Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020714024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902071402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902071402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-07
- Tag 1902-07-14
-
Monat
1902-07
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
498« Gebrauch zu machen. Im Uebrigen liegt eS doch wobl auf der Hand, daß die Reichsregierung nicht nölhig hätte, ein Gesetz über den Versicherungsvertrag zu machen, wenn sie den Ver sicherungs-Gesellschaften, namentlich im Feuerversicherungs wesen, wie bisher die völlig autonome, d. h. einseitige Gestaltung des Versicherungs-Vertrages auch ferner über lassen wollte. Berlin, 13. Juli. (Die neuen Prüfungsvor schriften für Trichinenschauer.) Nach den vom Bundes- rathe neuerdings genehmigten Prüfungs-Vorschriften für die Trichinenschauer dürfen Personen, welche das Fleichcr- gewerbe, den Fleisch» oder Viehhandel betreiben, als Trichinen schauer nicht angestellt werden. Approbirte Aerzte und Thier ärzte sind zur Ausübung der Trichinenschau ohne besondere Prüfung zuzulasscn. Personen, welche bereits ein Iabr lang an einem öffentlichen Schlachtbofe, bei welchem die Fleisch beschau unter tbierärztlicher Leitung steht oder bei einer öffentlichen Fleischbeschau für eingeführtes Fleisch als Trichinenschauer amtlich thätig gewesen sind, können bei tadel loser Dienstführung den Ausweis als Trichinenschauer ohne Prüfung erhalten, wenn sie vor Ablauf eines Jahres bei der zuständigen Behörde einen entsprechenden Antrag stellen. Von den Nachprüfungen sind sie dadurch nicht entbunden. Die Prüfung, denen sich sonstige Bewerber unterziehen wollen, ist vor einer von der Landesregierung zu bestimmen den thierärzlichen Amtsstelle abzulegen. Der Bewerber muß daS 21. Lebensjahr vollendet haben nnd den Nachweis erbringen, daß er mindestens vierzehn Tage lang einen regelmäßigen theoretischen und praktischen Unterricht in der Trichinen- und Finnenschau aus einem öffentlichen Schlacht hofe unter Leitung eines die Fleischbeschau dort amtlich aus übenden ThierarzteS mit Erfolg genossen hat. Die Aus bildung bei einer von der Landesregierung hierzu ermäch tigten, mit den erforderlichen Einrichtungen versehenen Zoll- uud Steuerstelle, bei welcher die Untersuchung von Fleisch durch einen amtlich die Fleischbeschau ausübenden Thierarzt stattfindet, oder auf einem mit einer Hochschule in Ver bindung stehenden thierärztlichen Institute kann der Aus bildung auf einem Schlachthofe gleichgeachtet werden. Durch die Prüfung, die in einen theoretischen und in einen praktischen Theil zerfällt, ist festzustellcn, ob der Prüfling alle für eine zuverlässige Ausübung der Trichinenschau und eine zuverlässige Mitwirkung bei der Finnenschau erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt. Falls die Prüfung nicht bestanden ist, darf sie frühestens nach Ablauf von zierzehn Tagen und höchstens zwei Mal wiederholt werden. U Berlin, 13. Juli. DaS im „Reichsanzeiger" jüngst veröffentlichte Gesetz über den Servistarif und die Classeneintheilun g der Orte enthält u. A. die Be stimmung, daß die nächste Revision der OrtSclasseneintheilung spätestens mit Wirkung vom 1. April 1904 ab erfolgt. Als das Gesetz vom 26. Juli 1897 zu Stande kam, enthielt es eine Revision, welche an der OrtSclasseneintheilung nach Ver- lauf von 10 Jahren seit der letzten Feststellung vorgenommen war. Das Gesetz von 1897 war auf eine Dauer von fünf Jahren berechnet, das neueste Gesetz wird nur eine zweijährige Dauer haben. Die Fristen, welche für die Revisionen fest gesetzt wurden, haben sich danach jedeSmal bedeutend verkürzt. ES ist bekannt, daß die Vorbereitungen für die gesetzgeberi schen Actionen gerade auf diesem Gebiete außerordentlich lange Zeit in Anspruch nehmen. Man kann deshalb