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222 III. Abschnitt. den Tisch und Herausziehen der langen Stengel) erfolgen, da sich die- gleichlangen Sorten besser und vorteilhafter einzeln als ungesondert ver wenden lassen. Da die Rinde oder Oberhaut der Leinstengel so dünn und unbe deutend ist, dass sie während der Bearbeitung ohne weiteres zerstört wird; die Wurzeln aber bei der ersten mechanischen Behandlung (dem Brechen) gänzlich abfallen: so kommen ferner nur zwei wesentliche Teile in Betracht, nämlich der holzige Kern (boon) und der Bast (Herder, filasse, harl, lint), welcher letztere den ersteren als eine aus gleich laufenden Längenfasern zusammengesetzte Röhre umschliesst. Die Fasern des Bastes hängen im rohen Zustande zwar ziemlich lose am Holze, aber bedeutend fest miteinander selbst zusammen, indem sie durch einen Pflanzenleim von grün- oder gelbbräunlicher Farbe gleichsam zusammen geleimt erscheinen. Die geriffelten, übrigens aber noch ganz rohen Leinstengel vermindern durch völliges Austrocknen an der warmen Luft ihr Gewicht um 50 bis 70 Hundertt. durch Verdunstung des in ihnen enthaltenen Saftes, welcher desto beträchtlicher ist, je weiter die Pflanze beim Ausziehen von der vollendeten Reife entfernt war, und je weniger dick und holzig die Stengel sind. Im lufttrockenen Zustande (als sogenannter Rohflachs, Stroh flachs, Flachsstroh, Flachs im Stroh, lin en paille, lin en bois, lin en chaume, paille de lin, flax Strato) enthalten die Stengel 73 bis 80 Hundertt. ihres Gewichtes Holz, also 20 bis 27 Hundertt. Bast. Das Holz besteht durchschnittlich aus 69 Hundertt. eigentlicher Holzfaser, 12 Hundertt. im Wasser auflöslicher Stoffe und 19 Hundertt. solcher Stoffe, die wohl durch alkalische Laugen, aber nicht durch reines Wasser aufgelöst und herausgezogen werden können. In dem Baste befinden sich durchschnittlich 58 Hundertt. reine Faser, 25 Hundertt. im Wasser auflösliche Teile (Schleim und ausziehbare Stoffe) und 17 Hundertt. eines im Wasser unauflöslichen, grösstenteils pflanzenleimartigen Stoffes, welcher von alkalischer Lauge aufgelöst wird. Aus dieser Zusammensetzung er klärt sieh genügend die Erscheinung, dass durch Behandlung des Bastes mit (kaltem oder heissem) Wasser die Fasern nicht voneinander getrennt und in den zum Spinnen nötigen Zustand der Zerteilung versetzt werden können, obwohl das angewendete Wasser sich stark braun färbt. Durch alkalische Lauge oder (wiewohl langsamer) durch Seife würde man dieses Ziel erreichen, weil dadurch der als Vereinigungsmittel wirkende Pflanzen leim zu entfernen wäre; allein ein solches Verfahren ist zur Ausführung im grossen untauglich. Auf rein mechanischem Wege, durch Drücken, Klopfen, Reiben u. s. w. kann die erwähnte Zerteilung erreicht werden, aber nur mit unverhältnismässig grossem Zeitaufwände und erst, nach dem viele Fasern zerrissen sind. Alle die eben angedeuteten Verfahrungs- arten bieten demnach keinen vorteilhaften Weg dar, um den Bast in feine spinnbare Faser zu verwandeln. Die Methode, durch welche man von jeher, und noch jetzt allgemein, diesen Zweck erreicht, beruht auf der Verbindung einer chemischen Behandlung der Stengel mit nachfolgender mechanischer Bearbeitung. Durch erstere (das Rotten) wird der die Fasern vereinigende Pflanzenleim des Bastes mittels einer zweckmässig