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20 I. Abschnitt. solange dieselben in Umdrehung verharren. Bringt man aber in der Nähe dieses ersten Walzenpaares ein zweites, gleich gebautes an, dessen Umkreis sich schneller bewegt, als jener des ersten Paares; und lässt man den aus diesem hervorgehenden Faden sogleich zwischen die Walzen des zweiten Paares eintreten: so schafft das letztere mehr Faden fort, als es empfängt. Diese Wirkung kann nur dadurch stattfinden, dass die Fasern, aus welchen der Faden besteht, sich während des Überganges vom ersten zum zweiten Walzenpaare zwischen einander herausziehen, folglich der Faden länger und feiner wird. Dabei ist übrigens voraus gesetzt: 1) eine solche Lockerheit (namentlich so schwache Drehung) des Vorgespinstes, dass es die Ausdehnung erträgt ohne abzureissen; 2) eine solche Entfernung des ersten Walzenpaares vom zweiten, dass selbst die längsten vorhandenen Fasern nie zugleich von beiden Paaren gefasst sind, weil sie sonst abreissen müssten. (Hiervon kommt jedoch eine Ausnahme in der Flachsspinnerei vor). Gewöhnlich bringt man noch ein drittes Paar Walzen an, welches den Faden von dem zweiten empfängt, noch schneller als dieses sich umdreht, und folglich den Faden noch stärker streckt und verfeinert. Manchmal besteht das Streckwerk sogar aus vier Paar Walzen. Die untere Walze eines jeden Paares ist in der ltegel von Eisen und, um den Faden besser zu fassen, mit Längenkerben (Riffeln) versehen: Riffelwalze, Unterwalze (cylindre cannele, fluted roller); die obere besteht aus Eisen oder Holz, ist gewöhnlich mit Tuch und Leder bekleidet (um eine weiche, elastische Oberfläche zu erhalten), und auf sie wirkt unmittelbar der Druck der Feder oder des Gewichts: Druckwalze, Oberwalze, Lederwalze (cylindre de pression, presser, pressing roller). Die Riffelwalzen allein erhalten durch Räderwerk eine selbständige Umdrehung; die Druckwalzen, welche manchmal bedeutend grösser sind als jene, gehen nur vermöge der Reibung ihres Umkreises an den Riffelwalzen mit herum. Setzt man allgemein die Durchmesser der ersten, zweiten und dritten Riflelwalze = d', d“, d‘"\ die Anzahl von Umdrehungen, welche sie in 1 Minute machen, = u‘, u", u“‘: so ist d‘ . tz . u' die Länge des in 1 Minute verarbeiteten Vorgespinstes; d"‘. tz . u“‘ die Länge des daraus entstehenden Garnfadens; und d“‘ . tz . u“‘ _ d‘“ . u"^_ d' . rc . u‘ d‘ . u‘ der Faktor, welcher die Grösse der stattfindenden Streckung ausdrückt. Die Grösse und die Geschwindigkeit des mittleren Walzenpaares d“ kommen hierbei zwar nicht in Rechnung, weil sie auf das Endergebnis keinen Einfluss haben; sie müssen aber nichtsdestoweniger nach gewissen Erfahrungsregeln bestimmt werden, und sind keineswegs willkürlich; indem es am zweckmässigsten ist, den grössten Teil der gesamten Streckung zwischen dem zweiten und dritten Walzenpaare stattfinden zu lassen, sodass die Umfangsgeschwindigkeit des mittlern Paares viel weniger von der des ersten, als von jener des dritten verschieden ist. Für die Berechnung der Fadenlänge aus dem Walzenumfange ist zu be rücksichtigen, dass der Faden sich mehr oder minder in die Riffeln hineindrückt,