es als sicher ansehen, daß, nachdem daS Gesetz vom 7. Juli 1902 publicirt ist, auch bald mit den Vorbereitungen für die spätestens in der Reichstagssession 1903/1904 zu erwartende Revision der OrtSclasseneintheilung begonnen werden wird. * Berlin, 15. Juli. Lebensalter und Vorbildung der Studirenden der preußischen Universitäten. In der „Zeitschrift des Königlich preußischen Statistischen Bureaus, Jahrgang 1902" veröffentlicht Erich Petersilie eine umfangreiche Arbeit über Universitätsbesuch und Studenten schaft auf den deutschen bezw. preußischen Universitäten. Dem Abschnitt über das Lebensalter und die Vorbildung der Studirenden sei Folgendes entnommen: Wenn das Gym nasium, dem die große Mehrzahl der deutschen Studenten entstammt, glatt durchlaufen wird, so muß das Aller von 18 bis 19 Jahren daS des Eintritts in die Universität sein. Es ist nun erfreulich, festzustellen, daß der Procentsatz der Studierenden dieses Alters im Steigen begriffen ist: von je 100 Studirenden dieses Alters in dem Zeiträume 1886/87—91 3,28, in dem Zeitabschnitte 1891/92—1895/96 3,83 und 1899—1899/1900 3,88. Die noch jüngeren Studenten sind dagegen etwas im Rückgänge begriffen. Einen verhältnißmäßig recht beträcht lichen Antheil machten die Studirenden in reiferen Jahren auS; in obigen drei Abschnitten gab es unter je 100 Studirenden solche von 30 b»s 40 Jahren 1,69 bezw. 1,73 und 1,84; es zeigt sich hier also eine Zunahme. Studirende dieses Alters sind natürlich kaum jemals solche, die ihre Studienzeit unverhältnißmäßiz lange ausgedehnt haben, sondern fast ausschließlich Männer, die bereits in einem Lebensberufe standen und dann abermals auS irgend einem Anlaß, über den nur Vermutbungen be stehen können, die Universität wieder ausgesucht haben. Auf die einzelne» Facul täten vertheilen sich die verschiedenen Lebensalter in grundsätzlich von einander abweichender Weise. Die jüngsten Studenten finden sich naturgemäß in der philosophischen Facultät. DaS rührt daher, daß allein in dieser Facultät Jmmaturi in größerer Zahl ausgenommen werden können; die- betrifft in erster Linie Landwirthe, Pharmaceuteu, Chemiker, Zahnärzte u. a. m., sowie solche, die sich nur, um eine all gemeine Bildung zu erwerben, auf der Universität auf halten. DaS Gleiche gilt auch von den ältesten Studirenden; auch sie sind vorzugsweise in der philosophischen Facultät eingeschrieben; allerdings bleiben die Zahlen der medicinischen Facultät nicht sehr hinter denen der philosophischen zurück. Das Alter von 18 bis 19 Jahren findet sich am stärksten in der juristischen Facultät vertreten, nächst dieser in der evan gelisch-theologischen; bei der ersteren ist der Procentsatz ge fallen, bei der letzteren gestiegen. Ihrer Vorbildung nach sind die meisten der Studirenden Gymuasial-Abiturienten; ihnen folgen diejenigen ohne Reife,eugniß; die geringste Zahl machen die Nealgymnasial- oder Ober-Realschul-Abiturienten auS. ES befanden sich auf preußischen Universitäten: im Durchschnitt der Studienjahre 1886/87—1891 1891/92—1895/96 1899—1899/1900 «Dhmnasial- »dituricnlen Uber- daupt 10717 9 905 12143 v. H. 84,85 84,28 82,06 Rcalgymnastal- und Ober- Realschul- Adlturienten v. H. 6,86 5,01 7,91 hauvt 866 589 1171 ohne Zeugniß der Reife v. H. 8,29 10,71 10,03 Uber- baupt 1047 1258 1484 »u- sammen 12 630 11752 14 798 Die Gymnasial-Abiturienten haben also im letzten Zeit räume gegenüber dem ersten abgenommen, während die Zahl der Angehörigen der beiden anderen Elasten gewachsen ist. Der hohe Antheil der Gymnasial-Abiturienten ist ohne Weiteres verständlich; denn bisher war das Reifezeugniß einer Huma- nistischen Vollanstalt Bedingung für die theologische, medici- nische und juristische Facultät; die hier und da vorkommenden Ausnahmen sind sehr gering an Zahl; eS wurden in den drei Zeitabschnitten inSgesammt 27 