, die in unmittelbarem Zu sammenhänge mit dem südlichen Eismeer steht un- jeden falls da- kalte Polarwasser nach den Tropen hinausführt. Ungewöhnlich interessant haben sich trotz der kärglich be messenen Zeit die geologischen Beobachtungen gestaltet, die auf der PoflessionS-Jnsel durch I>r. Philippi vorgcnommcn wurden. DaS Eiland ist aufgebaut aus flachgclagertcn Strömen von basaltischer Lava, die mit Bänken aus groben vulkanischen Productcn abwechscln; im Ganzen wurden 8 Lavaströmc aufetnaivder gezählt. An der Ober fläche zeigte da- Gestein die etgenthümltchen Runzeln, wegen derer man von Fladenlava spricht. Die Zwtschcn- -schichten bestanden aus vulkanischen Auswürflingen von Faust- bis Kopfgröße. Das Hauptaugenmerk des Forschers richtete sich auf einen röthlichen Kegel, der sich einige Kilo meter nördlich der Wcthnachtsbucht erhob. Es ergab sich, daß er seine Farbe den Massen von losen Auswürflingen, tyellweise echten vulkanischen Bomben, aus ziegelrotster Lava verdankte. Die Erhöhung selbst erwies sich als der Rand eines alten Kraters. Bisher unerklärt blieb die eigenthümliche Anordnung des losen vulkanischen Mate rials auf den Gehängen des Kegels, wo schwarze und rotste Streifen regelmäßig miteinander abwechselten. Da diese Streifung wegen ber groben Beschaffenheit des Materials nicht wohl durch Winde hcrvorgebracstt sein konnte, so hielt vr. Philippi die Wirkung eines Erdbebens für die einzig mögliche Erklärung. Aehnliche Erscheinungen sin- übrigens auch auf den Kerguelen-Inseln gefunden worden. Spuren einer Gletscherbildung konnten nirgends wahr genommen werden. Die vulkanischen Gesteine der Posses- sions-Jnsel sind noch sehr frisch und lassen daher ver- muthen, daß die vulkanische Thätigkcit erst seit verhält- nißmäßtg kurzer Zeit, vielleicht erst seit wenige» Jahr hunderten, erloschen ist. Die auf den Kerguelen so häufigen Fjordbildungcn fehlen hier. vr. Wcrth hat auf der Possessions-Jnsel in drei Stunden 15 Arten von Blüthen- pflanzen sammeln können, während bisher von den Crozet. Inseln nur 5 solche bekannt gewesen sind. Die Flora zeigt eine bemerkenswertste Verwandtschaft zu der auf den Kerguelen-Inseln, sowie zu der auf den Marion- und Heard-Jnseln. Der Zoologe, Professor Vanhöffen, hat ziemlich eingehend über die Thicrwclt des durchfahrenen Meeres und der besuchten Inseln berichtet. Scrvorzu- heben sind die Bemerkungen über die Pinguine, Albatrosse und Wale. Die von der Kerguelen-Station für den Berliner Zoologischen Garten bestimmten lebenden Thierc fielen leider ein paar Hunden zum Opfer, die sich von ihrer Kette losgerisscn hatten. Den Rest des Heftes bildet der meteorologische und der Gesundsteitsbericht. Aus letzterem ist noch zu erwähnen, daß sich das Fleisch der Pinguine und Robben als durchaus genießbar stcrausgcstellt hat, was für das Leben im Südpolargcbict ein äußerst wesent licher und willkommener Umstand ist. Wir werden jetzt voraussichtlich wenigstens bis zumJuni nächsten Jahres ohne Nachricht von der deutschen Süd polarexpedition bleiben, ohne daß darum zu einer Besorg nis Anlaß gegeben werden würde. Auch das deutsche Volk, das an diesem Unternehmen lebhaften Anthcil nimmt, wird die schonen zuversichtlichen Worte, die Pro- fcssor von Trugalskt zum Abschiede an seine Eltern schrieb: „Denkt immer, daß cS uns Allen gut geht, und Ihr werdet das Nichtige treffend vr. E Liessen.
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