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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020704017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-07
- Tag 1902-07-04
-
Monat
1902-07
-
Jahr
1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend HSHer. — Bebähren für Stachweisungen und Offrrt»nannahm» LS H (excl. Porto). Extra«Beilagen (gefalzt^ nur mit der Morg««Au4aabe, ohna Postbrfürderuug ^ll SO.-» mit PostbesSrdernng 70^-. Annahmeschluß für Anzeigen: Sbend-Ansgabsr vormittag« 10 Uhr. Morgen-Autgabe« Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen stad stet« an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 6 bi« Abend« 7 Uür. Druck und Verlag von S. Polz ia Leipzig. 8K. Jahrgang. „Vom Reichskanzler Fürsten von Hohenlohe". Die Erinnerungen von vr. Otto Frhrn. v. Böldern- dorff, von denen in der Beilage zur Münchener „Allge meinen Zeitung" jetzt die Theile III und IV vorliegen, sind wir ermächtigt worden, gleichfalls publicistisch zu ver- werthen. Das in den Erinnerungen enthaltene hoch bedeutsame politische Material ist der grössten Beachtung würdig, und zwar nicht nur zur Charakterisirung der häufig zu Unrecht verkleinerten Person des späteren Reichskanzlers, sondern erst recht zur Nachachtung der in den Aufzeichnungen gegebenen Urtheile und politischen Erkenntnißlehren, die von ihrer Bedeutung auch heute noch nichts eingebüßt haben. Wir beginnen mit einem Ab schnitt aus dem III. Thetl: Ueber die Bedeutung derOrben. „Als wir in Nürnberg im Jahre 1861 eines Abends im Hause des Grafen Giech einmal beisammen waren, brachte der Fürst das Gespräch auf deu vom Minister v. d. Pfordten bei der Budgetberathung gebrauchten Ausdruck: Die Orden seien eine Art „h öherer Trinkgelder" geworben. „Das Wort ist etwas scharf", meinte Graf Giech. „Allerdings", sagte der Fürst, „allein, eigentlich hat Pfordten nicht Unrecht." „Aber wie da Wandel schaffen", schaltete ich ein, „das Institut hat sich eben überhaupt überlebt. Schon das Frank furter Parlament hatte eigentlich Recht mit dem An trag auf Abschaffung aller Orden." Der Fürst lächelte und sagte: „Wie wenig ein solcher Antrag zeit gemäß wäre, zeigt Ihnen, lieber Baron, einfach schon der Umstand, daß gerade „das Volk" am meisten darauf ausgeht, etwas am Nocke zu tragen. Bcnüvt man nicht jedes Fest, um mit einem Sängerzeichen, einer Turnermcdaillc, einer Ruberclubschleife und so weiter herumzustolziren? Nein, nein, abschaffcn kann man die Orden sicherlich nicht, man mutz sle eher ver mehren. Ein Stern am Frack gehört in gewissen Stellungen zur absolut nöthigen Toilette. Aber aller dings sollte eine Reform des Institutes cintrcten. In Bayern haben wir nun ganz treffliche Beispiele, denMax Josephs-Orden und den Maximilians-Orden für Kunst und Wissenschaft. Beide sind keine bloßen Decorations- orden, sondern sie beweisen für den Träger ein Ver dienst. Warum könnte man nicht auch die übrigen Orden in ähnlicher Weise ausscheiden?" — Auf diese Ideen hin ward denn ein Gesetzentwurf ausgearbeitet. Der Verdienstorden vom heiligen Michael sollte nach wie vor nach Belieben verliehen werden, dagegen sollte, ebenso wie der Max Josephs-Orden nur für bestimmte mili tärische, der Verdienstorden der bayerischen Krone nur mehr für bestimmte, im Civildienst geleistete Thaten und nur auf Vorschlag des Ordenscapitels verliehen werden können. Als ich den Entwurf dem Fürsten vor legte, ordnete er zwei Abänderungen an. Er verlangte vor Allem, daß auch eine lange, mit Treue und Auf opferung vollführte Amtsthütigkeit