Realgymnasiasten und 29 ohne Zeugniß der Reife in diesen drei Facultäten ermittelt. — Für die Commission zur Feststellung der Grenze zwischen Uganda und Deutsch-Ostafrika ist deutscherseits Hauptmann Sch lob ach ernannt worden, ein alter Afrikaner, der sich besonders durch seine Vorarbeiten für die Eisenbahn linien in Deulsch-Ostafrika einen Namen gemacht hat. Haupt mann Schlobach sollen mehrere Mitglieder von der jetzt zurückkehrenden Kiwu-Expedition deS Hauptmanns Herrmann beigegeben werden. Welche Herren dies sein werden, steht noch nicht fest, da dies von dem Gesundheitszustände der zurückgekehrten Ofsiciere abhängt. Der Führer der Expedition Herrmann wird der Grenzcommission jedenfalls nicht an gehören. Schloback ist bereits wieder in Afrika eingetroffen, nachdem er zur Empfangnahme von Instructionen längere Zeit in Berlin geweilt hat. Die englischen Commissare, Major Delnic-Radcliffe und Major Bright, sind bereits nach ihrem Bestimmungsort abgereist. — In der „Deutschen Colonialzeitung" vom 10. Juli fragt Obersorstrath Probst an, warum im Colonialdienst neben der Zahl von Militärs und Juristen bis jetzt so wenig Forstmänner verwendet sind, während gerade diese eine so gute Vorbildung für diesen Dienst besitzen. Die „Natlib. Corresp." antwortet darauf: Wir möchten demgegenüber darauf Hinweisen, daß die Colonialverwaltung Bewerber aus dem Bereiche deS höheren ForstdiensteS stets gern verwendet hat, und zwar nicht nur in ihrem besonderen Fache, sondern auch in der all gemeinen Verwaltung als Bezirksamtmänner und Stationsleiter. So sind in Ostafrika zwei aus dem höheren heimischen Forst dienst angestellte Bezirksamtmänner hervorgegangen. Ferner erinnern wir an den leider so früh in Kamerun in Folge seiner Verwundung verstorbenen Forstassessor vr. Plehn, der auch in Togo lange als StationSleiler mit Erfolg thätig war. In Südwestafrika befindet sich zur Zeit ein auS dem badischen Forstdienst hervorgegangener forstmännischer Sach verständiger. — Wir sind überzeugt, daß eS der Colonial verwaltung nur willkommen sein wird, wenn genügende Be werber aus der Forst-Laufbahn sich ihr zur Verfügung stellen. — Wie der „Tägl. Rundsch." von autorisirter Seite mit- getheilt wird, würde es die Colonialverwaltung sehr bedauern, wenn Oberst Leutwein aus ihrem Bereich ausscheiden würde. Es werde deshalb Alles geschehen, um ihn auf seinem Posten zu erhalten. — Die Vertrauensmänner der conservativen Partei deS Wahlkreises Schlawe - RummelSburg-Bütow haben, wie die „Pomm. Reichspost" meldet, beschlossen, den Ritter gutsbesitzer ».Michaelis auf Quatzow im Kreise Schlawe als Candidaten für die nächstjährige ReichStagSwahl in Vorschlag zu bringen. Der Wahlkreis ging den Conser vativen bei den letzten Wahlen an den Vorsitzenden des frei sinnigen Bauernvereins Nordost, Steinhauer, verloren. — Die bekannten Vorgänge bei der Reichstagswahl in GreifSwald-Grimmen, die mehrfach das Abgeordnetenhaus beschäftigt, haben nun auch ein Nachspiel vor dem Oberverwal tungsgericht gefunden. ES wird darüber berichtet: Nachdem Bergrath Goth ein im Kreise Grimmen, entgegen dem Wunsche des Landraths von Maltzan, zum ReichStags-Abgeordneten gewählt worden war, hielt der liberal« Verein am Geburtstage de« Kaisers einen Commers ab, an welchem auch der Abgeordnete Gothein und der Senator Griwahn auS Grimmen Theil nahmen. Aus dem Commerse wurde auch ein Lied gesungen, welches gegen den Landrath gerichtet war: „Wenn ich einmal ein Landrath wär", ferner da- Lied von der GaÜwirthin Müller, frei nach Schiller, deren Local, wie man in der Stadt erzählte, auf Veranlassung des Landrath- von conservativen Personen boykottirt worden sein soll, weil Frau Müller ihren Saal den Liberale« zur Verfügung gestellt hatte. Nicht lange danach erhielt der Senator Gri- wahn wegen seiner Theilnahme an dem