Volltext Seite (XML)
60 Seidenraupe und S c li in e 11 e r 1 i n g. Die Seidenraupe, welche sieh von den Blättern des weissen Maulbeerbaumes (Morus alba) ernährt, lebt ungefähr 30 Tage, häutet sich während dieser Zeit viermal, wird 75—90 mm lang und vermehrt ihr Gewicht auf das 4—6000-fache desjenigen, welches sie heim Auskrieehen aus dem Eie hatte. — Während der Lebenszeit der Raupe füllen sich zwei lange Spinngefässe (Spinndrüsen) mit einem klaren, durchsichtigen Safte von der Consistenz des Honigs. Diesen Saft treibt die Raupe durch zwei unter dem Munde befindliche Dehnungen in Gestalt zweier zarten Fäden aus und verbindet sie beim Austritte zu einem einzigen, an der Luft schnell erhärtenden Faden. Von diesem Doppelfaden bildet sie um sich her zunächst ein lockeres, gröberes, durchsichtiges Gespinst (die Flock- oder Florettseide) und dann innerhalb desselben eine dichte Hülle, den C o c o n (die Gallette) von eiförmiger oder mehr walzen- oder nierenförmiger Gestalt von 3o—35 mm Länge und 20—25 «mm Durchmesser. Die Länge des das ganze Gespinst bildenden ladens beträgt etwa 3700 m, allein die hievon durch blosse Abhaspe- lung zu gewinnende Länge beträgt nur 300—900 m, Fs ist nämlich weder die äussere umhüllende Flockseide noch die innerste perga- mentartige Schicht auf dem Wege des einfachen Haspelprocesses zu gewinnen. — Im Cocon wandelt sich die Raupe zur etwa 24 mm langen und 9 mm dicken Puppe um, indem sie ihre Haut abstreift. Aus der Puppe entwickelt sich schliesslich der Schmetterling, der sclnnutzig-weisse Seidenspinner, der kurze Zeit nach stattgehabter Umwandlung (etwa nach 2—3 Wochen) durch eine selbstgebohrte Oeffnung am spitzen Coconende — nachdem er zuvor die Faden windungen durch einen ausgespritzten Saft erweicht hat — aus- schltipft, um sich sofort helmfs Erhaltung der Gattung zu paaren. Die Weibchen legen hierauf die Fier (die anfangs gelblich sind und später blaugrau werden), worauf beide Geschlechter absterben. Chemische Beschaffenheit. Die Seide besteht infolge ihrer eigenartigen Entstehungsart aus einer schwefelfreien, albumin- artigen Substanz, dem F i b r o t n (Seidensubstanz) und einem Ueber- zuge, einer Schale von Sericin (Seidenleim), der im trockenen Zustande spröde ist, leicht Querrisse bekommt und stellenweise auch abspringt. — Der Seidenleim (bestehend aus Albumin-, Fett-, Harz-, Wachs- und farbigen Substanzen), welcher bis 35% des Gesammt- gewichtes ausmacht, enthält hei farbigen Seiden auch-' den Farbstoff und ist Ursache, dass die Seide im rohen Zustande rauh, hart und steif ist. Sie verliert aber diese unwillkommene Eigenschaft und wird