als „auszeichnende That" angesehen werden dürfte. „Denn", sagte er, da durch eben unterscheidet sich der Eivilstaatsdienst von Kriegsleistungen, daß die Friedensstaatsmaschine eine sich stets gleichbleibende, von Tag zu Tag sich wieder holende Aufopferung des Beamten erfordert. Eine solche andauernde, gewissenhafte und treue Pflichterfüllung ist allerdings nicht so glänzend, wie eine Heldenthat, aber vielleicht schwerer zu vollbringen, als die in der Auf regung des Schlachtgeiümmcls rasch beschlossene und rasch ausgeführte eiumalige That." „Was Durchlaucht sagen, ist gewiß richtig, und ist für uns, die kleinen Hilfs arbeiter an der großen Staatsmaschine, sicherlich hoch ehrend. Ich werde alsbald diese Aendernng einfügen. Ich habe die entgegengesetzte Bestimmung auch nur des halb vorgcschlagen, um der bisherigen Ucbung definitiv einen Riegel vorzuschicben, der Sitte, nach welcher ganz schablonenmäßig jeder Beamte, der nicht gerade einen Cassadefect macht, nach so und so viel Jahren Dienstzeit an Neujahr den Michelsorden, nach so und so viel weiteren Jahren den Kronenorben, und so weiter die höheren Grade der beiden Orden verliehen erhält, wo- bet zugleich die Höhe der Stellung in der Beamten hierarchie für die Höhe des „Verdienstes" entscheidet. Aber, wie gesagt, die Gründe, welche Durchlaucht vor her angeführt, find überzeugend." — Als zweite Aenbe- rung wollte der Fürst, daß zwar der Cioilverdtenstorben künftig nicht mehr ohne Vorschlag des Capitels er folgen solle, aber dem König das Recht Vorbehalten bleibe, einen Vorschlag des Capitels abzulehnen, und zwar ohne Angabe von Gründen. „Denn", so motivirte der Fürst diese Anordnung, «ohne Zustimmung des Souveräns kann in einem monarchischen Staate keine Auszeichnung erfolgen." — Mit diesen Aenderungen wurde der Entwurf Allerhöchsten Ortes vorgelegt. Daß er einfach abgelehnt wurde, war kaum zu ver- wundern; denn, wie schon Eingangs erwähnt, eS war ja von den Gegnern des Fürsten im Voraus beschlossen, jede von ihm stammende Maßnahme, die ihm hätte zum Verdienst angerechnet werden können, zu verhindern. Aber der Grund, den man vorschüyte, war doch nicht zu erwarten gewesen. Der Entwurf wurde als ein „Ein- griff in die Kronrechte" erklärt, weil dem König di« Besilgnitz entzogen werden wolle, den Ekvilverbienst- ordcn nach Belieben zu verleihen! Ebenso erging eS mit dem Vorschläge über Reform des Adels, welcher mein „eigenstes" Werk war." Der IV. Theil enthält u. A. zu bekannten Vorgängen folgende historische Ergänzung von Bedeutung, zugleich eine Probe des großen und scharfen AuffaffungSver- mögens des Fürsten Hohenlohe: „Alsbald nachdem die Erneuerung des Zollvereins glücklich unter Dach gebracht war, wurden die inzwischen etwa« in den Hintergrund getretenen Versuche, die Süd staaten unter sich in eine Vereinigung zu bringen, oder wenigstens eine gewiße Gemeinsamkeit in der militäri- scheu Organsation zu erzielen, eifrig fortgesetzt. Ich werbe später darüber tm Zusammenhänge sprechen, weil scheinbar der Sturz beß bayerischen Ministerpräsidenten durch dessen deutsche Politik verursacht war. Vorher wende ich mich zu der Action, welche der wahre Grund des entfesselten Sturmes gegen ihn gewesen ist, welche aber in der Geschichte ihm den Ruhm, einer der weit blickendsten und scharfsichtigsten Staatsmänner seiner Zeit gewesen zu sein, für immer sichern wird. Ich meine sein Vorgehen gegen das Unfehlbarkeits dogma. Obwohl Fürst Hohenlohe Katholik ist und ich ein guter Protestant bin, bestand doch zwischen uns nie eine