Commerse eine Verfügung d»S Regierungs-Präsidenten, sich zur Vernehmung durch einen Eommissar im Rathbause einfinden zu wollen. Herr Griwahn weigerte sich zu erscheinen und richtete eine Beschwerde an den Minister d«S Innern. Wegen Gehorsamsverweigerung ver hängte darauf der Regierungspräsident über Griwahn eine Ord nungsstrafe von 30 und setzte einen neuen Termin zur Vernehmung deS Senators fest. Dieser lehnte jede Auskunft-- ertheilung ab, da er sich als Privatperson und nicht al- Beamter an dem Commerse betheiligt habe. Nachdem der Oberpräsident beide Beschwerden abgewiesen hatte, erhob der Senator gegen den Oberpräsidenten von Maltzan, den Vater deS LandrathS, Klage wegen Aushebung der Ordnungsstrafverfügung. DaS OberverwaltungSgericht wies die Klage ab, da der Regierungs präsident berechtigt gewesen sei, von dem Senator Auskunft zu ver langen; auch sei eS unerheblich, wenn der Kläger behaupte, er habe nicht in amtlicher Eigenschaft an dem Commerse theilgenommen. Für den Regierungs-Präsidenten habe hinreichender Anlaß vor gelegen, sich darüber Aufklärung zu verschaffen, weshalb Senator Griwahn das Local nicht verlassen habe, als Spottlieder auf den Landrath gesungen wurden. — Zur Frage der Abschaffung der Gerich tSferien hat nunmehr auch der preußische Justizminister vr. Schönstedt daS Wort ergriffen. Gelegentlich der Vorstellung des Richter personals in Essen bemerkte der Minister auf eine Anfrage, daß keine Aussicht vorhanden sei, Wünsche in dieser Rich tung in irgend einer Weise berücksichtigen zu können. Die GerichtSferien seien ein nothwendigeS Uebel. — Die „Nat.-lib. Corresp." schreibt: Unsere StrafrechtS- Reformer treten dafür ein, daß die bedingte Verurthei- lung im Sinne früherer Beschlüsse des deutschen Juristentages reichsgesetzlich geregelt werde. Sie machen gegenüber der Thatsache, daß im deutschen Reiche zur Zeit jährlich etwa 8000 Sträflinge ans dem Wege der bedingten Begnadigung den Gefängnissen entgehen, geltend, daß insbesondere in Belgien weit größere Erfolge erzielt würden. Sie scheinen dabei zu vergessen, daß unter den allerdings mehr als 60 000 Verurtheilten, die in Belgien jährlich der Vergünstigung der bedingten Verurthei- lung theilhaftig werden, neun Zehntel sind, die nicht zu einer Freiheits-, sondern zu einer Geldstrafe verurtbeilt wurden. In Deutschland kommen überhaupt nur solche Personen, die zu einer Freiheitsstrafe verurtbeilt sind, für die bedingte Begnadigung in Betracht. Diesen wesentlichen Unterschied in den Zuständen Deutschlands und Belgiens darf man nicht wohl übersehen. — Ein antisemitischer Aufruf fordert zu einer Volksversammlung am nächsten Montag auf, in welcher Graf Pückler sprechen will. Die vorher angekündigte Ver sammlung war von der Polizei bekanntlich verboten worden. — Zum Streik der Bauarbeiter nahm der Verband der Daugeschäste in einer unter dem Vorsitz des RathSzimmer- meisterS AranS im Architektenbause abgehaltenen General versammlung Stellung. DaS Vorgehen der Bauarbeiter, die bei den Verhandlungen zu Beginn deS Jahres der Ansicht auf friedliche Regelung der Lohn- und Arbeitsverbältnisse durch eine Tarifgemeinschaft zugcstimmt und jetzt nicht mal vor Eintritt in den Streik ihre Forderungen eingereicht und begründet batten, fand einmüthize Verurtheilung. Die Miltheilungen über den Umfang des Streiks wurden als bedeutend übertrieben hingestellt. Wie auS dem Referat des Maurermeisters Heuer hervorging, ist durch eine vom Verband der Baugeschäfte aufgenommene Statistik fest gestellt, daß von 3372 beschäftigten Bauarbeitern 2886 40 Pfennige Stundenlohu und darunter erhalten, während nur 486 mit mehr wie 40 Pfennigen für die Stunde ent lohnt werden. In einer Resolution wurde schließlich an der bisherigen ablehnenden Haltung deS Verbandes gegenüber den Bauarbeiter-Forderungen festgehalten, da