Volltext Seite (XML)
V. Abschnitt. Seiden- Spinnerei 1 ). / 1. Gewinnung und Eigenschaften der Seide. Die Seide (soie, silk) ist der glänzende, feine, aber verhältnis mässig sehr feste Faden (S. 28), welchen die Seidenraupe (der Seiden wurm, ver ä soie, im südlichen Frankreich magnan, silk moth, silk worm, die Raupe eines zu den Nachtfaltern gehörigen Schmetterlings, des Seidenspinners oder Maulbeerspinners, Bombyx mori) erzeugt, indem sie sich zur Verpuppung einspinnt. Der Schmetterling ist von schmutzigweisser Farbe. Aus den bläulichgrauen, fast wie Mohnsamen aussehenden Eiern desselben (welche man zuweilen fälschlich Samen, ge wöhnlich aber Grains, grains, graines, seed, grains, nennt) kriechen, wenn sie durch die natürliche Luftwärme oder mit Hilfe künstlicher Er wärmung ausgebrütet werden, braune Räupchen, deren eigentliche, noch durch keinen anderen Stoff hinlänglich ersetzte Nahrung die Blätter des — in vielen Spielarten vorkommenden — weissen Maulbeerbaumes (Morus alba) sind. Die Raupen verlangen zu ihrem Gedeihen einen Wärmegrad von wenigstens 19° C., welcher aber ohne Schaden auch his 37 C. steigen kann; wachsen ungefähr 30 Tage, werfen während dieser Zeit viermal ihre Haut ab, nehmen dabei nach und nach eine weisse oder bräunlichgraue Farbe an, werden bis gegen 75 und selbst 90 mm lang, und vermehren ihr Gewicht auf das Vier- bis Sechstausendfache des jenigen, welches sie beim Hervorkommen aus den Eiern haben (3 bis 5 ausgewachsene Raupen wiegen zusammen 15 g). Der Körper der Raupe enthält zwei lange Spinngefässe, welche einen grossen Teil desselben ein nehmen und mit einem Safte von der Dicklichkeit des Honigs angefüllt sind. Nach Vollendung ihres Wachstums treibt die Raupe durch zwei unter ihrem Munde befindliche feine Öffnungen diesen Saft in Gestalt zweier zarter Fäden aus, und verbindet diese beim Austritte zu einem einzigen Faden, welcher an der Luft schnell erhärtet 2 ). Von diesem *) Prechtl, Technolog. Encyklopädie, Bd. XIV, S. 294. — K armarsch- Heeren, Techn. Wörterbuch, 3. Aufl., Bd. VIII. Prag 1885, S. 123 bis 155. — Das Seidenmanufakturwesen. Weimar 1841 (Band 116 des Neuen Schauplatzes der Künste und Handwerke). 2 ) Über die Bildung der Seide vergl. v. Ilöhnel, Zentralorgan für Waren kunde und Techn. 1891, S. 98.