Differenz in der Anschauung über kirchliche Angelegenheiten. Ich thetlte ganz die Ansicht des Für sten, daß der Grundsatz liöera ostissa in liboro stato auf absehbare Zeit hinaus eine Utopie bleiben müsse, und -atz insbesondere die katholische Kirche eine so gewaltige Macht sei, daß sie bei vollständiger Freiheit in kürzester Zeit den Staat zu ihrem Polizeidtener herabdrücken würde. Vollständig unterrichtet über den Gang der Dinge in Rom, sprach mir der Fürst lange vor 1866 da von, daß sich dortselbst ein großer Feldzug gegen den modernen Staat vorbcreite, und ich kann hier der That- sache gedenken, die von dem scharfen Blick des groben «-matsmannes Zeugniß giebt. Es war im Jabre 1834, als die Lehre von der unbefleckten Empfängnis; Mariä znm Dogma erhoben wurde; als — bei einem Gespräche im Giech'schen Hause — der Gras meinte: „Das ist ein harmloses Vergnügen", erwiderte Fürst Hohenlohe: „Nicht so ganz; later an^uis in sisrins. Ich halte es für einen Prvbepfeil. Die Jesuiten wollen sehen, was man den Gläubigen zumuthen dürfe." Richtig folgte zehn Jahre später die bekannte Encyklika mit dem Syllabus und seiner Kriegserklärung gegen die ganze moderne Weltrichtung. Der anfänglich so liberal gesinnte Papst Pius IX. war aus seinem Exil im Gaeta reuig und von jeder Freiheitsschwärmerei geheilt zurückgekehrt, und glaubte unter dem Schutze der französischen Bajonette mit völliger Rcaction weiter regieren zu können. Zu fällig kann ich hierüber als Augenzeuge berichten: Ich brachte den Winter 1851 in Rom zu, verkehrte viel bei den Jesuiten und hörte auch Vorlesungen im OvUsr-io Romano. Dabet war ich gern gesehener Gast im Hause des damaligen bayerischen Gesandten Grafen Tpaur und seiner schönen Frau und sah und hörte Vieles, um so mehr, als ein Herr v. Schröder lselbst ein nord deutscher Eonvertit) sich nnenolich Mühe gab, mich in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückzu bringen. Ich war nicht wenig erstaunt, zu erfahren, daß die deutschen Katholiken, selbst der „ultra- montanste", in Nom gar nicht als „echt" anerkannt würden. „I Tsckesosti aono tutti un poeo oroticü" sagte der Monsignore in der vatikanischen Bibliothek, in der ich jeden Vormittag zu arbeiten pflegte, als ich von Döllinger sprach. Sogar König Ludwig I. und Abel fanden keine Gnade; man warf Beiden vor, daß sie die Rechte des Staates gegenüber der Kirche viel zu schroff geltend gemacht, und ins besondere, daß sie die Bestimmung des Eoncvrdats nicht erfüllt hätten, wonach Bayern verpflichtet sei, den bischöflichen Ordinariaten so viel Grundbesitz zum freien Eigenthum abzutrcten, daß aus dessen Ein künften die Leistungen an die geistlichen Würdenträger, welche das Concordat feslsetzt, geregelt werden könnten. Denn es sei ein durchaus ungehöriger und die Unab hängigkeit der Kirche beeinträchtigender Zustand, so sagte mir eine Autorität unter den Monsignori, daß der Staat an Erzbischöfe, Bischöfe und so weiter „Ge halte" auszahle und so dieselben gleichsam zu Staats dienern „herabwürdige". An diese Abneigung gegen die Deutschen knüpften die Polen, diese in Rom so ein flußreichen Feinde des Germanenthums, an, und w e n n die Jesuiten schlau und fanatisch sind, so s i n d d i c P o l c n n och v i e l s ch l a u e r u n d fana tische r. Sv gelang es, den geistigen Feldzug gegen die d e u t s ch e n H ä r e t i k e r in einen weltlichen Feld zug gegen die häretischen Deutschen umzu wandeln. Tenn — leider beachten die bisherigen Geschichtschreiber, selbst Sybel, zu wenig dieses Moment — der