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488 Viertes Hauptstück. Hier sei gestattet, noch schliesslich auf ein glänzendes Bild aus Ovids Meta morphosen hinzuweisen, von dem ich nicht weiss, ob es schon mit unserem Gegen stände in Bezug gesetzt worden ist. In Metam. X. 591 heisst es nämlich von der im raschen Wettlaufe erhitzten Atalanta: .... Cursus facit ipse decorem. Aura refert oblata citis talaria plantis Tergaque jactantur crines per eburnea, quaeque Poplitibus suberant picto genualia limbo; Inque puellari corpus candore ruborem Tiaxerat haud aliter, quam cum super atria velum Candida purpureum simulatas inficit umbras. So färbten die Römer selbst das, was sie weiss liessen, mit durchscheinendem Purpurlichte; das Weiss ist ihnen in diesem Falle, wie auch bei der gefärbten politio die überall nothwendige Grundlage des Kolorits, die ihren candor mit letzterem keines wegs einbüsst. Dieses Bild des Ovid ist wieder, wie die vorhercitirten des Lukian, gleichsam in die antike Polychromie getaucht, die Form ist mit tiefeindringenden trans parenten Farben gesättigt, Form und Farbe ist Eins. Nur der Schmuck, der ornatus, hier das Haupthaar, die talaria und die genualia, mit dem gemalten oder gestickten limbus, lösen sich noch von der Lokalfarbe besonders ab und sind emaillirt, enkaustisch gemalt: sie sind die operosa et picturae in modum variata circumlitio des Seneka. — Es lässt sich kaum bezweifeln, dass dem Dichter bei seinem Bilde irgend eine poly chrome Atalanta, das damals allgekannte Werk eines berühmten Bildhauers, vor schwebte. 1 ' Die Akten über die polychrome Frage sind noch nicht als geschlossen zu betrachten, und somit ist jeder Beitrag, der sie betrifft, zu berücksichtigen; ich über gebe daher hier zum Schluss noch einen Brief der Oeffentlichkeit, den Schinkel an mich richtete, als ich ihm meine erste Broschüre über den hier verhandelten Gegen stand geschickt hatte. An und für sich ist schon Alles, was berühmte Männer über ihr Fach äusserten, der Aufzeichnung werth, und dieser Brief gewiss um so mehr, als er des grossen Architekten eigene Ueberzeugungen über die streitige Frage ausspricht und gleichsam das Prognostikon ihres nächsten Schicksales enthält. Als zweite Zugabe folgt eine von dem Chemiker Wilhelm Semper, dem Bruder des Verfassers, bereits im Jahre 1834 veranstaltete qualitative Analyse von Farben überresten, entnommen von einem Stücke Plafond vom Theseustempel, das, in die christliche Nische dieses Tempels eingemauert und so Jahrhunderte lang geschützt, einen Theil seiner Farben sehr frisch erhalten hatte; sowie von einem Stück des Ueberzugs der Trajanssäule, das der Verfasser ablöste und mit nach Deutschland brachte. Sie liefert einen interessanten Beitrag zu den sonstigen bereits bekannt gemachten Untersuchungen der Chemiker über antike Farben. 1 Kugler wird mich auch hier wieder des Hineinlegens in die Worte des Textes beschuldigen. — Immerhin! Ich mache ihm den entgegengesetzten Vorwurf.