bei den Calculationen der Arbeitgeber für die jetzt in Arbeit stehenden Bauten der bisherige Lohnsatz von 40 Pfennigen zu Grunde gelegt sei und eine plötzliche Lohnerhöhung innerhalb der Bauperiode den Anschlägen zuwiderliefe. Da ferner die Versammlung der Bauarbeiter das Anerbieten der Arbeitgeber, zwecks fried lichen Verhandelns zum Abschluß einer Tarifgemeinschaft einst weilen die Feindseligkeiten einzustellen, abgelehnt hatte, wurde beschlossen, diese Verhandlungen bis zum Herbst zu vertagen. Gegen Vertragsbrüchige Akkordarbeiter soll von allen Arbeit gebern mit Klage vorgegangen werden. — Der Bevollmächtigte zum BundeSrath, bayerische Ministerial- Director Ritter von Geiger, ist nach München abgrreist. — Dem Präsidenten des Reichsgerichts, Wirklichen Geheimen Rath vr. vonOehlschläger zu Leipzig, wurde die Erloubniß zur Anlegung des vom König von Sachsen ihm verliehenen Sterns in Gold zum Großkreuz deS AlbrechtS-Ordens ertheilt. — Oberkande-gertcht-rath vr. Habicht in Frankfurt a. M. ist, wie die „Kreuzztg." mittheilt, als Hilfsarbeiter in da» Justiz ministerium berufen worden. * AuS der Ostmark. AuS einem polemischen Artikel deS „Orendownik" in Sachen der Erklärung der polnischen ProvinzziallandtagSabgeordneten ist zu ersehen, daß Herr v. KoScielSki, der vom „Kuryer" und „Orendownik" als Verfasser der Erklärung bezeichnet wird, den „Dziennik KujawSki" erworben hat, um in dem Blatte seine Ideen und Ansichten zum Ausdruck zu bringen. — AuS Meseritz wird berichtet, daß Propst Günther-Biesen wegen Vergehens gegen § 130a des Strafgesetzbuches zu einem Monat Ge- fänguiß verurtheilt worden ist. ES handelt sich hierbei um den sogenannten Kanzelparagrapheu, der denjenigen Geistlichen mit Strafe bedroht, der Staatsangelegenheiten in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise erörtert. * Hannover, 13. Juli. Minister v. Thielen hat auf ein Schreiben des Magistrats von Hannover, in welchem dieser ihm anläßlich seines Rücktritts seinen Dank für das der Stadt Hannover bewiesene Wohlwollen und Interesse übermittelt hatte, mit einem Dankschreiben geantwortet, in welchem er den Wunsch ausspricht, „daß die Blüthe der schönen Stadt Hannover immer kräftiger sich entfalten und insbesondere die Entwickelung seiner Verkehrsverhältnisse zu Wasser und zu Lande recht bald aus dem Stadium der vorbereitenden Erwägungen heraus und in den Beginn der Ausführung eintreten möge". * Düsseldorf, 13. Juli. Der deutsche Kronprinz traf in Begleitung des Oberleutnants v. d. Goltz und des Professors vr. Clemen am Freitag Abend gegen 7 Uhr unerwartet hier ein und wohnte der Festaufsuhrung von „Julius Cäsar" im Stadttbeater bei. Zum Schluß der Vorstellung hatte sich die Kunde von der Anwesenheit deS Kronprinzen verbreitet. Er wurde beim Verlassen des Theaters lebhaft begrüßt. — Der hier tagende allgemeine Handwerkercongreß hat folgende Resolution an genommen: „Der Congreß stellt sich im Princip auf den Boden deS obliga- torischen Befähigungsnachweise» und der obligatorischen Innung. Sollten der allgemeinen Einführung deS obligatorischen Befähigungsnachweises augenblicklich noch Hindernisse entgegenstehen, so würden die selbstständigen Handwerker doch die Einführung einer obligatorischen Gesellenprüfung als unbedingt erforderlich bezeichnen müssen mit der Bestimmung, daß nur ein geprüfter Geselle das Recht hat, zu reisen." * Aus Gießen wird der „Frkf. Ztg." geschrieben: Die Be hauptung des derzeitigen Leiters des Gießener Gymnasiums, Geh. Schulrath vr. Schaedel, „An dem Grabe des verstorbenen Geh. Oberschulraths Prof. vr. Schiller ist mit meinem Vorwissen ein Kranz im Namen der Lehrer unserer Anstalt, die unter dem Verstorbenen gewirkt haben, uiedergelegt worden", bedarf in doppelter Beziehung einer Berichtigung. WaS Herr Geheimrath Schaedel sagt, ist 1) für den Fernstehenden dunkel: rin Lehrer bedarf doch wohl nicht des „Vorwissens" seines Directors zu einer gänzlich privaten Handlung? 