deutsch-französische Krieg von 1870 war in Rom längst gewollt und wurde von dort angezettelt. In der That war namentlich für die Kaiserin Eugenie die Ueberzeugung maßgebend, die Besiegung Preußens werbe leicht sein und ihrem Sohne den Thron sichern. Aber diese Ansicht war ihr durch ihre Beichtväter und ckirvotourg cks oonscionoe, die ihre Instruction von Nom aus hatten, beigebracht. An einen so raschen und glän zenden Sieg Preußens dachte man in Nom freilich nicht. An und für sich wollte man nur „Krieg" überhaupt, um die Aufmerksamkeit der Staatsgewalten abzulenken und das Dogma ohne Widerstand durchzureißen, was ja auch geglückt ist. Aml4. JuliwurdederKrieg erklärt, schon vier Tage später das neue Dogma verkündet. Man wußte in Rom recht wohl, daß man in Berlin über katholische Verhältnisse ganz falsch berichtet war. Einige süddeutsche Liberale hatten dort ihre eigene irrige Meinung zur Geltung gebracht, man könne den niederen Kleru- gegen die Bischöfe ausspielen, die Land pfarrer „seufzten unter dem Druck der Ordinariate". Daneben bildete sich bas norddeutsche Selbstgefühl ein, nur im Süden sei der katholische Klerus ultramontan- *) Fürst Hohenlohe war nicht nur besser informirt, sondern hatte a«S der Geschichte die Lehre gezogen, daß niemals die untere Elasse de» Klerus, sondern immer nur die Bischöfe und Dom- capttel tm Stande waren, dem Staate im Kampfe gegen die Ueberariffe auv Rom eine Stütze zu bieten. Den Ansturm der Jesuiten und Polen hatte der Fürst, wie oben erwähnt, längst und schon in den fünfziger Jahren vorauSgesehen und bereits damals — aber vergeblich — in Berlin gerathen, bei Besetzung der hervorragenden *) Ach habe an anderer Stelle ein Gespräch erwähnt, welches ich über die Folgen de» allgemeinen geheimen Wahl recht» mit Fürst Bismarck hatte und worin derselbe sagte: „Bei un» in Preußen ist auch der katholische Geistliche zuerst Preuße und dann erst katholischer Geistlicher." Wie irrig Sa» war, zeigte sich im Lulturkampf. Diücesen in Köln, Breslau, Mainz, Freiburg, und be sonders in Posen, nur selbstständige und deutschgesinnte Männer an die Spitze kommen zu lasten und auch für Besetzung der Dvmcapitel in dieser Richtung Sorge zu tragen. Wie ganz anders stünde es in Deutschland, wenn man diesem weisen Rathe des Fürsten gefolgt wäre. Damals hätte noch Vieles gemacht werden können. Jetzt ist es zu spät. Die Eurie hat ein wach sames Ange und sorgt dafür, daß die Erziehung zum Geistlichen schon in den Kinderjahren l^eminarum puororum) beginnt, daß die Alumnen von den übrigen Studenten ganz abgesperrt bleiben und der Adel, auS dem ehedem die Wessenberg, die Gebsattel, die Diepen- brok hervorgingen, seinen Nachwuchs nur mehr mit Feldkircher Milch ernähren läßt." Deutsches Reich. V.O. Berlin, 3. Juli. (Streiks und Aussperrungen im Jahre 1901.) Die ausführliche Statistik der „Streiks und Aussperrungen im Jahre 1901 für das deutsche Reich" ist soeben als Band 148 der vom Kaiserlichen Statistischen Amte beransgegebenen Statistik des Deutschen Reichs er schienen; die entsprechenden Statistiken der ausländischen Staaken für 1901 liegen bisher noch nicht vor. Die Er gebnisse der annlicken deutschen Streikstatistik sind mit den vor Kurzem veröffentlichten Ziffern der gewerkschaftlichen Statistik nur schwer vergleichbar, da die Zählung der Streiksälle, ihre Unterscheidung in Einzelstreiks und Gruppen streiks in beiden Statistiken nach verschiedenen Grund sätzen erfolgt, in den amtlichen Feststellungen z. B. nur die Höchstzabl der gleichzeitig, in den