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Jute. — Gewinnung. Eigenschaften. 299 Über die Abstammung und das mikroskopische Aussehen der Jutefaser ist schon auf S. 217 das Nötigste gegeben. Die Jutepflanze, der Familie der Tiliaceen angehörend, ist einjährig; die Aussaat (15 bis 23 hg auf 1 ha) erfolgt im April oder Mai, die Ernte im August. Der Hauptgewinnungsort ist Britisch-Indien mit dem Ausfuhrhafen Kalkutta. Die Gewinnung der verspinnbaren Bastfaser besteht darin, dass die zur Zeit der Blüte 1 ) dicht über dem Boden mit der Sichel abgeschnittenen Pflanzenstengel dem Röstverfahren (S. 224) unterworfen werden. Nach der beendeten Wasser röste, welche im Heimatlande der Pflanze nur 8 bis 10 Tage dauert, werden die Bastfasern von den Stengeln mit der Hand abgezogen, im Wasser abge schwenkt und gereinigt und dann an der Luft getrocknet, womit die Zube reitung des Faserstoffes beendet ist. Die so gewonnene Faser wird durch Händler aufgekauft, nach Kalkutta gebracht, dort in die einzelnen Marken geschieden und schliesslich mit Hilfe von Druckwasser-Pressen in Ballen von 400 Pfd. (182 hg) verpackt und verschifft (für Europa besonders nach London und Dundee, in neuerer Zeit aber auch nach Bremen und Hamburg). 5 Ballen nehmen etwa 1,5 cbm Schiflsfracht- Raum ein. ... In Indien unterscheidet man im allgemeinen die Rohjute nach den Gegenden, aus denen sie stammt; in absteigender Linie folgen z. B. Serajgunge, Nerajgunge, Dacca, Daisee oder Crown (Kronjute), Dowrah-Jute, Rejections, Cuttings; letzteres sind die von den geringen Sorten abgeschnittenen Wurzel enden, welche namentlich in der Papierherstellung Verwendung finden, aber auch in Amerika zu Schussgarnen der geringen Baumwollen-Packtücher (cotton baggings) verarbeitet werden. Die mit dem Einkäufe beschäftigten Häuser in Kalkutta haben nun wieder ihre besonderen Bezeichnungen und Marken für die gesonderten Jutesorten, die wiederum je nach der Länge und Feinheit der Faser in Unterabteilungen ge schieden werden 2 ), in ähnlicher Weise wie bei Baumwolle (S. 53). In den Spinnereien selbst wird natürlich die Jute je nach ihrer Verwend barkeit weiter geschieden. Eigenschaften der Jutefaser, nach denen ihre Verwendbarkeit zum Spinnen beurteilt wird, sind: die Farbe, der Glanz, die Weichheit, Teilbarkeit, Feinheit, Festigkeit, Gleichmässigkeit, Reinheit und Länge. Die besten Jutesorten sind hell, weisslich gelb, manchmal auch silbergrau von Farbe, sie haben einen hohen seidenartigen Glanz, zeigen beim Aiifühlen eine angenehme Weichheit und Glätte; die Feinheit der einzelnen lasern ist gross, und lassen sich die Faserstreifen leicht zwischen den Fingern weiter zerteilen. Die Festigkeit 3 ) wird behufs Abschätzung geprüft, indem man ein dünnes Faserbündel um die Finger der einen Hand wickelt, während man mit der anderen Hand etwa 8 bis 10 cm entfernt anfasst und nun mit einem kurzen, kräftigen Ruck das Faserbtindelchen zu zerreissen sucht. Die Wurzelenden haben in der Regel eine andere, dunklere Färbung und matteren Glanz als die mittleren (edleren) Teile und die Spitzen. Bei den besseren Jutesorten dürfen sich dieselben aber nicht wesentlich von den oberen Faserteilen unterscheiden, d. h. die einzelnen Risten müssen auf ihrer ganzen Länge möglichst dieselben ') Zur Zeit der Blüte sind die Bastfasern noch geschmeidiger und noch nicht so stark verholzt, als zur Zeit der Reife. a ) Näheres hierüber vergl. man in Pfuhl, a. a. 0., S. 67 bis 70, und List of marhs and assortiments of Jute, Jute cuttings and rejections, welche jähr lich von Ernsthausen & Comp, in Kalkutta herausgegeben wird. Bei den Preisangaben, welche immer für 1 Tonne engl, erfolgt, ist cif eine Abkürzung für cost, insurance, freight, und bedeutet also Preis einschliess lich Versicherung und Fracht. ■ r>r n m. • 3 ) Sehr eingehende Untersuchungen findet man mitgeteilt m Fluni, rnysi- kalische Eigenschaften der Jute, Berlin 1888; Sonderabdruck aus der Festschrift der polyt. Schule zu Riga zur Feier ihres 25jährigen Bestehens.