2) objektiv un richtig. Gleichwie Herrn Geheimrath Schaedel die Beurtheilung unbekannt geblieben zu sein scheint, die sein Verfahren in dem vor- liegenden Falle in weiten Kreisen unserer Stadt, bei der Bürger schaft, bei hohen Beamten und namentlich seitens der Universität erfahren hat, so erinnert er sich offenbar auch anderer Vorgänge nicht, von Lenen ganz Gießen weiß. Nachdem er durch seine Weigerung eine ossicielle Betheiligung der Anstalt an einer Ehrung seines verstorbenen Vorgängers vereitelt hatte, haben die Lehrer inSgesammt ohne den Director und nach ein stimmigem Beschlüsse einen Kranz privatim gesendet. Zu dem Collegium gehören aber, wie wir erfahren, nicht nur solche Lehrer, „die unter dem Verstorbenen gewirkt haben", sondern auch solche, die ihn überhaupt nicht gekannt haben. * Bayrcuth, 13. Juli. DaS endgiltige ReichStagS- wahlergebniß ist den „Münch. N. N." zufolge: Hagen (nat.-lib.) 8549, Hügel (soc.) 7600 Stimmen. Ersterer ist sonach mit einer Mehrheit von 949 Stimmen gewählt. Belgien. * Brüssel, 12. Juli. Im vlä mischen Lande, besonders in Antwerpen und Brügge wurde daS 600jährige Jubi läum der goldenen Sporenschlacht festlich begangen. Auf dem Schlachtfelde von Courtrai selbst fand gestern nur die Feier der Liberalen statt. Die Klerikalen werden das Fest erst später begehen. Einige Blätter beklagen, daß sich auch in dieses nationale Fest der Parteihader mische. — Der Provinzialrath der Provinz Luxemburg nahm ein Tadels votum gegen den Dichter Maeterlinck an, der in feinem Artikel über die Sporenschlacht im „Figaro" die Sprache seiner Heimath als ein Kauderwälsch bezeichnet und den vlämischen Klerus den unwissendsten der katholischen Welt genannt hatte. (Fkf. Ztg.) Italien. * Montecattni, 13. Juli. Der Senator Mordini, ehemals Prodictator unter Garibaldi, ist heute früh gestorben. die Götter und Helden Griechenlands, im Parke tief drinnen ein Säulentempel, aus dem der Apoll von Bel vedere, die Diana von Versailles, die Juno schimmerte, alte Bäume rauschten darüber hin, hohe Alleen pflanzten sich fort bis zu hügeligen Feldern, dazwischen künstliche Teiche, von antiken Statuen umgeben, exotische Pflanzen, duftende Blumen überall, die reine Luft, in der nur das Blätter rauschen zu hören war und dann in den Sälen die Fülle der prachtvollen Sculpturen, der Oclgcmälde, der Stiche, Mappen mit bedeutsamen Zeichnungen, hier Schmuckwerkc der Renaissance, dort anmuthiger Zierrath des Rococv, persische Vorhänge und Teppiche, Waffen an den Wanden, Porträts berühmter Persönlichkeiten, — historische Fund gruben für Künstler und Gelehrte, . . . Augenweide und Herzerfreuung für die schönheitskundigen Besucher. In Gruppen wurden die Besucher von kundigen Führern geleitet. Das Staunen und Entzücken war groß, ein solches Zusammentragen von erlesenen Kunsterzcug- nissen war bisher von Niemand vermuthet morden. Ganze Gartcnpartien wurden skizzirt, einzelne Statuen, nach der Natur gezeichnet, Berichterstatter entwarfen kurze Beschreibungen, besondere Anhänger von Altcr- thümern und prähistorischen Funden hätten am liebsten hier und da den hügeligen Boden geöffnet, »in nach Hünen» gräbern und verrosteten Schmucksachcn zu suchen, aber sie getrauten sich doch wohl nicht, mit der verborgenen Hacke hervor zu kommen. „Schonung des Eigenthums" war das einzige Gebot in dieser herrlichen Schöpfung, die so viel Freude machte und so viel Anregung bot. Der alte Diener, der eben die letzten, besonders enthu- siasmirten Besucher herumgeführt, machte vor einer Thüre Halt. ,Hier beginnen die Privatgemächer der Herrschaften", sagte er. Die Frau Fürstin ist bei der Toilette, der Wagen ist schon vorgefahren, es ist heut Taufe in