gewerkschaftlichen Er mittelungen hingegen die Gesammlzahl der überhaupt während der Dauer der Arbeitseinstellung, unter Umständen alw auch nacheinander, streikender Arbeiter erfaßt wird, und dergleichen mehr. AmtlicherseitS werden für das Berichtsjahr 1901 im Ganzen 1071 Streik« (gegen 1462 im Vorjahre) gezahlt, von denen 29 bereit« vor dem 1. Januar 1901 begonnen batten und 15 am 31. Decrmber 1901 noch nicht beendet waren. Von den 1056 im Lause des Jahres 1901 rur Beendigung gelangten Streiks — im Vorjahre tnrug die Zahl dieser Streiks 1433 — wurden 5161 Betriebe (gegen 7710 im Vorjahre) mit insgesammt 141 220 (1900: 298 819) beschäftigten Arbeitern betroffen. Die Höchstzabl der gleichzeitig Streikenden belief sich auf 55 262 (1900: 122 803) Personen. Infolge von Streiks wurden 7420 (1900: 9007) Arbeiter zum Feiern gezwungen. Angriffsstreiks werden 697 (1900: 1127), Abwehrstreiks 359 (1900: 306) gezählt. Pollen Erfolg batten die Strei kenden in 200 (1900: 275), theilweisen Erfolg in 285 (1900: 505), überhaupt keinen Erfolg in 571 (1900: 653) Fällen. Eine Anzahl von Textübe, sichten bringt, wie in den Vorjahren, die Streckbewegung des Berichtsjahres unter verschiedenen Ge sichtspunkten zur ziffernmäßigen Darstellung Neu hinzugetreten ist eine Uebersicht, welche für die von den Streikenden gestellten Forderungen im Einzelnen den Nachweis erbringt, wie oft, in wieviel Betrieben und von wieviel Streikenden dieselben inner halb der verschiedenen Gewerbegruppen aufgestellt, und in wie viel Fällen, in wie viel Betrieben und wie viel Streikenden gegenüber sie voll, theilweise oder überhaupt nicht bewilligt worden sind. — Wie für das Vorjahr, so werden auch für das Jahr 1901 insgesammt 38 begonnene und 35 beendete Aussperrungen nachgcwiesen. Von den letzteren wurden im Berichtsjahre 238 (1900: 607) Betriebe mit 7980 (1900: 22 462) beschäftigten Arbeitern betroffen. 'Die Höckst- zabl der gleichzeitig Ausgesperrten betrug 5414 (1900: 9085), außerdem wurden 95 (1900: 226) Personen zum Feiern gezwungen. Von den beendeten Aussperrungen brachten den Arbeitgebern 16 vollen, 8 theilweisen und I I überhaupt keinen Erfolg; die entsprechenden Zahlen im Vorjahre waren 13, 17 und 5. Berlin, 3. Juli. (Begehrlichkeit der Socialdemokratie.) Wenn man das Maß der Ansprüche vergleicht, welche die Socialdemokratie in Deutschland noch vor wenigen Jahrzehnten erhob, mit der Fülle von Leistungen, die Reich, Staat und Eommune seitdem aufgeboten haben, um den berechtigten Forde rungen der handarbcitenden Classen in einem Grade ent- gegcnzukommcn, der in anderen Staaten bisher auch noch nicht annähernd erreicht worden ist, dann findet man es doppelt unbillig, daß von der Seite, welche die Ar- beiterinterefscn im bestverslandenen Sinne zu vertreten vorgiebt, abfällige Kritik geübt wird an den hundert nnd aberhundert Wohlfahrtseinrichtungen, die zum Besten der Arbeiter etngeführt sind und unterhalten werden. Als bet Gelegenheit der jüngsten Znsammenkunft der Social reformer aus allen civilistrten Staaten in Düsseldorf der ehemalige Präsident des Neichsversichcrungsamts vr. Bö- diker die Wohlfahrtseinrichtungen für die Arbeiter in den Krupp'schen Werken des Lobes für sehr werth er klärte, hatte die soctaldemokrattsche Kritik nichts Eiligeres zu thuu, als sich an die Fersen eines Mannes zu heften, von dem Freund nnd Feind anerkennen müssen, daß er ein überzeugter Socialreformer ist, und denselben mit Hohn und Spott zu bedecken, weil er gewissermaßen ohne Erlaubnitz der Socialdemokratie die Krupp schen