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452 V. Abschnitt. des Verfahrens kommen vor. So z. B. pflegen manche die Seide vor dem Kochen in zwei oder gar drei nacheinander folgenden heissen (nicht kochenden) Seifenbädern zu behandeln. Die Beschaffenheit der Seide und der Zweck, zu welchem sie bestimmt ist, müssen berücksichtigt werden. Oft wird die Seide durch Anwendung einer geringeren Menge Seife und kürzeres Kochen absichtlich unvollkommen entschält (halbgekoehte Seide, soie mi-cuite); so ist namentlich bei fast aller Seide, welche in dunklen Farben gefärbt wird, ein geringerer Grad des Kochens hin reichend. Zu lange fortgesetztes Kochen ist jedenfalls sehr nachteilig, indem es die Seide glanzlos und rauh macht und ihre Festigkeit ver mindert, weil nebst dem Leime auch aller Eiweissstoff aufgelöst wird, von dem bei richtiger Behandlung ein Teil in der Seide Zurückbleiben soll. Vielleicht wird aber bei zu starkem Kochen auch die Seidenfaser selbst angegriffen. Durch das Kochen (einschliesslich des vorbereitenden Entschälens ohne Kochhitze) erleidet gute Seide einen Gewichtverlust von etwa 27 Hundertt., wenn man das aus der Kondition (S. 450) hervor gegangene Gewicht zu Grunde legt; bei französischer Seide sind 25, bei chinesischer 30 bis 31°/ 0 als Durchschnitt anzunehmen. Entschälen und Kochen verursachen wegen des bedeutenden Aufwandes an reiner Seife grosse Kosten. Um diese zu vermindern, ist von Fortier und Philipp vorgeschlagen worden, die Seide zunächst in Wasser, dem 25 bis 30% des Gewichtes der Seide an Ammoniak zugesetzt worden sind, in einem ver schlossenen Gelass bei 80 bis 90° eine Stunde lang einzuweichen und dann V2 bis 1 Stunde bei 100° zu behandeln. Ein hierauf kochend angewendetes Seifenbad soll den Glanz hervorrufen. Man erspart durch dieses Verfahren eine Seifenlösung. Die Seife soll vollständig erspart werden können, wenn man Leinsamenmehl (0,5 bis 0,6 hg auf 100? Wasser) und krystallisierte Soda (15 bis 20% vom Gewicht der Seide) an wendet. Das Leinsamenmehl wird mit einem. Teile des Wassers eine halbe Stunde lang gekocht, der so gewonnene Schleim dann mit dem übrigen Wasser und der Soda in den Kessel gegeben 1 ). In der gekochten Seide sind die einzelnen Kokonfäden wieder voll ständig voneinander getrennt und der Faden erscheint daher lockerer, gleichsam aufgequollen. Die gelbe Seide ist nach dem unvollkommenen Kochen weiss und kann in beliebigen, selbst hellen Farben gefärbt werden. Derjenigen Seide aber, welche weiss verarbeitet werden soll, giebt man die blendendste Weisse durch Schwefeln (mittels flüssiger schwefliger Säure oder mittels des in einer Schwefelkammer aus brennendem Schwefel entwickelten Gases); und oft schwefelt man auch die Seide, welche mit Indig oder Cochenille gefärbt werden soll. Jedenfalls muss auf das Schwefeln ein sehr sorgfältiges Ausspülen in reinem Wasser folgen (Ent- schwefeln), um alle Spuren der schwefligen Säure zu entfernen. Der weissen Seide erteilt man einen bläulichen oder rötlichen Schimmer, in dem man sie durch Wasser mit etwas Indigauflösung versetzt, oder durch erhitztes schwaches Seifenwasser mit einer kleinen Beimischung von Or leans zieht. Das auf letztere Art erzeugte rötliche Weiss heisst Chi nesisch Weiss (blanc de Chine). Seide, welche ungekocht, und zwar weiss oder in hellen Farben gefärbt, zur Verarbeitung kommt, muss von Natur völlig weiss sein. Man reinigt sie- ») D. p. J. 1865, 176, 324.