Alserischkcn, beim Herrn Bruder der Frau Fürstin." Einige Herren wußten mit den Beziehungen der Fa milien Bescheid. „Ist Ihre junge Herrin schön?" fragte eine der Damen intcrefscvoll. „Mehr als das", antwortete der Alte und sein: Angen leuchteten, „voller Anmuth und voller Güte, wie ein Engel und dabei so heiter und stets bereit, Armen zu helfen, cs giebt fast keine mehr in unserer Gegend, na, und der Herr ebenso, er ist zwar fast immer ernst, aber so gut, Du lieber Himmel, so gut,... haben Sie da unten vom Dorf aus daS neue, weiße Gebäude gesehen? Das ist das Siechcn- hauS Laser gebaut hat, vorige Woche ist's eingeweiht worden, ja, der versteht das Helfen aus dem ff. Gott segne sic alle Beide." Dabei lüftete er sein Käppchen. „Können wir kein Bild von der jungen Fürstin sehen?" Die Damen forschten -ringend danach. „Das große im Brautstaat ist noch nicht fertig", be richtete der redselig gewordene Diener, „im Sommer sind die Herrschaften viel nach Alserischkcn gefahren, die Frau Achim von Lessen malte unsere Gnädige, aber nun hats aufgehvrt, weil drüben das Junkerchen kam, es hängt zwar ein Bild im kleinen Ecksalon neben de mArbeitszimmer des Fürsten, aber da müßte ich erst um Erlaubniß bitten . . . ich sehe Durchlaucht auf der Terrasse . . . einen Augen blick, meine Herrschaften." Nach wenigen Minuten kehrte er zurück und bat die Damen und Herren, ihm zu folgen. Sie schritten durch einen Corridor nach einem hohen Vorzimmer, dessen geöffnete Spiegelscheiben die wunder volle Aussicht auf den Park frei ließen, dann traten sie durch das Arbeitszimmer in den getäfelten kleinen Eck salon, der mit ersterem durch schwere Portisren ver bunden war. Zwischen den breiten, hohen Fenstern hing das Ge mälde, das in dem natürlich gebildeten Halbdunkel am schönsten wirkte. Aus prachtvollem Rahmen glänzte das Uraniabild den Beschauern entgegen, die in Schleier gehüllte Musen, gestalt, die blinkenden Sterne am dunklen Nachthimmel. Nun schloß der Alte die Vorhänge, zündete die elektrische Lampe an und beleuchete damit das Bild der Urania. „Da haben Sie das genau getroffene Portrait der Frau Fürstin", sagte er, „eS kam gerade zur Vermählung am Pfingstsonntage an." „Wie phantastisch!" recensirte die Eine, „eine sonder bare Idee!" „Schön kann ich das Gesicht nicht einmal finden", mur melte eine andere, „allerdings liegt ein besonderer Aus druck darin, so beruhigend, so tröstend und verheißungs voll . . „Dort können Sie sie in natura sehen, sie kommen so eben die Treppen herab." Einer der Herren hatte cs erspäht, nun drängten sie sich am Fenster. Der geschlossene Landauer mit den prachtvollen Rappen hielt vor der Terrasse, der junge Diener hielt den Schlag geöffnet. Das Ehepaar erschien eben in der Thür des Gartensalons. Grita's weihe Scidcntoilctte war zum Theil durch -en leichten Mantel verhüllt, ein loser Spitzen- shawl war unter dem Kinn geschlungen, die goldig blonden Haare schimmerten hindurch, auch blitzende Steine, die sich wie eine Kette um das Köpfchen schlangen. Sie nahm den Arm des Gatten. Langsam stiegen sie die Stufen hinab, heiter dabei plaudernd. Der Gatte hob die junge Frau in den Wagen. „Lassen Sie am Siechenhaus halten", gebot er dem Diener, „und bringen Sie diesen Korb Wein dem Jn- svector ins Haus, die Leute sollen heute auch einen guten Trunk haben, steht der Korb oben fest, Albufchat?" Der Kutscher lüftete den Hut noch einmal. „Zu Befehl", sagte er, „auch von der Gnädigen ist ein großes Packet dabet, scheint Kuchen zu sein." Woronsow lächelte zufrieden, nun saß er an Grita's Seite. Ein Peitschenknall! Die Trakehner sausten dahin. Dann verließen auch die letzten Besucher das gastliche Haus, den schattigen, gepflegten Park. Die Sonntagsruhe breitete sich darüber aus, das gol dene Sonnenlicht schien durch die grünen Zweige, gab den strengen