Wohl fahrtseinrichtungen gelobt hatte. Ein Scitenstück zu dieser Leistung socialbemokratischcr orthodoxer Anmaßung und Begehrlichkeit bieten die alljährlich im Reichstag sich wiederholenden Kritiken an den Aufwendungen und Be mühungen, die von Leiten der Heeresverwaltung ge macht werben, um für die in den Militär-Werkstätten Angestellten daS Dasein so erträglich wie möglich zu ge stalten. Immer wieder werben berechtigte und unve- rechtigte Ausstellungen an Einzelheiten und Nebensächlich keiten zum Anlaß genommen, um über daS ganze System ein Verbiet anSzusprechen, wie es gründlicher nicht zu denken ist. Bei Krupp bauscht man den Umstand, baß einmal zwei Arbeiter in einer Zelle badeten, über Gebühr auf, und die Militärwerkstätten beurtheilt man ohne Weiteres schlecht, weil ein Spucknapf zerbrochen ist ober ein Handtuch an seinem Platze fehlt. Wohin, in aller Welt, soll eine solche Bevormundung und Geltendmachung einer ganz unberechtigten Begehrlichkeit führen? Wenn dessen ungeachtet und trotzdem ein socialdemokratiscbes Organ in Gießen unter der Devise: „Seid einig" eine Eoalition der gesammteii Linken für die nächsten Reicho- tagswahlen empfiehlt, und die von der Liberalen Ver einigung ressortirende „Lib. Eorr." meint, man dürfe ge spannt sein, welche Aufnahme dieser Vorschlag bei den größeren socialdemokratischen Organen finden werde, so befinden wir uns ausnahmsweise mit der „Freis. Ztg." i» Ueberetnstimmung, wenn sie schreibt: „Wir sind gar nicht gespannt. Die entschiedene Abweisung aller auch nur ent fernt in dieser Richtung liegenden Vorschläge einzelner socialdemvkratischer Blätter ist uns von vornherein durch aus nicht zweifelhaft. Die Socialdemokratie erachtet es sogar bei den Wahlen als ihre Hauptaufgabe, gerade die Freisinnigen auf das Schärfste zu bekänrpfen." Die Ab lehnung derartiger übcrschlauer Vorschläge von Seiten der Nativnalliberalcn ist selbstverständlich. Diese werden also gut thun, von vornherein nicht den geringsten Zweifel aus kommen zu lassen darüber, daß sie ganz vor wie nach socialreformcrisch sind, daß sie aber von socialdemokra tischer Begehrlichkeit sich ebensowenig anfechten lassen, wie von irgend welcher anderen. * Berlin, 3. Juli. Ein Gesetzentwurf über die Weißpbospbor-Zündwaaren ser dem zuständigen Aus schüsse des BundesratheS überwiesen worden, meldete der Bericht über die Bundesrathssitzung vom 26. v. Mts. Jetzt wird der „Königsb. Hart. Ztg." aus Berlin mitgetheilt: Der weiße Phosphor ist in hohem Maße giftig, während der rothe verhältnißniäßig unschädlich ist. Ein Reichs gesetz vom 13. Mai 1884 hat sich daher bemüht, die Her stellung von Zündhölzern mit weißem Phosphor zu regeln, eine Bundesralhsverordnung vom 8. Mai 1893 gab eine Ergänzung dazu. Die Klagen über die GesundheitSschädlich- keit dieser Fabrikation und über die Feuergefährlichkeit dieser überall zündbaren Streichhölzer wie über den Mißbrauch des an ihm haftenden Giftes hörten aber nicht auf. Man erwog wiederholt, die Herstellung, die Einfuhr und den Verkauf solcher Zündhölzer zu verbieten nach dem Muster des seit drei Jahren bestehenden Schweizer Gesetzes. Im Neichsamt des Innern haben nun vor einigen Monaten sehr ernsthafte Erwägungen in der gleichen Richtung ge schwebt, die noch kräftig durch die Ueberzeugung unterstützt wurden, daß auch für kleinere Betriebe der Uebergang zur Erzeugung giftfreier Zündhölzer ohne nennenSwerthe Schwierigkeiten möglich sei. Neuerdings ist ein Verfahren entdeckt worden, das kostspielige Maschinen überflüssig macht und für unsere