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Flachs. — Rotten. Brechen. 229 e) Heisswasserrotte, Dampfrotte und Verbindungen beider. — Die früher in England gemachten Versuche, den Zweck des Rottens mittels sehr heissen Wassers binnen 4 Stunden (angeblich) 1 ), oder auch Behandlung des Flachses mit Wasserdampf (Dampfrotte) in 12 bis 18 Stunden 2 ) zu erreichen, haben zu keinem praktisch vorteilhaften Ergebnis geführt, obschon es nicht an rühmenden Berichten darüber gefehlt hat. In neuerer Zeit hat man derartige Versuche wieder aufgenommen 3 ) und die beiden Rottverfahren nacheinander angewendet, um die Auslaugung des Pektins zu vermeiden. f) Rotte mit verdünnter Schwefelsäure. — Der bei der gewöhn lichen Wasserrotte eintretende sehr lästige Gestank ist gänzlich zu vermeiden, wenn man dem Wasser V 4 Hundertt, (V 40 o seines Gewichtes) konzentrierte Schwefelsäure zusetzt. In diesem Bade wird der Rohflachs 5 bis 7 Tage lang eingeweicht, worauf ein sorgfältiges Spülen in reinem Wasser folgen muss, um jede Spur von Säure zu entfernen, die sonst unzweifelhaft die Faser an greifen würde. Das Verfahren ist nur für einen genau geregelten Betrieb durch wohl eingeübte und umsichtige Personen anzuraten, hingegen in den Händen des einfachen Landmanns unpraktisch, weil eine kleine Nachlässigkeit sich sogleich viel schwerer rächt, als bei der üblichen Wasserrotte. Als weitere Mittel, die Fasern zu trennen, sind die Mittel vorgeschlagen worden, welche bei der Zellstoffgewinnung für Papierhalbzeug (vergl. dieses) Anwendung finden, so Kochen in alkalischer Lauge mit und ohne Zusatz von Seife, Sulfite u. s. w. 4 ), Chlor oder Salzsäure 5 ), ferner Pepsin- oder Pankreas haltiges Wasser 6 ) u. s. f. Die Frage, ob es denn nicht möglich ist, die Flachsfaser ohne Röste von den Stengeln abzuscheiden, ist wohl fast so alt, wie die Flachsgewinnung überhaupt. Scheinbar ist diese Frage auch im bejahenden Sinne gelöst, denn man hat die Fasern in der That abgeschieden, doch ist es nicht gelungen, jene Stoffe aus der Faser zu entfernen, welche Veranlassung zu einer Gährung sein können. Die Flachsfaser, welche auf nur mechanischem Wege vom Stengel abgeschieden wurde, ist ferner rauher und härter und lässt sich nicht so fein verspinnen, wie jene durch Gährung gewonnene. Bei der geringsten Veran lassung aber geht dieser Flachs nachträglich noch in Gährung über. Leinwand aus solchem Flachsgarn hergestellt, verliert bei dem Kochen mit Laugen und dem Bleichen naturgemäss so erheblich an Gewicht, Dichtigkeit und Festigkeit, dass sie wesentlich wertloser wird 7 ). Die Versuche, die natürlichen Rottverfahren (S. 224) zu verdrängen, haben bis jetzt zu einem verlockenden Ergebnis nicht geführt. 2) Das Brechen mit seinen Vor- und Nebenarbeiten. а) Der gerottete Flachs (Rotteflachs, Rösteflachs) zeigt sich in mehreren Hinsichten verschieden vom Rohflachse. Vor allem hat durch die Rotte der holzige Kern der Leinstengel seine natürliche Zähigkeit verloren und ist mürbe geworden, sodass er sich leicht in kleine Teile zerbrechen lässt, welche dann teils von selbst abfallen, teils ohne grosse ') D. p. J. 1854, 133, 59. — Polyt. Centralbl. 1854, S. 536. 2 ) D. p- J. 1854, 133, 54. — Polyt. Centralbl. 1854, S. 353, 1050. — Kunst- und Gewerbeblatt 1854, S. 273. — Brevets 1844, T. 28, p. 28. s ) Le Gdnie Civil, T. X, p. 303 m. Abb. — Textile Manuf. 1887, S. 223. — Scient. Americ. 1887, S. 168. — D. p. J. 1888, 269, 262 m. Abb. 4 ) Verh. d. Gewerbfleissvereins 1884, S. 192; ebenda Sitzungsberichte S. 172. б ) D. p. J. 1885, 255, 175.