Profilen der antiken Gestalten förmliches Leben, spiegelte sich in den Teichen und ließ die Herbstblumen stärker duften. Vom Dorfe her klang der Glockenton der Kirche her über in weithallenden, feierlichen Tönen. AchtesCapitel. Auch von der alten, festlich geschmückten Kirche, die zwischen Rapsau und Alserischkcn auf einer kleinen, mit Bäumen bepflanzten Anhöhe steht, klangen fast zur selben Zett die Glocken hinaus ins Land und riefen die Andäch tigen und die zu hehrer Feier Versammelten in das Gotteshaus. Wie ost hatte dasselbe in den letzten Jahren die Lessen's zu Freud' und Leid beherbergt! Wehklagen und Weinen war zum Höchsten gedrungen, als Eberhard's palmengeschmückter Sarg vor dem mit schwarzem Flor verhängten Altäre stand und von dort nach dem Erbbegräbniß des Friedhofs durch treue Freunde des Dahingegangenen geleitet wurde. Grüne Tannenguirlanden, mit den letzten Herbst blumen durchzogen, hatten die Säulen umwunden, als der nunmehr älteste Sohn des Hauses, der Einzige, die junge, reizende, neu erblühte Susann« dem weihenden Priester spruche entgegen geführt hatte und Flicderdust und Jasmingerüche hatten den geweihten Raum durchweht, als die blonde Grita im Atlasgewande, das schöne Haupt von blühenden Myrtenzweigen und einem kleinen, glitzernden Krönchen geschmückt, dem Fürsten Mcolai die Hand zum Lebensbunde reichte. 3kur in dem engsten Familienkreise waren die Hoch zeiten gefeiert worden: bei Achim verbot sich ein glänzendes Fest von selbst, und bet der ältesten Tochter war es die Rücksicht auf Natascha's Eltern, die das neue Licbesleben Dessen segnen wollten, der ihrer so früh verstorbenen Tochter kurzes, aber reines, ungetrübtes Eheglück geschenkt hatte. Heute dagegen, an dem festlichen Tage, an welchem Achim's und Susanna's Sohn die heilige Taufe empfangen sollte, war eine zahlreiche, feierlich gestimmte, schön ge schmückte Gesellschaft versammelt. Die Helle Herbstsonne warf ihren milden Schein durch die bunten Glasfenster der Kirche, sie spielte auf dem braunen, glatt gescheitelten Haar der jungen Mutter, die mit so strahlendem Glücksausdrucke in den holden Zügen dasaß, daß der stattliche Achim sich nicht satt an ihr sehen konnte, auch nicht satt an dem kleinen, zappelnden Geschöpf in den weißen Spitzengewändern, das soeben unter leisem Orgelspiel auf die Namen „Eberhard Nicolai Rcnö" ge tauft wurde. Als der letzte Name von den Lippen des segnenden Predigers erklang, ging eine sonderbare Bewegung durch die Festgescllschaft, hatte die kleine Dame, die ganz dicht neben Woronsows stand, im faltenreichen, braunen Seidengewande nicht einen leisen Schrei ausgestoßen, als sie den Namen Rens gehört, hatte sie nicht mit namenlos überraschtem und doch glückseligem Ausdruck hinüber zu Susann« gesehen, die ihr freundlich zugenickt, nein, cs war kein Jrrthum gewesen, der alte Mann mit dem sil bernen Haar hatte wirklich den Namen Rens deutlich ge sagt, die Erinnerung an jenen Tag vor mehr denn dreißig Jahren, als sie ihren Sohn in der St. Chapelle hatte taufen lassen, spiegelte ihr keine Täuschung vor, .... und jetzt hielt sic das kleine Geschöpfchen wirklich auf den zitternden Armen, cs sah sie mit Susanna's Augen an, schnell, fast heimlich machte die bebende Madame Berthe ihr Zeichen des Kreuzes auf dem rosigen Kindcrgesicht, dann hauchte sie einen Kuß auf die zarte Stirn und flüsterte leise: „Gott fegne Dich, Rene." Die Ceremonie war zu Ende. Paarweise verließen die Gäste die Kirche. Die Lestzcn waren die Zwillinge mit ihren Kavalieren, Elsbeth mir dem eleganten Kürassicrleutnant von Raben, Rosa mit ihrem Verlobten. „Friedrich", sagte sie leise nnd drückte seinen Arm, — „wenn sich das alte Gotteshaus jetzt wieder schmückt, dann ist's für uns, dann sind wir Beide die Hauptpersonen." .
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)