heimischen Hölzer paßt, während daS be kanntlich bei der Herstellung sogenannter „Schweden" nicht der Fall ist. Die Betriebe, die daran betheiligt sind, thun gut, sich möglichst bald auf die vermuthlich bald erfolgende neue gesetzliche Regelung einzurichten, da von einer Ent schädigung der bestehenden Fabriken bei einem Verbot der Weißphosphor-Zündhölzer kaum die Rede sein dürfte. Das Verbot würde mit der nothwendigen Sicherung von Leib, Leben und Eigenthum begründet werden. Solche Maßnahmen zu treffen, liegt aber innerhalb der Competenz deS Staates nicht blos, sondern auch seiner Pflichten. D Berlin, 3. Juli. (Telegramm.) Der BnndeSrath bat in seiner heutigen Sitzung die Zustimmung ertheilt dem Entwurf einer Verordnung über die weitere Inkraftsetzung deö Gesetzes betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900 und den Ausschußanträgen 1) zu dem Entwurf eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen über die Rechts verhältnisse der Dienstboten (Gesindeordnung), 2) zu dem Entwurf einer Bekanntmachung wegen wechselseitiger Benach richtigung der Militär- und Polizeibehörden über das Auf treten übertragbarer Krankheiten, 3) zu einem Antrag Bayerns wegen Einführung des Gymnasialreifezeugnisses als Vorbedingung de« lhierärztlichen Studiums, 4) zu dem Entwurf einer Anweisung zur Bekämpfung der Pest. — Die kaiserliche Familie wird vom 16. bis 24. August im Schlosse von Homburg v. d. H. Wohnung nehmen. Der Kaiser wird während dieser Zeit der Enthül lung deS Denkmals für Kaiser Friedrich in Cronberg und Homburg beiwohnen. — So weit Graf Ballestrem den Polen entgegen gekommen ist — sie sind nicht zufrieden. Jetzt erörtert ras Organ deS besonnenen Flügels der polniichen Demokratie, der Posener „Orendownik", die Angelegenheit Ballestrem. Der „Orendownik" stellt Vie Alternative, daß entweder nu Wahlkreise de« Grafen Ballestrem mit Einwilligung des Centrums ein polnischer Neichstagscandidat ausgestellt wird oder Polen und Centrum einander gegenüber treten. Dem Grafen Ballestrem könnten die Polen ihre Stimmen unter keinen Umständen geben. Und dieselbe Alternative werden die Polen in anderen oberjctckesischen Wahlkreisen stellen; auch dort wird das Centrum die Mauraw verlieren, wenn eS sie sich gegen di- Polen erkämpfen wollte. DaS Centrum bat sich eben die Polen über den Kopf wachsen lassen und wird sie erst dann richtig einschätzen, wenn es zu spät ist. — In Betreff de« Deutschen Juristen tages 1V02 hat dieser Tage unter dem Vorsitz des Reich«baiikpräsirenlen eine Zusammenkunft fämmtlicher Ausschüsse, die dis dalnn mehrere Wochen getagt haben, um ihre Aufgabe zu ersüllcn, stattgesunden. Die Beschlüsse sollen demnächst veröffentlicht werben. Der Juristentag wird bekanntlich laut Beschluß der ständigen Deputation in Berlin am 10, 11. und 12. Sep tember 1902 abgehalten. Die Anmeldungen liegen bereits in reicher Zahl vor. — Eine von der Ortsgruppe Berlin der „allgemeinen Vereinigung deutscher Buch Handlungsge hilfen" am Dienstag Abend abgehaltcne öffentliche Versammlung beschäftigte sich mit der Einführung völliger Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. Der Referent, Re- dacteur Hildebrand, gab ein umfassendes Bild von dem Wirrwarr der polizeilichen und ortsstatutartschen Ver ordnungen, aus dem hervorging, daß die Absicht des Ge setzgebers, den Gemeinden die Möglichkeit zu einer um- fallenderen Durchführung der Sonntagsruhe im Jntereff« der Angestellten an die Hand zu geben, wie sie die Ge-
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